4P.169/2000 14.11.2000
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4P.169/2000/rnd 
 
I. ZIVILABTEILUNG 
****************************** 
 
14. November 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, 
Präsident, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler und Gerichtsschreiber 
Luczak. 
 
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In Sachen 
A.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Suppiger, Alpenstrasse 1, 6004 Luzern, 
 
gegen 
X.________ AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Marco Bolzern, Haldenstrasse 57, 6006 Luzern, Kantonsgericht des Kantons Schwyz, 
 
betreffend 
Art. 9 BV (Zivilprozess; Beweiswürdigung), hat sich ergeben: 
 
A.- A.________ (Beschwerdeführerin) arbeitete ab dem 
3. November 1996 für die X.________ AG (Beschwerdegegnerin) als kaufmännische Angestellte und erhielt dafür einen Lohn von Fr. 3'600.-- zuzüglich Pauschalspesen von Fr. 400.-- monatlich. Ausserdem hatte sie Anspruch auf einen 13. Monatslohn. 
Die Kündigungsfrist sollte im ersten Jahr einen Monat, ab dem zweiten Jahr zwei Monate und nach dem fünften Arbeitsjahr drei Monate betragen. Im Jahre 1997 blieb die Beschwerdeführerin krankheitsbedingt verschiedentlich der Arbeit fern und war namentlich vom 18. August bis zum 31. Oktober 1997 zu 100% krank geschrieben. 
 
 
B.-Mit Einschreiben vom 30. Oktober 1997 kündigte die Beschwerdegegnerin das Arbeitsverhältnis auf den 30. November 1997. Da die Post die Sendung nicht zustellen konnte, hinterliess sie eine Abholungseinladung mit dem Hinweis, die Sendung könne ab dem 31. Oktober 1997, 10.00 Uhr, bis zum 6. November 1997 bei der zuständigen Poststelle abgeholt werden. Am 3. November 1997 holte die Beschwerdeführerin das Schreiben am Postschalter ab. 
 
 
C.- Am 19. Februar 1998 reichte die Beschwerdeführerin beim Einzelrichter des Bezirkes Küssnacht Klage ein und verlangte von der Beschwerdegegnerin Lohn für die Monate Dezember 1997 und Januar 1998 sowie den Anteil des 13. Monatslohns vom 1. Juli 1997 bis zum 31. Januar 1998, insgesamt Fr. 10'333.-- nebst Zins. Die Beschwerdegegnerin anerkannte den Anspruch auf den 13. Monatslohn für die Monate Juli bis November 1997 im Umfang von Fr. 1'500.--, berief sich aber auf eine Forderung für zuviel bezahlte Spesen, welche sie zur Verrechnung bringen könne. Mit Interventionserklärung vom 29. Januar 1999 machte die Arbeitslosenkasse Luzern geltend, sie sei in Anwendung von Art. 29 AVIG in die Lohnforderung der Beschwerdeführerin eingetreten, da sie dieser Fr. 4'617. 35 Arbeitslosenentschädigung bezahlt habe. 
 
D.- Am 18. Mai 1999 verpflichtete der Einzelrichter die Beschwerdegegnerin, der Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern Fr. 1'500.-- nebst Zins zu bezahlen. Im Übrigen wies er die Klage ab. Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung an das Kantonsgericht des Kantons Schwyz und verlangte Fr. 4'682. 65 nebst Zins. Am 13. Juni 2000 hiess dieses die Berufung teilweise gut und verpflichtete die Beschwerdegegnerin, die Bruttolohnforderung von Fr. 1'500.-- der Beschwerdeführerin und nicht der Arbeitslosenkasse zu entrichten. 
 
E.-Gegen dieses Urteil führt die Beschwerdeführerin staatsrechtliche Beschwerde und verlangt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Das Kantonsgericht verweist auf seinen Entscheid und beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
Eventuell schliesst es auf Abweisung der Beschwerde. 
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.-Das Kantonsgericht geht davon aus, Personen, die nicht erwerbstätig sind oder infolge Krankheit vorübergehend ihrem Arbeitsplatz fernbleiben, könnten in der Regel eine eingeschriebene Sendung am ersten Tag abholen, an dem diese auf dem Postamt zur Abholung bereit liegt. Die Kündigung sei der Beschwerdeführerin daher am 31. Oktober 1997 zugegangen und das Arbeitsverhältnis auf den 30. November 1997 gültig beendet worden. Dementsprechend sprach das Kantonsgericht der Beschwerdeführerin lediglich den anerkannten anteilsmässigen 
13. Monatslohn zu, nachdem es den von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Einwand der Verrechnung verworfen hatte. 
 
2.- Die Beschwerdeführerin führt dagegen an, es sei ihr unmöglich gewesen die Postsendung noch am 31. Oktober 1997 abzuholen, da sie den ganzen Tag ausser Haus gewesen sei. 
Sie habe die Abholungseinladung erst am Abend zur Kenntnis genommen. Aufgrund des darauffolgenden Feiertages und Wochenendes habe sie das Einschreiben erst am 3. November 1997 abholen können. In diesem Zeitpunkt habe ein überjähriges Arbeitsverhältnis bestanden, weshalb die Kündigung frühestens auf Ende Januar 1998 zulässig gewesen sei. Zudem sei die Kündigung damit während der Sperrfrist von 90 Tagen (Art. 336c Abs. 1 lit. b OR) erfolgt und daher nichtig. 
Willkürlich sei auch die faktische Vermutung, kranke Personen könnten eingeschriebene Sendungen am ersten Tag abholen, an dem diese auf der Poststelle bereitliegen. Zudem habe das Kantonsgericht Art. 8 ZGB willkürlich angewendet, indem es der Beschwerdeführerin die Beweislast dafür auferlegt habe, dass sie das Einschreiben nicht habe abholen können. Es wäre vielmehr Sache der Beschwerdegegnerin gewesen, die Rechtzeitigkeit der Kündigung nachzuweisen. 
 
3.-a) Wann eine mit eingeschriebenem Brief versandte Kündigung als zugestellt gilt, ist eine Frage des Bundesrechts, ebenso wie die Frage der Beweislastverteilung (Art. 8 ZGB). Soweit Bundesrechtsverletzungen mit Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden können, sind entsprechende Rügen in der staatsrechtlichen Beschwerde nicht zu hören (Art. 84 Abs. 2 OG). Der für die Berufung notwendige Streitwert wird indes nicht erreicht, da die Rechtsbegehren, die vor letzter kantonaler Instanz noch streitig waren, Fr. 8'000.-- nicht erreichen (Art. 46 OG). 
Auf die Beschwerde ist daher einzutreten. 
 
 
b) Die staatsrechtliche Beschwerde steht nur offen zur Rüge einer Verletzung verfassungsmässiger Rechte. Daher genügt es im Gegensatz zur Berufung nicht, darzulegen, dass der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzt. Er muss vielmehr willkürlich und damit verfassungswidrig sein (Art. 9 BV). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Der angefochtene Entscheid muss vielmehr offensichtlich unhaltbar sein, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzen oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen (BGE 125 II 10 E. 3a S. 15; 129 E. 5b S. 134, 124 IV 86 E. 2a S. 88). Dabei genügt es nicht, dass die Begründung unhaltbar ist; der Entscheid muss sich im Ergebnis als willkürlich erweisen (BGE 125 I 166 E. 2a S. 168 mit Hinweis). 
 
 
4.- a) Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung (Staehelin, Zürcher Kommentar N. 11 zu Art. 335 OR). Streitig ist, wann diese der Beschwerdeführerin zugegangen ist. Nach Ansicht des Kantonsgerichts ist für eingeschriebene Briefe der Zeitpunkt ausschlaggebend, von dem an die Sendung gemäss der Abholungseinladung auf der Post für den Empfänger bereit liegt, sofern von diesem erwartet werden kann, dass er sie umgehend abholt (Empfangstheorie). 
Diese Auffassung entspricht grundsätzlich der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 107 II 189 E. 2 S. 192 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 118 II 42 E. 3 S. 44; Guhl/Koller, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Auflage, Zürich 2000, § 13 Rz 44 S. 116) und wird von der Lehre geteilt, wenngleich auch abweichende Meinungen bestehen und das Bundesgericht Ausnahmen von dieser Regel anerkennt, wo der Empfang der Erklärung eine Frist auslöst (BGE 107 II 189; Guhl/Koller, a.a.O.; Staehelin, a.a.O., N. 13 mit Hinweisen). 
 
Wenn das Kantonsgericht die Empfangstheorie vertritt, kann daher von Willkür keine Rede sein. Damit ist nicht darauf abzustellen, wann die Beschwerdeführerin die Kündigung tatsächlich zur Kenntnis nahm, da sie das Risiko des verspäteten Abholens trägt (Staehelin, a.a.O.). 
 
b) Darf der Versender nicht damit rechnen, die Empfängerin werde die Sendung abholen, greift die Zustellungsfiktion nicht. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber weiss, dass die Arbeitnehmerin in den Ferien ist, oder bei arbeitstätigen Personen, die eine Abholungseinladung in der Regel erst nach Feierabend zur Kenntnis nehmen; für Letztere verschiebt sich der Zeitpunkt des Zugangs auf den darauffolgenden Tag (Staehelin, a.a.O., N. 14; Kramer, Berner Kommentar, N. 88 zu Art. 1 OR). Das Kantonsgericht begründet indes einlässlich, warum dies auf die Beschwerdeführerin gerade nicht zutrifft. Sie war zu 100% krank geschrieben. Wenngleich ihre Krankheit sie nach ihren eigenen Angaben nicht daran hinderte, das Haus zu verlassen und der Arbeitgeber dies gewusst haben sollte, musste er daraus nicht auch schliessen, sie würde den ganzen Tag auswärts verbringen. 
Eine Diskriminierung kranker Personen liegt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht vor, sind doch werktätige Personen in der Regel verpflichtet, sich an den Arbeitsplatz und damit ausser Haus zu begeben, während eine derartige Pflicht im Krankheitsfalle nicht besteht. Die getroffene Unterscheidung beruht somit auf objektiven Unterschieden, ist sachlich vertretbar und daher nicht willkürlich. 
 
c) Schliesslich legt die Beschwerdeführerin nicht dar, dass sie durch objektive Umstände gezwungen war, den ganzen Tag ausser Haus zu verbringen und es ihr deshalb unmöglich war, die Sendung abzuholen. Es lag in ihrem Belieben, wann sie nach Hause zurückkehren, die Abholungseinladung zur Kenntnis nehmen und die Sendung abholen würde. Damit konnte das Kantonsgericht die Kündigung ohne Willkür als dem Machtbereich der Beschwerdeführerin zugegangen betrachten. 
 
d) Was Art. 8 ZGB anbelangt, verkennt die Beschwerdeführerin, dass die Beschwerdegegnerin nur die Voraussetzungen für die Annahme rechtzeitiger Zustellung beweisen muss. Es reicht somit aus, dass die Post die Abholungseinladung in einem Zeitpunkt hinterlegte, von dem die Beschwerdegegnerin annehmen durfte, er erlaube es der Beschwerdeführerin noch an demselben Tag, von der Einladung Kenntnis zu nehmen und die Sendung auf der Post abzuholen. Dass die Beschwerdeführerin von der Abholungseinladung tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis erhalten hat, ist gemäss der vom Kantonsgericht ohne Willkür vertretenen Zugangstheorie grundsätzlich ihrer Risikosphäre zuzurechnen und kann der Beschwerdegegnerin nicht entgegengehalten werden. 
 
5.-Ob das Bundesgericht sich der vom Kantonsgericht vertretenen Lösung bei freier Überprüfung anschliessen würde, ist nicht zu prüfen. Der angefochtene Entscheid ist jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar. Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen. Da es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit mit einem Streitwert handelt, der auch vor erster Instanz unter Fr. 20'000.-- lag, sind keine Gerichtskosten zu erheben. Die Beschwerdeführerin hat indes der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 343 Abs. 3 OR; BGE 115 II 30 E. 5b und 5c S. 41 f.). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.-Es werden keine Gerichtsgebühren erhoben. 
 
3.-Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 14. November 2000 
 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: