5A_434/2023 03.08.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_434/2023  
 
 
Urteil vom 3. August 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, 
Bundesrichterin DeRossa, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________,  
2. B.A.________,  
beide vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. C.________,  
2. D.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lukas Wiget, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Eigentum (Exmission, Rechtsschutz in klaren Fällen), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 5. Mai 2023 (LF230002-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Beschwerdeführer sind die ehemaligen Eigentümer der streitgegenständlichen 5½-Zimmer-Attikawohnung, welche vom Betreibungsamt Zürich 10 an der Versteigerung vom 7. Oktober 2021 für Fr. 2,92 Mio. den Beschwerdegegnern zugeschlagen wurde. Die hiergegen ergriffenen Beschwerden und Revisionsgesuche bis vor Bundesgericht blieben erfolglos. 
 
B.  
Seither versuchen die neuen Eigentümer die Beschwerdeführer zum Auszug aus der Liegenschaft zu bewegen. Am 2. September 2022 stellten sie ein Exmissionsgesuch. In dessen Gutheissung verpflichtete das Bezirksgericht Zürich die Beschwerdeführer mit Entscheid vom 21. Dezember 2022, die Liegenschaft unverzüglich zu räumen und den Beschwerdegegnern ordnungsgemäss zu übergeben, unter Anweisung des Stadtammannamtes Zürich 10, den Entscheid auf deren Ersuchen zu vollstrecken. Die hiergegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 5. Mai 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde vom 7. Juni 2023 wird verlangt, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben, von einer Vollstreckung sei abzusehen und das Obergericht sei anzuweisen, auf das Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen nicht einzutreten und die Sache ins ordentliche Verfahren zu verweisen, eventualiter sei ein Aufschub von mindestens einem halben Jahr zu gewähren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Eximissionsentscheid gestützt auf das Eigentumsrecht (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). Der Streitwert wurde vom Obergericht auf Fr. 43'345.-- beziffert; dies erscheint vor dem Hintergrund der einschlägigen Regeln bezüglich Exmissionsbegehren angemessen (Art. 51 Abs. 2 BGG) und die Beschwerde in Zivilsachen steht somit offen (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). 
 
 
2.  
Die Beschwerdeführer rufen eine Vielzahl von Verfassungs- und Konventionsbestimmungen als verletzt an (Art. 3, 6, 8, 13 und 14 EMRK; Art. 5, 10, 13, 26, 29a und 36 BV; Art. 2 und 7 UNO Pakt II; Folterkonvention), rügen eine Missachtung von Pfändungsbestimmungen und wollen Mietrecht analog angewandt wissen. Sie machen im Kern geltend, das Folterverbot gehöre zum ius cogens und angesichts ihres hohen Alters, ihres erbärmlichen Gesundheitszustandes und des äusserst tiefen Leerwohnungsbestandes in Zürich dürften sie nicht ihres Obdachs beraubt werden. 
 
2.1. Soweit die Beschwerdeführer ihren rechtlichen Vorbringen längere Ausführungen voranstellen, wie der Beschwerdeführer Ziff. 1 in beruflichem Zusammenhang Betrugsopfer geworden sei und Millionen verloren habe, und Vorwürfe dahingehend erheben, das Betreibungsamt habe die Liegenschaft weit unter Preis verhöckert und die Beschwerdegegner hätten diese zu einem Schnäppchenpreis erhalten, so geht es um Sachverhaltsfragen und ist nicht ersichtlich, inwiefern diese im Exmissionsverfahren relevant sein könnten; sie scheinen denn auch primär auf Stimmungsmache zu zielen. Abgesehen davon wird nicht dargetan, inwiefern die Vorbringen bereits im kantonalen Verfahren erfolgt, aber im angefochtenen Urteil willkürlich nicht festgestellt worden wären, weshalb sie als neu und damit ohnehin als unzulässig zu gelten haben (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
2.2. Die Vorbringen zum Pfändungsrecht, insbesondere zur Reihenfolge der Pfändung nach Art. 95 SchKG, sind im Exmissionsverfahren nicht mehr möglich. Jeder einzelne Verfahrensschritt des Zwangsvollstreckungsverfahrens, insbesondere auch die Pfändung, war mit Beschwerde anfechtbar und insbesondere der Steigerungszuschlag bildete Gegenstand mehrerer Rechtsmittel, welche das Bundesgericht rechtskräftig beurteilt hat; dabei hat es auch festgehalten, dass die Pfändung an keinen Nichtigkeitsgründen gelitten habe. Die Beschwerdegegner sind somit rechtmässige Eigentümer der Liegenschaft, was denn auch nirgends substanziiert in Frage gestellt wird.  
 
2.3. Nachdem sie nicht mehr Eigentümer sind, können die Beschwerdeführer von vornherein nichts aus der Eigentumsgarantie ableiten. Sodann gehen die weitschweifigen verfassungsrechtlichen Ausführungen rund um Folter, menschenunwürdige Behandlung, Diskriminierung etc. an der Sache vorbei; die in diesem Zusammenhang angerufenen Bestimmungen bilden keine Basis, um den Beschwerdegegnern das Eigentum vorzuenthalten. Ebenso wenig können sich die Beschwerdeführer hierfür auf die Achtung des Familienlebens berufen. Entscheidend ist vorliegend vielmehr, dass sich die Beschwerdeführer ohne Rechtstitel in der Liegenschaft der Beschwerdegegner aufhalten und Grundrechte keine direkte Drittwirkung zwischen Privaten in dem Sinn zu entfalten vermögen, als eine abstrakte Berufung auf sie möglich wäre und dadurch private Ansprüche geschaffen werden könnten (vgl. BGE 143 I 217 E. 5.2; 147 I 183 E. 8.4; 147 III 49 E. 9.4).  
 
2.4. Dass sie mit den Beschwerdegegnern nach der Zwangsversteigerung der Liegenschaft einen Mietvertrag geschlossen hätten, behaupten die Beschwerdeführer selbst nicht. Sodann können mietrechtliche Bestimmungen nicht analog auf die vorliegende Konstellation angewandt werden, umso weniger als es bei ausserordentlicher Kündigung, namentlich bei Zahlungsverzug, auch im Mietrecht keine Erstreckungsmöglichkeit gibt (Art. 272a Abs. 1 OR). Wenn schon wäre eine Parallele zu dieser Konstellation zu ziehen, denn die Beschwerdeführer zahlen keinerlei Entgelt an die Beschwerdegegner; sie möchten diesen mit anderen Worten zumuten, weiterhin entschädigungslos auf die Ausübung ihres Eigentums zu verzichten.  
 
3.  
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer können Exmissionsbegehren nach dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen des Rechtsschutzes in klaren Fällen gestellt werden, wenn die Voraussetzungen von Art. 257 Abs. 1 lit. a und b ZPO gegeben sind, was namentlich bei Mieterausweisungen nach ausserordentlicher Kündigung, bei welcher es keine Möglichkeit der Mietzinserstreckung gibt, der Fall sein kann (Botschaft des Bundesrates zur ZPO vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7352; Urteil 4A_447/2011 vom 20. September 2011 E. 2; GÜNGERICH, in: Berner Kommentar, N. 26 zu Art. 257 ZPO; HOFMANN, in: Basler Kommentar, 3. Aufl. 2017, N. 18 zu Art. 256 ZPO); umso mehr ist diese Möglichkeit bei der Exmission durch die neuen Eigentümer nach der Zwangsversteigerung gegeben, soweit die spezifischen Voraussetzungen von Art. 257 ZPO erfüllt sind. Vorliegend waren keine Sachverhaltselemente strittig (Art. 257 Abs. 1 lit. a ZPO), was im angefochtenen Urteil auch festgehalten ist, sondern es ging ausschliesslich um die Rechtslage, welche - zumal die Pfändung bzw. das Zwangsvollstreckungsrecht im Exmissionsverfahren nicht mehr thematisiert wird und somit auf die ausufernde Abhandlung in der Beschwerde nicht eingetreten werden kann - insofern klar ist (Art. 257 Abs. 1 lit. b ZPO), als die Beschwerdegegner mit dem rechtskräftigen Steigerungszuschlag Eigentümer der Liegenschaft geworden sind (Art. 656 Abs. 2 ZGB; Art. 66 Abs. 1 VZG; BGE 117 III 39 E. 4b; deklaratorischer Grundbucheintrag erfolgte am 27. Juli 2022) und die Beschwerdeführer sich darin ohne Rechtstitel aufhalten, womit sie nach dem vorstehend Gesagten keinen rechtlichen Anspruch auf Verbleib haben. 
 
4.  
Was das Eventualbegehren anbelangt, erfolgt entgegen Art. 42 Abs. 2 BGG keine spezifische Beschwerdebegründung. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Pfändung am 7. September 2017 und die Versteigerung der Liegenschaft am 7. Oktober 2021 erfolgte. Die Beschwerdeführer wussten um die Konsequenzen und hatten jahrelang Zeit, nach einer neuen Wohnung Ausschau zu halten. 
 
5.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. August 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli