9C_681/2023 04.12.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_681/2023  
 
 
Urteil vom 4. Dezember 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, Bundesrichter Beusch, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch WIPA Treuhand AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben, 
Eigerstrasse 65, 3003 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Verrechnungssteuer, Steuerperiode 2012, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. September 2023 (A-2396/2022). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die A.________ AG bezweckte im Jahr 2012 den Kauf, die Verwaltung und den Verkauf von Vermögenswerten aller Art, insbesondere auch bezüglich Liegenschaften und deren Finanzierung. B.________ war Delegierter des Verwaltungsrates der Gesellschaft mit Einzelunterschrift. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV), Abteilung Strafsachen und Untersuchungen (ASU), führte gegen B.________ eine besondere Steueruntersuchung gemäss Art. 190 ff. des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11). Am 17. April 2014 eröffnete die ASU gegen B.________ ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Verdachts auf Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG; SR 642.21). Mit Untersuchungsbericht vom 21. August 2017 schloss die ASU ihre gemäss Art. 190 ff. DBG geführte Untersuchung gegen B.________ ab.  
Die Ergebnisse der Untersuchung gegen B.________ wegen Verdachts auf Widerhandlungen gegen das VStG hielt die ASU sodann mit Schlussprotokoll vom 2. Mai 2018 fest. Darin kam die ASU zusammengefasst zum Schluss, dass die A.________ AG im Zusammenhang mit der ihr gehörenden Liegenschaft C.________ in U.________/SG geldwerte Leistungen an den ihr nahe stehenden B.________ erbracht habe. Einerseits habe sie B.________ erlaubt, bis Mai 2012 unentgeltlich in einer Wohnung in dieser Liegenschaft zu wohnen (Mietzinsverzicht im Betrag von Fr. 8'750.-). Andererseits habe die A.________ AG zulasten des Passivkontos "Kreditor Dritte" Renovationskosten im Betrag von Fr. 54'000.- verbucht. Diese Renovation sei angeblich von der D.________ AG besorgt worden, wofür aber keine Belege vorhanden seien. B.________ sei zu diesen Vorgängen befragt worden, habe aber keine Aussagen gemacht. 
 
1.2. Am 10. Dezember 2018 versendete die Abteilung Externe Prüfung der ESTV eine an die A.________ AG adressierte Rechnung für einen Verrechnungssteuerbetrag von insgesamt Fr. 32'987.50. Dieser Betrag umfasste unter anderem die Verrechnungssteuer auf den vorgenannten Leistungen (Mietzinsverzicht und angebliche Renovationskosten; Steuerbeträge Fr. 3'062.50 und Fr. 18'900.-). Nachdem die A.________ AG erklärt hatte, mit dieser Rechnung nicht einverstanden zu sein, verpflichtete die ESTV die A.________ AG mit Entscheid vom 14. Juli 2020 betreffend das Geschäftsjahr 2012 (unter anderem) zur Bezahlung der Verrechnungssteuer in Höhe von Fr. 21'962.50. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (Einspracheentscheid der ESTV vom 27. April 2022; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. September 2023).  
 
1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 27. Oktober 2023 beantragt die A.________ AG die Aufhebung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. September 2023 und die Einstellung des Verfahrens.  
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, ohne einen Schriftenwechsel anzuordnen (Art. 102 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82, 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei ihr Einsicht in die "ASU-Kommunikationsinhalte mit der ESTV-VST (DSV-EP und DSV-ASU) " zu gewähren. 
Dieses Vorbringen ist offensichtlich unbegründet. Die Vorinstanz hat sich mit dem Anspruch der Beschwerdeführerin auf Akteneinsicht detailliert auseinandergesetzt (vgl. angefochtenes Urteil E. 2). Darauf kann an dieser Stelle verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Sie ist dabei zum Schluss gekommen, dass von der ASU generierte Akten Eingang in die vorliegenden Verfahrensakten gefunden hätten und die Beschwerdeführerin diese habe einsehen können. Hingegen bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass weitere Kommunikationsinhalte existierten, auf die sich die Entscheidfindung der ESTV gestützt haben könnte, die protokolliert hätten werden und die Eingang in die amtlichen Akten hätten finden müssen (vgl. angefochtenes Urteil E. 2.5.2). Der Beschwerdeführerin gelingt es auch vor Bundesgericht nicht, substanziiert konkrete Anhaltspunkte dafür zu benennen, dass relevante Kommunikationsinhalte nicht protokolliert respektive der Beschwerdeführerin vorenthalten worden wären (vgl. Urteil 2C_516/2020 vom 2. Februar 2021 E. 6.3.5). Es ist folglich in tatsächlicher Hinsicht mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass keine weiteren protokollierungspflichtige Kommunkationsinhalte existieren, in die der Beschwerdeführerin Einsicht gewährt werden könnte und müsste. Eine Verletzung des Rechts der Beschwerdeführerin auf Akteneinsicht (Art. 29 Abs. 2 BV) ist nicht erkennbar. 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin rügt weiter, dass die Ergebnisse aus der Untersuchung der ASU im vorliegenden Verfahren nicht verwertet werden dürften. Sie ist der Ansicht, dass die ASU als Strafbehörde von der ESTV unabhängig sein müsste. 
Auch dieses Vorbringen ist offensichtlich unbegründet. Es kann wiederum auf die zutreffenden, detaillierten Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Diese hat zusammengefasst erwogen, dass das vorliegende Verfahren keine strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zum Gegenstand habe (vgl. angefochtenes Urteil E. 3.5.1). Selbst im Geltungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK könnten nicht unabhängige Verwaltungsbehörden wie die ASU bzw. die ESTV strafrechtliche Untersuchungen vornehmen und Strafen aussprechen, sofern diese Strafen von einem Gericht mit voller Überprüfungsbefugnis überprüft werden können (vgl. angefochtenes Urteil E. 3.5.3). Selbst wenn es sich bei den Erkenntnissen aus der Untersuchung gegen B.________ um Zufallsfunde gehandelt hätte, wären diese im Verfahren gegen die Beschwerdeführerin verwertbar gewesen, weil die betreffende Zwangsmassnahme zulässig gewesen sei und auch in Bezug auf die (vermeintlichen) Zufallsfunde hätte durchgeführt werden dürfen. Ohnehin sei aber zu bezweifeln, dass es sich um Zufallsfunde handle, zumal die untersuchten Steuerhinterziehungen unter anderem den Geschäftsbereich der Beschwerdeführerin betroffen hätten (vgl. angefochtenes Urteil E. 3.6.3). Diesen Erwägungen weiss die Beschwerdeführerin nichts Wesentliches entgegen zu setzen. Soweit ihren Ausführungen gefolgt werden kann, scheint sie wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren zu übersehen, dass Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf das vorliegende verwaltungsrechtliche Verfahren nicht anwendbar ist und sich aus dieser Bestimmung für das vorliegende Verfahren folglich kein Verwertungsverbot für Beweismittel aus einem strafrechtlichen Verfahren ergeben kann. Unbehelflich ist auch ihr Hinweis auf den "Postautoskandal", zu dessen Untersuchung nicht das Bundesamt für Verkehr, sondern das Bundesamt für Polizei eingesetzt worden sei. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin folgt daraus offensichtlich nicht, dass die ESTV bzw. die ASU keine Strafuntersuchungen führen darf. 
 
5.  
Die Beschwerdeführerin macht in materieller Hinsicht geltend, dass sich die Verjährung nach Art. 17 VStG und nicht nach Art. 12 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) richte. Art. 12 VStrR könne nicht anwendbar sein, weil der Beschwerdeführerin die Eröffnung des Strafverfahrens nicht formell angezeigt worden sei und ihr im ASU-Verfahren keine Parteirechte eingeräumt worden seien. Ausserdem sei der objektive Tatbestand (recte: der Verrechnungssteuerhinterziehung gemäss Art. 61 lit. a VStG) nicht erfüllt. Die Vorinstanz habe in Bezug auf die unentgeltliche Überlassung der Wohnung mit zu hohen möglichen Mietzinsen gerechnet. Die Kosten für die Renovationstätigkeit der D.________ AG im Umfang von Fr. 54'000.- seien zu Unrecht aufgerechnet worden und es seien die von ihr angebotenen Beweismittel zu Unrecht nicht abgenommen worden. Auch in diesen Punkten ist der Beschwerdeführerin offensichtlich nicht zu folgen. Es kann wiederum auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. angefochtenes Urteil E. 4; Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
5.1. Diese hat zusammengefasst erwogen, dass der Anspruch auf Nachleistung der Steuer aus Art. 12 VStrR weder ein Verschulden noch eine Strafverfolgung voraussetze; es genüge die Widerhandlung im objektiven Sinn gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes (vgl. angefochtenes Urteil E. 4.3.4). Der objektive Tatbestand der Verrechnungssteuerhinterziehung nach Art. 61 lit. a VStG sei erfüllt, wenn eine Aktiengesellschaft eine für die Beteiligten ohne Weiteres erkennbare geldwerte Leistung erbringe, ohne die Verrechnungssteuer spontan zu deklarieren und zu entrichten (vgl. angefochtenes Urteil E. 4.3.5).  
 
5.2. Nach eingehender Würdigung der Darstellungen der Beschwerdeführerin und der ESTV sowie der vorliegenden Beweismittel ist die Vorinstanz sodann zum Schluss gekommen, dass die Beschwerdeführerin die Wohnung im 3. Obergeschoss in der Liegenschaft der Beschwerdeführerin vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Mai 2012 einer nahe stehenden Gesellschaft bzw. B.________ zur Verfügung gestellt habe, ohne dafür einen Mietzins zu vereinnahmen. Ab 1. Juni 2012 sei die Wohnung für Fr. 1'750.- pro Monat an Dritte vermietet worden (vgl. angefochtenes Urteil E. 4.5.4). Weiter hat die Vorinstanz festgestellt, dass die Renovation der Wohnung per Ende 2011 abgeschlossen und die Wohnung ab 1. Januar 2012 voll bewohnbar gewesen sei. Sie hat sich für diese Würdigung gerade auch auf das von der Beschwerdeführerin beigebrachte Parteigutachten gestützt (vgl. angefochtenes Urteil E. 4.5.4.2). Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was diese Feststellungen der Vorinstanz als offensichtlich unrichtig erscheinen lassen würde, weshalb sie für das Bundesgericht verbindlich sind (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dass auf der Basis dieses verbindlich festgestellten Sachverhalts von einer verrechnungssteuerpflichtigen geldwerten Leistung der Beschwerdeführerin ausgegangen werden muss, stellt die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht substanziiert infrage.  
 
5.3. In Bezug auf die Renovation der Wohnung hat die Vorinstanz festgehalten, dass die Beschwerdeführerin den Werklohnaufwand und die D.________ AG den Werkertrag verbucht habe. Die D.________ AG habe der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 31. Dezember 2012 eine Rechnung für die Renovation gestellt, deren Betrag sich auf Fr. 50'000.- zuzüglich Fr. 4'000.- Mehrwertsteuer belaufen habe (vgl. angefochtenes Urteil E. 4.6.4.1). Die Entschädigung sei nicht in Geld erfolgt, sondern durch Belastung und Gutschrift auf den Kontokorrenten zugunsten (Beschwerdeführerin) bzw. zulasten (D.________ AG) von B.________, der im Jahr 2012 bei beiden Gesellschaften Organperson gewesen sei. Es sei zwar unbestritten, dass die Wohnung tatsächlich renoviert worden sei (vgl. angefochtenes Urteil E. 4.6.4). Wie jedoch das Bundesgericht bereits im direktsteuerlichen Verfahren erwogen habe, sei die fehlende Verbuchung von Aufwand für Personal oder Fremdarbeiten ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Renovationsarbeiten nicht von der D.________ AG erbracht worden seien (vgl. Urteil 2C_717/2018 vom 24. Januar 2020 E. 8.3.2). Hinzu komme, dass solche Arbeiten nicht dem Zweck dieser Gesellschaft entsprochen hätten. Auf dieser Basis schloss die Vorinstanz, dass die D.________ AG keine Renovationsarbeiten im Wert von Fr. 54'000.- (inkl. MWST) erbracht habe (vgl. angefochtenes Urteil E. 4.6.4.1).  
Die Kritik der Beschwerdeführerin an dieser Würdigung ist nicht stichhaltig und genügt auf jeden Fall nicht, um die Feststellungen der Vorinstanz als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen (Art. 97 Abs. 1 BGG). Ebensowenig sind die ESTV oder die Vorinstanz in Willkür verfallen, wenn sie in vorweggenommener (antizipierter) Beweiswürdigung davon ausgegangen sind, dass ihre Überzeugung durch die von der Beschwerdeführerin angebotenen Beweismittel nicht geändert würde. Das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin wurde insoweit also nicht verletzt (vgl. zur antizipierten Beweiswürdigung und ihrer auf den Aspekt der Willkür eingeschränkten Überprüfung durch das Bundesgericht BGE 147 IV 534 E. 2.5.1; 144 II 427 E. 3.1.3; 141 I 60 E. 3.3). Es ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz keine Gegenleistung für die Gutschrift von Fr. 54'000.- auf dem Kontokorrent zugunsten von B.________ erkennen konnte und demgemäss von einer verrechnungssteuerpflichtigen geldwerten Leistung bzw. einer verdeckten Gewinnausschüttung der Beschwerdeführerin ausgegangen ist. 
 
5.4. Da die Beschwerdeführerin auf der unentgeltlichen Überlassung der Wohnung und auf der Gutschrift auf dem Kontokorrent keine Verrechnungssteuer deklariert und abgeführt hat, ist der objektive Tatbestand von Art. 61 lit. a VStG erfüllt. Es ist demnach nicht zu beanstanden, dass sich die ESTV für die Nachleistung der Abgabe auf Art. 12 VStrR stützt. Dass die dafür einschlägige Frist gemäss Art. 12 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 und 3 VStrR bereits abgelaufen wäre, behauptet die Beschwerdeführerin zu Recht nicht.  
 
6.  
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet. Sie ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG). Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. Dezember 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler