4A_177/2013 29.05.2013
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
4A_177/2013  
   
   
 
 
 
 
Urteil vom 29. Mai 2013  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichter Corboz, Bundesrichterin Kiss, 
Gerichtsschreiber Kölz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________ AG, 
2.  B.________ AG,  
beide vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Beat Schmid und Fernando Willisch, 
Beschwerdeführerinnen, 
 
gegen  
 
1. X.________ AG, 
2.  Y.________ SA,  
beide vertreten durch Advokaten 
Dr. Richard Steiner und Marco Eyer, 
 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
vorsorgliche Beweisführung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, I. zivilrechtliche Abteilung, 
vom 7. März 2013. 
 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Am 20. Juli 2012 ersuchten die X.________ AG und die Y.________ SA (Beschwerdegegnerinnen) das Bezirksgericht Brig, Östlich-Raron und Goms, um vorsorgliche Beweisaufnahme, konkret um die Anordnung einer Expertise betreffend einen Spülvorgang in den Jahren 2010 und 2012 beim Stausee Gebidem und die Abführung von Sedimentstoffen in die Rhone durch Anlagen der A.________ AG bzw. der B.________ AG (Beschwerdeführerinnen). 
 
 Mit Verfügung vom 1. Februar 2013 hiess der Bezirksrichter das Gesuch gut. Er setzte den Parteien Frist, um dem Gericht neue oder ergänzte Fragen zuhanden des Experten einzureichen. Sodann ordnete er an, dass das Dossier nach Eingang der Expertenfragen zur Sichtung an Prof. Dr. Robert Boes, Direktor der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich, übersandt werde. Über die Einsetzung des Experten werde später entschieden. 
 
B.  
 
 Gegen diese Verfügung erhoben die Beschwerdeführerinnen Beschwerde beim Kantonsgericht des Kantons Wallis. Ihr Rechtsbegehren in der Sache lautete wie folgt: 
"Die vorliegende Beschwerde ist gutzuheissen." 
Mit Urteil vom 7. März 2013 nahm das Kantonsgericht das Rechtsmittel als Berufung entgegen und trat - mangels rechtsgenüglicher Anträge - darauf nicht ein. 
 
C.  
 
 Die Beschwerdeführerinnen beantragen mit Beschwerde in Zivilsachen, eventuell subsidiärer Verfassungsbeschwerde, das Urteil des Kantonsgerichts vom 7. März 2013 in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und das Gesuch der Beschwerdegegnerinnen vom 20. Juli 2012 betreffend vorsorgliche Beweisführung abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur Sachverhaltsergänzung bzw. Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 Die Beschwerdegegnerinnen beantragen, die Beschwerde abzuweisen, sofern darauf einzutreten sei. Die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung. 
 
 Mit Präsidialverfügung vom 13. Mai 2013 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt. 
 
 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit bei ihm eingereichter Beschwerden vom Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 138 III 41 E. 1; 137 III 417 E. 1). 
 
1.1. Das vorliegende Verfahren betrifft ein Gesuch um vorsorgliche Beweisführung, auf das die Bestimmungen über die vorsorglichen Massnahmen Anwendung finden (Art. 158 Abs. 2 ZPO). Massnahmeentscheide gelten nur dann als Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG, wenn sie in einem eigenständigen Verfahren ergehen und dieses abschliessen (BGE 138 III 46 E. 1.1 S. 46 mit Hinweisen). Das angefochtene Urteil erging in einem Gesuchsverfahren betreffend vorsorgliche Beweisführung, das von der Einleitung eines Hauptverfahrens unabhängig und damit eigenständig ist. Entscheide, mit denen ein Gesuch um vorsorgliche Beweisführung im Rahmen eines eigenständigen Verfahrens abgewiesen werden, gelten als Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG (BGE 138 III 76 E. 1.2; 138 III 46 E. 1.1 S. 46). Demgegenüber beenden Entscheide, mit denen ein Gesuch um vorsorgliche Beweisführung gutgeheissen und eine Beweisabnahme angeordnet wird, das Verfahren noch nicht; dieses nimmt vielmehr seinen Fortgang, bis der Beweis erhoben ist. So bildet namentlich der Entscheid, mit dem ein Gesuch um Anordnung eines Gutachtens im Rahmen eines eigenständigen Verfahrens gutgeheissen wird, einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG (BGE 138 III 46 E. 1.1). Vorliegend trifft dies auf die das Gesuch um vorsorgliche Anordnung einer Expertise gutheissende Verfügung des Bezirksgerichts vom 1. Februar 2013 zu.  
 
1.2. Die Vorinstanz ist auf die Berufung gegen den erstinstanzlichen Zwischenentscheid nicht eingetreten. Entscheide, mit denen auf ein Rechtsmittel gegen einen Zwischenentscheid nicht eingetreten wird, sind ihrerseits Zwischenentscheide (vgl. BGE 134 IV 43 E. 2; Urteil 4A_542/2009 vom 27. April 2010 E. 3).  
 
1.3. Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen, ist die Beschwerde nur zulässig, wenn eine der folgenden alternativen Voraussetzungen erfüllt ist: Wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Die selbständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 135 I 261 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1 S. 631). Die Ausnahme ist restriktiv zu handhaben. Dementsprechend obliegt es dem Beschwerdeführer darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich in die Augen springt (BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 47 mit Hinweisen).  
 
1.4. Der nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss rechtlicher Natur und somit auch mit einem für den Beschwerdeführer günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar sein (BGE 138 III 46 E. 1.2, 333 E. 1.3.1). Rein tatsächliche Nachteile, etwa die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens, fallen demgegenüber nicht in Betracht (BGE 137 III 380 E. 1.2.1 mit Hinweisen). Hingegen genügt die blosse Möglichkeit eines rechtlichen Nachteils (BGE 134 III 188 E. 2.1 S. 191). Der Beschwerdeführer, der einen Massnahmeentscheid beim Bundesgericht anficht, hat in der Beschwerdebegründung aufzuzeigen, inwiefern ihm im konkreten Fall ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur droht (BGE 137 III 324 E. 1.1 S. 328 f.).  
Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, die Durchführung einer gerichtlichen Expertise berge die Gefahr, dass ihr Geschäftsgeheimnis bzw. das diesem zugrunde liegende Know-How bezüglich des Systems der Kiesentnahme verletzt würde. Zudem würde die Gewinnung konkreter Erkenntnisse voraussetzen, dass die notwendigen Beobachtungen des Spülvorgangs während einer Zeitperiode von fünf Jahren stattfinden müssten. Eine derart lange Beeinträchtigung der jährlich nur einmal stattfindenden Kiesgewinnung bedeute einen schweren Eingriff in das durch Konzession verliehene Kiesausbeutungsrecht. Das einmal weggeschwemmte Kies sei unwiederbringlich. Der dadurch entstandene Schaden wäre mangels Möglichkeit einer konkreten Substanziierung - soweit heute ersichtlich - auch nicht durch Geld ersetzbar. 
 
 Die behaupteten Nachteile, Gefahr der Verletzung der Geschäftsgeheimnisse und Eingriff in die Konzession der Beschwerdeführerinnen, sind nicht hinlänglich dargetan. Die Beschwerdeführerinnen beschränken sich nämlich auf Ausführungen zur Technik der Seespülung und Kiesgewinnung, ohne darzulegen, inwiefern aufgrund der Anordnung der Erstinstanz ihre Geschäftsgeheimnisse verletzt würden und wodurch konkret in die Konzession eingegriffen würde. Sie legen mitder Beschwerde ein Antwortschreiben auf ihre Anfrage für ein Expertenmandat der Q.________ Ingenieure AG vom 28. März 2013 an die A.________ AG (Beschwerdeführerin 1) ins Recht. Darin steht u.a., Herr B.________ habe eine grosse Erfahrung bezüglich Investitionen in die Anlagen und die damit verbundenen Geschäftsgeheimnisse erarbeitet. Dieses Fachwissen stehe in Zusammenhang mit hoher, technischer und wirtschaftlicher Bedeutung für diese Art der Kiesgewinnung. Eine Expertise könnte nicht nur aufgrund einer Erstbeurteilung erstellt werden. Es müssten umfassende Abklärungen vorgenommenen werden, die über jährlich wiederkehrende Perioden zu beobachten und dokumentieren seien. 
 
 Wohl sind neue Vorbringen zur Darlegung der Eintretensvoraussetzungen der Beschwerde an das Bundesgericht grundsätzlich zulässig (Meyer, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 45 zu Art. 99 BGG; Corboz, in: Commentaire de la LTF, 2009, N. 20 zu Art. 99 BGG). Indessen ist der Aussagegehalt des Schreibens der Q.________ Ingenieure AG vom 28. März 2013 beschränkt. Damit wird jedenfalls nicht belegt, dass durch die Anordnung einer Expertise die Geschäftsgeheimnisse der Beschwerdeführerinnen verletzt werden könnten und in ihre Konzessioneingegriffen würde. Solches geht denn auch aus der Verfügung des Bezirksgerichts vom 1. Februar 2013 nicht hervor. Mit dieser wurde erst das Gesuch um Anordnung einer Expertise - dem Grundsatz nach - gutgeheissen und den Parteien Frist angesetzt, um dem Gericht neue oder ergänzte Fragen zuhanden des Experten einzureichen. Ferner soll das Dossier nach Eingang der Expertenfragen zur Sichtung an Prof. Dr. Robert Boes, Direktor der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich, übersandt werden. Über die Einsetzung des Experten soll später entschieden werden. Somit ist mit der Verfügung weder der Experte bestimmt und beauftragt noch sind die Expertenfragen festgelegt worden. Ebenso wenig steht fest, inwiefern allfälligen Einwänden der Beschwerdeführerinnen betreffend die Wahrung ihres Geschäftsgeheimnisses durch entsprechende Kautelen Rechnung getragen werden kann. Dass anlässlich der Aufnahme einer gerichtlichen Expertise die Gefahr der Verletzung der Geschäftsgeheimnisse drohen würde, versteht sich unter diesen Umständen entgegen den Beschwerdeführerinnen keineswegs von selbst. Da sodann der Expertenauftrag inhaltlich noch nicht umschrieben wurde, ist auch nicht ersichtlich, dass in die Konzession der Beschwerdeführerinnen eingegriffen werden könnte. 
 
 Es ist somit nicht erkennbar, inwiefern die in der Verfügung vom 1. Februar 2013 getroffenen Anordnungen die von den Beschwerdeführerinnen pauschal behaupteten Nachteile bewirken könnten. Die Voraussetzung des nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist daher nicht dargetan. 
 
1.5. Ebenso wenig sind die Voraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG gegeben. Die Vorinstanz ist auf die Berufung gegen die Verfügung vom 1. Februar 2013 nicht eingetreten. Mit Beschwerde gegen einen Nichteintretensentscheid kann allein die Aufhebung und Rückweisung an die Vorinstanz verlangt werden, nicht jedoch die materielle Beurteilung, da die Vorinstanz eine solche zufolge des Nichteintretens unterlassen hat (BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 48). Das Bundesgericht könnte somit im Falle einer Gutheissung der Beschwerde keinen Entscheid in der Sache fällen und das Verfahren nicht mit einem Endentscheid zum Abschluss bringen. Damit scheidet eine Beschwerdeerhebung auch unter dieser Variante aus.  
 
1.6. Die Voraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 lit. a und b BGG für eine selbständige Anfechtung des Urteils des Kantonsgerichts sind demnach nicht erfüllt, weshalb auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann.  
 
 Damit kann offen bleiben, ob das Rechtsmittel als Beschwerde in Zivilsachen oder als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen ist. Die oben beurteilte Eintretensfrage stellt sich bei beiden Beschwerdearten gleich. 
 
2.  
 
 Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführerinnen in solidarischer Haftbarkeit kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 5 sowie Art. 68 Abs. 2 und 4 BGG). 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt, in solidarischer Haftbarkeit. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerinnen haben die Beschwerdegegnerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren insgesamt mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen, in solidarischer Haftbarkeit. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Wallis, I. zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. Mai 2013 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Der Gerichtsschreiber: Kölz