6B_544/2023 19.06.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_544/2023  
 
 
Urteil vom 19. Juni 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiber Burkhardt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Kenad Melunovic Marini, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Revisionsgesuch (Vergehen gegen das Waffengesetz, Übertretung des Waffengesetzes), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 8. März 2023 (SR230002-O/U/ad-nm). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
In einem Reisekoffer von A.________ wurden am Zoll des Flughafens Zürich mehrere verbotene Waffen aufgefunden. 
Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 8. November 2021 wurde sie des Vergehens gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 80.-- sowie mit einer Busse von Fr. 500.-- bestraft. Der Vollzug der Geldstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre angesetzt. Dieser Strafbefehl erwuchs in Rechtskraft. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 24. Januar 2023 stellte A.________ ein Revisionsgesuch und beantragte die Aufhebung des Strafbefehls vom 8. November 2021 sowie die Rückweisung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland zur neuen Behandlung und Beurteilung. Sie machte zusammengefasst geltend, die fraglichen Waffen hätten nicht ihr, sondern ihrem Ehemann gehört und sie habe keine Kenntnis von diesen gehabt. 
Mit Beschluss vom 8. März 2023 trat das Obergericht des Kantons Zürich auf das Revisionsbegehren nicht ein. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 8. März 2023 sei aufzuheben und die Sache sei zur materiellen Anhandnahme und materiellen Beurteilung des Revisionsgesuchs an die Vorinstanz zurückweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Wer als verurteilte Person durch einen rechtskräftigen Strafbefehl beschwert ist, kann gemäss Art. 410 Abs. 1 StPO die Revision verlangen, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch oder eine wesentlich mildere Bestrafung herbeizuführen (lit. a), wenn der Strafbefehl mit einem späteren Strafentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht (lit. b) oder wenn sich in einem anderen Strafverfahren erweist, dass durch eine strafbare Handlung auf das Ergebnis des Verfahrens eingewirkt worden ist (lit. c).  
Revisionsrechtlich neu sind Tatsachen, wenn sie zum Zeitpunkt des früheren Urteils zwar bereits bestanden haben, das Gericht zum Zeitpunkt der Urteilsfällung aber keine Kenntnis von ihnen hatte, sie ihm mithin nicht in irgendeiner Form zur Beurteilung vorlagen. Die neuen Tatsachen müssen zudem erheblich sein. Dies ist der Fall, wenn sie geeignet sind, die tatsächlichen Grundlagen des zu revidierenden Urteils so zu erschüttern, dass aufgrund des veränderten Sachverhalts ein wesentlich milderes Urteil möglich ist (BGE 137 IV 59 E. 5.1.2 und E. 5.1.4; 130 IV 72 E. 1; Urteile 6B_258/2023 vom 8. Mai 2023 E. 1.3.1; 6B_891/2022 vom 15. Februar 2023 E. 1.3.2; 6B_676/2022 vom 27. Dezember 2022 E. 1.3.4; je mit Hinweisen). Möglich ist eine Änderung des früheren Urteils aber nur dann, wenn sie sicher, höchstwahrscheinlich oder wahrscheinlich ist (BGE 120 IV 246 E. 2b; 116 IV 353 E. 5a; Urteile 6B_258/2023 vom 8. Mai 2023 E. 1.3.1; 6B_891/2022 vom 15. Februar 2023 E. 1.3.2; 6B_676/2022 vom 27. Dezember 2022 E. 1.3.4; je mit Hinweisen). 
Das Revisionsverfahren dient indes nicht dazu, rechtskräftige Entscheide erneut in Frage zu stellen oder gesetzliche Vorschriften über die Rechtsmittelfristen bzw. die Zulässigkeit von neuen Tatsachen im Rechtsmittelverfahren zu umgehen oder frühere prozessuale Versäumnisse zu beheben (BGE 145 IV 197 E. 1.1; 130 IV 72 E. 2.2; 127 I 133 E. 6; je mit Hinweisen). Ein Gesuch um Revision eines Strafbefehls muss als missbräuchlich qualifiziert werden, wenn es sich auf Tatsachen stützt, die der verurteilten Person von Anfang an bekannt waren, die sie ohne schützenswerten Grund verschwieg und die sie in einem ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können, welches auf Einsprache hin eingeleitet worden wäre. Demgegenüber kann die Revision eines Strafbefehls in Betracht kommen wegen wichtiger Tatsachen oder Beweismittel, die die verurteilte Person zum Zeitpunkt, als der Strafbefehl erging, nicht kannte oder die schon damals geltend zu machen für sie unmöglich war oder keine Veranlassung bestand. Rechtsmissbrauch ist nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob unter den gegebenen Umständen das Revisionsgesuch dazu dient, den ordentlichen Rechtsweg zu umgehen (BGE 145 IV 197 E. 1.1; 130 IV 72 E. 2.2 f.). 
 
1.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe das Zurückhaltungsgebot missachtet und zu Unrecht Rechtsmissbrauch angenommen. Sie habe ausser Acht gelassen, dass die Beschwerdeführerin aus schützenswerten Gründen und zugunsten ihres Ehemannes die Schuld auf sich genommen und auf eine Einsprache gegen den Strafbefehl vom 8. November 2021 verzichtet habe.  
Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei amerikanischer Staatsbürger und im Juni 2018 in die Schweiz gezogen. Strafrechtliche Vorgänge oder Registereinträge hätten sich negativ auf sein Fortkommen und die persönliche Entwicklung in der Schweiz auswirken können. Es seien die Angst und Sorge um die Konsequenzen für ihren Ehemann gewesen, welche die Beschwerdeführerin dazu veranlasst hätten, gegen einen materiell falschen Strafbefehl auf eine Einsprache zu verzichten. Die Vorinstanz habe weiter ausser Acht gelassen, dass die Beschwerdeführerin als Flugbegleiterin nur gerade über einen Grundlohn von Fr. 3'400.-- verfüge, sodass die jungen Eheleute auf das Einkommen und das wirtschaftliche Fortkommen auch des Ehemannes angewiesen gewesen seien. Schliesslich habe die Beschwerdeführerin auch aus Angst vor den Kosten auf die Einsprache und ein aufwändiges Strafverfahren verzichtet. Die Beschwerdeführerin sei juristischer Laie und mit dem Strafbefehl in jeder Hinsicht überlastet gewesen. Sie habe sich angesichts der damaligen Umstände grosse Sorgen gemacht und sich entschieden, die Schuld auf sich zu nehmen. Sie habe also aufgrund eines für sie allumfassenden Existenzdrucks verzichtet. 
Die Beschwerdeführerin wolle jedoch nicht für etwas vorbestraft sein, das sie nicht getan habe. Der falsche Strafregistereintrag erschwere nun ihr wirtschaftliches Fortkommen einschneidend. 
 
1.3. Die Vorinstanz gibt die Rechtsprechung zur Revision korrekt wieder und tritt zu Recht nicht auf das Revisionsbegehren der Beschwerdeführerin ein.  
 
1.3.1. Unbestritten ist, dass - wenngleich es sich dabei um eine neue Tatsache handelt - der Beschwerdeführerin von Anfang an bewusst war, dass die im fraglichen Koffer vorgefundenen Waffen offenbar ihrem Mann gehört haben sollen. Entsprechend, und wie von der Vorinstanz zutreffend erwogen, taugt diese Tatsache nur als Revisionsgrund, wenn die Beschwerdeführerin diese den Strafverfolgungsbehörden aus schützenswerten Gründen verschwieg (vgl. supra E. 1.1). Solche sind jedoch nicht ersichtlich.  
 
1.3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe aus Sorge um das finanzielle Fortkommen ihres Ehemannes die Schuld auf sich genommen und auf eine Einsprache gegen den Strafbefehl verzichtet. Eine Schuldigsprechung ist oftmals mit einer gewissen Härte verbunden und hat für die verurteilte Person (und ihre Angehörigen) regelmässig über die ausgefällte Sanktion hinausgehende Konsequenzen. Der blosse Wunsch, eine nahestehende Person vor den üblichen (z.B. finanziellen und/oder migrationsrechtlichen) Folgen einer drohenden Verurteilung zu bewahren, rechtfertigt nicht die Übernahme der Verantwortung für fremdes strafbares Verhalten wider besseres Wissen. Es liegt darin in casu kein schutzwürdiger Grund für das Verschweigen bekannter Tatsachen im Sinne obiger Erwägung.  
Sodann handelt es sich bei der Beschwerdeführerin zwar um einen juristischen Laien, der im Raum stehende Vorwurf erwies sich jedoch als einfach. Die Klärung der Eigentümerschaft der Waffen wäre, soweit ersichtlich, ohne Aufwand möglich gewesen, macht die Beschwerdeführerin doch insbesondere nicht geltend, dass ihr Ehemann (anders als heute) nicht kooperiert hätte. Eine generelle Überforderung mit dem Strafbefehlsverfahren ist nicht erkennbar. 
Vergleichbares gilt in Bezug auf die Bedenken der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Kosten eines durch Einsprache gegen den Strafbefehl ausgelösten ordentlichen Verfahrens. Nachvollziehbar ist zwar, dass sie unter einem gewissen Existenzdruck stand. Sie hatte sich jedoch offensichtlich schon in der (vor Erlass des Strafbefehls durchgeführten) polizeilichen Einvernahme vom 2. Juni 2021 dazu entschieden, die Eigentümerschaft der Waffen anzuerkennen. Die Kosten eines allfälligen durch eine Einsprache ausgelösten ordentlichen Verfahrens können mithin nicht der massgebliche Grund für ihre Entscheidung gewesen sein. Ohnehin wäre in casu auch eine während der Einsprachefrist bestehende Unsicherheit in Bezug auf anfallende Kosten nicht geeignet, ein späteres Revisionsgesuch zu begründen. Die Beschwerdeführerin hätte sich bei diesbezüglichen Zweifeln vielmehr über die bestehenden Chancen und Risiken beraten lassen können und müssen. 
Es liegt demnach kein schützenswerter Grund dafür vor, dass die Beschwerdeführerin, ihrer Ansicht nach fälschlicherweise, die Schuld für die Einfuhr der inkriminierten Waffen auf sich nahm. Sie muss sich ihr Untätigbleiben nach Erlass des Strafbefehls und das unbenutzte Verstreichen der Einsprachefrist anrechnen lassen. 
 
2. Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der verhältnismässig geringe Aufwand ist bei der Bemessung der Gerichtskosten zu berücksichtigen (Art. 65 Abs. 2 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Juni 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Burkhardt