8C_625/2023 07.03.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_625/2023  
 
 
Urteil vom 7. März 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Métral, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Raphael Spring, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Zürcherstrasse 8, 8400 Winterthur, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung, Einstellung in der Anspruchsberechtigung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. August 2023 (AL.2023.00020). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1973 geborene A.________ meldete sich am 14. Mai 2020 bei der Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsvermittlung an und beantragte Arbeitslosenentschädigung ab 1. Juni 2020. Mit Verfügung vom 20. August 2020, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 18. Februar 2021, stellte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich A.________ mit Wirkung ab 1. Juni 2020 für die Dauer von 36 Tagen wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit in der Anspruchsberechtigung ein, was unangefochten geblieben ist.  
 
A.b. Mit Vertrag vom 25. Juli/27. August 2021 wurde A.________ von der B.________ AG per 1. September 2021 als "Director Strategy & International Business Development" angestellt. Am 10. Januar 2022 meldete er sich wieder bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug ab 1. Januar 2022 an, da sein Arbeitsverhältnis aus wirtschaftlichen Gründen am 22. Dezember auf den 31. Dezember 2021 beendet worden sei. Unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen zur Probezeit teilte die Arbeitslosenkasse A.________ mit, das Arbeitsverhältnis habe nicht bereits am 31. Dezember 2021 geendet. Sie stellte ihm eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung in Aussicht, falls er die Kündigung auf dieses Datum hin dennoch akzeptiere (Schreiben vom 16. Februar 2022). A.________ verzichtete daraufhin auf Arbeitslosenentschädigung, sodass er auf den 28. Februar 2022 als stellensuchende Person abgemeldet wurde.  
 
A.c. Mit Vereinbarung vom 15. Juni 2022 wurde das Arbeitsverhältnis zwischen A.________ und der B.________ AG "im gegenseitigen Einvernehmen" auf den 30. April 2022 aufgelöst. Am 2. Mai 2022 beantragte er abermals Arbeitslosenentschädigung ab 3. Mai 2022. Die Arbeitslosenkasse stellte A.________ mit Verfügung vom 12. Juli 2022 ab 1. Mai 2022 für die Dauer von 21 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein. Er habe mit der Vereinbarung vom 15. Juni 2022 die vertragliche Kündigungsfrist missachtet und somit die Arbeitslosigkeit vorzeitig eintreten lassen. Infolge Leistungsverzichts wurde A.________ per 30. November 2022 wieder von der Arbeitslosenversicherung abgemeldet. Mit Einspracheentscheid vom 31. Januar 2023 bestätigte die Arbeitslosenkasse auf Einsprache hin ihre Verfügung vom 12. Juli 2022.  
 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 17. August 2023 ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, es sei von einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung abzusehen. 
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 BGG), nur die in seinem Verfahren geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 145 V 57 E. 4.2). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie die Einstellung in der Anspruchsberechtigung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung wegen selbstverschuldeter vorzeitiger Arbeitslosigkeit für die Dauer von 21 Tagen geschützt hat. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung der Streitsache massgebenden Rechtsgrundlagen hinsichtlich selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG; Art. 44 Abs. 1 lit. b AVIV) zutreffend wiedergegeben. Richtig sind auch die Ausführungen über die nach Massgabe des Verschuldens zu bemessende (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG) Einstellungsdauer (Art. 45 Abs. 3 und 4 AVIV). Darauf wird verwiesen.  
Zu betonen ist, dass unter den Tatbestand der selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit nach Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG Verhaltensweisen der versicherten Person fallen, die kausal für den Eintritt der Arbeitslosigkeit sind und eine Verletzung der Pflicht, die Arbeitslosigkeit zu vermeiden, bedeuten (SVR 2023 ALV Nr. 13 S. 40 E. 3.2; ARV 2014 S. 145, 8C_42/2014 E. 3.1). 
 
3.2. Der Inhalt eines Vertrags ist durch Auslegung zu bestimmen. Ziel der Vertragsauslegung ist es, in erster Linie den übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen festzustellen (Art. 18 Abs. 1 OR). Diese subjektive Vertragsauslegung beruht auf Beweiswürdigung, die vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel der Willkür geprüft werden kann und - da eine Tatfrage bzw. die Sachverhaltsfeststellung betreffend - vorbehältlich der Ausnahmen von Art. 97 und 105 BGG (E. 1 vorne) der bundesgerichtlichen Überprüfung entzogen ist (BGE 135 III 410 E. 3.2; vgl. dazu auch BGE 140 III 86 E. 4.1; 138 III 659 E. 4.2.1; 126 III 375 E. 2e/aa; Urteil 4A_296/2022 vom 22. August 2022 E. 3.2). Steht der Vertragsinhalt fest, ist in einem zweiten Schritt gestützt auf der Grundlage des festgestellten Vertragsinhalts die Vereinbarung rechtlich einzuordnen. Diese rechtliche Qualifikation des Vertrages betrifft eine Rechtsfrage (BGE 143 II 297 E. 6.4.1; 131 III 217 E. 3; 129 III 664 E. 3.1).  
 
4.  
Die Vorinstanz erkannte, laut Anstellungsvertrag vom 25. Juli/27. August 2021 hätten die Parteien eine Probezeit von sechs Monaten vereinbaren wollen. Diese sei auf die gesetzlich zulässige Höchstdauer von drei Monaten herabzusetzen. Nach Ablauf der entsprechend vom 1. Dezember 2021 bis 28. Februar 2022 dauernden Probezeit komme hier nach dem hypothetischen Parteiwillen die einmonatige Kündigungsfrist nach Art. 335c Abs. 1 OR und nicht die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von sechs Monaten zur Anwendung, da die Parteien mit Blick auf die Vertragsausgestaltung eine möglichst kurze Kündigungsfrist gewollt hätten. Das Arbeitsverhältnis sei ferner nach dem Parteiwillen in schriftlicher Form zu beenden gewesen. Die Kündigung der Arbeitgeberin per E-Mail vom 22. Dezember 2021 habe keine elektronische Signatur enthalten, weshalb sie mangels eingehaltener Schriftform ungültig gewesen sei, wie der Beschwerdeführer im Rahmen der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung selbst vorgebracht habe. Das Arbeitsverhältnis sei in der Folge mit Vergleich vom 15. Juni 2022 rückwirkend auf den 30. April 2022 aufgelöst worden. Im Nachgang zur Schlichtungsverhandlung vom 21. April 2022 habe die Arbeitgeberin aus prozessualer Vorsicht den Arbeitsvertrag mit Schreiben vom 25. April 2022 per 31. Oktober 2022 (nochmals) gekündigt. Da erst mit diesem Schreiben eine formgültige Kündigung erfolgt sei, habe der Beschwerdeführer mit dem Vergleich vom 15. Juni 2022 das Arbeitsverhältnis frühzeitig beendet. Die Beschwerdegegnerin sei somit zu Recht von selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG ausgegangen. 
 
5.  
 
5.1. Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, verfängt nicht. Seine Ausführungen erschöpfen sich weitgehend in einer appellatorischen Kritik an der Vertragsinterpretation der Vorinstanz, soweit er sich darauf beschränkt, der Vertragsauslegung im angefochtenen Urteil seine eigene Auffassung gegenüberzustellen. Er erhebt keine rechtsgenügend begründeten Rügen, in denen er unter hinreichender Auseinandersetzung mit den betreffenden Erwägungen der Vorinstanz darlegen würde, inwiefern diese - mit ihrer das Tatsächliche beschlagenden Feststellung des übereinstimmenden wirklichen Parteiwillens über den Vertragsinhalt - in Willkür verfallen sein soll.  
 
5.2. Nach den willkürfreien Feststellungen der Vorinstanz ist durch die vereinbarte Schriftform für die Kündigung erst mit Schreiben vom 25. April 2022 auf Ende Oktober 2022 formgültig gekündigt worden. Namentlich gibt der Beschwerdeführer selber an, die Auffassung der Vorinstanz liesse sich vertreten, wonach die Parteien bei den gegebenen Umständen die Schriftform für die Kündigung hätten vereinbaren wollen. Auch seine weiteren Darlegungen über Kosten, Risiken und Zumutbarkeit eines Zivilprozesses zur Rechtfertigung eines Vergleichs ändern nichts daran, dass er durch dessen Abschluss am 15. Juni 2022 zulasten der Arbeitslosenversicherung einer frühzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt hat (vgl. die Weisung des SECO in: AVIG-Praxis ALE [Stand Oktober 2011] Rz. D29). Dadurch hat der Beschwerdeführer das Risiko der Stellenlosigkeit in Kauf genommen, das er nicht voraussetzungslos auf die Arbeitslosenversicherung abwälzen kann (vgl. THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2514 Rz. 835). Fest steht überdies, dass sich die ehemalige Arbeitgeberin im Vergleich vom 15. Juni 2022 zur Schadloshaltung des Beschwerdeführers im Falle einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung durch die Beschwerdegegnerin verpflichtete. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe somit zumindest gewusst, dass die Einwilligung in eine frühzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses Sanktionen der Arbeitslosenversicherung nach sich ziehen könne, ist nicht willkürlich. Wenn die Vorinstanz in Würdigung dieser Umstände mit Blick auf die allgemeine Schadenminderungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 AVIG verneinte, dass sich der Beschwerdeführer grundsätzlich so verhalten habe, als ob es keine Arbeitslosenversicherung gäbe, ist dies letztinstanzlich nicht zu beanstanden.  
 
5.3. Dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die vereinbarte Beendigung am 30. April 2022 hinaus bis zur ordnungsgemässen Auflösung desselben auf Ende Oktober 2022 objektiv unzumutbar gewesen wäre, wird ferner zu keinem Zeitpunkt vorgebracht. Den Vergleich hat die Vorinstanz zutreffend als Kündigung im gegenseitigen Einverständnis und Aufhebungsvertrag qualifiziert. Das Verhalten des Beschwerdeführers mit dem vereinbarten Verzicht auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses bis Ende Oktober 2022 hat sie daher in Bezug auf den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu Recht unter den Tatbestand der selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG subsumiert (vgl. BGE 112 V 323 E. 2b; Urteil 8C_665/2018 vom 15. April 2019 E. 5; NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2516 Rz. 838 FN. 1871).  
 
5.4. Die Vorinstanz hat zusammenfassend weder den Sachverhalt offensichtlich unrichtig (willkürlich) festgestellt noch anderweitig Bundesrecht verletzt, weshalb die von ihr bestätigte Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu schützen ist. Gegen die verfügte Einstellungsdauer wendet sich der Beschwerdeführer nicht. Somit hat es beim vorinstanzlichen Urteil sein Bewenden.  
 
6.  
Die Gerichtskosten trägt der unterliegende Beschwerdeführer (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. März 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla