149 II 66
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Chapeau

149 II 66


8. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Kühni und Müller gegen Suter und Berner (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_661/2021 vom 14. Juli 2022

Regeste

Art. 89 al. 1 let. a, art. 89 al. 3, art. 93 al. 1 let. a LTF; recours en matière de droits politiques; contestation d'un jugement contraignant le parlement communal à élaborer un nouveau projet de mise en oeuvre d'une initiative populaire rédigée en termes généraux.
Le jugement attaqué oblige le pouvoir législatif communal à élaborer un nouveau projet de mise en oeuvre d'une initiative populaire rédigée en termes généraux. Cette décision incidente, notifiée séparément, peut faire l'objet d'un recours (art. 93 al. 1 let. a LTF) (consid. 1.2 et 1.5). Exigence d'une attestation de la qualité d'électeur (consid. 1.3). Les électeurs qui, dans le cadre de la procédure, sont atteints pour la première fois par le jugement attaqué ont qualité pour recourir (art. 89 al. 1 let. a en relation avec l'art. 89 al. 3 LTF) (consid. 1.4).

Faits à partir de page 67

BGE 149 II 66 S. 67

A. Am 2. August 2016 stellte der Stadtrat Aarau fest, dass die Volksinitiative "Schuldenbremse zur Sicherung eines ausgeglichenen Finanzhaushalts der Stadt Aarau" formell und materiell zustande gekommen sei. Die Initiative hatte die Form einer allgemeinen Anregung. Auf Antrag des Stadtrates stimmte der Einwohnerrat der Stadt Aarau der Initiative am 23. Januar 2017 zu (...). Am 14. Januar 2019 beschloss der Stadtrat, dem Einwohnerrat für die Beratung einen neuen § 10f für die Aufnahme in die Gemeindeordnung der Einwohnergemeinde Aarau vom 23. Juni 1980 (nachfolgend: GO Aarau) mit folgendem Wortlaut vorzulegen:
"E. Nachhaltiger Finanzhaushalt
1 Die Stadt führt den Finanzhaushalt so, dass bei einer massvollen Steuerbelastung langfristig das Eigenkapital nicht sinkt und die Schuldenquote nicht ansteigt.
2 Der Einwohnerrat konkretisiert in einem Reglement die Vorgaben und deren Umsetzung und regelt darin die Folgen bei einer Verletzung der Vorgaben."
Der Einwohnerrat fasste am 25. März 2019 den Beschluss, die Gemeindeordnung um einen neuen § 10f zu ergänzen, jedoch mit
BGE 149 II 66 S. 68
einem anderen Inhalt. Dieser Beschluss unterstand dem obligatorischen Referendum und wurde am 29. März 2019 im Amtsblatt des Kantons Aargau veröffentlicht. Er lautet wie folgt:
"1. Dem obligatorischen Referendum unterstehender Beschluss (Referendumsabstimmung am 19. Mai 2019):
Folgende Ergänzung der Gemeindeordnung (§ 10f [neu]) wird gutgeheissen:
E. Nachhaltiger Finanzhaushalt
1 Die Stadt führt den Finanzhaushalt so, dass mittelfristig die Erfolgsrechnung ausgeglichen ist und die Nettoinvestitionen langfristig selber finanziert werden.
2 Der Einwohnerrat konkretisiert in einem Reglement die Vorgaben."

B.

B.a Die in Aarau stimmberechtigte Martina Suter und das Einwohnerratsmitglied Yannick Berner erhoben am 3. April 2019 Beschwerde beim Regierungsrat, welcher die Beschwerde zuständigkeitshalber an das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) überwies. Sie beantragten die Aufhebung des Einwohnerratsbeschlusses und verlangten, der Einwohnerrat sei anzuweisen, eine Vorlage auszuarbeiten, welche den Vorgaben der eingereichten Volksinitiative entspreche. Ausserdem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und somit keine Volksabstimmung zum Einwohnerratsentscheid anzusetzen.
Am 9. April 2019 wies das Departement Volkswirtschaft und Inneres, Gemeindeabteilung, das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab.
Die Stimmberechtigten der Stadt Aarau nahmen die vorgeschlagene Ergänzung der Gemeindeordnung um einen § 10f betreffend einem nachhaltigen Finanzhaushalt in der Referendumsabstimmung vom 19. Mai 2019 unter dem Titel "Initiative 'Schuldenbremse zur Sicherung eines ausgeglichenen Finanzhaushalts der Stadt Aarau'" mit 3'177 Ja-Stimmen zu 2'903 Nein-Stimmen an.
Das Departement Volkswirtschaft und Inneres, Gemeindeabteilung, trat auf die Beschwerde von Martina Suter und Yannick Berner nicht ein, da diese verspätet sei. Dagegen reichten Martina Suter und Yannick Berner am 28. Mai 2019 verwaltungsgerichtliche Beschwerde ein. Mit Urteil vom 12. September 2019 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, diese ab.

B.b Gegen dieses Urteil erhoben Martina Suter und Yannick Berner Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim
BGE 149 II 66 S. 69
Bundesgericht. Mit Urteil 1C_555/2019 vom 9. September 2020 hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut und wies die Sache an das Departement Volkswirtschaft und Inneres zur inhaltlichen Behandlung der Stimmrechtsbeschwerde vom 3. April 2019 zurück.

B.c In Umsetzung des Bundesgerichtsurteils vom 9. September 2020 trat das Departement Volkswirtschaft und Inneres, Gemeindeabteilung, auf die Beschwerde vom 3. April 2019 ein und entschied am 17. Juni 2021, die Stimmrechtsbeschwerde vom 3. April 2019 abzuweisen.
Mit Beschwerde vom 23. Juni 2021 gelangten Martina Suter und Yannick Berner an das Verwaltungsgericht und beantragten, den Entscheid aufzuheben und die Sache an den Einwohnerrat zurückzuweisen zum Erlass eines rechtmässigen Beschlusses zur Umsetzung der Volksinitiative, eingereicht am 25. April 2015, der vorsieht, dass die Grundzüge der Ausgaben- und Schuldenbremse in der Gemeindeordnung geregelt werden.

B.d Mit Urteil vom 28. September 2021 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut, hob den angefochtenen Entscheid auf und wies den Einwohnerrat der Stadt Aarau an, im Sinne der Erwägungen eine Vorlage auszuarbeiten, welche die Anliegen der Initiative "Schuldenbremse zur Sicherung eines ausgeglichenen Finanzhaushalts der Stadt Aarau" umsetzt und diese in der GO Aarau verankert.

C. Dagegen erheben mit Eingabe vom 1. November 2021 Philippe Kühni und Stephan Müller Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Sie beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. September 2021 aufzuheben und den Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inneres vom 17. Juni 2021 zu bestätigen. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)

Considérants

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Angefochten ist das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau WBE.2021.229 vom 28. September 2021. Dieses hebt den Beschluss des Einwohnerrats der Stadt Aarau vom 25. März 2019 auf und weist die Sache zurück an den Einwohnerrat der Stadt
BGE 149 II 66 S. 70
Aarau mit Anweisungen, wie die Anliegen der Initiative "Schuldenbremse zur Sicherung eines ausgeglichenen Finanzhaushalts der Stadt Aarau" umzusetzen seien. Die Beschwerdeführer machen die Verletzung politischer Rechte geltend. Die Beschwerde in Stimmrechtssachen gemäss Art. 82 lit. c BGG ist deshalb gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts grundsätzlich zulässig.

1.2 Beim angefochtenen Urteil handelt es sich aufgrund der dispositivmässigen Verpflichtung des Einwohnerrats der Stadt Aarau zur Ausarbeitung einer neuen Umsetzungsvorlage zur genannten Volksinitiative um einen Rückweisungsentscheid und damit um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG. Die für eine selbstständige Anfechtung erforderliche Voraussetzung des nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von lit. a dieser Bestimmung ist erfüllt, da der Einwohnerrat gezwungen wird, entgegen seiner in der Vorgeschichte und in der Vernehmlassung zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung eine neue Umsetzungsvorlage zu erlassen (vgl. BGE 145 I 239 E. 3.3; BGE 144 V 280 E. 1.2.2; BGE 144 IV 321 E. 2.3; BGE 141 V 255 E. 1.1). Es besteht diesbezüglich ein schutzwürdiges, öffentliches Interesse daran, dass ein demokratisch gewähltes Rechtsetzungsorgan nicht entgegen seiner Rechtsüberzeugung rechtsetzerisch tätig werden muss, bevor die Rechtslage geklärt ist - auf die Gefahr hin, dass die neue Umsetzungsvorlage vom Bundesgericht kassiert wird. Dieses Interesse können die Stimmberechtigten im Rahmen einer Beschwerde in Stimmrechtssachen geltend machen.

1.3 Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und frei (BGE 146 I 126 E. 1). Die Beschwerdeführer haben ihre Stimmberechtigung in der betreffenden Angelegenheit grundsätzlich von der betreffenden Gemeinde bescheinigen zu lassen und diese Stimmrechtsbescheinigung dem Bundesgericht mit Beschwerdeerhebung einzureichen; zumal wenn ihre Stimmberechtigung von keiner Vorinstanz geprüft wurde, so wie im vorliegenden Fall, bei dem die Beschwerdeführer in den vorinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt waren. Vorliegend unterblieb dieser Nachweis. Da die Stimmberechtigung der beiden Beschwerdeführer jedoch unzweifelhaft ist, sind die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 3 BGG, um Beschwerde in Stimmrechtssachen zu führen, erfüllt.

1.4 Die Beschwerdegegner stellen das Beschwerderecht der Beschwerdeführer dagegen infrage, weil diese an den bisherigen Verfahren
BGE 149 II 66 S. 71
zur vorliegenden Sache nicht beteiligt waren. Auch die Beschwerde in Stimmrechtssachen setzt voraus, dass die Beschwerdeführer gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten haben, wenn ein Bundesgesetz die vorgängige Erhebung eines Rechtsmittels verlangt bzw. die Kantone ein entsprechendes Rechtsmittel vorsehen (Art. 88 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 BGG; Urteile des Bundesgerichts 1C_130/2020 vom 9. April 2021 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 147 I 297; 1C_670/2019 / 1C_397/2020 vom 20. August 2020 E. 1.2; 1C_282/ 2018 vom 5. Juli 2018 E. 1.2; 1C_457/2013 vom 26. November 2013 E. 1.1; REGINA KIENER, Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in: Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP] 2006, 2007, S. 267; KIENER/RÜTSCHE/KUHN, Öffentliches Verfahrensrecht, 3. Aufl. 2021, S. 397 Rz. 1820; s. auch MICHEL BESSON, Legitimation zur Beschwerde in Stimmrechtssachen, ZBJV 147/2011 S. 843 ff., 850 ff.; LUKA MARKIC, Das kantonale Rechtsschutzverfahren im Bereich der politischen Rechte, 2022, S. 128 f. Rz. 271 ff.; dagegen STEINMANN/MATTLE, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 71 f. zu Art. 89 BGG).
Vorliegend hat die Vorinstanz die Beschwerde gutgeheissen. Damit hat sie für die übrigen, an den vorinstanzlichen Verfahren noch nicht beteiligten Stimmberechtigten - unter ihnen die Beschwerdeführer - erst Anlass gegeben, selbst Beschwerde zu erheben. Die Beschwerdeführer sind daher gestützt auf Art. 89 Abs. 1 lit. a zweiter Halbsatz BGG zur Beschwerde zuzulassen (Urteile des Bundesgerichts 1C_302/2012 / 1C_303/2012 vom 27. Februar 2013 E. 2.1; 1C_578/ 2010 und andere vom 20. Dezember 2011 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 138 I 131). Sie sind somit nach Art. 89 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Abs. 3 BGG zur Beschwerde berechtigt.

1.5 Für die Berechnung der Beschwerdefrist ist grundsätzlich das Datum der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des angefochtenen Entscheids ausschlaggebend (Art. 100 Abs. 1 BGG). Im Lichte der geschilderten bundesgerichtlichen Rechtsprechung wäre ein solcher kantonaler Entscheid in Gutheissung einer Beschwerde in Stimmrechtsangelegenheiten allen Stimmberechtigten zu eröffnen bzw. stattdessen amtlich zu veröffentlichen. Ob die Eröffnung den Anforderungen entsprach und wann sie allenfalls für die übrigen Stimmberechtigten erfolgt ist, muss nicht weiter vertieft werden.
BGE 149 II 66 S. 72
Vorliegend haben die Beschwerdeführer die Beschwerde innerhalb der 30-tägigen Beschwerdefrist, die für die Verfahrensbeteiligten mit der ihnen gegenüber erfolgten Eröffnung zu laufen begonnen hat, eingereicht. Die Beschwerde ist damit fristgemäss erhoben worden.

1.6 Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

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Etat de fait

Considérants 1

références

ATF: 145 I 239, 144 V 280, 144 IV 321, 141 V 255 suite...

Article: Art. 89 al. 1 let. a, art. 89 al. 3, art. 93 al. 1 let. a LTF, art. 89 al. 3 LTF, art. 93 al. 1 let. a LTF, Art. 82 lit. c BGG suite...