5A_484/2008 16.09.2008
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_484/2008/bnm 
 
Urteil vom 16. September 2008 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Hohl, Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Kantonsgericht des Kantons Schaffhausen, Herrenacker 26, Postfach 568, 8201 Schaffhausen, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unentgeltliche Rechtspflege (Ehescheidung), 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 6. Juni 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 18. Dezember 2007 beantragte X.________ die unentgeltliche Rechtspflege für das Scheidungsverfahren, welche ihm das Kantonsgericht Schaffhausen mit Verfügung vom 18. März 2008 verweigerte. 
 
B. 
Auf den vom Betroffenen gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs trat das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Verfügung vom 6. Juni 2008 nicht ein. 
 
C. 
Der Betroffene führt mit Eingabe vom 16. Juli 2008 beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen mit dem Begehren, die Verfügung des Obergerichts vom 6. Juni 2008 aufzuheben und dieses anzuweisen, auf den Rekurs einzutreten. Das Obergericht hat sich am 5. August 2008 vernehmen lassen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG), mit dem auf den Rekurs gegen eine erstinstanzliche, die unentgeltliche Rechtspflege in einem Scheidungsverfahren verweigernde Verfügung nicht eingetreten worden ist. Beim Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1), dessen ungeachtet, ob er während des Hauptverfahrens, zusammen mit dessen Endentscheid oder nach diesem ergangen ist (Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007, E. 1.2). Ein Zwischenentscheid im vorgenannten Sinn liegt aber auch vor, wenn - wie hier - auf einen Rekurs gegen die erstinstanzliche Verfügung betreffend unentgeltliche Rechtspflege nicht eingetreten wurde. 
 
1.2 Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache. Diese betrifft ein Scheidungsverfahren, mithin eine Zivilsache im Sinn von Art. 72 Abs. 1 BGG, welche nicht dem Streitwerterfordernis von Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG unterliegt (Urteil 5D_60/2007 vom 9. August 2007, E. 1.2 und Urteil 5 A_108/2007 vom 11. Mai 2007, E. 1.2). Dagegen kann die Beschwerde in Zivilsachen ergriffen werden. Ist sie gegen die Hauptsache zulässig, kann sie auch gegen den vorgenannten Zwischenentscheid ergriffen werden. 
 
2. 
Das Obergericht hat erwogen, der Beschwerdeführer habe die angefochtene Verfügung am 18. April 2008 in Empfang genommen, womit die Rekursfrist am darauffolgenden Tag, am 19. April 2008, zu laufen begonnen und am Montag, 28. April 2008, geendet habe. Die Rekurseingabe per E-Mail sei am 26. April 2008 erfolgt; der Beschwerdeführer habe darauf hingewiesen, dass gemäss Internet-Portal des Kantons Schaffhausen bezüglich Prozesseingaben per E-Mail keine Einschränkungen bestünden, und dass er die Prozesseingabe samt Beilagen auf dem diplomatischen Rechtshilfeweg nachsenden werde. Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers sei eine Rekurseingabe per E-Mail unzulässig. Von Laien eingereichte E-Mail-Eingaben würden indes insoweit akzeptiert, als ihnen eine kurze Nachfrist zur Einreichung des Originals des Rekurses mit Unterschrift gewährt werde. Der Beschwerdeführer sei indes bereits mehrmals vom Kantonsgericht auf die Ungültigkeit von E-Mail Eingaben hingewiesen worden. Im Übrigen ergebe sich der Hinweis auf die Ungültigkeit entsprechender Eingaben entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers aus der Website des Obergerichts. Die Rekurseingabe sei daher als ungültig zu qualifizieren. Schliesslich habe der Beschwerdeführer die Rekursfrist auch nicht durch Übermittlung des Rekurses im Original auf postalischem Weg wahren können, hätte doch die Eingabe spätestens am 28. April 2008 der schweizerischen Post oder der Schweizerischen Botschaft übergeben werden müssen. Der Rekurs sei indes erst am 19. Mai 2008 beim Kantonsgericht eingegangen, womit er verspätet erfolgt und darauf unter Kostenfolge für den Beschwerdeführer nicht einzutreten sei. 
 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, zum Zeitpunkt seiner E-Mail-Eingabe sei auf der Website des Obergerichts kein Hinweis auf die Ungültigkeit von Rechtsmitteleingaben per E-Mail ersichtlich gewesen; dieser Hinweis sei vielmehr erst nachträglich aufgeschaltet worden. Zum Beweis seiner Aussage legt er Ausdrucke des entsprechenden Website-Portals ins Recht. Auch wenn er vom Kantonsgericht auf die entsprechende Ungültigkeit in pendenten Verfahren aufmerksam gemacht worden sei, so betreffe dies nicht Eingaben in Verfahren vor dem Obergericht, weshalb er nach Treu und Glauben habe davon ausgehen dürfen, der Rekurs an das Obergericht auf elektronischem Weg sei zulässig und damit fristgerecht erfolgt. 
 
3.2 Das Obergericht räumt in der Vernehmlassung zur Beschwerde ein, dass der Hinweis auf die Unzulässigkeit von E-Mail-Eingaben Ende April 2008 im Rahmen einer Neugestaltung der Website während einiger Tage gefehlt habe. 
 
3.3 Der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) verschafft unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Schutz berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten, sofern sich dieses auf eine konkrete, den betreffenden Bürger berührende Angelegenheit bezieht (BGE 130 I 26 E. 8.1 S. 60). Zu diesen Voraussetzungen gehören insbesondere, dass die Behörde für die Erteilung der Zusicherung zuständig war oder der Bürger sie aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte und dass der Bürger die Unrichtigkeit der Zusicherung bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit nicht ohne weiteres erkennen konnte (BGE 127 I 31 E. 3a S. 36; 129 I 161 E. 4.1 S. 170; 129 II 361 E. 7.2 S. 381 f.). 
 
3.4 Aufgrund der Ausführungen des Obergerichts in der Vernehmlassung ist davon auszugehen, dass die Ungültigkeit von E-Mail-Eingaben zum Zeitpunkt der elektronischen Einreichung des Rekurses auf dem Website-Portal des Obergerichts nicht erwähnt war. Soweit darin überhaupt eine behördliche Zusicherung über die Zulässigkeit elektronischer Eingaben erblickt werden kann, stellt sich im vorliegenden Zusammenhang die entscheidende Frage, ob der Beschwerdeführer die Unrichtigkeit der Zusicherung bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit ohne weiteres hätte erkennen können. Dies ist zu bejahen: Dem Beschwerdeführer war bereits mehrfach, namentlich auch im hängigen Scheidungsverfahren, bedeutet worden, dass E-Mail-Einhaben nach der Schaffhauser Praxis zur Zivilprozessordnung unzulässig sind. Auch wenn sich diese Hinweise nicht auf obergerichtliche Verfahren bezogen und eine entsprechende Anmerkung auf der Website des Obergerichts fehlte, durfte sich der Beschwerdeführer angesichts der Praxis der erstinstanzlichen Gerichte nicht auf die (unvollständige) Website verlassen, sondern hätte sich zu einer klärenden Nachfrage beim Obergericht veranlasst sehen müssen. Indem der Beschwerdeführer diese Nachfrage unterliess, hat er es an der vorausgesetzten pflichtgemässen Aufmerksamkeit fehlen lassen. Die Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben geht daher fehl, und die Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet. 
 
4. 
4.1 Der Beschwerdeführer erörtert weiter, er habe den Rekurs nicht nur per E-Mail übermittelt, sondern ihn - wie in der E-Mail erwähnt - zur Weiterleitung an das Obergericht am 26. April 2008 an die Schweizerische Botschaft in Rom gesandt; dies sei per Briefpost und der "Methode" "raccomandata con prova di consegna" erfolgt. Die Prozesseingabe sei in der Folge am 28. April 2008 um 10.00 Uhr von der italienischen Post der Schweizerischen Botschaft übergeben worden, wie dies die entsprechende Empfangsbestätigung belege. Angesichts der gemäss Angaben des Obergerichts am 28. April 2008 endenden Rekursfrist sei die Rekursanmeldung somit rechtzeitig erfolgt und die gegenteilige Behauptung des Obergerichts willkürlich. 
 
4.2 Das Obergericht erwähnt in der angefochtenen Verfügung lediglich, der schriftlich eingereichte Rekurs sei erst am 19. Mai 2008 beim Kantonsgericht eingegangen. In der Vernehmlassung räumt es indessen ein, die schriftliche Rekursanmeldung sei offenbar am 28. April 2008 auch bei der Schweizerischen Botschaft erfolgt, wie sich aus den Beschwerdebeilagen 5 und 6 des Beschwerdeführers ergebe. Die Rekursschrift sei auf postalischem Weg an das Kantonsgericht Schaffhausen gelangt (Eingangsstempel 19. Mai 2008), wobei dieses Exemplar dem Obergericht ohne den üblichen Begleitbrief der diplomatischen Behörden übermittelt und daher von der Rekursinstanz als verspätete Eingabe behandelt worden sei. Aufgrund dieser erläuternden Ausführungen gilt als erwiesen, dass der Beschwerdeführer die Rekursanmeldung am 28. April 2008 der Schweizerischen Botschaft übergeben und damit das Rechtsmittel rechtzeitig eingelegt hat. Die gegenteilige Schlussfolgerung des Obergerichts erweist sich als im Ergebnis willkürlich (BGE 132 III 209 E. 2.1). 
 
5. 
Die angefochtene Verfügung ist daher in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und die Sache zur Behandlung des Rekurses des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dem Obergericht dürfen keine Gerichtskosten überbunden werden (Art. 66 Abs. 4 BGG). Auf die Erhebung von Gerichtskosten ist zu verzichten. 
 
6. 
Mit der vorliegenden Kostenregelung wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 6. Juni 2008 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Behandlung des Rekurses des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
3. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 16. September 2008 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Raselli Zbinden