4A_532/2023 03.11.2023
Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_532/2023  
 
 
Urteil vom 3. November 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwälte Jonas Steiner und Patrick Wagner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Mirco Ceregato, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Haftpflichtrecht; vorsorgliche Beweisführung; Verfahrenssistierung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Einzelrichter im Obligationenrecht, 
vom 29. September 2023 (BE.2023.34-EZO3 [SZ.2023.89-SMO/SG3ZE-MFU]). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ (Beschwerdeführer) ersuchte das Kreisgericht St. Gallen mit Eingabe vom 15. Februar 2023 um vorsorgliche Beweisführung, namentlich um Einholung eines medizinischen Gutachtens. Zur Begründung brachte er im Wesentlichen vor, er habe am 7. August 2018 auf einer Baustelle einen Arbeitsunfall erlitten, der schwere und bleibende Verletzungen zur Folge gehabt habe. Der Unfall sei auf eine Fürsorgepflichtverletzung seiner faktischen Arbeitgeberin, der B.________ AG (Beschwerdegegnerin), zurückzuführen.  
Mit Verfügung vom 21. Juli 2023 sistierte der Einzelrichter am Kreisgericht das Verfahren bis zu einem rechtskräftigen Entscheid im Beschwerdeverfahren gegen den Einspracheentscheid ES01358/2021 der SUVA vom 25. August 2021. 
Eine vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht St. Gallen mit Entscheid vom 29. September 2023 ab. Es erwog dazu, im parallel laufenden SUVA-Verfahren sei vorgesehen, eine interdisziplinäre Begutachtung bei der C.________-Gutachterstelle in Auftrag zu geben. Nach Vorliegen eines sozialversicherungsrechtlichen Gutachtens dürfte der Beschwerdeführer wohl kein schutzwürdiges Interesse mehr an einem weiteren Gutachten im Verfahren betreffend vorsorglicher Beweisführung haben. Es erscheine mit dem Vorrichter durchaus richtig, jedenfalls aber im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens, und vor allem zweckmässig, das Ergebnis der dortigen Begutachtung abzuwarten, das - Tauglichkeit vorausgesetzt, wovon aktuell mangels konkreter gegenteiliger Hinweise durchaus ausgegangen werden dürfe - vom Zivilrichter als gerichtliches Gutachten beigezogen werden dürfe. 
 
1.2. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Entscheid mit Eingabe vom 1. November 2023 Beschwerde in Zivilsachen. Gleichzeitig ersuchte er darum, es sei ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und ihm ein unentgeltlicher Rechtsbeistand beizugeben.  
Auf die Einholung von Vernehmlassungen zur Beschwerde wurde verzichtet. 
 
2.  
Die Sistierungsverfügung des Einzelrichters am Kreisgericht St. Gallen schliesst das erstinstanzliche Verfahren über die vorsorgliche Beweisführung nicht ab und betrifft weder die Zuständigkeit noch den Ausstand. Sie stellt deshalb einen "anderen selbständig eröffneten" Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG dar. Der darüber ergangene, vorliegend angefochtene Rechtsmittelentscheid der Vorinstanz vom 29. September 2023 ist seinerseits ein Zwischenentscheid nach Art. 93 Abs. 1 BGG (vgl. BGE 139 V 339 E. 3.2, 600 E. 2.1, 604 E. 2.1; Urteil 4A_542/2009 vom 27. April 2010 E. 3, je mit Hinweisen). 
 
2.1. Gegen Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).  
Die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden aus prozessökonomischen Gründen bildet eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 144 III 475 E. 1.2; 141 III 80 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1). Diese Ausnahme ist restriktiv zu handhaben, zumal die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn sie einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG nicht selbstständig anfechten, können sie ihn doch mit dem Endentscheid anfechten, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 144 III 475 E. 1.2; 138 III 94 E. 2.2; 135 I 261 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1; 133 IV 288 E. 3.2). Dementsprechend obliegt es der beschwerdeführenden Partei darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich in die Augen springt (BGE 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; 137 III 324 E. 1.1; 134 III 426 E. 1.2 in fine; 133 III 629 E. 2.3.1 und 2.4.2). 
 
2.2. Das Bundesgericht könnte bei einer Gutheissung der vorliegenden Beschwerde keinen Endentscheid im Verfahren betreffend vorsorgliche Beweisführung fällen, weshalb vorliegend die Zulässigkeit der Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG von vornherein ausser Betracht fällt.  
 
 
2.3. Der Beschwerdeführer hält dafür, ihm drohe durch den angefochtenen Entscheid ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG.  
 
2.3.1. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne dieser Bestimmung muss nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung rechtlicher Natur sein, was voraussetzt, dass er durch einen späteren günstigen Entscheid nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden kann (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 III 475 E. 1.2; 141 III 80 E. 1.2; 136 IV 92 E. 4; 134 III 188 E. 2.1; 133 III 629 E. 2.3.1, je mit Hinweisen).  
 
2.3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei davon auszugehen, dass im haftpflichtrechtlichen Verfahren auf das im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren in Auftrag gegebene Gutachten abgestellt werde, wenn die von der Vorinstanz bekräftigte Sistierung des Gesuchs um vorsorgliche Beweisführung nicht aufgehoben werde. Medizinische Gutachter gingen im Sozialversicherungsrecht von einem rein biopsychischen Krankheitsbegriff aus und liessen bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit psychosoziale und soziokulturelle Faktoren ausser Acht. Einem solchen Gutachten sei haftpflichtrechtlich kein Beweiswert zuzuerkennen. Im Haftpflichtrecht gelte bezüglich der Beurteilung einer Körperverletzung nämlich der weltweit anerkannte und in der medizinischen Wissenschaft geltende biopsychosoziale Krankheitsbegriff. Folglich würde der Zivilrichter, wenn das vorsorgliche Beweisverfahren sistiert bleiben würde, auf ein nicht deckungsgleiches sozialversicherungsrechtliches Gutachten abstellen, welches für den Beschwerdeführer nachteilige Auswirkungen zur Folge hätte. Es bestehe daher ein nicht wiedergutzumachender Nachteil, wenn es bei der von der Vorinstanz verfügten Sistierung des vorsorglichen Beweisverfahrens sein Bewenden hätte.  
 
2.3.3. Mit diesen Vorbringen vermag der Beschwerdeführer von vornherein nicht darzutun, dass ihm durch den angefochtenen Entscheid ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG droht. Es steht ihm nämlich offen, den letztinstanzlichen Entscheid, mit dem das Verfahren um vorsorgliche Beweisführung auf kantonaler Ebene abgeschlossen wird, vor Bundesgericht anzufechten, falls ihm mit diesem Entscheid die Einholung des von ihm beantragten Gutachtens verweigert wird (BGE 138 III 46 E. 1.1 S. 46, 76 E. 1.2). Im Rahmen dieser Beschwerde kann er den vorinstanzlichen Entscheid, mit dem die Sistierung des Verfahrens durch die Erstinstanz geschützt wird, mitanfechten, soweit sich dieser auf den Inhalt des verfahrensabschliessenden Entscheids auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG). Bei diesbezüglicher Gutheissung der Beschwerde kann ein dem Beschwerdeführer durch den hier angefochtenen Entscheid erwachsener Nachteil vollständig behoben werden.  
Unabhängig davon ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb der hier angefochtene Entscheid (unvermeidlich) dazu führen soll, dass der "Zivilrichter" in einem Haftpflichtprozess auf das im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren eingeholte Gutachten abstellt, und dem Beschwerdeführer insoweit ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohen könnte. 
 
2.4. Auf die offensichtlich unzulässige Beschwerde ist damit nicht einzutreten (Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG).  
 
3.  
Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren ist abzuweisen, weil die Beschwerde als von vornherein aussichtslos erscheint (Art. 64 Abs. 1 BGG), wobei darüber unter den gegebenen Umständen nicht vorgängig separat entschieden werden musste (vgl. Urteil 4A_20/2011 vom 11. April 2011 E. 7.2.2). 
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind dem Ausgang des Verfahrens entsprechend dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, da ihr aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand entstanden ist (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter im Obligationenrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. November 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer