7B_12/2023 04.09.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_12/2023  
 
 
Urteil vom 4. September 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Caprara. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Verein A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (Rechtsverweigerung), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 28. November 2022 (UV220012-O/U/AEP). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 31. Mai 2021 erstattete der Verein A.________ Strafanzeige gegen Dr. med. B.________ wegen schwerer Körperverletzung. Letztere habe gemäss Angaben auf ihrer Homepage angeboten, Vorhautamputationen an gesunden männlichen Kindern vorzunehmen. 
Am 8. Februar 2022 nahm die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich das Strafverfahren nicht an die Hand. Dem Verein A.________ wurde die Verfügung nicht eröffnet, jedoch mit Schreiben vom 8. Februar 2022 die Nichtanhandnahme des Strafverfahrens mitgeteilt. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 11. April 2022 erhob der Verein A.________ gegen die Nichtanhandnahme Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Zürich trat auf diese Beschwerde mit Beschluss vom 28. November 2022 nicht ein und auferlegte dem Verein A.________ eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.--. 
 
C.  
Der Verein A.________ gelangt am 23. Januar 2023 mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt sinngemäss, den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. November 2022 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sei dem Verein A.________ im vorinstanzlichen Verfahren Parteistellung zu gewähren. Eventualiter sei die Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung durch das Bundesgericht zu prüfen. Die Nichtanhandnahmeverfügung sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, eine Strafuntersuchung zu eröffnen und den Sachverhalt abzuklären, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Auf die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Strafentscheid (Art. 78 Abs. 1, 80 Abs. 1 BGG) ist unter Vorbehalt der nachfolgenden Ausführungen grundsätzlich einzutreten.  
 
1.2. Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich als Straf- oder Zivilklägerin am Strafverfahren zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist, wer mithin Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsguts ist (Art. 115 Abs. 1 StPO; BGE 143 IV 77 E. 2.1 f. mit Hinweisen). Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG sind unmittelbar aus der Straftat resultierende und ordentlicherweise vor den Zivilgerichten geltend zu machende Ansprüche, in erster Linie auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR (vgl. BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 7B_89/2022 vom 31. Juli 2023 E. 2.2.1).  
 
1.3. Ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG kann die Privatklägerschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das geforderte rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Nicht zulässig sind dagegen Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 149 I 72 E. 3.1; 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; je mit Hinweisen). Eine in der Sache nicht legitimierte beschwerdeführende Partei kann deshalb weder die Beweiswürdigung kritisieren noch kann sie geltend machen, die Begründung sei materiell unzutreffend (BGE 136 IV 41 E. 1.4; Urteile 7B_89/2022 vom 31. Juli 2023 E. 2.2.2; 6B_574/2022 vom 15. Juni 2022 E. 3.1; je mit Hinweisen).  
 
1.4. Der Beschwerdeführer beruft sich zur Frage des Eintretens auf die Star-Praxis (vgl. E. 1.3 hiervor). Er bringt zur Begründung vor, die Frage der Verneinung seiner Parteistellung im vorinstanzlichen Verfahren sei formeller Natur und er sei berechtigt, den angefochtenen Beschluss, welcher einer formellen Rechtsverweigerung gleichkomme, zu rügen. Auf die Beschwerde ist in Bezug auf die Frage der Parteistellung des Beschwerdeführers vor Vorinstanz einzutreten.  
 
1.5. Nicht einzutreten ist hingegen auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer eventualiter die materielle Beurteilung seiner vor Obergericht eingereichten Beschwerde und die Rückweisung der Sache an die Staatsanwaltschaft zur Durchführung einer Strafuntersuchung beantragt (vgl. Rechtsbegehren Ziffern 3 und 4). Diesbezüglich liegt kein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid vor (Art. 80 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer legt nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit er durch die geltend gemachten Straftaten direkt geschädigt wäre (vgl. E. 1.2 hiervor).  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt sinngemäss, die Vorinstanz verletze Art. 29 BV, indem sie erwäge, ihm stünden als Anzeigeerstatter gemäss Art. 301 Abs. 3 StPO keine weiteren Prozessrechte zu und indem sie dadurch die Frage der Zulässigkeit einer Nichtanhandnahme nicht überprüfe. Er macht sinngemäss geltend, auch im vorinstanzlichen Verfahren sei er gestützt auf die Star-Praxis des Bundesgerichts zur Beschwerde legitimiert. Hierbei sei es willkürlich, dass die Vorinstanz davon ausgehe, die vorgebrachte Rüge, d.h. die Rechtmässigkeit der Verfahrenseinstellung, könne nicht von der Sache getrennt werden. Er verlange lediglich, dass die Strafuntersuchung betreffend den "unbestrittenen Sachverhalt" der genitalen Verletzung von männlichen Kindern überhaupt anhand genommen werde. Eine unbegründete Nichtanhandnahme einer Strafanzeige sei eine rein formelle Rechtsfrage, die klar von der Sache getrennt werden könne. Materiell liege hierzu keine Begründung vor.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Zur Anfechtung der Nichtanhandnahmeverfügung sind die Parteien befugt (Art. 310 Abs. 2 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 StPO). Unter den Begriff der Partei nach Art. 104 Abs. 1 StPO fallen namentlich die beschuldigte Person und die Privatklägerschaft, welche sich rechtzeitig konstituiert hat (Art. 118 Abs. 1 StPO). Erforderlich ist in Bezug auf die Rechtsmittellegitimation bei allen Parteien, dass sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides aufweisen (Art. 382 Abs. 1 StPO). Ein allgemeines oder faktisches Interesse reicht nicht aus. Der Betroffene muss vom angefochtenen Entscheid persönlich (vgl. BGE 133 IV 121 E. 1.2) und in den Interessen betroffen sein, welche die angeblich verletzte Norm zu schützen bezweckt (Urteil 1B_52/2022 vom 19. Mai 2022 E. 2.1.1 mit Hinweisen). Zudem muss die beschwerdeführende Partei ein aktuelles und praktisches Interesse an der Beschwerde bzw. an der Prüfung der vorgebrachten Rügen haben (a.a.O.).  
 
2.2.2. Der Anzeigeerstatter fällt nicht unter den Begriff der Partei nach Art. 104 Abs. 1 StPO, sondern ist ein sogenannter "anderer Verfahrensbeteiligter" im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. b StPO. Er kann die zur Wahrung seiner Interessen erforderlichen Verfahrensrechte einer Partei geltend machen, wenn er in seinen Rechten unmittelbar betroffen ist (Art. 105 Abs. 2 StPO).  
 
2.3. Nach den verbindlichen vorinstanzlichen Erwägungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) hat sich der Beschwerdeführer in seiner Strafanzeige weder als Privatkläger im Sinne von Art. 118 Abs. 1 StPO konstituiert noch ist er geschädigte Person der behaupteten Delikte. Vielmehr ist der Beschwerdeführer als blosser Anzeigeerstatter ein "anderer Verfahrensbeteiligter" im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. b StPO. Seine Rechtsmittellegitimation richtet sich nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 382 Abs. 1 StPO.  
 
2.4. Soweit der Beschwerdeführer behauptet, er sei unmittelbar in seinen Rechten betroffen und zur Beschwerde legitimiert, ist ihm nicht zu folgen. Die Vorinstanz beurteilt die Frage der fehlenden Parteistellung des Beschwerdeführers korrekt und macht hierzu inhaltlich zutreffende Ausführungen, auf welche verwiesen werden kann. Eine Legitimation lässt sich auch nicht aus der Behauptung herleiten, die Beurteilung der Rechtmässigkeit der Nichtanhandnahme sei ein "formelles Recht" im Sinne der Star-Praxis. Eine solche Beurteilung läuft, wie die Vorinstanz zu Recht erkannt hat, auf eine materielle Prüfung der Nichtanhandnahme hinaus.  
Die mangelnde persönliche Betroffenheit des Beschwerdeführers zeigt sich exemplarisch daran, dass der Beschwerdeführer geltend macht, es sei nicht ersichtlich, wer die Interessen der minderjährigen von einer Beschneidung betroffenen Kinder wahrnehmen sollte, wenn nicht er, und es gehe um die körperliche Integrität ALLER. Insoweit geht es dem Beschwerdeführer um die Wahrung allgemeiner, aber nicht eigener Interessen (vgl. E. 2.2.1 hiervor). Indem er behauptet, der (angezeigte) Sachverhalt der genitalen Verletzung von männlichen Kindern sei unbestritten, übt er unzulässige appellatorische Kritik am angefochtenen Beschluss, auf welche nicht einzutreten ist (vgl. BGE 148 IV 205 E. 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). 
 
2.5. Inwieweit sich der vorliegende Sachverhalt mit demjenigen des Urteils 1B_10/2012 vom 29. März 2012 decken sollte (Beschwerde S. 5 zweiter Absatz), ist nicht ersichtlich, hat doch dort die Mutter Anzeige gegen unmenschliche bzw. erniedrigende polizeiliche Behandlung ihres Sohnes, welche in Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehe, erstattet. Vorliegend geht es nicht um konkrete staatliche Handlungen, welche der Beschwerdeführer beanzeigt, sondern er äussert ohne Bezug auf konkrete Sachverhalte den Verdacht, dass sich eine Privatperson strafbar gemacht haben könnte. Dabei macht er auch kein besonderes Verhältnis zu den Opfern geltend.  
 
2.6. Der Verweis des Beschwerdeführers auf seine kantonale Beschwerdeschrift, worin er detailliert die formellen Rügen aufgezeigt habe, genügt im Übrigen den Begründungsanforderungen nach Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG nicht. Die Begründung muss in der Beschwerde selbst enthalten sein; der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten reicht nicht aus (BGE 143 IV 122 E. 3.3; 140 III 115 E. 2; je mit Hinweisen).  
 
3.  
Die Rügen erweisen sich insgesamt als unbegründet, soweit überhaupt darauf einzutreten ist. Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer wird gestützt auf Art. 66 Abs. 1 BGG kostenpflichtig. 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. September 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Caprara