1B_367/2022 13.10.2022
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_367/2022  
 
 
Urteil vom 13. Oktober 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichterin Jametti, Bundesrichter Müller, 
Gerichtsschreiber Mattle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Philipp Kunz, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, 
Region Bern-Mittelland, 
Kasernenstrasse 19, 3013 Bern. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 7. Juni 2022 des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts Bern, Gerichtspräsident (KZM 22 547 BÜH). 
 
 
Sachverhalt:  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Bern-Mittelland, führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ unter anderem wegen Urkundenfälschung. Im Rahmen einer Hausdurchsuchung am Wohnort von A.________ wurden am 5. Mai 2022 drei Mobiltelefone, vier Computer und zwei externe Festplatten sichergestellt. Nachdem A.________ die Siegelung der sichergestellten Geräte verlangt hatte, stellte die Staatsanwaltschaft am 16. Mai 2022 beim Kantonalen Zwangsmassnahmengericht Bern Antrag auf Entsiegelung der sichergestellten Geräte. Das Zwangsmassnahmengericht hiess das Entsiegelungsgesuch am 7. Juni 2022 gut. 
Gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts hat A.________ am 11. Juli 2022 Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur richterlichen Triage sowie zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz haben auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts betreffend die Entsiegelung von Gegenständen und Aufzeichnungen, die in einem Strafverfahren in Anwendung von Art. 246 ff. StPO sichergestellt wurden. Es handelt sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid in einer Strafsache (vgl. Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 1 und 2 BGG i.V.m. Art. 248 Abs. 3 lit. a und Art. 380 StPO).  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab; es handelt sich um einen Zwischenentscheid. Der Beschwerdeführer macht ausreichend substanziiert geltend, dass der Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen. Damit droht ihm ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. BGE 143 IV 462 E. 1).  
 
1.3. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde in Strafsachen vorbehältlich zulässiger und genügend begründeter Rügen (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 95 und Art. 97 Abs. 1 BGG) einzutreten.  
 
2.  
Das Bundesgericht überprüft Entscheide über strafprozessuale Zwangsmassnahmen mit freier Kognition. Die nach Art. 98 BGG (für vorsorgliche Massnahmen) vorgeschriebene Beschränkung der Beschwerdegründe ist nicht anwendbar (BGE 140 IV 57 E. 2.2). Dies gilt auch für die Entsiegelung (Urteile 1B_553/2021 vom 14. Januar 2022 E. 1.5, 1B_193/2021 vom 6. Dezember 2021 E. 2 und 1B_569/2020 vom 27. Juli 2021 E. 1.2 mit Hinweis). 
 
3.  
Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid der Vorinstanz, wonach die beim Beschwerdeführer sichergestellten Geräte ohne Einschränkung entsiegelt werden dürfen. Der Beschwerdeführer wehrt sich in seiner Beschwerde an das Bundesgericht nicht grundsätzlich gegen die Entsiegelung der Geräte. Er verlangt indessen, die Entsiegelung sei auf untersuchungsrelevante Aufzeichnungen zu beschränken. 
 
3.1. Schriftstücke, Ton-, Bild- und andere Aufzeichnungen, Datenträger sowie Anlagen zur Verarbeitung und Speicherung von Informationen dürfen durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass sich darin Informationen befinden, die der Beschlagnahme unterliegen (Art. 246 StPO). Als strafprozessuale Zwangsmassnahme setzt die Durchsuchung von Aufzeichnungen allgemein voraus, dass ein hinreichender Tatverdacht vorliegt (Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO) und der mit ihr verbundene Eingriff verhältnismässig ist (Art. 197 Abs. 1 lit. c-d StPO).  
Aufzeichnungen und Gegenstände, die nach Angaben der Inhaberin oder des Inhabers nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürfen, sind zu versiegeln und dürfen von den Strafbehörden weder eingesehen noch verwendet werden (Art. 248 Abs. 1 StPO). Stellt die Strafbehörde ein Entsiegelungsgesuch (vgl. Art. 248 Abs. 2 StPO), hat im Vorverfahren das Zwangsmassnahmengericht darüber zu entscheiden, ob die von der Inhaberin oder dem Inhaber der versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände angerufenen Geheimnisinteressen einer Durchsuchung und weiteren strafprozessualen Verwendung durch die Strafverfolgungsbehörde entgegenstehen (vgl. Art. 248 Abs. 3 StPO). 
 
3.2. Gegenstände und Vermögenswerte einer beschuldigten Person oder einer Drittperson können beschlagnahmt werden, unter anderem wenn sie voraussichtlich als Beweismittel gebraucht werden (Art. 263 Abs. 1 lit. a StPO). Zu Beweiszwecken sichergestellte Unterlagen und Daten, deren Entsiegelung die Staatsanwaltschaft verlangt, müssen für die Strafuntersuchung von Bedeutung sein (BGE 137 IV 189 E. 5.1.1 mit Hinweisen). Die Rechtsprechung stellt insoweit keine hohen Anforderungen. Es genügt, wenn die Staatsanwaltschaft aufzeigt, dass sich unter den versiegelten Unterlagen und Daten mutmasslich solche befinden, die für das Strafverfahren relevant sind. Immerhin sind mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit die Entsiegelung und Durchsuchung von Aufzeichnungen in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht einzuschränken, soweit ein Teil der gesiegelten Daten offensichtlich nicht untersuchungsrelevant ist (vgl. Urteile 1B_70/2022 vom 16. August 2022 E. 4.2 und 1B_611/2021 vom 12. Mai 2022 E. 4.1 mit Hinweisen).  
Nicht beschlagnahmt werden dürfen gemäss Art. 264 Abs. 1 StPO Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit ihrer Verteidigung (lit. a), persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person, wenn ihr Interesse am Schutz der Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt (lit. b), sowie Gegenstände, namentlich Aufzeichnungen und Korrespondenzen, die aus dem Verkehr zwischen der beschuldigten Person und nicht im gleichen Sachzusammenhang selber beschuldigten Personen stammen, die nach Art. 170-173 StPO das Zeugnis verweigern können (lit. c). Macht eine berechtigte Person geltend, eine Beschlagnahme von Gegenständen und Vermögenswerten sei wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts oder aus anderen Gründen nicht zulässig, so gehen die Strafbehörden nach den Vorschriften über die Siegelung vor (Art. 264 Abs. 3 StPO). 
 
3.3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts hat eine detaillierte Triage durch den Entsiegelungsrichter nur zu erfolgen, soweit der betroffene Inhaber, der die Versiegelung beantragt hat, substanziierte Einwände gegen die Entsiegelung und Durchsuchung von sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenständen erhebt. Es handelt sich um eine prozessuale Obliegenheit der rechtsuchenden Partei, jene Dateien zu benennen, die ihrer Ansicht nach der Geheimhaltung unterliegen oder offensichtlich keinen Sachzusammenhang mit der Strafuntersuchung aufweisen (BGE 138 IV 225 E. 7.1 mit Hinweisen; vgl. auch 142 IV 207 E. 7.1.5 mit Hinweisen). Diese Obliegenheit trifft auch den Inhaber eines sichergestellten Mobiltelefons oder eines anderen elektronischen Geräts, der sich gegen eine Entsiegelung der auf dem Gerät gespeicherten Daten zur Wehr setzt (vgl. Urteile 1B_286/2022 vom 12. September 2022 E. 2.4 und 1B_193/2021 vom 6. Dezember 2021 E. 4.3 mit Hinweis).  
 
3.4. Die Vorinstanz bejahte im angefochtenen Entscheid einen die Entsiegelung rechtfertigenden Tatverdacht, einen hinreichenden Zusammenhang zwischen den sichergestellten Daten und den untersuchten Delikten sowie die Verhältnismässigkeit der Durchsuchung der Daten. Soweit der Beschwerdeführer die Aussonderung von Aufzeichnungen verlangt hatte, führte die Vorinstanz aus, dieser sei seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen, zumal er keine genauen Koordinaten und Speicherorte von schützenswerten Aufzeichnungen bekannt gegeben habe.  
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen eines die Entsiegelung der sichergestellten Geräte rechtfertigenden Tatverdachts nicht. Auch widerspricht er den Ausführungen der Vorinstanz nicht, wonach unter den Aufzeichnungen potenziell auch sachrelevante zu finden sind, nämlich solche, die in adäquatem Zusammenhang mit dem Tatverdacht stehen könnten. Er verweist indessen auf Kunden- und Bankdaten, welche sich auf den sichergestellten Geräten befänden, und beruft sich in diesem Zusammenhang auf den Persönlichkeitsschutz. Er macht geltend, die Vorinstanz hätte eine Triage durchführen und die nicht mit dem umstrittenen Immobiliengeschäft in Zusammenhang stehenden Aufzeichnungen aussondern müssen. Damit rügt er sinngemäss eine Verletzung von Art. 248 i.V.m. Art. 264 Abs. 1 und Art. 197 lit. c-d StPO.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer hat vor der Vorinstanz zwar vorgebracht, auf den sichergestellten Datenträgern befänden sich Aufzeichnungen, die mit dem erhobenen Tatvorwurf offensichtlich in keinem Zusammenhang stünden. Er hat pauschal eine Aussonderung aller nicht mit dem Tatvorwurf bzw. dem umstrittenen Rechtsgeschäft in Zusammenhang stehenden Aufzeichnungen verlangt, ohne auch nur ansatzweise zu erklären, welche Aufzeichnungen mit Blick auf seine Persönlichkeitsrechte auszusondern sind bzw. welche Aufzeichnungen offensichtlich nicht beweisrelevant sind. Dies hätte er vor der Vorinstanz - soweit es ihm aufgrund der Sicherstellung möglich war - möglichst genau darlegen müssen, wenn er die umfassende Entsiegelung der sichergestellten Aufzeichnungen verhindern wollte (vgl. E. 3.3 hiervor). Dies zumal für die Strafuntersuchung wegen Urkundenfälschung durchaus auch Aufzeichnungen relevant sein können, die keinen direkten Bezug zum betreffenden Rechtsgeschäft haben.  
Der Beschwerdeführer bringt zwar vor, es sei ihm selbstverständlich unmöglich, seine umfangreiche Geschäftskorrespondenz, welche sich auf den sichergestellten Geräten befinde, einzeln zu benennen und auch noch ihren Speicherstandort anzugeben, zumal er physisch nicht mehr im Besitz der Geräte sei. Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz genügte er seiner Substanziierungspflicht (vgl. E. 3.3 hiervor) jedenfalls nicht, indem er pauschal verlangte, es seien alle nicht mit dem Tatvorwurf bzw. dem umstrittenen Rechtsgeschäft in Zusammenhang stehenden Aufzeichnungen auszusondern. Der Beschwerdeführer kann sodann auch aus seinem Hinweis auf das Urteil 1B_495/2020 vom 4. März 2021 nichts für sich ableiten. Anders als im vorliegenden Fall waren sich die Staatsanwaltschaft und der Beschwerdeführer dort im Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht darin einig, dass nur Aufzeichnungen verfahrensrelevant sind, die mit einem Observationsauftrag betreffend den Privatkläger zusammenhängen, und konnte die Staatsanwaltschaft dort klar eingrenzen, welche Aufzeichnungen des Beschwerdeführers sie als verfahrensrelevant beurteilt (a.a.O., E. 7). 
 
4.3. Nachdem der Beschwerdeführer im Verfahren vor der Vorinstanz seiner Substanziierungspflicht nicht genügte, war die Vorinstanz nicht gehalten, eine Triage durchzuführen und bestimmte Aufzeichnungen auszusondern bzw. deren Durchsuchung zu untersagen. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 248 i.V.m. Art. 264 Abs. 1 und Art. 197 Abs. 1 lit. c-d StPO überhaupt in genügender Weise rügt, dringt er damit nicht durch.  
 
5.  
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Bern-Mittelland, und dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht Bern, Gerichtspräsident, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Oktober 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Mattle