5A_292/2022 27.09.2022
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_292/2022  
 
 
Urteil vom 27. September 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiberin Lang. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Meier, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Reinmar J. Salzgeber, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Vorsorgliche Beweisführung, vorsorgliche Massnahme, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, vom 8. März 2022 
(ZK 21 520). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ (geb. 1958) ist die Tochter des B.________ (geb. 1930), Grosskind der im Jahr 2005 verstorbenen C.________ sel. sowie Schwester von D.________ (geb. 1962) und E.________ (geb. 1966). Am 20. November 1995 schlossen B.________, seine Ehefrau und die gemeinsamen drei Kinder einen Erbvertrag. Mit Schenkungsvertrag vom 7. November 2001 übertrug C.________ ihren Enkeln E.________ und D.________ je 75 Aktien der F.________ AG, wobei sie sich die lebzeitige Nutzniessung daran vorbehielt. B.________, einziges Kind und einziger Erbe von C.________, verzichtete in einem gleichentags mit seiner Mutter abgeschlossenen Erbvertrag hinsichtlich dieser Aktien auf seine erbrechtlichen Ansprüche.  
 
A.b. A.________ meint, ihre Grossmutter sei im Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrags dement gewesen. Am 18. Mai 2021 stellte sie beim Regionalgericht Berner Jura-Seeland ein Gesuch um vorsorgliche Beweisführung; als Gegenpartei bezeichnete sie ihren Vater B.________. Sie beantragte, die fehlende Handlungsfähigkeit von C.________ am 7. November 2001 festzustellen. Als Beweismittel beantragte sie die Anhörung der Parteien sowie die Befragung von insgesamt neun Personen als Zeugen und forderte beim Hausarzt und drei Institutionen die Edition der vorhandenen "Krankheits- und Behandlungshistorien, Medikamentenlisten und erstellte Berichte"; eventuell seien die Unterlagen an einem vom Gericht zu bestimmenden Ort zu hinterlegen. Sodann beantragte A.________, der Klinik G.________ in U.________ sei als vorsorgliche Massnahme zu verbieten, die Krankenakten von C.________ zu vernichten oder sonstwie zu entsorgen oder Dritten auszuhändigen. Das Regionalgericht wies das Gesuch wie auch das Massnahmebegehren mit Entscheid vom 12. Oktober 2021 vollumfänglich ab; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Bei alledem ging das Regionalgericht von einem zahlenmässig nicht bestimmbaren Streitwert aus und bezeichnete in seiner Rechtsmittelbelehrung die Beschwerde nach Art. 319 ff. ZPO als das zulässige Rechtsmittel.  
 
B.  
Dagegen erhob A.________ am 1. November 2021 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern. In der Hauptsache verlangte sie die Aufhebung des Entscheids des Regionalgerichts und die Rückweisung der Sache unter Anordnung der beantragten Beweismassnahmen; eventualiter seien die vor dem Regionalgericht gestellten Beweismassnahmen durch das Obergericht vorzunehmen. Weiter beantragte sie, den genannten Personen bzw. Institutionen, von welchen sie die Edition von Krankenakten beantragt hatte, sei es im Sinn einer vorsorglichen Massnahme zu verbieten, die Krankenakten von C.________ zu vernichten oder sonstwie zu entsorgen oder Dritten auszuhändigen. Das Obergericht trat mit Entscheid vom 8. März 2022 mangels Zulässigkeit auf das Rechtsmittel nicht ein und schrieb das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen zufolge Gegenstandslosigkeit ab. Im Rahmen einer Eventualerwägung kam das Obergericht zum Schluss, dass die Beschwerde abzuweisen wäre, wenn darauf eingetreten werden müsste. 
 
C.  
 
C.a. Mit Beschwerde vom 19. April 2022 gelangt A.________ (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur neuen materiellen Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen; eventualiter seien der Entscheid des Regionalgerichts aufzuheben und die beantragten Beweismassnahmen anzuordnen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.  
 
C.b. Dazu aufgefordert, nahm B.________ (Beschwerdegegner) am 7. Juni 2022 Stellung zur Beschwerde und beantragte deren Abweisung, soweit darauf einzutreten sei. Das Obergericht verzichtete mit Eingabe vom 25. April 2022 auf Vernehmlassung.  
 
C.c. Im Übrigen hat das Bundesgericht die kantonalen Akten eingeholt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG), die auf ein Rechtsmittel, das gegen einen ein im Kontext einer späteren erbrechtlichen Auseinandersetzung gestelltes Gesuch um vorsorgliche Beweisführung abweisenden Entscheid gerichtet war, nicht eintritt. Mithin handelt es sich um einen Endentscheid (Art. 90 BGG; BGE 138 III 76 E. 1.2; 138 III 46 E. 1.1), der in einer vermögensrechtlichen Zivilsache ergangen ist (Art. 72 Abs. 1 BGG). Die Höhe des Streitwerts war bereits vor Obergericht und ist auch vor Bundesgericht umstritten. Diese Frage braucht nicht abschliessend beurteilt zu werden, denn Entscheide, die ein Gesuch um vorsorgliche Beweisführung zum Gegenstand haben, gelten als vorsorgliche Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG (BGE 138 III 46 E. 1.1), gegen welche nur die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden kann. Damit ist die Kognition des Bundesgerichts die gleiche, unabhängig davon, ob die Beschwerde mangels Erfüllung des Streitwerterfordernisses als subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) oder unter Zugrundelegung des vom Obergericht angenommenen Streitwerts als Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff. BGG) entgegenzunehmen wäre. Die Beschwerdeführerin ist unter beiden Titeln zur Beschwerde legitimiert (Art. 76 Abs. 1 bzw. Art. 115 BGG).  
 
1.2. Umstritten ist, ob die Beschwerdeführerin die Beschwerdefrist gewahrt hat.  
 
1.2.1. Sie macht geltend, der angefochtene Entscheid sei ihr erst am 16. April 2022 zugegangen. Dies bestätigt auch das Obergericht. Der Beschwerdegegner macht hingegen geltend, er selbst habe den angefochtenen Entscheid bereits am 14. März 2022 erhalten und es sei nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin den Entscheid erst über einen Monat nach erfolgter Eröffnung an den Beschwerdegegner in Empfang genommen haben wolle. Dies erst recht nicht, nachdem keine Retournierung (der ursprünglichen Sendung mit dem angefochtenen Entscheid) an die Vorinstanz erfolgt sei. Soweit die Einreichung der Beschwerde vom 19. April 2022 verspätet erfolgte, sei darauf nicht einzutreten.  
 
1.2.2. Das Obergericht bzw. die Post hat Nachforschungen zum Verbleib der ursprünglichen Sendung angestellt, wobei diese jedoch erfolglos blieben. Im System der Post ist lediglich vermerkt, dass die Abholungseinladung zugestellt worden sei und die Abholfrist am 19. März 2022 ablaufe. Dokumentiert ist jedoch weder die Abholung der Sendung durch die Beschwerdeführerin noch die Rücksendung an den Absender. Angesichts des Verfahrensausgangs kann die Frage der Fristwahrung aber letztlich offenbleiben.  
 
2.  
 
2.1.  
 
2.1.1. Das Obergericht ist hauptsächlich der Ansicht, das Regionalgericht habe eine falsche Rechtsmittelbelehrung abgegeben (vgl. Sachverhalt Bst. A.b), indem aufgrund des Streitwerts die Berufung nach Art. 308 ff. ZPO - und nicht die Beschwerde nach Art. 319 ff. ZPO - das zutreffende Rechtsmittel gewesen wäre. Weil der Fehler offensichtlich sei, könne sich die anwaltlich vertretene Partei nicht auf den Grundsatz berufen, wonach einer Partei aus einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen soll. Schliesslich komme eine Konversion in das eigentlich zulässige Rechtsmittel nicht infrage.  
 
2.1.2. Eventualiter und auf der materiell-rechtlichen Ebene erwog das Obergericht, eine vorsorgliche Beweisführung habe ihre Existenzberechtigung einzig in Verbindung mit einem konkreten zukünftigen Prozess, in dem das Beweismittel verwendet werden könne. Der Gesuchsteller, der sich auf Art. 158 Abs. 1 Bst. b ZPO stütze, müsse daher glaubhaft machen, dass ein Sachverhalt vorliegt, gestützt auf den ihm das materielle Recht einen Anspruch gegen den Gesuchsgegner gewährt und zu dessen Beweis das abzunehmende Beweismittel dienen kann. Hierzu habe die gesuchstellende Partei ihre Rechtsbegehren zu bezeichnen, die sie im Hauptprozess aufgrund eines schlüssig und substanziiert behaupteten Lebenssachverhalts einzuklagen gedenke. Die Beschwerdeführerin formuliere weder die Rechtsbegehren noch die Rechtsgrundlage des Hauptprozesses. Aus ihren Eingaben werde nicht einmal klar, welche Klage sie im Hauptverfahren anzustreben gedenke. Damit habe die Beschwerdeführerin in keiner Weise dargelegt, dass ihr das materielle Recht einen Anspruch gegen den Beschwerdegegner einräume. Vor diesem Hintergrund sei es für das Gericht unmöglich zu beurteilen, ob die vorsorglich beantragten Beweismittel der Erhebung rechtserheblicher Tatsachen dienen würden. Damit habe die Beschwerdeführerin kein schutzwürdiges Interesse glaubhaft gemacht. Ausserdem müsse in vorsorglichen Beweis- und Massnahmeverfahren, die vor Hängigkeit des Hauptverfahrens eingeleitet werden, die mutmassliche Gegenpartei des künftigen Hauptverfahrens ins Recht gefasst werden, ansonsten die Parteirechte nicht gewahrt werden könnten. Demnach richte sich die Aktiv- und Passivlegitimation im Verfahren der vorsorglichen Beweisführung und Massnahmen nach derjenigen des späteren Hauptprozesses. Soweit ersichtlich wolle die Beschwerdeführerin im künftigen Hauptverfahren eine erbrechtliche Klage erheben, mit der sie ihre Ansprüche am Nachlass des Beschwerdegegners geltend mache. Welche erbrechtliche Klage dies sein werde, sei aus den Eingaben der Beschwerdeführerin nicht klar. Das spiele aber auch keine Rolle, denn alle erbrechtlichen Klagen hätten gemein, dass sie nicht gegen den Erblasser zu richten seien, sondern in der Regel gegen die Miterben. In einem Prozess, in welchem Ansprüche am Nachlass des Beschwerdegegners geltend gemacht würden, wäre dieser gerade Erblasser und damit unter keinen Umständen Partei. In einem erbrechtlichen Hauptverfahren wäre der Beschwerdegegner somit nicht passivlegitimiert. Aus diesem Grund könne er auch im vorliegenden Verfahren nicht passivlegitimiert sein. Soweit die Beschwerdeführerin ausführe, sie sei nicht auf erbrechtliche Klagen angewiesen, sondern könne ihre Ansprüche auch zu Lebzeiten des Beschwerdegegners mittels Schadenersatzklage geltend machen, sei ihr entgegenzuhalten, dass es sich bei diesem Vorbringen um eine neue Tatsachenbehauptung handle, die nicht beachtet werden könne.  
 
2.2. Begründet die Vorinstanz des Bundesgerichts ihren Entscheid mit zwei oder mehreren voneinander unabhängigen Argumenten, ist - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - jede der den Entscheid tragenden Erwägungen zu beanstanden (BGE 142 III 364 E. 2.4 mit Hinweisen), denn die beschwerdeführende Partei hat keinen Anspruch auf Beurteilung einer Rechtsfrage, die sich nicht auf das Ergebnis auswirkt. Unterlässt es die beschwerdeführende Partei, sämtliche Begründungslinien anzufechten, fehlt das schutzwürdige Interesse an der Beschwerde (Art. 76 Abs. 1 Bst. b BGG). Dies gilt nicht nur, wenn die Vorinstanz aus mehreren Gründen nicht auf das Rechtsmittel eintritt oder das Rechtsmittel bzw. die Klage aus mehreren Gründen materiell abweist, sondern auch, wenn die (kantonale) Rechtsmittelinstanz auf das Rechtsmittel nicht eintritt und in einer Eventualbegründung darlegt, weshalb das Rechtsmittel auch materiell-rechtlich unbegründet ist (BGE 142 III 364 E. 2.4; 139 II 233 E. 3.2; 138 III 728 E. 3.4; 138 I 97 E. 4.1.4; je mit Hinweisen).  
 
2.3.  
 
2.3.1. Die Beschwerdeführerin beanstandet - entgegen den Ausführungen des Beschwerdegegners - sowohl die Erwägungen des Obergerichts, mit welchen dieses seinen Nichteintretensentscheid begründet, als auch jene, mit welchen es der Beschwerdeführerin vorhält, kein schutzwürdiges Interesse an der vorsorglichen Beweisführung dargetan zu haben. Hingegen äussert sie sich nicht zum Vorhalt, mit Bezug auf eine zukünftige erbrechtliche Klage sei der Beschwerdegegner nicht passivlegitimiert (wohl aber mit Bezug auf eine Schadenersatzklage, siehe dazu sogleich E. 2.3.2). Damit hat es diesbezüglich sein Bewenden.  
 
2.3.2. Sie widerspricht aber dem Vorwurf, wonach ihre Behauptung, sie könne ihre Ansprüche auch zu Lebzeiten des Beschwerdegegners mittels Schadenersatzklage geltend machen, neu und daher im Rechtsmittelverfahren unbeachtlich sei. Sie habe mit ihrem Gesuch vom 18. Mai 2021 den Erbvertrag vom 20. November 1995 eingereicht und auf Seite 12 ihrer Beschwerde vom 1. November 2021 habe sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdegegner verpflichtet habe, keines seiner drei Kinder finanziell mittels Vermögensdispositionen zu benachteiligen. Auf Seite 4 ihres Gesuchs vom 18. Mai 2021 habe sie zudem ausgeführt, dass die strittigen Verträge mit C.________ (Schenkungsvertrag) und dem Beschwerdegegner (Verzichtsvertrag) krass dem nie aufgehobenen Erbvertrag vom 20. November 1995 widersprochen hätten. Unter Ziffer 2 auf der gleichen Seite habe sie auch ausgeführt, dass mit diesen strittigen Verträgen der Beschwerdegegner in einem Ausmass über seine Vermögenswerte zu Gunsten ihrer Geschwister verfügt habe, dass eine Pflichtteilsverletzung unvermeidlich sein werde. Damit sei alles Notwendige dargelegt gewesen, dass eine Verletzung eines Vertrags zwischen ihr und dem Beschwerdegegner vorliege. Für die Geltendmachung von Ansprüchen, insbesondere Schadenersatz, aus einer Vertragsverletzung müsse sie nicht bis zum Ableben des Beschwerdegegners zuwarten. Dies müsse einem Gericht gegenüber insbesondere im Zusammenhang mit dem Glaubhaftmachen von schutzwürdigen Interessen nicht noch im Detail erörtert werden. Vielmehr sollte jedem klar sein, dass, wenn Vermögenswerte in einem Ausmass entäussert wurden, dass die geltend gemachte Pflichtteilsverletzung vorliegt, die Gleichbehandlungspflicht gemäss Vertrag vom 20. November 1995 verletzt sei und dadurch auch Schadenersatzansprüche bereits entstanden seien.  
 
2.4. Gemäss Art. 158 Abs. 1 Bst. b ZPO nimmt der Richter jederzeit Beweis ab, wenn die gesuchstellende Partei eine Gefährdung der Beweismittel oder ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft macht.  
 
2.4.1. Mit dem Begriff des schutzwürdigen Interesses nimmt das Gesetz auf die Möglichkeit Bezug, eine vorsorgliche Beweisführung auch zur Abklärung der Beweis- und Prozessaussichten durchzuführen. Diese Möglichkeit soll dazu beitragen, aussichtslose Prozesse zu vermeiden. Um ein schutzwürdiges Interesse an einer vorsorglichen Beweisführung glaubhaft zu machen, kann sich der Gesuchsteller freilich nicht mit der Behauptung begnügen, dass ein Bedürfnis danach bestehe, Beweis- und Prozessaussichten abzuklären. Er kann eine vorsorgliche Beweisführung nur mit Blick auf die Durchsetzung eines konkreten materiell-rechtlichen Anspruchs verlangen. Wer sich auf Art. 158 Abs. 1 Bst. b ZPO beruft, muss daher glaubhaft machen, dass ein Sachverhalt vorliegt, gestützt auf den das materielle Recht ihm einen Anspruch gegen den Prozessgegner verschafft und zu dessen Beweis das abzunehmende Beweismittel dienen kann.  
 
2.4.2. Gegenstand des Verfahrens der vorsorglichen Beweisführung ist nicht die abschliessende materiell-rechtliche Beurteilung der streitigen Rechte oder Pflichten, sondern ausschliesslich eine Beweisabnahme im Hinblick auf die Feststellung oder Würdigung eines bestimmten Sachverhalts. Mit Blick auf diesen Zweck sind alle in Art. 168 ff. ZPO vorgesehenen Beweismittel einer vorsorglichen Beweisführung zugänglich. Eine vorsorgliche Beweisführung ausserhalb des Prozesses schliesst nicht aus, dass die Parteien im Hauptprozess die erneute Abnahme des bereits vorsorglich abgenommen Beweises beantragen. Weil im Stadium einer vorsorglichen Beweisführung vor Einleitung des Hauptprozesses das Prozessthema aber noch nicht abschliessend herausgeschält ist, trifft im Verfahren der vorsorglichen Beweisführung primär die gesuchstellende Partei die Verantwortung dafür, dem Gericht die erforderlichen Angaben zum Sachverhalt zu machen und den Umfang der beantragten Beweisführung zu bestimmen. An die Zulässigkeit einer Beweisabnahme im Verfahren nach Art. 158 ZPO dürfen keine geringeren Anforderungen gestellt werden als an eine solche im Hauptprozess. Die vorsorgliche Beweisführung unterscheidet sich nämlich von der ordentlichen nur dadurch, dass sie zeitlich vorgelagert ist. Dementsprechend muss die gesuchstellende Partei einen Beweisantrag stellen, der sich unmittelbar auf die zu beweisende Tatsache bezieht. Sowohl für den Richter als auch für die Gegenpartei muss eindeutig ersichtlich sein, welche Beweismittel zu welchen Tatsachenbehauptungen angerufen werden (zum Ganzen: BGE 143 III 113 E. 4.4.1 mit Hinweisen).  
 
2.5. Es trifft zu, dass die Beschwerdeführerin die Erbverträge vom 20. November 1995 und 7. November 2001 sowie den Schenkungsvertrag vom 7. November 2001 in das Verfahren eingebracht hat. Ebenso hat sie in ihrem Gesuch vom 18. Mai 2021 behauptet, mit dem Erbvertrag vom 20. November 1995 habe sichergestellt werden sollen, dass keines der drei Kinder finanziell bevorzugt werde. Hingegen liefert das Gesuch keinen irgendwie gearteten Hinweis, wonach die Beschwerdeführerin in einem zukünftigen Hauptsacheverfahren Schadenersatzansprüche gegen ihren Vater geltend machen wolle. Jene bestätigt diesen Umstand insofern, als sie in ihrer Beschwerde an das Bundesgericht, wie in E. 2.3.2 wiedergegeben, die Auffassung vertritt, dass sie Schadenersatzansprüche gegen den Beschwerdegegner geltend zu machen beabsichtige, habe "nicht noch im Detail erörtert werden müssen" und das müsse "jedem klar sein". Von Klarheit kann keine Rede sein. Die Beschwerdeführerin wollte die Urteilsunfähigkeit ihrer Grossmutter im Zeitpunkt des Abschlusses des Erb- und des Schenkungsvertrags vom 7. November 2001 abklären lassen. Inwiefern sie auf diese Feststellung angewiesen sein soll, um eine vom Beschwerdegegner (und Vater) begangene Vertragsverletzung darzutun, erschliesst sich dem Bundesgericht nicht. Es ist also nicht zu beanstanden, wenn das Obergericht zum Schluss gelangt, die Beschwerdeführerin habe sich erstmals im Rechtsmittelverfahren auf Tatsachen berufen, aus welchen Schadenersatzansprüche gegenüber dem Beschwerdegegner abgeleitet werden könnten und sie aus diesen Gründen die beantragten vorsorglichen Beweismassnahmen abzunehmen wünsche. Dass und weshalb das Obergericht zu Unrecht von einem Novenverbot ausgegangen wäre, behauptet die Beschwerdeführerin zu Recht nicht.  
 
2.6. Damit erweist sich zumindest eine der den Entscheid tragenden Begründungen des angefochtenen Entscheids als verfassungskonform, weshalb auf die anderen Rügen nicht eingegangen werden muss.  
 
3.  
Die Anträge hinsichtlich der vorinstanzlichen Gerichts- und Parteikosten begründet die Beschwerdeführerin nicht gesondert; sie wären bloss die (logische) Folge einer - nun nicht eingetretenen - Gutheissung der Beschwerde. 
 
4.  
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen. Die Beschwerdeführerin unterliegt und wird kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. September 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lang