7B_150/2023 23.10.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_150/2023  
 
 
Urteil vom 23. Oktober 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Kölz, Hofmann, 
Gerichtsschreiber Schurtenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Weder, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Entschädigung, Strafverfahren wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 31. Mai 2023 (BK 22 472). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Kantonale Staatsanwaltschaft für besondere Aufgaben des Kantons Bern stellte am 21. Dezember 2018 das Strafverfahren gegen A.________ wegen Widerhandlung gegen das BetmG (SR 812.121) ein. 
A.________ hatte Ansprüche nach Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO wegen wirtschaftlichen Einbussen geltend gemacht, da seiner Firma B.________ durch die gegen ihn angeordnete Untersuchungshaft von 24 Tagen (12. September 2014 bis 5. Dezember 2014) sowie die Beschlagnahme des geschäftlich genutzten EDV-Systems (12. November 2014 bis 27. November 2014) ein Schaden entstanden sei. In der Einstellungsverfügung vom 21. Dezember 2018 lehnte die Staatsanwaltschaft die Ausrichtung einer solchen Entschädigung ab. Nachdem das Obergericht des Kantons Bern die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde mit Beschluss BK 19 41 vom 20. Juni 2019 gutgeheissen und die Sache an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen hatte, nahm diese Beweise ab. Mit Verfügung vom 9. November 2022 entschied sie erneut, dass A.________ keine Entschädigung für seine wirtschaftlichen Einbussen ausgerichtet werden, und wies die verbleibenden Beweisanträge ab. 
 
B.  
Diese Verfügung focht A.________ wiederum mit Beschwerde beim Obergericht an und beantragte, ihm sei mindestens ein Betrag von Fr. 1'308'000.-- zuzusprechen, eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Das Obergericht wies seine Beschwerde und die darin gestellten Beweisanträge auf Erstellung einer Expertise, auf Vornahme einer Unternehmensbewertung/Expertise sowie auf Wiederholung der Zeugenbefragungen mit Beschluss BK 22 472 vom 31. Mai 2023 ab. 
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht hat die Akten des vorinstanzlichen Beschwerdeverfahrens BK 22 472 eingeholt. Weshalb es darüber hinaus - wie vom Beschwerdeführer beantragt - auch die Akten BA 14 287 der Staatsanwaltschaft und BK 19 41 des Obergerichts beiziehen müsste, wird vom Beschwerdeführer nicht dargelegt und ist auch nicht erkennbar. 
 
2.  
 
2.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Entschädigungsfolgen eines Strafverfahrens. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 bis 81 BGG grundsätzlich offen. Der Beschwerdeführer ist nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert, nachdem die Vorinstanz seine kantonale Beschwerde abgewiesen und seinem Begehren um Zusprechung einer Entschädigung nach Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO nicht stattgegeben hat.  
 
2.2. Mit Beschwerde in Strafsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es unter Berücksichtigung der Begründungspflicht von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 141 V 234 E. 1; 140 III 115 E. 2, 86 E. 2; je mit Hinweisen; Urteil 7B_143/2022 vom 18. Juli 2023 E. 2.2).  
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 145 IV 154 E. 1.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; 141 IV 317 E. 5.4 mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss nach Art. 106 Abs. 2 BGG anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden, anderenfalls darauf nicht eingetreten wird (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5 mit Hinweisen). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
 
3.1. Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 StPO Anspruch auf: a. Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte; b. Entschädigung der wirtschaftlichen Einbussen, die ihr aus ihrer notwendigen Beteiligung am Strafverfahren entstanden sind; c. Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug. Die Bestimmung begründet eine Kausalhaftung des Staates. Dieser muss den gesamten Schaden wieder gutmachen, der mit dem Strafverfahren in einem adäquaten Kausalzusammenhang im Sinne des Haftpflichtrechts steht (BGE 142 IV 237 E. 1.3.1; Urteil 6B_888/2021 vom 24. November 2022 E. 8.3; je mit Hinweisen). Die natürliche Kausalität ist gegeben, wenn ein Handeln Ursache im Sinn einer conditio sine qua non für den Eintritt eines Erfolgs ist. Dies ist eine Tatfrage. Rechtsfrage ist demgegenüber, ob zwischen der Ursache und dem Erfolgseintritt ein adäquater Kausalzusammenhang besteht (BGE 143 III 242 E. 3.7; 132 III 715 E. 2.2; je mit weiteren Hinweisen).  
 
3.2. Die Vorinstanz stellt fest, sie (die Beschwerdekammer des Obergerichts) habe in ihrem Beschluss BK 19 41 vom 20. Juni 2019 einen Kausalzusammenhang zwischen der verspäteten Lieferung der B.________ an die C.________ AG im Dezember 2014 und den angeordneten Zwangsmassnahmen bejaht und festgehalten, dass der Kanton Bern grundsätzlich für einen entstandenen Schaden hafte, über dessen Höhe jedoch noch nichts gesagt sei. Sowohl aus der angefochtenen Verfügung als auch der Beschwerde gehe hervor, dass aus dieser verspäteten Lieferung kein Schaden entstanden sei, da die Lieferung habe nachgeholt werden können. Es sei daher unbestritten, dass ein Schaden in diesem Zusammenhang nicht vorliege. Ein solcher werde auch nicht geltend gemacht und sei daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Klarzustellen sei weiter, dass sie im vorerwähnten Beschluss weder das Vorliegen eines (anderen) Schadens noch einen Kausalzusammenhang zwischen den Zwangsmassnahmen und dem Umsatzrückgang (der Firma B.________) festgestellt habe. Konkret mache der Beschwerdeführer geltend, die verzögerte Lieferung im Dezember 2014 habe dazu geführt, dass die C.________ AG weitere Lieferanten in die Lieferkette aufgenommen habe (Intensivierung der Second Source Strategie, wodurch sich die Geschäftsbeziehung zwischen der C.________ AG und der B.________ mengenmässig massgeblich verändert habe). Dies habe - so weiter gemäss dem Beschwerdeführer - zur Folge gehabt, dass die Firma B.________ weniger APL-Teile an die C.________ AG habe verkaufen können (weniger Aufträge) und ihr Umsatz dadurch zurückgegangen sei, womit ihr ein Schaden entstanden sei.  
Die Vorinstanz erwägt, es gelte daher in einem ersten Schritt zu prüfen, ob das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer adäquat kausal für den Umsatzrückgang bei der B.________ gewesen sei. Der Beschwerdeführer vertrete dabei die Auffassung, es sei notorisch, dass es aufgrund einer Intensivierung der Second Source Strategie zu weniger Aufträgen komme, was keinen weiteren Beweis erfordere. Diesen Ausführungen bzw. der vom Beschwerdeführer skizzierten Kausalkette ("Umsatzrückgang, als Folge von weniger APL Teilen, als Folge von Massnahmen C.________ AG, als Folge von Lieferschwierigkeiten, als Folge von verlorener Information, als Folge von Verhaftung und Beschlagnahmung PC") könne sie (die Beschwerdekammer) aber nicht folgen. Der Umstand, dass es aufgrund der Untersuchungshaft und der Beschlagnahme des EDV-Systems zu einer verzögerten Lieferung im Dezember 2014 gekommen sei, bedeute nicht zwingend, dass auch die Intensivierung der Second Source Strategie adäquat kausale Folge des Strafverfahrens sei, zumal diese Strategie der C.________ AG nicht als unmittelbare Reaktion auf das Strafverfahren erscheine und auch nicht gesagt sei, dass der Umsatzrückgang der Firma des Beschwerdeführers die Folge der Intensivierung dieser Strategie sei. 
Nach eingehender Würdigung der abgenommenen Beweise hält die Vorinstanz zusammenfassend fest, selbst wenn die Lieferverzögerung 2014 zu einer Intensivierung der bereits bestehenden Second Source Strategie geführt habe, gebe es gestützt auf die Aussagen von D.________ und E.________ keine konkreten Hinweise dafür, dass diese Strategie massgebliche und direkte Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen und den Lieferumfang bzw. Umsatz der Firma des Beschwerdeführers gehabt habe. Allfällige Lieferungsrückgänge ab 2017 könnten nicht auf die Lieferverzögerung aufgrund des Strafverfahrens im Dezember 2014 zurückgeführt werden. So habe auch die C.________ AG weniger Umsatz generiert. Jedenfalls könne bei dieser Ausgangslage nicht mehr von einem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Strafverfahren und dem Umsatzrückgang bei der Firma des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers sei aufgrund der Umsatzzahlen und der Aussagen der involvierten Personen bei der C.________ AG nicht davon auszugehen, dass noch während der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers die Weichen neu gestellt worden seien und sich die Gewichte dramatisch verschoben hätten. Eine Expertise zur Problematik in Bezug auf die Lieferverzögerung erscheine bei dieser Ausgangslage nicht angezeigt. Zudem sei die Strafbehörde nicht verpflichtet, alle für die Beurteilung des Entschädigungsanspruchs bedeutsamen Tatsachen von Amtes wegen abzuklären. 
 
3.3. Die in der Beschwerde dagegen vorgebrachte Kritik verfehlt ihr Ziel: Der Beschwerdeführer geht zu Unrecht davon aus, aufgrund der Ausführungen der Vorinstanz sei "unbestritten", dass zwischen dem Strafverfahren und dem "Schaden an der B.________" ein natürlicher Kausalzusammenhang bestehe. Solches ergibt sich aber gerade nicht aus dem angefochtenen Entscheid und kann - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - insbesondere nicht daraus geschlossen werden, dass sich die Vorinstanz überhaupt zum Thema der Adäquanz äussert. Im Gegenteil machen ihre Ausführungen in den Erwägungen 6.1 bis 6.4 des angefochtenen Entscheids und insbesondere die vom Beschwerdeführer auf S. 10 der Beschwerde wiedergegebenen Passagen deutlich, dass die Vorinstanz die Kausalität unter beiden Gesichtspunkten verneint und - beweiswürdigend - zum Ergebnis gelangt, es fehle bereits am natürlichen Kausalzusammenhang zwischen der Beteiligung des Beschwerdeführers am Strafverfahren und der von ihm geltend gemachten wirtschaftlichen Einbussen. Insofern beruht der angefochtene Entscheid aber nicht, wie der Beschwerdeführer meint, auf falschen weil zu strengen Voraussetzungen für das Vorliegen der adäquaten Kausalität, sondern auf einer Tatsachenfeststellung. Der Beschwerdeführer macht indessen keine Willkür geltend und zeigt auch keine solche auf, indem er über fast 20 Seiten darlegt, wieso der (angeblich festgestellte) natürliche Kausalzusammenhang seines Erachtens und entgegen der Auffassung der Vorinstanz adäquat ist. Das gilt umso mehr, als er offenbar - zu Unrecht - davon ausgeht, Art. 99 Abs. 1 BGG erlaube ihm, den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt nach Belieben zu ergänzen, um die Begründung des angefochtenen Entscheids zu widerlegen, und deshalb die tatsächlichen Gegebenheiten frei aus eigener Sicht schildert. Damit verkennt er die mit Bezug auf den Sachverhalt beschränkte Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erwägung 2.2).  
 
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Oktober 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger