2C_622/2023 15.11.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_622/2023  
 
 
Urteil vom 15. November 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Hartmann, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
B.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Dr. Simone Nadelhofer, 
Céline Breitenmoser und Tabea Tsering Segessenmann, Rechtsanwältinnen, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV, 
Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, 
Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe (DBA CH-IN), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 22. Oktober 2023 (A-5362/2022). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das indische Ministry of Finance (nachfolgend: ersuchende Behörde) ersuchte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) am 25. August 2021 gestützt auf Art. 26 des Abkommens vom 2. November 1994 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-IN; SR 0.672.942.31) um Leistung von Amtshilfe betreffend C.________. Die ersuchende Behörde ergänzte das Ersuchen auf Rückfrage der ESTV am 22. Juni 2022. 
Zum Sachverhalt führte die ersuchende Behörde aus, sie führe in Indien gegen C.________ Ermittlungen in Bezug auf nicht deklariertes in- und ausländisches Einkommen und Vermögen sowie betreffend Steuerhinterziehung. Bei C.________ sei eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden und unter anderem ein USB-Stick mit Daten gefunden worden. Aus diesen sei ersichtlich, dass C.________ Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge auf verschiedenen ausländischen Bankkonten getätigt habe und mehrere verdeckte Unternehmen führe. In diesem Zusammenhang seien Kontobewegungen respektive Überweisungsaufträge an A.________ und B.________ aufgefallen. Konkret habe C.________ Anweisungen zur Überweisung von Geldern an A.________ und B.________ gegeben, weshalb davon ausgegangen werde, dass C.________ die tatsächliche wirtschaftliche Berechtigung am Vermögen auf den Bankkonten von A.________ und B.________ habe und diese benutze, um ausländisches Vermögen zu bewegen respektive zu verstecken. Entsprechend werde vermutet, dass das Vermögen auf den Bankkonten von A.________ und B.________ C.________ zuzurechnen und in Indien als Einkommen zu besteuern sei. Daher werde um die Informationen im Zusammenhang mit den schweizerischen Bankkonten von A.________ und B.________ bei der Bank D.________ (nachfolgend: Informationsinhaberin) ersucht. 
 
B.  
Mit Schlussverfügungen vom 19. Oktober 2022 leistete die ESTV der ersuchenden Behörde Amtshilfe betreffend C.________, woraufhin A.________ und B.________ am 21. November 2022 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einreichten. 
Mit Urteil vom 22. Oktober 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 6. November 2023 gelangen A.________ und B.________ an das Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung des Urteils vom 22. Oktober 2023. Es sei der ersuchenden Behörde keine Amtshilfe zu gewähren. Eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz oder die ESTV zurückzuweisen. Subeventualiter sei im Sinne der Erwägungen nur teilweise Amtshilfe zu leisten oder subsubeventualiter die zu übermittelnden Informationen im Sinne der Erwägungen zu schwärzen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 147 I 89 E. 1; 146 II 276 E. 1). 
 
1.1. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 139 II 340 E. 4).  
Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann - namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_1037/2019 vom 27. August 2020 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 II 116). 
 
1.2. Die Beschwerdeführer werfen zunächst eine Frage im Zusammenhang mit dem völkerrechtlichen Vertrauensprinzip auf.  
 
1.2.1. Die Beschwerdeführer führen aus, die ersuchende Behörde beziehe sich in ihrem Amtshilfeersuchen vom 25. August 2021 auf eine auf einem elektronischen Speichermedium gespeicherte Excel-Datei. Das Speichermedium sei angeblich bei einer Hausdurchsuchung bei der von der Amtshilfe formell betroffenen Person gefunden worden. Das Speichermedium enthalte angeblich E-Mails, die eine Verbindung zwischen den beiden Beschwerdeführern und der betroffenen Person herstellen würden. Die Vorinstanz komme sodann mit Verweisung auf das völkerrechtliche Vertrauensprinzip zum Schluss, dass auf die Angaben der ersuchenden Behörde zur Herkunft des Speichermediums abzustellen sei. Die Beschwerdeführer hätten allerdings die Sachverhaltsdarstellung der ersuchenden Behörde widerlegt, womit die Vermutung des guten Glaubens als umgestossen zu gelten habe. Es stelle sich daher die grundsätzliche Frage, ob die ersuchende Behörde mit den Angaben zur Herkunft der Beweismittel respektive mit der Verweisung auf mutmasslich gefälschte Dokumente den Grundsatz von Treu und Glauben verletze.  
 
1.2.2. Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit sowie zum Grundsatz von Treu und Glauben gilt, dass die ersuchte Behörde nicht zu entscheiden hat, ob der im Amtshilfeersuchen dargestellte Sachverhalt gänzlich der Realität entspricht. Sie muss lediglich überprüfen, ob die ersuchten Informationen einen Bezug zu diesem Sachverhalt haben (vgl. BGE 144 II 206 E. 4.3; 143 II 185 E. 3.3.2; 142 II 161 E. 2.1.1). Der ersuchte Staat kann Auskünfte daher nur verweigern, wenn ein Zusammenhang zwischen den verlangten Angaben und der Untersuchung wenig wahrscheinlich erscheint (vgl. BGE 143 II 185 E. 3.3.2; 141 II 436 E. 4.4.3). Folglich beschränkt sich die Rolle der Steuerbehörden des ersuchten Staats im Wesentlichen auf die Prüfung der Plausibilität des Ersuchens (vgl. BGE 142 II 161 E. 2.1.1; vgl. auch Urteil 2C_241/2016 vom 7. April 2017 E. 5.4).  
 
1.2.3. Nach dem (völkerrechtlichen) Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von Art. 26 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (SR 0.111) wird vermutet, dass ein staatsvertraglich gebundener Staat nach Treu und Glauben handelt. Im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen bedeutet diese Vermutung, dass der ersuchte Staat auf die Angaben des ersuchenden Staats vertraut (sogenanntes Vertrauensprinzip; vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1). Zwar steht es dem ersuchten Staat offen, zu prüfen, ob die erbetenen Informationen für den vom ersuchenden Staat angestrebten steuerlichen Zweck voraussichtlich erheblich sind. Allerdings verpflichtet das völkerrechtliche Vertrauensprinzip ihn im Grundsatz dennoch, sich auf die Angaben zu verlassen, die der ersuchende Staat mitteilt (vgl. BGE 144 II 206 E. 4.4; 142 II 161 E. 2.1.3; 142 II 218 E. 3.3) : Das Vertrauensprinzip schliesst daher nicht aus, dass der ersuchte Staat vom ersuchenden Staat zusätzliche Erklärungen verlangt, wenn ernsthafte Zweifel an der Einhaltung der völkerrechtlichen Grundsätze oder an der voraussichtlichen Erheblichkeit der ersuchten Informationen bestehen. Die Vermutung des guten Glaubens kann jedoch nur aufgrund konkreter, nachgewiesener Anhaltspunkte umgestossen werden (vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1; 144 II 206 E. 4.4; Urteil 2C_241/2016 vom 7. April 2017 E. 5.5).  
 
1.2.4. Die Vorinstanz hat ausführlich geprüft, ob auf die Angaben der ersuchenden Behörde abzustellen ist. Sie kommt zum Schluss, es ergäben sich keine Hinweise darauf, dass das Speichermedium mit den dem Amtshilfeersuchen zugrunde liegenden Daten aus einer strafbaren Handlung stammten. Die Beschwerdeführer, so die Vorinstanz, vermöchten die Sachverhaltsdarstellung der ersuchenden Behörde nicht in Zweifel zu ziehen. Sie würden auch nicht geltend machen, die Hausdurchsuchung sei rechtswidrig erfolgt. Folglich sei auf die Angaben der ersuchenden Behörde zu vertrauen (vgl. E. 4.1.4 des angefochtenen Urteils). Was die Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche Würdigung vorbringen, stellt lediglich eine Kritik an der einzelfallspezifischen Anwendung des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips dar. Damit gelingt es ihnen allerdings nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG aufzuwerfen.  
 
1.3. Die Beschwerdeführer stellen eine weitere Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Übermittlung von Informationen von Drittpersonen und deren Recht auf Privatsphäre.  
 
1.3.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, die Übermittlung ihrer Personendaten stellten einen schweren Eingriff in ihre Privatsphäre dar. Dieser Eingriff wiege umso schwerer, als es sich bei ihnen nicht um von der Amtshilfe betroffene Personen handle, sie in Indien nicht steuerpflichtig und die Informationen daher nicht für ihre Veranlagung von Interesse seien. Das Bundesgericht habe sich zwar zur Frage der Schwärzung von Personendaten der Bankmitarbeitenden geäussert. Allerdings sei nicht geklärt, welche Angaben bei den nicht vom Amtshilfeverfahren betroffenen Personen als voraussichtlich erheblich gelten würden und welche Daten mit Blick auf das verfassungsmässige Verhältnismässigkeitsprinzip nur geschwärzt übermittelt werden dürften.  
 
1.3.2. Den Beschwerdeführern ist nicht zu folgen: Das Bundesgericht hat sich bereits ausführlich mit dem Verhältnis zwischen der Übermittlung von voraussichtlich erheblichen Daten von durch das Amtshilfeverfahren nicht unmittelbar betroffenen Personen und ihrer Privatsphäre sowie ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auseinandergesetzt (vgl. BGE 148 II 349 E. 5.3; vgl. auch Urteil 2C_376/2019 vom 13. Juli 2020 E. 7.2 f.). Im Weiteren hat es sich erst kürzlich wieder mit Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 3 StAhiG geäussert (vgl. Urteil 2C_270/2022 vom 27. September 2023 E. 1.1.3) und dabei ausgeführt, die Übermittlung der Informationen zu Drittpersonen werde zugelassen, wenn sie mit Blick auf den vom ersuchenden Staat verfolgten Steuerzweck voraussichtlich erheblich und somit auch verhältnismässig ist, weil eine Unterbindung der Information das Amtshilfeersuchen seines Sinnes entleeren würde (vgl. BGE 144 II 29 E. 4.2.3 i.f.; 143 II 506 E. 5.2.1; 142 II 161 E. 4.6.1; Urteile 2C_270/2022 vom 27. September 2023 E. 4.5.2; 2C_703/2020 vom 15. März 2021 E. 4.2.3; 2C_537/2019 vom 13. Juli 2020 E. 4.3, nicht publ. in: BGE 147 II 13).  
 
1.3.3. Die Vorinstanz hat nachvollziehbar beurteilt, ob zwischen den Beschwerdeführern und der von der Amtshilfe formell betroffenen Person einen hinreichenden Zusammenhang besteht. Sie gelangt zum Schluss, es sei aufgrund der Angaben plausibel, dass die von der Amtshilfe betroffene Person die Verfügungsbefugnisse über die Bankkonten der Beschwerdeführer gehabt hätte. Deshalb, so die Vorinstanz folgernd, erweise sich die Übermittlung der ersuchten Informationen voraussichtlich erheblich und verhältnismässig (vgl. E. 4.2.4 des angefochtenen Urteils). Die Beanstandungen der Beschwerdeführer und ihr Hinweis auf den Eingriff in ihre Privatsphäre betreffen lediglich die vorinstanzliche Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall. Damit vermögen sie aber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG aufzuzeigen.  
 
1.4. Im Ergebnis ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten.  
 
2.  
Diesem Verfahrensausgang entsprechend tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. November 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger