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Regeste

Diese Zusammenfassung existiert nur auf Französisch.

SUISSE: Art. 3 CEDH. Evaluation insuffisante des risques en cas de renvoi d'un homosexuel en Gambie.
L'orientation sexuelle d'une personne constitue un élément essentiel de son identité et personne ne devrait se voir contraint de la dissimuler pour éviter des persécutions. Selon la Cour, les autorités suisses n'ont pas correctement apprécié les risques auxquels le requérant serait exposé en cas de renvoi en Gambie. De plus, elles n'ont pas cherché à déterminer si l'Etat gambien le protégerait contre des mauvais traitements infligés par des acteurs non étatiques en raison de son orientation sexuelle (ch. 54-63).
Conclusion: violation de l'art. 3 CEDH en cas de renvoi.
N.B. Affaire phare.

Inhaltsangabe des BJ


(4. Quartalsbericht 2020)

Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (Art. 3 EMRK); Beurteilung der Risiken, denen ein Homosexueller bei einer Wegweisung nach Gambia ausgesetzt wäre

Die beiden Beschwerdeführer sind gambische bzw. schweizerische Staatsangehörige. Sie wohnten bis zum Tod des zweiten Beschwerdeführers gemeinsam in der Schweiz und lebten in eingetragener Partnerschaft. Das Asylgesuch des ersten Beschwerdeführers war abgelehnt worden, da die Schweizer Behörden seine Behauptungen, er sei misshandelt worden, nicht für glaubwürdig befunden hatten. Der zweite Beschwerdeführer stellte ein Gesuch um Familiennachzug betreffend den ersten Beschwerdeführer, das jedoch abgelehnt wurde. Im Beschwerdeverfahren lehnte das Justiz- und Polizeidepartement das Gesuch des ersten Beschwerdeführers auf ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz während des Familiennachzugsverfahrens ab. Das Bundesgericht hat diesen Entscheid namentlich unter Berücksichtigung der Vorstrafen des Betroffenen und der von ihm im Gefängnis verbrachten Zeit letztinstanzlich bestätigt. Der erste Beschwerdeführer blieb jedoch für die Dauer des Familiennachzugsverfahrens in der Schweiz, nachdem der Gerichtshof eine vorläufige Massnahme erlassen hatte. Das Bundesgericht bestätigte daraufhin den Entscheid, das Gesuch um Familiennachzug abzulehnen. Es vertrat die Auffassung, dass der erste Beschwerdeführer in Gambia über ein familiäres Netzwerk verfügt, auf das er sich stützen kann, und dass sich die Bedingungen für Homosexuelle in diesem Land verbessert haben. Es war der Ansicht, dass weder die gambischen Behörden noch die Öffentlichkeit von der sexuellen Orientierung des ersten Beschwerdeführers wüssten. Unter Verweis auf seine Vorstrafen fügte es hinzu, dass er in der Schweiz nicht gut integriert sei. Es kam zum Schluss, dass ein «erhebliches öffentliches Interesse» an der Fernhaltung des ersten Beschwerdeführers bestehe und dass der Eingriff in seine Rechte gerechtfertigt sei. Unter Berufung auf Artikel 3 EMRK machte der erste Beschwerdeführer geltend, dass seine Wegweisung nach Gambia ihn der Gefahr von Misshandlungen aussetzen würde. In Bezug auf Artikel 8 EMRK machten die beiden Beschwerdeführer geltend, dass die Wegweisung des ersten Beschwerdeführers ihr Recht auf Achtung des Familienlebens verletzen würde. In Bezug auf Artikel 3 EMRK befand der Gerichtshof, dass die Strafbarkeit homosexueller Praktiken nicht ausreicht, um eine Wegweisungsverfügung als konventionswidrig anzusehen. Er vertrat jedoch die Auffassung, dass die Schweizer Behörden die Gefahr von Misshandlungen, der der erste Beschwerdeführer aufgrund seiner Homosexualität bei einer Wegweisung nach Gambia ausgesetzt wäre, nicht richtig eingeschätzt hätten und dass sie nicht ausreichend geprüft hätten, ob der Staat ihn vor solchen Handlungen durch nichtstaatliche Akteure schützen würde. Nach Angaben mehrerer unabhängiger Stellen gewähren die Behörden in Gambia LGBTI-Personen keinen Schutz. In Bezug auf Artikel 8 EMRK befand der Gerichtshof, dass die Frage der räumlichen Trennung der beiden Beschwerdeführer angesichts des Todes des zweiten Beschwerdeführers nicht mehr relevant war und dass es daher nicht erforderlich war, die Rügen nach diesem Artikel getrennt zu prüfen. Der Gerichtshof befand ferner, dass die Massnahme, die er der Regierung gestützt Artikel 39 seiner Verfahrungsordnung bezeichnet hatte, bis zur Rechtskraft seines Urteils in Kraft bleiben sollte. Verletzung von Artikel 3 EMRK im Fall einer Wegweisung des ersten Beschwerdeführers nach Gambia gestützt auf die ihn betreffenden Verfügungen der nationalen Behörden (einstimmig).

Inhalt

Ganzes EMRK Urteil
Regeste (deutsch)

Referenzen

Artikel: Art. 3 CEDH