4A_369/2023 03.01.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_369/2023  
 
 
Urteil vom 3. Januar 2024  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Hohl, Kiss, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin May Canellas, 
Gerichtsschreiber Stähle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Fankhauser, Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Roberto Dallafior und Dr. Benjamin Schumacher, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Abschluss nach anerkanntem Standard zur Rechnungslegung, Antragsfrist (Art. 962 OR), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Zug, I. Zivilabteilung, vom 5. Juni 2023 (Z1 2022 27). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ AG (Klägerin, Beschwerdeführerin) und die B.________ AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) sind Holdinggesellschaften mit Sitz in U.________. Die Klägerin hält 20 % des Aktienkapitals der Beklagten. Das Geschäftsjahr der Beklagten beginnt am 1. Januar und endet am 31. Dezember. 
Mit Schreiben vom 17. Juli 2020 verlangte die Klägerin von der Beklagten, eine ordentliche Revision durchzuführen und alle vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Abschlüsse beziehungsweise Jahresrechnungen, welche noch nicht von der Generalversammlung der Beklagten genehmigt worden seien (einschliesslich der Abschlüsse beziehungsweise Jahresrechnungen 2018 und 2019), nach den Fachempfehlungen zur Rechnungslegung "Swiss GAAP FER" zu erstellen. 
An der Generalversammlung der Beklagten vom 30. September 2020 wurden unter anderem die Jahresrechnungen 2018 und 2019 samt Bericht der Revisionsstelle genehmigt. Ferner beschloss die Generalversammlung die Verwendung des Bilanzverlusts 2018 durch Vortrag auf die neue Jahresrechnung und sie genehmigte den Gewinn 2019 durch Vortrag auf die neue Jahresrechnung. Diese Beschlüsse wurden mit einem Stimmenanteil von 80 % gefasst. Die Klägerin stimmte mit ihrem Anteil von 20 % jeweils dagegen. Die klägerischen Anträge vom 17. Juli 2020 auf Einführung der ordentlichen Revision und Umstellung des Rechnungslegungsstandards waren nicht traktandiert. 
Anlässlich einer ausserordentlichen Generalversammlung vom 4. März 2021 wurde eine neue Revisionsstelle gewählt, welche am 28. Juni 2021 die Berichte zu den ordentlichen Revisionen betreffend die Jahresabschlüsse 2018, 2019 und 2020 erstellte. 
 
B.  
 
B.a. Bereits am 14. April 2021 hatte die Klägerin beim Kantonsgericht Zug eine Klage gegen die Beklagte eingereicht. Ihre in der Replik geänderten Rechtsbegehren lauten - soweit hier interessierend - wie folgt:  
 
"1. Es seien die folgenden Beschlüsse der Generalversammlung der Beklagten vom 30. September 2020 aufzuheben: 
a. die Genehmigung der Jahresrechnung 2018 einschliesslich des Berichts der Revisionsstelle per 31. Dezember 2018; 
b. die Verwendung des Bilanzverlusts 2018; 
c. die Genehmigung der Jahresrechnung 2019 einschliesslich des Berichts der Revisionsstelle per 31. Dezember 2019; 
d. die Verwendung des Bilanzgewinns 2019. 
2. [...] 
3. Es sei davon Vormerk zu nehmen, dass die Beklagte zugesichert hat, im Jahr 2021 auf einen anerkannten Rechnungslegungsstandard umzustellen. 
4. Die Beklagte sei zu verpflichten, die Abschlüsse 2018, 2019 und 2020 sowie die künftigen Abschlüsse nach den Swiss GAAP FER oder einem anderen anerkannten Standard zur Rechnungslegung zu erstellen und die Jahresrechnungen ab 2021 durch eine unabhängige Revisionsstelle ordentlich prüfen zu lassen. 
[...]" 
Mit Entscheid vom 3. November 2022 hiess das Kantonsgericht Zug Klagebegehren-Ziffer 1 gut und hob die Generalversammlungsbeschlüsse wie von der Klägerin beantragt auf (Dispositiv-Ziffer 1.1). Klagebegehren-Ziffer 3 schrieb es zufolge Anerkennung der Beklagten als erledigt ab (Dispositiv-Ziffer 1.3). Klagebegehren-Ziffer 4 hiess es teilweise gut. Es verurteilte die Beklagte, die Abschlüsse 2018, 2019 und 2020 nach Swiss GAAP FER oder einem anderen anerkannten Standard zur Rechnungslegung zu erstellen (Dispositiv-Ziffer 1.4). 
 
B.b. Die Beklagte focht Dispositiv-Ziffer 1.4 (Verpflichtung, nach einem anerkannten Standard Rechnung zu legen) mit Berufung beim Obergericht des Kantons Zug an. Im Übrigen blieb der Entscheid des Kantonsgerichts unangefochten.  
Mit Urteil vom 5. Juni 2023 hiess das Obergericht die Berufung gut und wies Klagebegehren-Ziffer 4 ab, soweit die Abschlüsse für die Jahre 2018, 2019 und 2020 betreffend. Es kam mit der Beklagten zum Ergebnis, dass die Klägerin ihr Begehren um Abschluss nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung für diese Geschäftsjahre zu spät gestellt habe. 
 
C.  
Die Klägerin verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Beklagte sei zu verurteilen, ihre Abschlüsse 2018, 2019 und 2020 nach Swiss GAAP FER oder einem anderen anerkannten Standard zur Rechnungslegung zu erstellen. Eventualiter sei die Sache zur ergänzenden Tatsachenfeststellung und neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Obergericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil. Die Beklagte begehrt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das angefochtene Urteil des Obergerichts ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer Vorinstanz im Sinne von Art. 75 BGG. Weiter übersteigt der Streitwert den nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG geltenden Mindestbetrag von Fr. 30'000.--. Die Beschwerde in Zivilsachen ist zulässig. 
 
2.  
Die Beschwerdeführerin moniert zunächst, das angefochtene Urteil genüge "insgesamt [...] den Anforderungen des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 53 Abs. 1 ZPO und Art. 29 Abs. 2 BV nicht". Das Obergericht habe "im Wesentlichen eine abstrakte Rechtsfrage behandelt, ohne den Kern des von [ihr] vorgetragenen Sachverhalts ausreichend zu berücksichtigen". In der Folge wirft sie dem Verwaltungsrat der Beschwerdegegnerin zahlreiche Versäumnisse, Intransparenz sowie treuwidriges Verhalten vor, und schliesst, die Vorinstanz habe diese "Argumente" in ihrer Entscheidfindung "ignoriert". 
Diese Gehörskritik ist offensichtlich unbegründet. Das Obergericht nahm diese Vorbringen zur Kenntnis. Es gelangte in seiner - ausführlichen und sorgfältigen - Entscheidbegründung indes zum Schluss, dass die von der Beschwerdeführerin eingebrachten Umstände bei korrekter Anwendung der massgebenden Rechnungslegungsnormen nicht entscheiderheblich seien (siehe nur die vorinstanzlichen Erwägungen 8.8 und 9). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nicht auszumachen. 
 
3.  
 
3.1. Die Rechnungslegung erfolgt im Geschäftsbericht. Dieser enthält die Jahresrechnung (Einzelabschluss), die sich aus der Bilanz, der Erfolgsrechnung und dem Anhang zusammensetzt (Art. 958 Abs. 2 Sätze 1 und 2 OR).  
 
3.2. Gesellschafter, die mindestens 20 Prozent des Grundkapitals vertreten, können verlangen, dass zusätzlich zur Jahresrechnung ein Abschluss nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung erstellt wird (Art. 962 Abs. 2 Ziff. 1 OR; "états financiers établis selon une norme comptable reconnue"; "chiusura contabile in base a una norma contabile riconosciuta"). Die Einhaltung des anerkannten Standards muss durch einen zugelassenen Revisionsexperten geprüft werden (Art. 962a Abs. 3 Satz 1 OR).  
Der Bundesrat bezeichnete in der Verordnung vom 21. November 2012 über die anerkannten Standards zur Rechnungslegung (VASR; SR 221.432) die anerkannten Standards, darunter in Art. 1 Abs. 1 lit. c die Swiss GAAP FER. 
Kommt das oberste Leitungs- und Verwaltungsorgan dem Begehren um einen Abschluss nach anerkanntem Standard trotz gegebenen Voraussetzungen nicht nach, so kann die Erstellung eines solchen Abschlusses mit Klage gerichtlich erzwungen werden (PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 5. Aufl. 2022 [nachfolgend: Aktienrecht], S. 897 § 6 Rz. 975; NEUHAUS/KUNZ, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 5. Aufl. 2016, N. 25 zu Art. 962 OR; FLORIAN ZIHLER, Rechnungslegung nach Obligationenrecht, veb.ch-Praxiskommentar, 2. Aufl. 2019, N. 59-61 zu Art. 962 OR). 
 
3.3. Umstritten ist, bis zu welchem Zeitpunkt der Abschluss nach anerkanntem Standard für ein bestimmtes Geschäftsjahr zu verlangen ist:  
 
3.3.1. Nach BÖCKLI ist das Verlangen der qualifizierten Minderheit so "frühzeitig" zu stellen, dass das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan die organisatorischen Massnahmen treffen und die weitreichenden zusätzlichen Erhebungen von rechnungslegungsrelevanten Fakten veranlassen könne. Je später das Begehren nach dem Beginn des neuen Geschäftsjahrs eingehe, desto schwieriger werde es, die ordentliche Generalversammlung ohne Verschiebung abzuhalten (BÖCKLI, Aktienrecht, a.a.O., S. 897 § 6 Rz. 974; vgl. auch seine früheren Publikationen: DERSELBE, Neue OR-Rechnungslegung, 2014, S. 259 Rz. 1150; D ERSELBE, OR-Rechnungslegung, 2. Aufl. 2019 [nachfolgend: OR-Rechnungslegung], S. 298 Rz. 1150; ihm folgend ROUILLER/BAUEN/BERNET/ LASSERRE ROUILLER, La société anonyme suisse, 3. Aufl. 2022, S. 419 Rz. 389d). Dieser Autor berücksichtigt mithin namentlich den erforderlichen praktischen Umsetzungsaufwand, der für ein frühzeitiges Verlangen spricht.  
 
3.3.2. LIPP möchte das Begehren um Abschluss nach anerkanntem Standard noch nach Ablauf des Geschäftsjahrs - mithin mit rückwirkendem Effekt - zulassen, wobei die Frist mit Rücksicht auf eine Güterabwägung festzusetzen sei (LORENZ LIPP, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Aufl. 2016, N. 31b-31d zu Art. 962 OR; gleich MÜLLER/LIPP/PLÜSS, Der Verwaltungsrat, 5. Aufl. 2021, S. 217 f. Rz. 3.222-3.226). ZIHLER will den Minderheitsgesellschaftern dieses Recht zumindest bis zum Ablauf des betreffenden Geschäftsjahrs zugestehen, allenfalls bis zur Genehmigung der Jahresrechnung (FLORIAN ZIHLER, Überblick über das neue Rechnungslegungsrecht, ST 2012/11 S. 810 f.; vgl. auch DERSELBE, a.a.O., N. 48-53 zu Art. 962 OR).  
 
3.3.3. Eine vermittelnde Position nehmen NEUHAUS/KUNZ ein, welche in komplexen Verhältnissen einzig eine "vorausschauende Anwendung" in Betracht ziehen mit dem Argument, dass eine rückwirkende Aufbereitung aller nötigen Informationen zur Erstellung des Abschlusses nach einem anerkannten Standard in einer angemessenen Zeit und Qualität kaum realisierbar sei. In einfachen Situationen halten sie auch Begehren um eine rückwirkende Umstellung des Rechnungslegungsstandards für zulässig (NEUHAUS/KUNZ, a.a.O., N. 23 zu Art. 962 OR).  
 
3.3.4. TORRIONE/BARAKAT präsentieren keinen Lösungsvorschlag und meinen, dass die Frage "wahrscheinlich vom Bundesgericht entschieden werden müsse" (TORRIONE/BARAKAT, in: Commentaire romand, Code des obligations II, 2. Aufl. 2017, N. 10 zu Art. 962 OR).  
 
3.3.5. Das Handelsgericht des Kantons Zürich erwog, das Begehren sei jedenfalls so frühzeitig zu stellen, dass es dem Verwaltungsrat möglich bleibe, den Geschäftsbericht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs auszuarbeiten (Urteil HG190043 vom 7. April 2020 E. 8.2 f.).  
 
3.4. Die Vorinstanz entschied nach Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen, dass ein Begehren um Abschluss nach anerkanntem Standard spätestens sechs Monate vor dem Stichtag der Abschlussbilanz für das betreffende Geschäftsjahr einzugeben sei. Die Beschwerdeführerin habe ihr Gesuch am 17. Juli 2020 gestellt, mithin fünfeinhalb Monate vor dem Stichtag der Abschlussbilanz für das Geschäftsjahr 2020. Dies sei nicht mehr rechtzeitig für den Abschluss des Geschäftsjahrs 2020 und erst recht nicht für die Abschlüsse der Geschäftsjahre 2018 und 2019.  
Diese Lösung wird auch im neuesten Schrifttum vertreten (MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 13. Aufl. 2023, S. 232 § 8 Rz. 34). 
 
3.5. Die Beschwerdeführerin ist damit nicht einverstanden. Sie trägt vor, bei der Befugnis, einen Abschluss nach anerkanntem Standard zu verlangen, handle es sich um ein Gestaltungsrecht. Ein solches unterliege "weder einer Befristung noch einer Verwirkung" und könne daher auch noch nach Ablauf eines Geschäftsjahrs geltend gemacht werden, jedenfalls solange die Jahresrechnung nicht genehmigt sei. Folglich habe sie ihr Recht (am 17. Juli 2020) mit Bezug auf das laufende sowie die vergangenen Geschäftsjahre 2018 und 2019 - deren Abschlüsse (zumindest damals) noch nicht genehmigt gewesen seien - rechtzeitig ausgeübt.  
 
4.  
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es ab, die einzelnen Auslegungselemente einer Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 148 III 314 E. 2.2; 147 III 475 E. 2.3.3.1; 146 III 217 E. 5; 145 III 324 E. 6.6; 141 III 155 E. 4.2). Erweist sich eine Regelung als unvollständig, liegt nach herkömmlicher Praxis eine Lücke vor. Diese ist vom Gericht zu füllen, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen (vgl. BGE 146 III 362 E. 3.4.1; 140 III 636 E. 2.1 mit weiteren Hinweisen). Ist ein lückenhaftes Gesetz zu ergänzen, gelten als Massstab die dem Gesetz selbst zugrunde liegenden Zielsetzungen und Werte (BGE 146 III 426 E. 3.1; 140 III 636 E. 2.2). 
Es ist ein Auslegungsergebnis anzustreben, das praktikabel ist und Rechtssicherheit schafft (vgl. BGE 141 III 513 E. 5.4.3; 136 II 113 E. 3.3.4; 129 III 481 E. 3.2.3). 
 
5.  
Diese Auslegeordnung ergibt vorliegend folgendes Bild: 
 
5.1. Dem Wortlaut von Art. 962 OR lässt sich zur Frage, bis wann ein Abschluss nach anerkanntem Standard zu verlangen ist, keine Antwort entnehmen.  
 
5.2. Dasselbe gilt für die Materialien. Art. 962 OR wurde im Rahmen der Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts mit Änderung vom 23. Dezember 2011 eingefügt. Im Parlament - wie übrigens schon im Vernehmlassungsverfahren (vgl. Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse zum Vorentwurf zur Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts, 2007, S. 34) - fand eine Diskussion darüber statt, ob das kapitalmässige Quorum, ab dem ein oder mehrere Minderheitsgesellschafter einen Abschluss nach anerkanntem Standard einfordern können, auf 10 Prozent (so vom Bundesrat vorgeschlagen) oder auf 20 Prozent festzusetzen sei (AB 2009 S 1199 f.; AB 2010 N 1907-1909). Die Frage nach dem Zeitpunkt, bis zu dem das Recht spätestens auszuüben ist, wurde nicht thematisiert. Demnach liegt zu dieser Frage kein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vor in dem Sinn, dass das Verlangen fristungebunden gestellt werden kann.  
 
5.3.  
 
5.3.1. Es gibt im Rechnungslegungsrecht ähnlich gelagerte Minderheitsrechte:  
Nach Art. 961d Abs. 2 Ziff. 1 OR können Gesellschafter, die mindestens 10 Prozent des Grundkapitals vertreten, eine Rechnungslegung nach den Vorschriften von Art. 961 ff. OR verlangen (zusätzliche Angaben im Anhang der Jahresrechnung; Geldflussrechnung; Lagebericht), sofern es sich um ein Unternehmen handelt, das von Gesetzes wegen zu einer ordentlichen Revision verpflichtet ist (vgl. Art. 961 OR). 
Gemäss Art. 963a Abs. 2 Ziff. 2 OR können Gesellschafter, die mindestens 20 Prozent des Grundkapitals vertreten, die Erstellung einer Konzernrechnung verlangen. Diese Norm ist der Bestimmung von aArt. 663e Abs. 3 Ziff. 3 OR nachempfunden, welche im Zuge der Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts aufgehoben wurde. 
Art. 963b Abs. 4 Ziff. 1 OR hält fest, dass eine Konzernrechnung nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung zu erstellen ist, wenn Gesellschafter, die mindestens 20 Prozent des Grundkapitals vertreten, dies verlangen. 
(Auch) diesen Bestimmungen lässt sich nicht entnehmen, bis zu welchem Zeitpunkt diese Rechte auszuüben sind. 
 
5.3.2. Anders verhält es sich bei den Normen über die Revisionsstelle:  
Haben die Aktionäre auf eine eingeschränkte Revision verzichtet, so gilt dieser Verzicht auch für die nachfolgenden Jahre. Jeder Aktionär hat jedoch das Recht, eine eingeschränkte Revision zu verlangen. Die Generalversammlung muss diesfalls die Revisionsstelle wählen. Dieses (Minderheits-) Recht ist - so sagt es das Gesetz - spätestens zehn Tage vor der Generalversammlung auszuüben (Art. 727a Abs. 4 OR). 
Wird das Recht fristgerecht geltend gemacht (mithin spätestens am zehnten Tag vor der ordentlichen Generalversammlung), so lebt die Pflicht zur eingeschränkten Revision nach dem diesbezüglich klaren gesetzgeberischen Willen auch in Bezug auf das abgeschlossene Geschäftsjahr wieder auf (AB 2005 N 1257; AB 2005 S 984). Verlangt ein Aktionär die eingeschränkte Revision relativ kurz vor Fristablauf (zum Beispiel elf Tage vor der ordentlichen Generalversammlung) und scheidet die Durchführung der Revision bis zur Generalversammlung damit aus zeitlichen Gründen aus, muss sich die Generalversammlung darauf beschränken, eine Revisionsstelle zu wählen. Die Beschlüsse über die Genehmigung der Jahresrechnung und die Verwendung des Bilanzgewinns sind mangels Prüfung zu verschieben (BÖCKLI, Aktienrecht, a.a.O., S. 2019 § 13 Rz. 400 f.; MAIZAR/WATTER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 5. Aufl. 2016, Rz. 42 zu Art. 727a OR; PETER/GENEQUAND/CAVADINI, in: Commentaire romand, Code des obligations II, 2. Aufl. 2017, N. 20 zu Art. 727a OR). Dies hat auch das Parlament erkannt und ausdrücklich hingenommen (AB 2005 N 1257). 
Darauf ist zurückzukommen. 
 
5.4. Beim Abschluss nach einem anerkannten Standard gemäss Art. 962 OR geht es im Allgemeinen darum, ein möglichst den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens zu vermitteln (sog. "fair presentation"; Botschaft vom 21. Dezember 2007 zur Änderung des Obligationenrechts [Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht; nachfolgend: Botschaft], BBl 2008 1719 zu Art. 962 OR). Art. 962 Abs. 2 Ziff. 1 OR, wonach Gesellschafter mit mindestens 20 Prozent des Aktienkapitals einen Abschluss nach einem anerkannten Standard verlangen können, steht dabei im Dienste des Minderheitenschutzes. Insbesondere da, wo in der Unternehmensführung tätige Personen, welche die Mehrheit der Anteile besitzen, Minderheitsgesellschaftern gegenüberstehen, erachtete der Gesetzgeber einen Abschluss nach einem anerkannten Standard als besonders wichtig. Ein solcher Abschluss soll ein "minimales Fairplay" gewährleisten und die Minderheitsgesellschafter in die Lage versetzen, den Wert ihrer Beteiligung realistisch einzuschätzen (Botschaft, BBl 2008 1720 f.; Begleitbericht vom 2. Dezember 2005 zum Vorentwurf zur Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts, S. 111; AB 2009 S 1199; AB 2010 N 1908). Dieses Anliegen spricht dafür, dass das Recht auf Abschluss nach anerkanntem Standard noch möglichst lange (auch für bereits abgeschlossene Geschäftsjahre) geltend gemacht werden kann.  
Aus den parlamentarischen Beratungen ergibt sich aber auch, dass die Rechte der Minderheitsgesellschafter nicht ohne Rücksicht auf die berechtigten Interessen der Gesellschaft beziehungsweise deren Mehrheitsgesellschafter sowie des Leitungs- und Verwaltungsorgans durchsetzbar sein sollen. In Betracht fallen namentlich Praktikabilitätsüberlegungen und die für die Umstellung des Rechnungslegungsstandards benötigten zeitlichen und finanziellen Ressourcen (siehe AB 2009 S 1199; AB 2010 N 1907). Diese Überlegungen legen nahe, dass die Minderheitsaktionäre ihr Begehren möglichst frühzeitig deponieren müssen, umso mehr, als eine rückwirkende Änderung des Rechnungslegungsstandards einen besonders hohen Aufwand nach sich zieht. Die praktischen Umsetzungsschwierigkeiten rufen nach einer klaren zeitlichen Limitierung des Antragsrechts. 
 
6.  
Dabei ist Folgendes in Betracht zu ziehen: 
 
6.1. Die ordentliche Generalversammlung einer Aktiengesellschaft findet jährlich innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahrs statt (Art. 699 Abs. 2 OR). Diese Vorschrift ist zwingender Natur. Sie ist darauf gerichtet, dass möglichst rasch klare Verhältnisse geschaffen werden (BGE 107 II 246 E. 1; siehe auch BGE 148 III 69 E. 3.4). Der Generalversammlung steht die unübertragbare Befugnis zu, die Jahresrechnung zu genehmigen (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 4 OR). Dementsprechend schreibt Art. 958 Abs. 3 Satz 1 OR vor, dass der Geschäftsbericht samt Jahresrechnung innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs erstellt und der Generalversammlung zur Genehmigung vorgelegt werden muss. Art. 699a Abs. 1 Satz 1 OR präzisiert, dass der Geschäftsbericht den Aktionären mindestens 20 Tage vor der Generalversammlung zugänglich zu machen ist. Art. 962a Abs. 4 OR hält expressis verbis fest, dass der Abschluss nach einem anerkannten Standard der Generalversammlung anlässlich der Genehmigung der Jahresrechnung vorgelegt werden muss, mithin ebenfalls innert sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs. Auch er ist den Aktionären mindestens 20 Tage vor der Generalversammlung zugänglich zu machen (BÖCKLI, OR-Rechnungslegung, a.a.O., S. 300 f. Rz. 1160; GLANZ/PFAFF/ZIHLER, Rechnungslegung nach Obligationenrecht, veb.ch-Praxiskommentar, 2. Aufl. 2019, N. 21 zu Art. 962a OR).  
Wie die Vorinstanz zu Recht betonte, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dem neu in Art. 962 Abs. 2 OR geschaffenen Minderheitsrecht eine Durchbrechung dieser Abläufe in Kauf hätte nehmen wollen. Der Zeitpunkt, bis zu dem ein Abschluss nach einem anerkannten Standard eingefordert werden kann, ist daher so festzusetzen, dass hinreichend Zeit bleibt, um (i) die Jahresrechnung samt Abschluss nach anerkanntem Standard ordnungsgemäss zu erstellen, (ii) die Einhaltung des anerkannten Standards durch einen zugelassenen Revisionsexperten prüfen zu lassen (Art. 962a Abs. 3 Satz 1 OR) und (iii) den Abschluss anschliessend fristgerecht der innert sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs stattzufindenden Generalversammlung vorzulegen. 
 
6.2. Die Beschwerdeführerin wendet ein, im Revisionsrecht seien kurzfristig begehrte Änderungen der Testatarten möglich. Sie verweist darauf, dass eine eingeschränkte Revision bis zu zehn Tage vor der Generalversammlung verlangt werden könne (Art. 727a Abs. 4 Satz 2 OR), was analog auch für das Minderheitsrecht gelte, eine ordentliche Revision zu verlangen (Art. 727 Abs. 2 OR). Dies habe gegebenenfalls zur Folge, dass eine neue Generalversammlung einzuberufen sei. Daher spreche nichts dagegen, (auch) das Begehren um Abschluss nach einem anerkannten Standard erst kurz vor der ordentlichen Generalversammlung zu stellen, selbst wenn dies eine Verschiebung der Generalversammlung zur Folge habe.  
Die Analogie zum Revisionsrecht überzeugt nicht. Wohl trifft zu, dass eine kurzfristig beantragte Umstellung der Revisionsart allenfalls zu einer Verschiebung der ordentlichen Generalversammlung (eventuell über die Frist von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs hinaus) führt (vorstehende Erwägung 5.3.2). Für diese Abweichung von Art. 699 Abs. 2 OR gibt Art. 727a Abs. 4 OR indes eine ausdrückliche Grundlage. Das Parlament hat die Konsequenz, dass die Generalversammlung aufgrund dieser revisionsrechtlichen Besonderheit möglicherweise hinauszuschieben respektive neu einzuberufen ist, explizit bedacht (vorstehende Erwägung 5.3.2). Im Rechnungslegungsrecht fehlt dagegen eine Bestimmung, die Art. 727a Abs. 4 OR entsprechen würde. Art. 962a Abs. 4 OR schreibt im Gegenteil vor, dass der Abschluss nach einem anerkannten Standard der Generalversammlung anlässlich der Genehmigung der Jahresrechnung (somit innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs) vorgelegt werden muss. 
Im Übrigen hat die Vorinstanz zutreffend ausgeführt, dass die Revision ohnehin erst am Ende des Geschäftsjahrs stattfindet. Es fällt daher weniger ins Gewicht, wenn erst spät im Geschäftsjahr beziehungsweise erst nach dessen Abschluss eine Änderung der Revisionsart veranlasst wird. Die Buchhaltung wird dagegen laufend geführt. Eine nachträgliche Umstellung des Rechnungslegungsstandards führt daher unter Umständen dazu, dass die Buchhaltung des gesamten Jahres neu aufgerollt werden muss. Dafür sind zwangsläufig mehr Zeit und Ressourcen notwendig. 
 
6.3. Die Beschwerdeführerin schlägt vor, dass der Zeitpunkt, bis zu dem ein Abschluss nach anerkanntem Standard verlangt werden kann, jedenfalls nicht "starr" festzusetzen sei. Es sei nach Übersichtlichkeit der Situation zu differenzieren. Zumindest bei einfachen Verhältnissen - wie sie hier vorlägen - müsse die retrospektive Anwendung des Minderheitsrechts auf Abschluss nach einem anerkannten Standard möglich sein. Ähnliches wird im Schrifttum vertreten (NEUHAUS/KUNZ, a.a.O., N. 23 zu Art. 962 OR).  
Das Auslegungsergebnis muss praktikabel und klar sein (vgl. Erwägung 4). Dem würde die von der Beschwerdeführerin angeregte Lösung nicht gerecht. Sie hätte zur Folge, dass sich der Streit auf die Frage verlagert, welche Frist nun gerade in der konkreten Situation - abhängig etwa von der Komplexität der Verhältnisse, der Schwierigkeit der Umstellung des Standards, dem aktuellen Ausbaugrad der Rechnungslegung und anderen Faktoren - angemessen ist, ein Streit, der mitunter lange dauern und damit die Umsetzung noch weitergehend erschweren könnte. Das von der Beschwerdeführerin zu ihren Gunsten angeführte Schrifttum will die Beurteilung, welche Frist adäquat ist, dem Verwaltungsrat übertragen (NEUHAUS/KUNZ, a.a.O., N. 23 zu Art. 962 OR). Damit aber wird der vom Gesetzgeber angestrebte Minderheitenschutz in sein Gegenteil verkehrt, will Art. 962 Abs. 2 Ziff. 1 OR doch nicht zuletzt ein Gegengewicht schaffen zu einem von der Mehrheit gestellten Verwaltungsrat. Um der Praktikabilität und vor allem auch der Rechtssicherheit willen ist eine Frist festzusetzen, welche Klarheit schafft und nicht im Belieben einzelner Organe steht. 
 
6.4. Für die konkrete Bemessung der Frist hat die Vorinstanz darauf hingewiesen, dass die Umstellung auf einen anerkannten Standard mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Sie verwies auf eine empirische Erhebung der Fachkommission für Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (FER) aus dem Jahr 2018, wonach etwas mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen (57 %) mit einem bis zu sechs Monate dauernden Projekt rechneten. 35 % der Unternehmen gingen von einem zeitlichen Aufwand für die Umstellung von sieben bis zwölf Monaten aus, 8 % schätzten den zeitlichen Aufwand auf mehr als zwölf Monate (S. 47, abrufbar unter https://www.fer.ch/ueber-uns/publikationen-2-2/). Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte eine empirische Erhebung der FER aus dem Jahr 2014 (S. 50; abrufbar unter https://www.fer.ch/ueber-uns/publikationen-2-2/). Das Obergericht präzisierte, dass sich diese Zahlen auf eine Umstellung für die Zukunft bezögen und der zeitliche Aufwand erheblich höher sei, wenn eine bereits erstellte Rechnungslegung nachträglich an einen anderen Standard angepasst werden müsse.  
Bei dieser Ausgangslage - welche von der Beschwerdeführerin nicht substantiell in Frage gestellt wird - und angesichts des Umstands, dass der Abschluss nach anerkanntem Standard fristgerecht der zwingend innert sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs stattzufindenden Generalversammlung vorzulegen ist, erscheint die obergerichtliche Lösung (Frist bis sechs Monate vor Stichtag Abschlussbilanz) adäquat. Sie nimmt die dem Gesetz selbst zugrunde liegenden Zielsetzungen (Stärkung Minderheitsgesellschafter unter Wahrung der berechtigten Interessen der Gesellschaft) zum Massstab und führt zu einem angemessenen Ausgleich dieser Interessen: Verlangt ein Minderheitsgesellschafter bis spätestens sechs Monate vor dem Stichtag der Abschlussbilanz einen Abschluss nach anerkanntem Standard, muss die Gesellschaft zwar für das bereits angebrochene halbe Geschäftsjahr rückwirkend den neuen Rechnungslegungsstandard einführen. Es bleiben ihr aber immerhin zwölf Monate, um den neuen Standard zu implementieren und den Abschluss bereitzustellen, die Einhaltung des anerkannten Standards nach Art. 962a Abs. 3 OR durch einen zugelassenen Revisionsexperten prüfen zu lassen und den Abschluss samt Prüfbericht anschliessend den Aktionären mindestens 20 Tage vor der Generalversammlung zugänglich zu machen. Umgekehrt ist einem Minderheitsgesellschafter zuzumuten, noch im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahrs darüber zu entscheiden, ob er einen Abschluss nach anerkanntem Standard für das betreffende Geschäftsjahr erzwingen will oder nicht, zumal der Gesetzgeber in unmissverständlicher Weise auch die Interessen der Mehrheitsgesellschafter sowie des Verwaltungsrats wahren und die finanzielle Belastung der Unternehmen nicht ausufern lassen wollte (Erwägung 5.4). 
Ist eine Gesellschaft - wie vorliegend - in eine Holdingstruktur eingebettet, können sich aufgrund der Anpassung des Rechnungslegungsstandards besondere Schwierigkeiten ergeben respektive mit Blick auf den konsolidierten Abschluss Anpassungen auch bei der Rechnungslegung konzernverbundener Gesellschaften nötig sein. Umso mehr rechtfertigt es sich, einer solchen Gesellschaft hinreichend Zeit zur Umstellung ihrer Rechnungslegung zu geben (siehe denn auch LIPP, a.a.O., N. 20 zu Art. 963b OR; NEUHAUS/BAUR, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 5. Aufl. 2016, N. 13 zu Art. 963b OR). Es ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass Minderheitsgesellschafter mit einem Quorum von 20 % in Konzernverhältnissen in bestimmten Situationen auch die Erstellung einer Konzernrechnung (Art. 963a Abs. 2 Ziff. 2 OR) respektive die Erstellung einer Konzernrechnung nach einem anerkannten Standard (Art. 963b Abs. 4 Ziff. 1 OR) erzwingen können. 
 
6.5. Eine Aushebelung der aktienrechtlichen Minderheitsrechte droht im Übrigen nicht. Sollte sich im Nachhinein Klärungsbedarf in Bezug auf konkrete Sachverhalte ergeben, so steht den Aktionären das Institut der Sonderuntersuchung (Art. 697c ff. OR) zur Verfügung. Eine Sonderuntersuchung kann zwar - im Unterschied zu einem Abschluss nach anerkanntem Standard - selbst von einer qualifizierten Minderheit nicht voraussetzungslos herbeigeführt werden. Sie setzt (wenn die Generalversammlung eine Sonderuntersuchung ablehnt) namentlich voraus, dass der Ansprecher eine Gesetzes- oder Statutenverletzung glaubhaft macht (Art. 697d Abs. 3 OR). Auch dieser Schranke liegt indes - wie Art. 962 OR - eine differenzierte gesetzgeberische Interessenabwägung zugrunde, nämlich zwischen dem Anliegen der Minderheitsaktionäre, zu Informationen für die Ausübung ihrer Rechte zu gelangen, und dem Bedürfnis der Gesellschaft, vertrauliche Informationen nicht preisgeben zu müssen und sich im normalen Geschäftsablauf nicht behindert zu sehen (Urteil 4A_312/2020 vom 15. Oktober 2020 E. 5.2).  
Das vorinstanzliche Auslegungsergebnis ist auch vor diesem Hintergrund konsistent und in sich stimmig. 
 
6.6. Demnach ist das aufgeworfene Rechtsproblem in Bestätigung der vorinstanzlichen Lösung wie folgt zu entscheiden:  
Das Recht, gestützt auf Art. 962 Abs. 2 Ziff. 1 OR für ein bestimmtes Geschäftsjahr einen Abschluss nach einem anerkannten Standard zu verlangen, ist spätestens sechs Monate vor dem Stichtag der Abschlussbilanz des betreffenden Geschäftsjahrs auszuüben, jedenfalls bei Aktiengesellschaften. 
Ob sich diese Regel unmittelbar durch Auslegung der einschlägigen obligationenrechtlichen Bestimmungen oder durch (zulässige) Lückenfüllung ergibt, kann dahingestellt bleiben (siehe zur "schillernden Bedeutungsvielfalt" des Lückenbegriffs BGE 132 III 707 E. 2; 121 III 219 E. 1d/aa; CHRISTIAN STÄHLE, "Bewährte Lehre" [Art. 1 Abs. 3 ZGB] in der Praxis zum Obligationenrecht, 2023, S. 230-232). Die Frist ist jedenfalls im Gesetz angelegt und fügt sich nahtlos in das normative Gefüge ein; sie ist notwendig, um die vom Gesetzgeber sorgfältig getroffene Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen zu verwirklichen und fortzuschreiben. 
 
6.7. Dies bedeutet für die vorliegende Konstellation:  
Das Geschäftsjahr der Beschwerdegegnerin dauert jeweils vom 1. Januar bis zum 31. Dezember. Der Stichtag für die Abschlussbilanz des Geschäftsjahrs 2020 war der 31. Dezember 2020. Die Beschwerdeführerin hätte demnach - soweit die Jahresrechnung 2020 betreffend - spätestens Ende Juni 2020 einen Abschluss nach einem anerkannten Standard verlangen müssen. Sie gelangte indes erst Mitte Juli 2020 mit diesem Ansinnen an die Gesellschaft. Erst recht zu spät ist sie, soweit sie für die Geschäftsjahre 2018 und 2019 einen Abschluss nach einem anerkannten Standard einfordert. 
Die Klage war insoweit abzuweisen, wie das Obergericht zu Recht erkannte. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. 
 
7.  
Die Beschwerdeführerin ficht die Verteilung der erst- und der zweitinstanzlichen Kosten an, jedoch nicht unabhängig vom Verfahrensausgang. Nachdem es beim vorinstanzlichen Entscheid bleibt, entfällt eine andere Kostenverteilung. 
 
8.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (siehe Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, I. Zivilabteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Januar 2024 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Stähle