6B_980/2022 29.11.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_980/2022  
 
 
Urteil vom 29. November 2023  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiberin Pasquini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Bundesanwaltschaft, 
Guisanplatz 1, 3003 Bern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan A. Buchli, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung (Unterstützung einer kriminellen und terroristischen Organisation), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesstrafgerichts, Berufungskammer, vom 1. Dezember 2021 (CA.2021.9). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Urteil vom 11. September 2020 sprach die Strafkammer des Bundesstrafgerichts A.________ der Unterstützung einer kriminellen und terroristischen Organisation (in den Anklagepunkten 1.1.2.2.1-1.1.2.2.3) und des Besitzes von Gewaltdarstellungen schuldig. Sie verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 50 Monaten. Gegen diesen Entscheid erhoben A.________ Berufung und die Bundesstaatsanwaltschaft Anschlussberufung. 
Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts sprach A.________ am 1. Dezember 2021 vom Vorwurf des Besitzes von Gewaltdarstellungen frei. Es bestrafte ihn wegen der Unterstützung einer kriminellen und terroristischen Organisation (in den Anklagepunkten 1.1.2.2.1-1.1.2.2.3) mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten. Den zu vollziehenden Teil der Strafe legte es auf 18 Monate und die Probezeit auf 5 Jahre fest. 
 
B.  
Die Bundesanwaltschaft beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts vom 1. Dezember 2021 sei in Bezug auf die Strafe aufzuheben. Die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Strafzumessung. Sie rügt, die Vorinstanz verletze Art. 47 ff. StGB, da sie unter Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Erwägungen eine tiefere Einsatzstrafe (36 anstatt 45 Monate) festsetze. Dabei lasse sie unberücksichtigt, dass sie den Beschwerdegegner im Vergleich zur ersten Instanz in einem zusätzlichen Anklagepunkt schuldig spreche, womit sie einen wesentlichen Gesichtspunkt ausser Acht lasse. Obwohl die Vorinstanz das Tatverschulden des Beschwerdegegners sodann als insgesamt schwer einstufe, lege sie die Einsatzstrafe in Überschreitung ihres Ermessens lediglich auf 36 Monate fest. Schliesslich gehe die Vorinstanz von einem nicht massgeblichen Kriterium aus, indem sie die Einsatzstrafe auf lediglich 36 Monate mit der Begründung festsetze, sie halte die Anordnung einer teilbedingten Freiheitsstrafe für angemessen (Beschwerde S. 3 ff.).  
 
1.2. Die Vorinstanz stuft das Verschulden des Beschwerdegegners gesamthaft als schwer ein (Urteil S. 102 f. E. 3.5.4). In objektiver Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass er während knapp zwei Jahren den IS bzw. dessen Vorgängerorganisation ISIG, eine hochgefährliche terroristische Organisation, aktiv unterstützt habe. Dabei habe er ein sehr hohes persönliches Engagement gezeigt, indem er sich in mannigfaltiger Weise und mit grossem Aufwand für die Zielsetzungen dieser Organisation betätigt habe. Der Beschwerdegegner sei national und international bestens vernetzt gewesen: Er habe intensive Kontakte zu IS-Anhängern und zu radikal salafistischen Predigern gepflegt, die wegen terroristischer Aktivitäten für den IS zu mehrjährigen Freiheitsstrafen (zwischen 7 und 20 Jahren) verurteilt worden seien. Des Weiteren habe er Chatgrupppen unterhalten, in denen radikal-salafistisches Gedankengut und die Werteideologie des IS ausgetauscht worden seien. Im Hinblick auf die Syrienreise des Beschwerdegegners falle im Einklang mit den erstinstanzlichen Erwägungen ins Gewicht, dass er während ca. drei Wochen an Schiesstraining teilgenommen und bewaffnete Wacheinsätze geleistet habe, wodurch er die Organisation unmittelbar gestärkt bzw. unterstützt habe. Es sei ihm aber nicht gelungen, die übliche 30-tägige Kampfausbildung zu überstehen, weshalb er nicht die Stellung eines Kämpfers habe erringen können. Dies sei im Vergleich zu anderen Fällen, in denen die Teilnahme an Kampfeinsätzen erfolgt sei, zu berücksichtigen. Es sei der ersten Instanz sodann beizupflichten, dass es weit schwerer wiege, dass der Beschwerdegegner auf Schweizer Territorium fünf Personen für den IS angeworben resp. rekrutiert habe. Dabei hätten drei dieser Personen im bewaffneten Dschihad den Tod gefunden. Die Planung und Tatausführung sei in hohem Masse raffiniert, kaltblütig sowie menschenverachtend gewesen, zumal der Beschwerdegegner nicht davor zurückgeschreckt sei, sehr junge Männer, darunter einen Minderjährigen und einen knapp Volljährigen, für seine Mission zu gewinnen. Mit der von ihm intensiv betriebenen Propagandatätigkeit für den IS habe er aktiv zu dessen Anziehungskraft beigetragen. Dass sich infolge solcher Propaganda vor allem auch junge, perspektivlose Jugendliche veranlasst gesehen hätten, sich in ein Kriegsgebiet zu begeben, sei auch dem Beschwerdegegner nicht verborgen geblieben (Urteil S. 100 ff. E. 3.5.1 f.).  
In subjektiver Hinsicht hält die Vorinstanz fest, der Beschwerdegegner habe als ideologischer Überzeugungstäter gehandelt, was zwar deliktstypisch ist. Er habe zum Ausdruck gebracht, dass er die verbrecherische Ideologie und den Wertekanon des IS für unterstützungswürdig halte und befürworte. Sein Beweggrund sei hauptsächlich auf die Förderung des terroristischen Zwecks des IS bzw. ISIG konzentriert gewesen. Diese besonders verwerfliche Motivation sei zu seinen Lasten zu werten. Die erhebliche Intensität seines deliktischen Willens und seiner deliktischen Tätigkeit weise auf eine besonders stark ausgeprägte fanatische Gesinnung hin. Andere Umstände, die sein Verhalten rechtfertigen oder erklären könnten, seien nicht gegeben. Im Ergebnis sei der ersten Instanz beizupflichten, dass sein Verhalten von einer grossen kriminellen Energie zeuge (Urteil S. 102 E. 3.5.3). 
In Beachtung des Verschuldens des Beschwerdegegners, das gesamthaft als schwer einzustufen sei, weshalb ausschliesslich eine Freiheitsstrafe in Betracht komme, legt die Vorinstanz die Einsatzstrafe auf 36 Monate fest (Urteil S. 102 f. E. 3.5.4) Bei den Täterkomponenten berücksichtigt sie das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse, das Verhalten im Strafverfahren und das Nachtatverhalten des Beschwerdegegners neutral, die vorverurteilende Medienberichterstattung leicht strafmindernd und die Delinquenz während laufender Strafuntersuchung leicht straferhöhend. Vorliegend würden sich diese Strafminderungen und -erhöhungen gegenseitig aufheben, sodass sich die Täterkomponenten im Gegensatz zur erstinstanzlichen Erkenntnis insgesamt neutral auswirken würden. Das Beschleunigungsgebot sei nicht verletzt. Insgesamt erachtet die Vorinstanz eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten als angemessen (Urteil S. 103-109 E. 3.6 ff.). 
 
1.3. Der Strafrahmen für die Unterstützung einer kriminellen und terroristischen Organisation in ihrer Tätigkeit bewegt sich zwischen einer Geldstrafe von mindestens drei Tagessätzen und einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren (aArt. 260ter Ziff. 1 StGB). Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB wiederholt dargelegt (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 141 IV 61 E. 6.1.1; 136 IV 55 E. 5.4 ff.; je mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. Das Sachgericht verfügt auf dem Gebiet der Strafzumessung über einen Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 136 IV 55 E. 5.6; je mit Hinweisen).  
 
1.4. Die Vorinstanz setzt sich mit den ausschlaggebenden schuldrelevanten Komponenten auseinander und würdigt alle Zumessungsfaktoren zutreffend. Es ist nicht ersichtlich, dass sie sich von nicht relevanten Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt hätte. Sowohl im Ergebnis als auch hinsichtlich des methodischen Vorgehens ist die vorinstanzliche Strafzumessung nicht zu beanstanden.  
 
1.4.1. Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Vorinstanz lasse einen wesentlichen Gesichtspunkt ausser Acht. Obwohl sie sich auf die erstinstanzlichen Erwägungen beziehe, setze sie eine tiefere Einsatzstrafe als die erste Instanz fest. Insofern berücksichtige sie nicht, dass sie den Beschwerdegegner in einem zusätzlichen Punkt (Rekrutierung von fünf und nicht nur von vier Personen) schuldig spreche (Beschwerde S. 3-5).  
Diese Vorbringen sind unbegründet. Der Vorinstanz entgeht nicht, dass der Beschwerdegegner fünf (und nicht vier) Personen aktiv für den IS angeworben resp. rekrutiert hat, sondern bezieht dies ausdrücklich sowie ausführlich in die Bemessung der Strafe mit ein (Urteil S. 101 f. E. 3.5.2.2). Die Beschwerdeführerin scheint zu übersehen, dass die Vorinstanz, als Berufungsinstanz, eine neues Urteil auszufällen (vgl. Art. 408 StPO) und die Strafe somit nach eigenem Ermessen festzusetzen hat. Im Übrigen verweist sie nicht auf die erstinstanzlichen Ausführungen. Vielmehr nimmt sie im Rahmen ihrer eigenen Erwägungen punktuell auf diese Bezug, wobei sie ihnen lediglich teilweise zustimmt. 
 
1.4.2. Indem die Vorinstanz das Tatverschulden des Beschwerdegegners in Anbetracht der vorliegenden Umstände als insgesamt schwer einstuft und die Einsatzstrafe im oberen Bereich des mittleren Drittels des Strafrahmens festlegt, konkret bei ungefähr 36 Monaten, überschreitet sie ihr Ermessen nicht (Urteil S. 102 f. E. 3.5.4). Die diesbezügliche Rüge der Beschwerdeführerin erweist sich als unbegründet (Beschwerde S. 5). Entgegen der Kritik der Beschwerdeführerin erwägt die Vorinstanz sodann ebenso zutreffend (Beschwerde S. 5 f.), die Strafzumessung unter Würdigung aller wesentlichen Umstände führe vorliegend zu einer Freiheitsstrafe, die im Grenzbereich zwischen der teilbedingten und der unbedingten Freiheitsstrafe liege, weshalb sich der Richter zu fragen habe, ob - zugunsten des Beschuldigten - eine Sanktion, welche die Grenze nicht überschreite, noch innerhalb seines Ermessensspielraumes liege (Urteil S. 103 E. 3.5.4; vgl. BGE 134 IV 17 E. 3; Urteil 6B_681/2011 vom 12. März 2012 E. 3.3). Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, sie halte die Anordnung einer teilbedingten Freiheitsstrafe hier noch für angemessen, weshalb die Einsatzstrafe auf 36 Monate festzusetzen sei (Urteil S. 103 E. 3.5.4). Dass die Vorinstanz diese Überlegungen vornimmt, bevor sie die Täterkomponenten einbezieht, erweist sich vorliegend als insofern unerheblich, als sie diese ohnehin als neutral bewertet (Urteil S. 108 E. 3.6.7).  
Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass die Voraussetzungen des teilbedingten Vollzugs nicht gegeben sind. 
 
1.5. Eine ermessensverletzende Gewichtung der massgebenden Faktoren resp. eine Verletzung von Bundesrecht zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf und ist nicht ersichtlich. Die Freiheitsstrafe von 36 Monaten hält sich auch bei einer Gesamtbetrachtung innerhalb des sachrichterlichen Ermessens und ist nicht zu beanstanden. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.  
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Beschwerdeführerin trägt keine Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da keine Vernehmlassungen eingeholt wurden und ihm daher im bundesgerichtlichen Verfahren keine nennenswerten Umtriebe entstanden sind. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesstrafgericht, Berufungskammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. November 2023 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini