8C_587/2022 12.01.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_587/2022  
 
 
Urteil vom 12. Januar 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Stutz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Gemeinde Pfäffikon Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV, Hochstrasse 1, 8330 Pfäffikon, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Kantonale Sozialversicherung (Rückerstattung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Juni 2022 (ZL.2021.00021). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Gemeinde Pfäffikon forderte mit Verfügung vom 17. November 2020 von A.________, dem einzigen Erben des am 20. Februar 2020 verstorbenen B.________, von März 1999 bis Februar 2020 rechtmässig bezogene kantonale Beihilfen und Gemeindezuschüsse im Gesamtbetrag von Fr. 43'339.- zurück. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 9. Februar 2021). 
 
B.  
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Urteil vom 27. Juni 2022). 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben mit dem Rechtsbegehren, das angefochtene Urteil sei aufzuheben; eventualiter seien das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es ist kein Schriftenwechsel durchgeführt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht mit Einschluss der Bundesverfassung gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (BGE 133 II 249 E. 1.4.1). Soweit sich der angefochtene Entscheid auf Quellen des kantonalen Rechts stützt, welche nicht in Art. 95 lit. c-e BGG genannt werden, beschränkt sich die Überprüfung durch das Bundesgericht demgegenüber thematisch auf die erhobenen und begründeten Rügen (Art. 106 Abs. 2 BGG) und inhaltlich auf die Frage, ob die Anwendung des kantonalen Rechts zu einer Bundesrechtswidrigkeit führt. Im Vordergrund steht dabei eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte, insbesondere des Willkürverbots nach Art. 9 BV. Was die Feststellung des Sachverhalts anbelangt, kann gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG nur gerügt werden, diese sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung nach Art. 95 BGG (BGE 135 V 94 E. 1 mit Hinweis).  
 
1.2. Eine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch dessen Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar als zutreffender erscheinen mag, genügt nicht (BGE 144 I 113 E. 7.1 mit Hinweisen).  
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz mit der Bestätigung der Rückforderung von kantonalen Beihilfen und Gemeindezuschüssen im Betrag von Fr. 43'339.- aus dem Nachlass des B.________ sel., die von März 1999 bis Februar 2020 gestützt auf kantonales Recht ausgerichtet worden waren, Bundesrecht verletzte. 
 
3.  
 
3.1. Der Bund und die Kantone gewähren Personen, welche die gesetzlichen Voraussetzungen nach Art. 4-6 des ELG erfüllen, Ergänzungsleistungen zur Deckung ihres Existenzbedarfs (Art. 2 Abs. 1 ELG). Die Kantone können über den Rahmen dieses Gesetzes hinausgehende Leistungen gewähren und dafür besondere Voraussetzungen festlegen (Art. 2 Abs. 2 ELG). Im Kanton Zürich werden nebst den bundesrechtlichen Ergänzungsleistungen kantonale Beihilfen (§ 1 Abs. 1 lit. b sowie § 13 - 19 des Gesetzes des Kantons Zürich vom 7. Februar 1971 über die Zusatzleistungen zur eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [Zusatzleistungsgesetz; ZLG; LS 831.3]) sowie Gemeindezuschüsse (§ 1 Abs. 1 lit. c, § 20 und 20a ZLG) gewährt. In der Gemeinde Pfäffikon sind die Gemeindezuschüsse im Reglement über die Ausrichtung der Gemeindezuschüsse geregelt.  
 
3.2. Gemäss § 19 Abs. 1 lit. b ZLG sind rechtmässig bezogene Beihilfen in der Regel aus dem Nachlass einer bisher oder früher Beihilfe beziehenden Person zurückzuerstatten. Sind Ehegatten, eingetragene Partnerinnen oder Partner, Kinder oder Eltern Erben, ist die Rückerstattung nur von demjenigen Teil des Nachlasses zu leisten, der den Betrag von Fr. 25'000.- übersteigt. Nach § 19 Abs. 4 ZLG verjähren Rückerstattungsansprüche nach Ablauf von fünf Jahren, seitdem das mit der Durchführung betraute Organ von ihrem Entstehen Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber nach Ablauf von zehn Jahren seit der letzten Beihilfezahlung. Gemäss Art. 1 Abs. 2 des Reglements der Gemeinde Pfäffikon über die Ausrichtung der Gemeindezuschüsse finden die Bestimmungen des ELG und des ZLG sowie der dazugehörigen Ausführungserlasse sinngemäss Anwendung auf die Gemeindezuschüsse.  
 
4.  
Das kantonale Gericht führte aus, mit Art. 2 Abs. 2 ELG sei den Kantonen ausdrücklich die Kompetenz gegeben worden, eigene und über das ELG hinausgehende Leistungen zu gewähren und dafür besondere Voraussetzungen festzulegen. Die Ausgestaltung solcher Leistungen erfolge in den Kantonen deshalb ganz unterschiedlich. Es bestehe auch die Option, gar keine eigenen, über das ELG hinausgehenden Leistungen auszurichten. Umso mehr müsse es den Kantonen möglich sein, bereits rechtmässig erbrachte Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen wieder zurückzufordern. Entgegen dem Vorbehalt in Art. 1 Abs. 1 ELG sei in Art. 2 Abs. 2 ELG nicht ausdrücklich festgehalten worden, dass die Kantone vom ATSG abweichen könnten. Jedoch ergebe sich die Befugnis des kantonalen Gesetzgebers, bei der Regelung des Anspruchs auf kantonale Zusatzleistungen vom ATSG abzuweichen, ohne Weiteres aus der ihm in Art. 2 Abs. 2 ELG übertragenen Kompetenz zur Gewährung eigener Leistungen und zu deren eigenständiger Regelung. Art. 1 Abs. 1 ELG beziehe sich lediglich auf die (bundesrechtlichen) jährlichen Ergänzungsleistungen und die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten gemäss Art. 3 Abs. 1 ELG. Die von den Kantonen gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ELG erlassenen Regelungen würden autonomes kantonale Recht darstellen, was eine (direkte) Anwendung des ATSG ausschliesse. Demgemäss führe die inzidente Normenkontrolle zum Ergebnis, dass der kantonale Gesetzgeber für die Rückforderung der kantonalen Zusatzleistungen und deren Verjährung mit § 19 ZLG eine eigenständige Regelung habe aufstellen dürfen, die von den bundesrechtlichen Vorgaben in Art. 25 ATSG abweiche. Die Gemeinde habe diese Regelung über die Verweisung in Art. 1 Abs. 2 des Gemeindezuschussreglements ebenfalls auf die Rückforderung ihrer Zuschüsse anwenden dürfen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liege keine Verletzung von Art. 49 Abs. 1 BV vor, wonach das Bundesrecht entgegenstehendem kantonalem Recht vorgehe. Es sei deshalb nicht zu beanstanden, dass die Durchführungsstelle gestützt auf § 19 Abs. 1 lit. b und Abs. 4 ZLG die rechtmässig bezogenen kantonalen Beihilfen und Gemeindezuschüsse zurückgefordert habe. 
 
5.  
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen: 
 
5.1. Soweit er sich auf das Urteil 9C_305/2012 vom 6. August 2012 beruft, kann er daraus schon deshalb nichts zu seinen Gunsten ableiten, weil es dort um die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Gemeindezuschüsse (und Beihilfen) ging und der damals in Kraft stehende Art. 12 Abs. 2 ZLV vorsah, dass für die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Gemeindezuschüsse die für die Ergänzungsleistungen geltenden Bestimmungen des Bundes sinngemäss anzuwenden seien. Im vorliegenden Fall werden rechtmässig ausgerichtete Beihilfen und Gemeindezuschüsse zurückgefordert, wofür eine kantonale und kommunale Regelung besteht (§ 19 ZLG und Art. 1 Abs. 2 des Gemeindezuschussreglements, der auf das ELG und das ZLG verweist). Der kantonale Gesetzgeber ist kraft Art. 2 Abs. 2 ELG ausdrücklich ermächtigt, die kantonalen und kommunalen Zuschüsse eigenständig zu regeln. Diese Befugnis erstreckt sich ohne Weiteres auch auf die Rückforderung der gestützt auf kantonales Recht ausgerichteten Unterstützungsbeiträge und deren Verjährung (Urteil 8C_805/2019 vom 6. Mai 2020 E. 5.3). Eine Verletzung von Art. 49 Abs. 1 BV, wonach Bundesrecht entgegenstehendem kantonalem Recht vorgeht, wurde daher vom kantonalen Gericht zu Recht verneint.  
 
5.2. Mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auf § 19 Abs. 5 ZLG lässt sich für seinen Standpunkt schon deshalb nichts gewinnen, weil diese Bestimmung erst seit 1. Januar 2021 in Kraft steht und hier folglich von vornherein nicht anwendbar ist. Im Übrigen wird darin der unrechtmässige Bezug geregelt. Ebenso wenig ändert der seit 1. Januar 2021 in Kraft stehende Art. 16a ELG, der eine Rückerstattung rechtmässiger Bezüge aus dem Nachlass nun auch auf Bundesebene statuiert, etwas an der bereits vorbestehenden Rückerstattungspflicht bezüglich rechtmässig erbrachter kantonaler und kommunaler Zuschüsse und Beihilfen.  
 
5.3. Der Vorwurf der Gehörsverletzung im Sinne einer Verletzung der Begründungspflicht trifft ebenfalls nicht zu. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt von der Behörde und im Beschwerdefall vom Gericht, dass sie die Vorbringen der Betroffenen tatsächlich hören, ernsthaft prüfen und in ihrer Entscheidfindung angemessen berücksichtigen. Nicht erforderlich ist, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Im angefochtenen Urteil werden die entscheidwesentlichen Faktoren hinlänglich festgestellt und gewürdigt (BGE 142 II 49 E. 9.2; 142 III 433 E. 4.3.2). Es war mit Blick auf die klare kantonale und kommunale Regelung der Rückerstattungspflicht nicht notwendig, dass sich die Vorinstanz mit dem Einwand, die Gemeinde habe es der eigenen pflichtwidrigen Unterlassung zuzuschreiben, dass sich (beim Verstorbenen) überhaupt ein Vermögenszuwachs ergeben habe, noch explizit auseinandersetzte.  
 
5.4. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers lässt sich die Rückforderung zudem nicht bereits deshalb als willkürlich qualifizieren, weil sie auf Zahlungen zurückgeht, die während eines Zeitraums von 21 Jahren geleistet worden sind. Das Bundesgericht hat im oben erwähnten Urteil 8C_805/2019 vom 6. Mai 2020 festgestellt, dass die sogenannte "Lokomotiv-Verjährung" mit Anknüpfung der Verjährung am letztmaligen Bezug einer kantonalen Beihilfe oder eines Gemeindezuschusses kein Bundesrecht verletzt. Im Übrigen sah es im Umstand, dass für die bundesrechtlichen Ergänzungsleistungen gemäss Art. 25 ATSG keine entsprechende Verjährungsregel gilt, keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (Urteil 8C_805/2019 vom 6. Mai 2020 E. 5.3). Der Beschwerdeführer liefert keinen Grund, weshalb es sich im vorliegenden Fall anders verhalten sollte.  
 
6.  
Zusammenfassend lassen die Vorbringen des Beschwerdeführers die vorinstanzliche Beurteilung nicht als willkürlich oder sonstwie verfassungswidrig erscheinen, weshalb es beim angefochtenen Urteil sein Bewenden hat. 
 
7.  
Die Gerichtskosten sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 12. Januar 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz