5A_498/2023 21.09.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_498/2023  
 
 
Urteil vom 21. September 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Schöbi, Bundesrichterin De Rossa, 
Gerichtsschreiber Monn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Crameri, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Manuela Vasiljevic, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Obhut und Regelung des persönlichen Verkehrs, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 30. Mai 2023 (KES 23 71). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ (geb. 1985) und A.________ (geb. 1979) sind die getrennt lebenden, nicht miteinander verheirateten Eltern von C.________ (geb. 2019). C.________ steht seit ihrer Geburt unter der Obhut ihrer Mutter. Ausserdem besteht für sie eine Beistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB. Aus einer anderen Beziehung hat B.________ noch eine Tochter namens D.________ (geb. 2012). D.________ steht unter der Obhut ihres Vaters, E.________, der das Sorgerecht über D.________ innehat. B.________ hat ein Besuchsrecht. 
 
B.  
Mit Entscheid vom 27. Januar 2021 regelte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Mittelland Nord den persönlichen Verkehr zwischen C.________ und A.________. Die Regelung sah einen schrittweisen Ausbau des persönlichen Verkehrs von anfänglich begleiteten Besuchen an einem neutralen Ort über tageweise Besuche in der väterlichen Wohnung in U.________ bis hin zu zusätzlichen Besuchen mit einer und später zwei Übernachtungen vor. Versuche, die Übergaben von C.________ ohne Begleitung durchzuführen, scheiterten in der Folge aber. Der behördlich vorgesehene stufenweise Ausbau des Besuchsrechts fand nicht statt. Angesichts dessen und mit Rücksicht auf die Zerstrittenheit von C.________s Eltern ersuchte die Beiständin die KESB mit Schreiben vom 23. September 2021 um Erstellung eines "familienrechtlichen" Gutachtens. Am 2. März 2022 beauftragte die KESB lic. phil. F.________ von der Fachstelle Kinder- und Jugendforensik der Universitären Psychiatrischen Dienste (UPD) Bern, zur Erziehungsfähigkeit der Eltern, zum persönlichen Verkehr und zum Wohlbefinden von C.________ ein Gutachten zu erstellen; ausserdem erteilte sie lic. phil. F.________ eine Delegationsbefugnis. Das Gutachten vom 5. August 2022 (im Folgenden "Gutachten UPD") wurde C.________s Eltern am 12. September 2022 mündlich eröffnet. 
 
C.  
 
C.a. Auf der Basis der gutachterlichen Empfehlungen passte die KESB die Regelung vom 27. Januar 2021 (Bst. B) mit Entscheid vom 7. Dezember 2022 an. Von Wochenendbesuchen (Freitag- bis Sonntagabend) wurde abgesehen und die Dauer der jeweiligen Phasen auf je drei Monate bestimmt. Die Beiständin erhielt unter anderem den Auftrag, die Voraussetzungen für den Übergang von einer Phase zur nächsten abzuklären und den Eltern den Beginn der nächsten Phase zu kommunizieren (Ziffer 1). Gestützt auf Art. 273 Abs. 2 ZGB wies die KESB die Eltern an, die Übergaben durch eine geeignete Fachperson begleiten zu lassen (Ziffer 2) und eine kinderorientierte Beratung im Umfang von mindestens drei Einzel- und mindestens drei gemeinsamen Terminen bei derselben Beratungsperson in Anspruch zu nehmen (Ziffer 4).  
 
C.b. A.________ erhob Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht. Er beantragte, den Entscheid der KESB aufzuheben und die Sache an die KESB zurückzuweisen (Ziffer 1). Weiter stellte er das Begehren, ihm die alleinige Obhut über C.________ zuzuteilen (Ziffer 2) und B.________ an jedem dritten Wochenende im Monat von Freitag- bis Sonntagabend ein Besuchsrecht einzuräumen (Ziffer 3). Soweit vor Bundesgericht noch relevant, verlangte er ausserdem, das Gutachten der Psychologischen Fachstelle für Zivilrechtlichen Kindesschutz vom 12. Oktober 2022, erstellt durch Dr. phil. G.________, über D.________ (im Folgenden "Gutachten G.________") beizuziehen (Ziffer 4). Mit Entscheid vom 30. Mai 2023 wies das Obergericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Der Nichteintretensentscheid des Obergerichts beschlägt die Anträge Ziffern 1 und 2; diese Begehren erachtete das Obergericht im kantonalen Beschwerdeverfahren als unzulässig.  
 
D.  
Mit Beschwerde vom 3. Juli 2023 wendet sich A.________ (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Er beantragt, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter hält er an seinem Begehren fest, das Gutachten G.________ (Bst. C.b) beizuziehen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht der Beschwerdeführer ausserdem "rückwirkend per 28. Juni 2023" um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesgericht hat sich die kantonalen Akten überweisen lassen, jedoch keinen Schriftenwechsel angeordnet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 147 I 89 E. 1; 145 I 121 E. 1; 143 III 140 E. 1). 
 
 
2.  
Der angefochtene Entscheid beschlägt die Regelung des persönlichen Verkehrs zwischen einem minderjährigen Kind und dem nicht obhutsberechtigten Elternteil und die Obhut, die dieser Elternteil erstreiten will. Das sind Zivilsachen (Art. 72 Abs. 1 BGG) ohne Vermögenswert, so dass die Beschwerde keinem Streitwerterfordernis unterliegt. Das Kantonsgericht ist ein oberes Gericht, das als letzte kantonale Instanz auf Rechtsmittel hin geurteilt hat (Art. 75 BGG). Der angefochtene Entscheid bestätigt im Ergebnis den erstinstanzlichen Entscheid betreffend die Regelung des persönlichen Verkehrs, schliesst das Verfahren also ab (Art. 90 BGG). Die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 i.V.m. Art. 45 Abs. 1 BGG). Von daher stände die Beschwerde in Zivilsachen an sich offen. 
 
3.  
Die Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen setzt weiter das Beschwerderecht voraus. 
 
3.1. Nach Art. 76 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Zivilsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (Bst. a) und durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (Bst. b). Das schutzwürdige Interesse besteht im praktischen Nutzen, den die Gutheissung des Rechtsmittels der rechtsuchenden Partei verschaffen würde, indem ihr der Nachteil (wirtschaftlicher, ideeller, materieller oder anderer Natur) erspart bliebe, den der angefochtene Entscheid für sie bedeutet (BGE 143 III 578 E. 3.2.2.2; 138 III 537 E. 1.2.2 mit Hinweisen). Die Beschwerdebefugnis setzt in der Regel ein aktuelles und praktisches Interesse an der Gutheissung der gestellten Rechtsbegehren voraus, das auch im Zeitpunkt der Fällung des bundesgerichtlichen Urteils vorhanden sein muss (vgl. BGE 131 I 153 E. 1.2). Die rechtsuchende Partei muss eine im konkreten Fall eingetretene Verletzung ihrer Rechte geltend machen. Sie kann sich nicht damit begnügen, faktisch irrelevante Rechtsfragen aufzuwerfen (Urteil 5A_760/2022 vom 3. Januar 2023 E. 3.1 mit Hinweis). Ob ein aktuelles Interesse gegeben ist, beurteilt sich deshalb nach den Wirkungen und der Tragweite einer allfälligen Gutheissung der Beschwerde (vgl. BGE 131 I 153 a.a.O.). Der Beschwerdeführer hat unter Gewärtigung der Nichteintretensfolge darzulegen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Beschwerderechts gegeben sind. Soweit diese nicht ohne Weiteres ersichtlich sind, ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichts, anhand der Akten oder weiterer, noch beizuziehender Unterlagen nachzuforschen, ob und inwiefern die Beschwerde zuzulassen ist (BGE 138 III 537 E. 1.2; 135 III 46 E. 4; je mit Hinweisen).  
 
3.2. Das Obergericht stellt klar, dass im kantonalen Beschwerdeverfahren ausschliesslich die Anpassung des persönlichen Verkehrs zwischen C.________ und dem Beschwerdeführer sowie die Anordnung von Weisungen gemäss Art. 273 Abs. 2 und Art. 307 Abs. 3 ZGB Streitgegenstand sind. Der vom Beschwerdeführer erstmalig formulierte Antrag auf Zuteilung der alleinigen Obhut sei demgegenüber nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheids und damit auch im Beschwerdeverfahren nicht Streitgegenstand. Gestützt auf diese Erwägungen erklärt das Obergericht, auf die Rechtsbegehren Ziffern 1 und 2 (s. Sachverhalt Bst. C.b) nicht einzutreten. In der Folge befasst es sich mit den Beanstandungen, die der Beschwerdeführer gegen das Gutachten UPD erhob, und mit seiner Forderung, das Gutachten G.________ zu berücksichtigen. Der angefochtene Entscheid kommt zum Schluss, dass die KESB zu Recht auf das Gutachten UPD betreffend C.________ und nicht auf das Gutachten G.________ betreffend D.________ abgestellt habe und dieses Gutachten aus denselben Gründen auch nicht im kantonalen Rechtsmittelverfahren beizuziehen und der entsprechende Beweisantrag abzuweisen sei. Im Übrigen verweist das Obergericht auf die zutreffenden Ausführungen der KESB und weist die Beschwerde ab.  
Der Beschwerdeführer beantragt vor Bundesgericht, die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen und das Gutachten G.________ beizuziehen (s. Sachverhalt Bst. D). Er argumentiert, dass die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich unrichtig feststelle, indem sie das fragliche Gutachten "trotz offensichtlicher Relevanz" nicht berücksichtige. In seinem Schriftsatz konzentriert er sich darauf zu erklären, weshalb es nicht angehe, das Gutachten G.________ ausser Acht zu lassen. Worum es ihm in der Sache geht, erschliesst sich lediglich aus der Passage, wonach es "sehr wahrscheinlich" sei, dass die Vorinstanz "insbesondere in Bezug auf die Obhutszuteilung... anders entschieden hätte", wenn das Gutachten G.________ beigezogen worden wäre. Zum Entscheid des Obergerichts, auf seinen Antrag um Zuteilung der alleinigen Obhut gar nicht erst einzutreten, äussert sich der Beschwerdeführer hingegen an keiner Stelle seiner Eingabe. Weder verbindet er seinen Rückweisungsantrag mit dem Begehren, auf den genannten Antrag einzutreten, noch finden sich in der Beschwerdebegründung Anhaltspunkte, die es dem Bundesgericht erlauben würden, seinen Rückweisungsantrag dahingehend zu interpretieren (vgl. BGE 136 V 131 E. 1.2) : Eine Erklärung, weshalb das Obergericht den Antrag um Zuteilung der alleinigen Obhut zu Unrecht als unzlässig ansah und darauf hätte eintreten müssen, ist in all den weitschweifigen Erörterungen nicht auszumachen. Auch dass er in der Sache in anderer Hinsicht eine Abänderung des angefochtenen Entscheids - insbesondere eine Anpassung der Besuchsregelung - anstreben würde, kann aufgrund der gestellten Anträge und der dazu gegebenen Begründung nicht gesagt werden. 
 
3.3. Nach dem Gesagten übersieht der Beschwerdeführer, dass sich die Vorinstanz nicht mit der Frage der Obhutszuteilung, sondern nur mit den beiden Gutachten befasst. Ob der Beschwerdeführer allein daran im kantonalen Beschwerdeverfahren überhaupt ein Rechtsschutzinteresse hatte, kann dahingestellt bleiben. Vor Bundesgericht wehrt sich der Beschwerdeführer jedenfalls nicht dagegen, dass das Obergericht seinen Antrag um Zuteilung der alleinigen Obhut als unzulässig einstuft. Auch sonst stellt er keine (ausdrücklichen oder sinngemässen) Begehren in der Sache. Inwiefern er in dieser Situation trotzdem ein im Sinne von Art. 76 Abs. 1 Bst. b BGG schutzwürdiges Interesse daran hat, dass sich das Bundesgericht - gewissermassen in Fortsetzung der Vorgehensweise der Vorinstanz - allein mit der Frage befasst, ob das Gutachten G.________ im kantonalen Verfahren hätte berücksichtigt werden müssen, tut der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Denn losgelöst von jeglichen Sachbegehren ist die Frage theoretischer Natur und ohne praktische Relevanz: Selbst wenn das Bundesgericht die Beschwerde guthiesse, würde sich nichts am angefochtenen Entscheid ändern, auf das Begehren um Zuteilung der alleinigen Obhut nicht einzutreten.  
 
4.  
Im Ergebnis ist der Beschwerdeführer nicht im Sinne von Art. 76 BGG zur Beschwerde berechtigt. Auf die Beschwerde ist deshalb nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer als unterliegende Partei die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für die bundesgerichtlichen Verfahren ist abzuweisen. Wie die vorigen Erwägungen zeigen, müssen die vor Bundesgericht gestellten Rechtsbegehren als von Anfang an aussichtslos gelten. Damit mangelt es an einer materiellen Anspruchsvoraussetzung (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Mittelland Nord, dem Kantonalen Jugendamt und H.________ mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. September 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Monn