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Urteilskopf

116 II 721


126. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. November 1990 i.S. S. AG gegen H. Ltd. und Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)

Regeste

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Ausschluss der Bestimmungen des IPRG durch Rechtswahl im Sinne von Art. 176 Abs. 2 IPRG; Anfechtbarkeit des Rechtsmittelentscheides im Fall einer Prorogation gemäss Art. 191 Abs. 2 IPRG?
1. Die Frage, ob eine gültige Rechtswahl im Sinne von Art. 176 Abs. 2 IPRG getroffen worden ist, kann dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. d OG im Nachgang zum Rechtsmittelentscheid des kantonalen Gerichts unterbreitet werden (E. 3). Voraussetzungen einer gültigen Rechtswahl (E. 4).
2. Im Fall der Prorogation im Sinne von Art. 191 Abs. 2 IPRG ist es ausgeschlossen, die Rügen gemäss Art. 190 Abs. 2 IPRG dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde gegen den Rechtsmittelentscheid des kantonalen Gerichts zu unterbreiten. Frage offengelassen, ob diesfalls die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich unzulässig ist (E. 5).
3. Nichteintreten auf die Beschwerde, soweit kein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides besteht (E. 6).

Erwägungen ab Seite 722

BGE 116 II 721 S. 722
Aus den Erwägungen:

1. Mit Eingabe vom 8. Dezember 1987 leitete die H. Ltd., eine japanische Firma, gegen die deutsche S. AG beim Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris Klage ein. In der Folge wurden die Schiedsrichter bestimmt. Am 2. August 1988 unterzeichnete der Vorsitzende des Schiedsgerichts die von den Parteien ebenfalls unterzeichneten "Terms of Reference". Darin wurde Zürich zum Sitz des Schiedsgerichts bestimmt.
Die Auseinandersetzung der Parteien betrifft patentrechtliche und lizenzvertragliche Ansprüche. Die S. AG bestreitet in bezug auf einen Teil der gestellten Klagebegehren die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Dieses erliess am 9. August 1989 einen Zwischenschiedsspruch, in welchem es sich zuständig erklärte, vollumfänglich über die Klage zu entscheiden.
Gegen diesen Schiedsspruch erhob die S. AG gemäss Art. 36 des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit (SR 279; Konkordat) Nichtigkeitsbeschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses verneinte mangels einer den Erfordernissen von Art. 176 Abs. 2 IPRG genügenden Rechtswahl seine Zuständigkeit nach Konkordatsrecht, bejahte dagegen eine Prorogation im Sinne von Art. 191 Abs. 2 IPRG und wies die Beschwerde mit Beschluss vom 22. Mai 1990 ab, soweit es auf sie eintrat.
Die S. AG hat den Beschluss des Obergerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten, die vom Bundesgericht abgewiesen wird, soweit es auf sie eintritt.
BGE 116 II 721 S. 723

3. Die Bestimmungen des IPRG über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit gelten nicht, wenn die Parteien deren Anwendung schriftlich ausgeschlossen und die ausschliessliche Anwendung der kantonalen Bestimmungen über die Schiedsgerichtsbarkeit vereinbart haben (Art. 176 Abs. 2 IPRG).
Eine solche Rechtswahl ist nach Auffassung des Obergerichts nicht gültig vorgenommen worden. Die Beschwerdeführerin sieht darin eine Verletzung von Art. 176 Abs. 2 IPRG. Auf diese Rüge ist entgegen dem Einwand der Beschwerdegegnerin einzutreten. Die Beschwerdeführerin vermag sich allerdings nicht auf Art. 84 Abs. 1 lit. b OG zu stützen. Anwendbar ist vielmehr lit. d dieser Vorschrift, wonach die staatsrechtliche Beschwerde gegen kantonale Verfügungen wegen Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit der Behörden offensteht. Als bundesrechtliche Vorschriften im Sinne dieser Bestimmung gelten nach der Rechtsprechung nicht nur Rechtssätze des Bundes, die ausdrücklich die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit der Behörden zum Gegenstand haben, sondern auch Zuständigkeitsregeln, die sich sinngemäss aus einer einzelnen Norm oder aus der Gesamtheit der bundesrechtlichen Ordnung ergeben (BGE 112 II 517 E. 2a, BGE 97 I 56 mit Hinweisen). Indem Art. 176 Abs. 2 IPRG die bundesrechtliche Verfahrens- und Zuständigkeitsordnung einer Rechtswahl der Parteien weichen lässt, normiert er einen kompetenzbegründenden Teiltatbestand (BGE 97 I 56 unten), welcher die bundesrechtliche von der kantonalen Zuständigkeitsordnung im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. d OG abgrenzt.
Der Umstand, dass eine schiedsgerichtliche Ordnung in Frage steht, schliesst die Anwendung von Art. 84 Abs. 1 lit. d OG nicht aus. Gegenteils wird dadurch die staatsrechtliche Beschwerde erst ermöglicht, denn kantonale Rechtsmittelentscheide über Schiedssprüche können weder mit Berufung noch mit zivilrechtlicher Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden (Art. 84 Abs. 2 OG; BGE 112 II 513, BGE 64 II 230f.). Das Bundesgericht prüft zudem in solchen Fällen mit unbeschränkter Kognition, ob die bundesrechtliche Zuständigkeitsordnung eingehalten worden ist (BGE 112 II 517 E. 2a). Im übrigen schadet der Beschwerdeführerin nicht, dass sie sich nicht ausdrücklich auf Art. 84 Abs. 1 lit. d OG beruft, da sich der Bezug jedenfalls sinngemäss aus der Beschwerdebegründung ergibt (BGE 107 Ia 174 E. 4). Festzuhalten ist somit, dass die Frage einer gültigen Rechtswahl im Sinne von Art. 176 Abs. 2
BGE 116 II 721 S. 724
IPRG
dem Bundesgericht nicht bloss mit einer Beschwerde gemäss Art. 191 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG unterbreitet werden kann, sondern auch mit staatsrechtlicher Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. d OG im Nachgang zum Rechtsmittelentscheid eines kantonalen Gerichts über seine Zuständigkeit.

4. Nach der Praxis des Bundesgerichts ist eine Rechtswahl nur dann gültig, wenn sie alle drei in Art. 176 Abs. 2 IPRG aufgezählten Voraussetzungen erfüllt. Sie muss somit die Anwendung des Bundesrechts ausdrücklich ausschliessen, die kantonale Regelung über die Schiedsgerichtsbarkeit für allein anwendbar erklären und in Schriftform erfolgen (BGE 115 II 393 E. bb). Wie das Obergericht zu Recht festhält, sind diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben. Sowohl in ihrem Briefwechsel wie auch später in den schriftlichen Eingaben an das Obergericht haben die Parteien nirgends die Anwendbarkeit des Bundesrechts ausdrücklich ausgeschlossen, sondern sich lediglich damit einverstanden erklärt, die Streitsache weiterhin dem Konkordat zu unterstellen. Die Rechtsprechung verlangt indessen einen klaren, schriftlichen Ausschluss der bundesrechtlichen Bestimmungen über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Diesem Erfordernis genügt nicht, dass lediglich die Anwendung des kantonalen Rechts vereinbart wird, selbst wenn sich durch Beweiserhebungen feststellen liesse, dass dieses Recht nach dem Willen der Parteien an die Stelle des Bundesrechts treten sollte. Im Interesse der angestrebten Straffung des schiedsgerichtlichen Rechtsmittelverfahrens sollten gerade beweismässige Abklärungen dieser Art vermieden werden.
Als unbegründet erweist sich damit die Rüge der Beschwerdeführerin, das Obergericht habe ihr in diesem Zusammenhang das rechtliche Gehör verweigert. Einerseits war nach dem Gesagten die Durchführung eines Beweisverfahrens ausgeschlossen; andererseits gibt Art. 4 BV den Parteien grundsätzlich keinen Anspruch, sich zur rechtlichen Würdigung der in den Prozess eingebrachten Sachbehauptungen zu äussern (BGE 114 Ia 99 E. 2a, BGE 108 Ia 295 Nr. 56).
Eine gültige Rechtswahl scheidet im übrigen auch darum aus, weil nach dem Wortlaut von Art. 176 Abs. 2 IPRG die ausschliessliche Anwendung der kantonalen Bestimmungen vereinbart werden muss. Das kann nur so verstanden werden, dass das Schiedsgerichtsverfahren insgesamt, d.h. in jeder Hinsicht der kantonalen Regelung unterstellt werden soll. Im vorliegenden Fall hat sich die
BGE 116 II 721 S. 725
Beschwerdegegnerin indessen lediglich damit einverstanden erklärt, die Anfechtung von Zwischenentscheiden des Schiedsgerichts der Regelung des Konkordates zu unterstellen. Auch aus diesem Grund liegt keine gültige Rechtswahl vor. Das Obergericht hat deshalb die Konkordatsbeschwerde zu Recht für unzulässig erklärt. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet.

5. Das Obergericht nimmt indessen an, die Parteien hätten von der Möglichkeit der Prorogation gemäss Art. 191 Abs. 2 IPRG Gebrauch gemacht. Gestützt darauf hat es seine Zuständigkeit zur Beurteilung des Rechtsmittels bejaht, dieses aber für unbegründet erklärt, soweit es darauf eingetreten ist. Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, es fehle jeder Anhaltspunkt für eine Prorogation im Sinne von Art. 191 Abs. 2 IPRG; zudem verstosse der Entscheid des Obergerichts auch in materieller Hinsicht gegen Bundesrecht.
a) Nach dem IPRG kann der Entscheid eines Schiedsgerichts angefochten werden, wenn die in Art. 190 Abs. 2 abschliessend aufgezählten Beschwerdegründe gegeben sind. Einzige Beschwerdeinstanz ist das schweizerische Bundesgericht. Das Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 191 Abs. 1 IPRG). Die Parteien können jedoch vereinbaren, dass anstelle des Bundesgerichts der Richter am Sitz des Schiedsgerichts urteilen soll; dessen Entscheid ist endgültig (Art. 191 Abs. 2 IPRG).
Die Endgültigkeit des Entscheides des Richters am Sitz des Schiedsgerichts schliesst nach gesetzlicher Anordnung sowohl die Berufung wie die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht aus (Art. 48 Abs. 1bis, Art. 49 Abs. 2, Art. 50 Abs. 1bis und Art. 68 Abs. 1bis OG). Ob ein solcher Entscheid aber mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden kann, ist in der Literatur umstritten und vom Bundesgericht noch nicht entschieden worden. Eine Mehrheit von Autoren folgert aus Sinn und Zweck des Gesetzes sowie aus seiner Entstehungsgeschichte, dass die staatsrechtliche Beschwerde unzulässig sei (POUDRET/LALIVE/REYMOND, Le droit de l'arbitrage, N 4 zu Art. 191 IPRG; POUDRET, Les voies de recours en matière d'arbitrage international en Suisse selon le concordat et la nouvelle loi fédérale, Revue de l'arbitrage 1988, S. 613 f.; BLESSING, Das neue Internationale Schiedsgerichtsrecht der Schweiz - Ein Fortschritt oder ein Rückschritt? -, in Böckstiegel, Die Internationale
BGE 116 II 721 S. 726
Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Bd. 1/II, S. 82 f.; derselbe, The New International Arbitration Law in Switzerland - A Significant Step towards Liberalism, JIA 1988 Nr. 2, S. 74; LALIVE, Le Chapitre 12 de la Loi fédérale sur le droit international privé: l'arbitrage international, in Le nouveau droit international privé suisse, S. 230; EUGEN BUCHER, Die Regeln betreffend Schiedsgerichtsbarkeit im neuen IPRG und deren verfassungsrechtlicher Hintergrund, in Festgabe Juristentag 1988, ZBJV 124bis/1988, S. 291 Fn. 37; KARRER/ARNOLD, Switzerland's Private International Law Statute 1987, N 2 zu Art. 191 IPRG). Nach anderer Auffassung ergibt sich dagegen aus den Materialien und der Systematik der Übergangsbestimmungen zum IPRG, dass der Entscheid des kantonalen Richters mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden kann (BRINER, Die Anfechtung und Vollstreckung des Schiedsentscheids, in Böckstiegel, Die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Bd. 1/II, S. 108 f.; ANDREAS BUCHER, Die neue internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, S. 141 Rz. 392a; vgl. auch WALTER, ZBJV 126/1990, S. 182).
b) Der Wortlaut von Art. 191 Abs. 2 IPRG geht auf die Beratungen im Ständerat zurück. Der Entwurf des Bundesrates hatte eine einzige kantonale Instanz am Sitz des Schiedsgerichts als Beschwerdeinstanz vorgesehen, unter Vorbehalt der Anfechtung des Beschwerdeentscheids mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht. Der Nationalrat ging im Bestreben, die möglichen Beschwerdeinstanzen gegen Schiedssprüche zu vermindern, einen Schritt weiter und bestimmte das Bundesgericht zur einzigen Beschwerdeinstanz. Die ständerätliche Kommission schloss sich dieser Lösung grundsätzlich an. Sie wollte aber vermeiden, dass die kantonalen Gerichte vom Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ausgeschlossen werden, und schlug daher eine zusätzliche Bestimmung vor, welche es den Parteien ermöglicht, anstelle des Bundesgerichts den Richter am Sitz des Schiedsgerichts zu prorogieren. Der Rat stimmte dem Vorschlag zu. Er verwarf zudem einen Gegenvorschlag, der - umgekehrt - eine einzige kantonale Instanz als Beschwerdeinstanz einsetzen und den Parteien die Möglichkeit geben wollte, an deren Stelle das Bundesgericht als zuständig zu bezeichnen (Amtl.Bull. StR 1987, S. 198 f.). Der Nationalrat schloss sich grundsätzlich dem Ständerat an, ergänzte Art. 191 Abs. 2 IPRG aber dahin, dass der prorogierte kantonale Richter endgültig entscheide (Amtl.Bull. NR 1987,
BGE 116 II 721 S. 727
S. 1072). Diese Fassung, welcher der Ständerat diskussionslos zustimmte, entspricht dem geltenden Gesetzeswortlaut.
Widersprüchlich sind die Materialien zur Frage, ob der Entscheid einer kantonalen Beschwerdeinstanz mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann. Im Ständerat wurde darauf hingewiesen, dass die Vorschläge des Nationalrates und der ständerätlichen Kommission zu einem bloss einstufigen, jene des Bundesrates und des Ständerates selbst dagegen zu einem zweistufigen Beschwerdeverfahren führten (Amtl.Bull. StR 1987, S. 199, Votum Gadient). Der Ständerat entschied sich in Kenntnis dieser Ausführungen für ein einstufiges Verfahren. Daraus ergibt sich, dass nach Auffassung des Ständerates das Bundesgericht im Falle einer Prorogation gemäss Art. 191 Abs. 2 IPRG den Beschwerdeentscheid des kantonalen Richters grundsätzlich nicht überprüfen kann. Anders lauteten dagegen die Äusserungen des Berichterstatters des Nationalrates. Dieser wies in der Verhandlung zur Bereinigung des Organisationsgesetzes darauf hin, dass die Vorschriften der staatsrechtlichen Beschwerde im Gegensatz zu jenen der Berufung und der zivilrechtlichen Nichtigkeitsbeschwerde keiner Änderung bedürften, da einerseits die Schiedsgerichtsbeschwerde ohnehin eine Willkürbeschwerde sei und andererseits verfassungsrechtliche Bedenken gegen einen Ausschluss der staatsrechtlichen Beschwerde bestünden (Amtl.Bull. NR 1987, S. 1072, Votum Iten). Diese Auffassung blieb unwidersprochen.
c) Ein Gesetz muss vor allem aus sich selbst heraus ausgelegt werden, d.h. nach seinem Wortlaut, Sinn und Zweck sowie den Wertungen, die ihm zugrunde liegen. Eine historisch orientierte Auslegung ist daher für sich allein nicht entscheidend. Die Materialien fallen nur dann ins Gewicht, wenn sie bei unklaren oder unvollständigen Bestimmungen deren Sinn erkennen lassen (BGE 115 II 99 E. 2b und 393 E. bb, 114 Ia 196 E. bb).
Der in erster Linie für die Auslegung massgebende Wortlaut von Art. 191 Abs. 2 IPRG ist zwar nicht ganz eindeutig. Die Formulierung, der kantonale Richter urteile anstelle des Bundesgerichts und sein Entscheid sei endgültig, lässt aber mit genügender Klarheit erkennen, dass ein zweistufiges Anfechtungsverfahren ausgeschlossen werden sollte. In die gleiche Richtung deuten auch die Art der zulässigen Rügen (Art. 190 Abs. 2 IPRG) und der Umstand, dass in Art. 191 Abs. 1 IPRG bestimmt wird, das Verfahren vor dem im Regelfall zuständigen Bundesgericht richte sich nach den Vorschriften für die staatsrechtliche Beschwerde. Diese Auslegung
BGE 116 II 721 S. 728
entspricht denn auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Mit der Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten und der Konzentration des Rechtsweges sollte der Kritik Rechnung getragen werden, die vom Konkordat gewährten Anfechtungsmöglichkeiten mit dem zweistufigen Rechtsweg seien zu weitläufig und zeitraubend, um der Zielsetzung und dem Bedürfnis des Schiedsgerichtsverfahrens nach einer raschen Streiterledigung gerecht zu werden (EUGEN BUCHER, a.a.O., S. 273 f.).
Als Ergebnis der Auslegung kann demnach festgehalten werden, dass es im Fall einer Prorogation im Sinne von Art. 191 Abs. 2 IPRG ausgeschlossen ist, die Rügen gemäss Art. 190 Abs. 2 IPRG dem Bundesgericht noch mit staatsrechtlicher Beschwerde gegen den Entscheid des kantonalen Richters zu unterbreiten. Die Beratungen im Nationalrat vermögen nichts daran zu ändern. Einerseits sind sie nicht so klar und eindeutig, dass sie die Auslegung des Gesetzes verbindlich zu bestimmen vermöchten. Andererseits gehen sie von der unzutreffenden Annahme aus, die Schiedsgerichtsbeschwerde sei eine Willkürbeschwerde. Schliesslich ist auch zu berücksichtigen, dass die Regelung von Art. 191 IPRG von beiden Räten bereits im Sinne eines bloss einstufigen Anfechtungsverfahrens bereinigt war und nicht mehr in Frage gestellt wurde, als die Übergangsbestimmungen zur Diskussion standen (POUDRET/LALIVE/REYMOND, a.a.O., N 4 zu Art. 191 IPRG, S. 443).
d) Eine andere Frage ist dagegen, ob das Bundesgericht im Falle einer Prorogation im Sinne von Art. 191 Abs. 2 IPRG als Verfassungsgericht schlechthin ausgeschlossen sein soll oder doch wenigstens dann angerufen werden kann, wenn allgemeine Rechtsschutzgarantien der Verfassung (etwa der Anspruch auf einen unabhängigen Richter oder das Verbot formeller Rechtsverweigerung im engeren Sinne) betroffen sind. Gewichtige Gründe sprechen dafür, insoweit die Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht zuzulassen. Die Unzulässigkeit der Beschwerde in solchen Fällen liesse sich wohl nur damit begründen, Art. 191 Abs. 2 IPRG erkläre den kantonalen Richter zu einem Organ der Bundesrechtspflege, weshalb sein Entscheid nicht als kantonaler Hoheitsakt gelte (vgl. WALTER, a.a.O., S. 182). Ebenfalls ungeklärt ist, wer zu entscheiden hat, wenn die Frage einer Prorogation gemäss Art. 191 Abs. 2 IPRG streitig ist und daraus ein Kompetenzkonflikt zwischen dem Bundesgericht und dem kantonalen Richter entsteht oder zu entstehen droht. In diesem Fall wäre es sinnvoll, ein Rechtsmittel zuzulassen, mit welchem der Entscheid des kantonalen
BGE 116 II 721 S. 729
Richters über die Zuständigkeit beim Bundesgericht angefochten werden kann. All dies würde dafür sprechen, auf die vorliegende Beschwerde auch insoweit einzutreten, als damit geltend gemacht wird, das Obergericht habe seine Zuständigkeit gemäss Art. 191 Abs. 2 IPRG zu Unrecht bejaht. Wie es sich damit verhält, braucht indessen nicht weiter erörtert zu werden, da aus anderen Gründen nicht auf die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge eingetreten werden kann.

6. Prozessbegehren sind vom Richter nur dann zu beurteilen, wenn ihnen ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse zugrunde liegt. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt deshalb neben der formellen und materiellen Beschwer auch voraus, dass das von der Partei angestrebte Urteil geeignet ist, ihr den gewünschten Erfolg zu verschaffen. Der Richter soll sich - insbesondere auch in oberer Instanz - nicht mit Begehren befassen müssen, die von vornherein Unerreichbares anstreben, die dem Rechtsmittelkläger im Fall der Gutheissung nicht die Möglichkeit geben würden, die Rechtslage nach Massgabe seiner geschützten Auffassung zu gestalten (KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., S. 104 f.). Das gilt auch für die staatsrechtliche Beschwerde, auf welche das Bundesgericht nach ständiger Rechtsprechung nur eintritt, falls der Beschwerdeführer ein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides hat (BGE 114 Ia 90 E. 5b und 131 E. 1a, je mit Hinweisen). Ein solches Interesse fehlt insbesondere dann, wenn der Nachteil auch bei Gutheissung der Beschwerde nicht mehr behoben werden kann. In diesen Fällen tritt das Bundesgericht nur ausnahmsweise auf eine Beschwerde ein, nämlich dann, wenn sich die aufgeworfene Frage jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht und sie im Einzelfall kaum je rechtzeitig verfassungsgerichtlich überprüft werden könnte (BGE 114 Ia 91 E. 5b mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin wendet sich in der Sache selbst gegen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Beurteilung eines Teils der erhobenen Klagebegehren. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist daher nur einzutreten, falls die materielle Beurteilung dazu führen kann, dass das Schiedsgericht von der Beurteilung bestimmter Begehren ausgeschlossen wird. Das trifft indessen aus den folgenden Gründen nicht zu.
BGE 116 II 721 S. 730
a) Käme das Bundesgericht nach materieller Prüfung der Beschwerde zum Ergebnis, das Obergericht habe sich zu Recht - oder jedenfalls nicht verfassungswidrig - für zuständig erklärt, als Rechtsmittelinstanz gemäss Art. 191 Abs. 2 IPRG über die Beschwerde gegen den Schiedsspruch zu entscheiden, wäre es nach dem Gesagten (E. 5) davon ausgeschlossen, auch die Rüge der teilweisen Unzuständigkeit des Schiedsgerichts gemäss Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG zu prüfen, da insoweit das Obergericht als einzige Instanz und endgültig geurteilt hätte. Es bliebe deshalb in bezug auf die Zuständigkeitsfrage beim obergerichtlichen Entscheid.
Entsprechendes gilt für die Rüge der Verletzung des Gehörsanspruchs. Auch in diesem Zusammenhang braucht nicht entschieden zu werden, ob die Rüge gegenüber einem nach Art. 191 Abs. 2 IPRG urteilenden kantonalen Richter mit staatsrechtlicher Beschwerde überhaupt erhoben werden könnte; denn das Obergericht hat den Einwand der Nichtigkeit der Schiedsabrede nicht nur wegen des prozessualen Novenverbotes für unzulässig erklärt, sondern auch in einer selbständigen Eventualbegründung als rechtsmissbräuchlich verworfen. Diese zusätzliche Begründung kann im vorliegenden Verfahren nicht angefochten werden. Das hat nach ständiger Praxis des Bundesgerichts zur Folge, dass auch auf jene Rügen nicht einzutreten ist, welche sich gegen die Alternativbegründung richten (BGE 115 II 72 E. 3 und 302 E. 2a, je mit Hinweisen).
b) Käme das Bundesgericht gegenteils zum Ergebnis, das Obergericht habe seine Zuständigkeit zu Unrecht bejaht, würde das aufgrund der rein kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde lediglich zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen. Das Obergericht hätte dann einen Nichteintretensentscheid zu fällen, von dem der Schiedsspruch aber nicht berührt würde. Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts bliebe deshalb in vollem Umfang bestehen, und zwar so, wie sie im Schiedsspruch von ihm selbst festgehalten worden ist. Damit wäre der von der Beschwerdeführerin gerügte Nachteil nicht behoben.
c) Mit der Beschwerde wird allerdings geltend gemacht, die Beschwerdeführerin sei durch eine falsche Rechtsmittelbelehrung des Schiedsgerichts veranlasst worden, beim Obergericht Beschwerde einzulegen; da ihr daraus kein Nachteil erwachsen dürfe, habe das Bundesgericht die Beschwerde als solche im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit Art. 191 Abs. 1 IPRG
BGE 116 II 721 S. 731
entgegenzunehmen. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die Praxis des Bundesgerichts, wonach eine falsche Rechtsmittelbelehrung in der Regel nicht zum Verlust eines Rechtsmittels führen darf (BGE 106 Ia 16 E. 3).
Ob diese Praxis auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, was unter den Parteien streitig ist, kann offenbleiben, da sich die mit der Beschwerde vertretene Auffassung ohnehin nicht halten lässt. Selbst wenn zu Gunsten der Beschwerdeführerin davon ausgegangen würde, sie sei durch die Rechtsmittelbelehrung irregeführt worden, hätte dies grundsätzlich nichts an der Tatsache geändert, dass mit der Eröffnung des Schiedsspruchs die Beschwerdefrist für eine Eingabe im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG an das nach Art. 191 Abs. 1 IPRG zuständige Bundesgericht zu laufen begonnen hätte. Diese Frist wäre aber im Zeitpunkt der Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde am 25. Juni 1990 längst abgelaufen gewesen. Anders würde es sich nur verhalten, falls die Frist erst mit der Zustellung des Beschlusses des Obergerichts zu laufen begonnen hätte. Dem steht aber die Vorschrift von Art. 89 Abs. 1 OG entgegen, wonach der Beginn des Fristenlaufs von der nach dem kantonalen Recht bzw. den Vorschriften des IPRG massgebenden Eröffnung des angefochtenen Entscheides abhängt. Die Zustellung des Schiedsspruchs stellte aber eine gültige Eröffnung in diesem Sinne dar, und zwar unabhängig davon, ob die Rechtsmittelbelehrung falsch war.
Als Rechtsgrundlage für eine Erstreckung der Beschwerdefrist käme daher einzig Art. 35 Abs. 1 OG in Frage. Danach kann eine Frist wiederhergestellt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis davon abgehalten worden ist, innerhalb der Frist zu handeln, und er binnen zehn Tagen nach Wegfall des Hindernisses die Wiederherstellung verlangt und die versäumte Rechtshandlung nachholt. Als unverschuldetes Hindernis gilt nach der Rechtsprechung auch eine von der zuständigen Behörde erteilte unrichtige Rechtsmittelbelehrung, sofern sich der Betroffene nach den Umständen darauf verlassen durfte (BGE 111 Ia 357 mit Hinweisen). Selbst wenn diese letztere Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt sein sollte, fiel indessen das Hindernis mit dem Beschluss des Obergerichts über die Ungültigkeit der Rechtswahl im Sinne von Art. 176 Abs. 2 IPRG dahin. Mit der Eröffnung dieses Beschlusses begann deshalb die zehntägige Frist von Art. 35 Abs. 1 OG zu laufen. Nach eigener Angabe hat der Vertreter der Beschwerdeführerin
BGE 116 II 721 S. 732
den Beschluss am 25. Mai 1990 zugestellt erhalten. Unter Berücksichtigung der Pfingstfeiertage (Art. 32 Abs. 2 OG) endete die Frist am 5. Juni 1990. Die staatsrechtliche Beschwerde wurde aber erst am 25. Juni 1990 der schweizerischen Post übergeben. Selbst wenn die Beschwerdeführerin darin sinngemäss um Wiederherstellung der Frist ersucht hätte, wäre demnach auf das Gesuch wegen Verspätung nicht einzutreten.
Die theoretische Zulassung der Rüge der Unzuständigkeit, welche die Beschwerdeführerin gegenüber dem Obergericht erhebt, könnte demnach einzig zur Folge haben, dass das Rechtsmittelverfahren gegen den Schiedsspruch mit einem Nichteintretensentscheid abzuschliessen wäre. Davon bliebe der Schiedsspruch aber unberührt. Damit fehlt der Beschwerdeführerin insoweit ein hinreichendes Interesse an der staatsrechtlichen Beschwerde.
d) Aus diesen Gründen ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, soweit eine Verletzung von Art. 191 Abs. 2 IPRG geltend gemacht und daraus die Befugnis zur nachträglichen - aber nicht innerhalb der Frist von Art. 35 Abs. 1 OG nachgeholten - Schiedsgerichtsbeschwerde nach Art. 190 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit Art. 191 Abs. 1 IPRG an das Bundesgericht abgeleitet wird. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise von einem aktuellen Interesse abgesehen werden kann, sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zum einen steht die Auslegung einer singulären Individualabrede ohne allgemeine Bedeutung in Frage. Zum andern besteht an der Überprüfung der Verfassungsmässigkeit des Beschlusses des Obergerichts kein öffentliches Interesse. Schliesslich ist nicht einzusehen, weshalb die Frage in vergleichbaren Fällen nicht rechtzeitig einer verfassungsrechtlichen Klärung zugeführt werden könnte.

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