8C_353/2023 04.08.2023
Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_353/2023  
 
 
Urteil vom 4. August 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Kopp Käch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Claude Wyssmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Solothurn, 
Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Ausstand), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 27. April 2023 (VSBES.2023.19). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Nachdem die IV-Stelle Solothurn ein erstes Leistungsbegehren des 1964 geborenen A.________ mit Verfügung vom 18. August 2015 abgewiesen hatte, meldete sich dieser im März 2017 unter Hinweis auf Rückenprobleme erneut zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle holte daraufhin bei der Swiss Medical Assessment- and Business-Center (SMAB) AG Bern das polydisziplinäre Gutachten vom 3. September 2019 ein, das die Fachrichtungen Innere Medizin, Neurochirurgie, Psychiatrie, Neuropsychologie sowie Kardiologie umfasste. Am Gutachten waren u.a. Dr. med. B.________, Fachärztin für Neurochirurgie, sowie Dr. med. C.________, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Facharzt für Neurologie, beteiligt. Nach Gewährung beruflicher Eingliederungsmassnahmen holte die IV-Stelle eine Beurteilung des RAD-Arztes Dr. med. D.________ vom 26. Mai 2022 ein, woraufhin dieser am 9. Juni 2022 eine Verlaufsbegutachtung in den Disziplinen Neurochirurgie, Neurologie und Psychiatrie empfahl. Mit Mitteilung vom 12. August 2022 orientierte die IV-Stelle A.________ darüber, dass die polydisziplinäre Begutachtung durch die SMAB AG unter Mitwirkung der Dres. med. B.________, C.________ und E.________ erfolgen werde. Nach Erhebung diverser Einwände durch A.________ hielt die IV-Stelle mit Verfügung vom 21. Dezember 2022 an den vorgesehenen Sachverständigen fest. 
 
B.  
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 27. April 2023 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, die Sache sei in Aufhebung des angefochtenen Urteils an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit diese das polydisziplinäre Gutachten wegen unzulässiger Vorbefassung der Gutachterpersonen der SMAB AG im Allgemeinen und der Dres. med. C.________ und B.________ im Besonderen bei einer anderen Gutachterstelle in Auftrag gebe. 
Das Bundesgericht holte die vorinstanzlichen Akten ein. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren) Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 147 II 300 E. 1; 145 V 380 E. 1 mit Hinweis). 
 
2.  
 
2.1. Das angefochtene Urteil vom 27. April 2023 betrifft die Zwischenverfügung der IV-Stelle vom 21. Dezember 2022, mit der an den vorgesehenen Sachverständigen für die polydisziplinäre Begutachtung festgehalten wurde. Streitgegenstand bildete das Vorliegen von Ausstandsgründen der Gutachterpersonen der SMAB AG, namentlich der Dres. med. C.________ und B.________, wegen Vorbefassung. Da die Qualifikation des angefochtenen Gerichtsentscheids der Rechtsnatur des Anfechtungsobjekts im vorinstanzlichen Prozess folgt, handelt es sich um einen das Verfahren nicht abschliessenden Zwischenentscheid (BGE 138 V 271 E. 2.1; Urteil 8C_296/2021 vom 22. Juni 2021 E. 2.1, in: SVR 2021 IV Nr. 79 S. 266).  
 
2.2. Zwischenentscheide können vor Bundesgericht nur unter den im Gesetz in Art. 92 f. BGG abschliessend aufgezählten Voraussetzungen selbstständig angefochten werden.  
Gestützt auf Art. 92 BGG ist die Beschwerde möglich, wenn der angefochtene Zwischenentscheid den formellen Ausstand einer sachverständigen Person betrifft. Nicht auf einen personenbezogenen Ablehnungsgrund zielen Einwendungen gegen Gutachterpersonen, die sich nicht aus den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls ergeben. Sie führen nicht zur bundesgerichtlichen Befassung mit dem Zwischenentscheid (vgl. BGE 138 V 271 E. 2.2.2; Urteil 8C_296/2021 vom 22. Juni 2021 E. 2.3, in: SVR 2021 IV Nr. 79 S. 266). 
 
3.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4). 
 
4.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie in Bestätigung der Verfügung vom 21. Dezember 2022 das Vorliegen eines Ausstandsgrunds in Bezug auf die vorgesehenen Sachverständigen verneinte. 
 
4.1. Am 1. Januar 2022 traten im Zuge der Weiterentwicklung der IV revidierte Bestimmungen im IVG (SR 831.20) sowie im ATSG (SR 830.1) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535), dies mitsamt entsprechendem Verordnungsrecht. Das kantonale Gericht hat die vorliegend massgebenden Rechtsgrundlagen, namentlich die im Rahmen dieser Revision erfolgten verfahrensrechtlichen Neuerungen betreffend Einholung von medizinischen Gutachten, zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).  
 
4.2. Hervorzuheben ist, dass der Versicherungsträger bei der Einholung eines Gutachtens bei einem oder mehreren unabhängigen Sachverständigen der Partei deren Namen bekannt gibt. Diese kann innert zehn Tagen aus den Gründen nach Art. 36 Abs. 1 ATSG Sachverständige ablehnen und Gegenvorschläge machen (Art. 44 Abs. 2 ATSG). Hält der Versicherungsträger trotz Ablehnungsantrag an den vorgesehenen Sachverständigen fest, teilt er dies der Partei durch Zwischenverfügung mit (Art. 44 Abs. 4 ATSG).  
Gemäss Art. 36 Abs. 1 ATSG treten Gutachterinnen und Gutachter in den Ausstand, wenn sie in der Sache ein persönliches Interesse haben oder aus anderen Gründen in der Sache befangen sein könnten. Befangenheit ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die in objektiver Weise geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der sachverständigen Person zu erwecken (BGE 148 V 225 E. 3.4; 132 V 93 E. 7.1; vgl. auch BGE 140 III 221 E. 4.1 mit Hinweisen). Dazu genügt nicht, sich schon einmal mit der zu begutachtenden Person befasst zu haben, selbst wenn es dabei für diese zu ungünstigen Schlussfolgerungen kam (BGE 132 V 93 E. 7.2.2 mit Hinweis). Entscheidend ist, dass das Ergebnis der Abklärung (nach wie vor) als offen und nicht vorbestimmt erscheint (Urteil 9C_893/2009 vom 22. Dezember 2009 E. 1.2.1 mit Hinweisen, in: SVR 2010 IV Nr. 36 S. 112; Urteil 9C_731/2017 vom 30. November 2017 E. 3.1). Das ist dann nicht der Fall, wenn der Experte die Schlüssigkeit seiner früheren Beurteilung zu überprüfen oder objektiv zu kontrollieren hat (Urteil 8C_89/2007 vom 20. August 2008 E. 6.2, in: SVR 2009 IV Nr. 16 S. 41; Urteil 8C_775/2018 vom 24. April 2019 E. 5.1). 
 
4.3. Ob bei einer gegebenen Sachlage auf die Voreingenommenheit des Sachverständigen zu schliessen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar (Urteil 8C_557/2019 vom 27. Januar 2020 E. 4.1.2, in: SVR 2020 UV Nr. 23 S. 90; Urteil 8C_488/2022 vom 2. Mai 2023 E. 4.3.4).  
 
5.  
 
5.1. Das kantonale Gericht stellte fest, bei der angeordneten Begutachtung handle es sich gemäss Fragenkatalog um eine Verlaufsbegutachtung. Es erwog, die vorgesehenen Gutachter Dres. med. C.________ und B.________ seien trotz Vorbefassung in der Lage, eine solche unvoreingenommen und ergebnisoffen durchzuführen. Sie könnten die gestellten Fragen zwar nicht losgelöst von ihrer Beurteilung im Erstgutachten beantworten, dies sei indessen nicht gleichbedeutend mit einer Überprüfung oder objektiven Kontrolle der eigenen Beurteilung, die den Schluss auf fehlende Unvoreingenommenheit zuliesse. Zur Annahme einer Befangenheit müssten weitere Umstände hinzukommen, was jedoch bezüglich Dr. med. B.________ und auch bezüglich Dr. med. E.________ nicht geltend gemacht werde. Soweit betreffend Dr. med. C.________ eingewendet werde, er habe wiederholt mangelhafte Gutachten erstattet, betreffe dies nicht einen formellen Ausstandsgrund, sondern vielmehr dessen fachliche Eignung, was jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung mit dem Endentscheid zu behandeln sei. Schliesslich könne sich ein Ablehnungsbegehren nicht gegen die Gutachterstelle als solche richten, sondern nur gegen bestimmte Sachverständige einer Gutachterstelle.  
 
5.2. Was der Beschwerdeführer hiergegen vorbringt, ist offensichtlich unbegründet:  
 
5.2.1. Seine Einwendungen erschöpfen sich weitgehend in appellatorischer Kritik am angefochtenen Urteil und beschränken sich im Wesentlichen erneut auf eine Darlegung der eigenen Sichtweise. Sie lassen weder die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen als offensichtlich unrichtig, als Ergebnis willkürlicher Beweiswürdigung oder als rechtsfehlerhaft nach Art. 95 BGG erscheinen, noch zeigen sie sonstwie eine Bundesrechtsverletzung auf.  
 
5.2.2. Soweit der Beschwerdeführer hauptsächlich erneut rügt, es liege keine Verlaufsbegutachtung, sondern auch eine Überprüfung des ersten Gutachtens vom 3. September 2019 vor, kann ihm nicht gefolgt werden. Wie das kantonale Gericht zutreffend aufzeigte, hat sich die Gutachterstelle gemäss vorgesehenem Fragenkatalog im Wesentlichen zum aktuellen Gesundheitszustand inkl. Krankheitsentwicklung sowie zu allfälligen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit in der bisherigen und in einer angepassten Tätigkeit zu äussern. Dies entspricht auch der Stellungnahme des RAD-Arztes Dr. med. D.________ vom 26. Mai 2022. Wohl warf dieser darin die Frage auf, ob es eine medizinische Erklärung für die Diskrepanz zwischen der im polydisziplinären Gutachten vom 3. September 2019 beurteilten Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit von 90 % und der im Aufbautraining ermittelten Arbeitsfähigkeit von 50 % gebe. Damit bezog er sich jedoch entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers nicht auf den Abschlussbericht vom 16. Juli 2018 über das Aufbautraining vor der ersten Begutachtung vom 3. September 2019, sondern vielmehr auf denjenigen vom 2. Juni 2021 über das Aufbautraining in der Zeit vom 11. Mai 2020 bis 31. Mai 2021. Dr. med. D.________ wies denn auch ausdrücklich darauf hin, dass die im Gutachten berücksichtigten MRI-Befunde der LWS vom 12. Juli 2016 und 26. Mai 2017 datierten und inzwischen über fünf Jahre alt seien. Da zum damaligen Zeitpunkt deutliche degenerative Veränderungen vorgelegen hätten, die typischerweise progredient verliefen, erscheine aus Sicht des RAD zur objektiven Beurteilung eine neurochirurgische Verlaufsuntersuchung mit neuer Bildgebung angezeigt und zielführend. Die Empfehlung weitete er am 9. Juni 2022 aus zur Einholung einer Verlaufsbegutachtung in den Fachdisziplinen Neurochirurgie, Neurologie und Psychiatrie. Von den Gutachtern wird nach Gesagtem keineswegs verlangt, ihre eigenen Erhebungen und Folgerungen einer (selbst-) kritischen Neubeurteilung zu unterziehen, sondern vielmehr, die aktuellen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, den Verlauf seit der ersten Begutachtung und allfällige Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit zu beurteilen. Wohl lassen sich die an sie gestellten Fragen nicht völlig losgelöst von der früheren Begutachtung beantworten, was indessen nicht einer Überprüfung oder objektiven Kontrolle des Gutachtens vom 3. September 2019 gleichkommt, die den Schluss auf fehlende Unvoreingenommenheit oder fehlende Ergebnisoffenheit zuliesse (E. 4.2 hiervor). Andere Befangenheitsgründe als die Vorbefassung der Dres. C.________ und B.________ macht der Beschwerdeführer nicht geltend und sind auch nicht ersichtlich.  
 
5.2.3. In den Rechtsbegehren beantragt der Beschwerdeführer auch, die Beschwerdegegnerin sei wegen unzulässiger Vorbefassung der Gutachterpersonen der SMAB AG im Allgemeinen anzuweisen, das Gutachten bei einer anderen Begutachtungsstelle in Auftrag zu geben. Wohl rügt er damit nicht mehr ausdrücklich die Voreingenommenheit der SMAB AG als solcher, was als pauschales Ausstandsbegehren unzulässig ist (BGE 137 V 210 E. 1.3.3 mit Hinweis), doch zeigt er - abgesehen von Dr. med. C.________ und Dr. med. B.________ - nicht ansatzweise Anhaltspunkte für eine Befangenheit der konkret zur Begutachtung vorgesehenen Expertinnen und Experten auf.  
 
5.3. Zusammenfassend hat es nach Gesagtem beim vorinstanzlichen Urteil sein Bewenden.  
 
6.  
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG mit summarischer Begründung und unter Verweis auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt. 
 
7.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der unterliegende Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. August 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch