2A.744/2005 03.04.2006
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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.744/2005 /vje 
 
Urteil vom 3. April 2006 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler, 
Gerichtsschreiber Klopfenstein. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt 
Eduard M. Barcikowski, 
 
gegen 
 
Regierungsrat des Kantons Zürich, 
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich, 
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, 2. Kammer, Postfach, Militärstrasse 36, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Niederlassungsbewilligung (Familiennachzug), 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 
26. Oktober 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ (geb. 1954), Staatsangehöriger der Union Serbien und Montenegro, hat mit seiner Ehefrau Y.________ die drei Kinder A.________ (geb. 1980), B.________ (geb. 1982) und C.________ (geboren 1988). Das Ehepaar lebt seit 1983 bzw. 1984 in der Schweiz und ist im Besitz der Niederlassungsbewilligung. Die beiden Söhne blieben in der Heimat der Eltern zurück; die Tochter C.________ wurde in der Schweiz geboren. 
B. 
Am 29. Mai 1992 ersuchte X.________ bei der Fremdenpolizei des Kantons Zürich um eine Einreisebewilligung für seine beiden Söhne zum Verbleib bei den Eltern und der Schwester in der Schweiz. Nachdem er das Einverständnis seines Wohnungsvermieters (für die Belegung der gemieteten 3-Zimmerwohnung mit fünf Personen) nicht beigebracht hatte, sah die Fremdenpolizei von einer abschliessenden Behandlung der Gesuche ab. Drei Jahre später, am 1. Juli 1995, kehrte die Tochter C.________ im Alter von sechseinhalb Jahren in die Heimat ihrer Eltern zurück und wurde dort von ihrer Grossmutter väterlicherseits und ihren beiden Brüdern betreut. Sie besuchte die Volksschule und begann im Jahre 2003 eine Kochlehre. 
C. 
Mit Verfügung vom 28. Oktober 2004 wies die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich (Migrationsamt) das von X.________ am 31. August 2004 gestellte Gesuch um Bewilligung der Einreise für seine Tochter C.________ (zum Verbleib bei den Eltern) mit der Begründung ab, die fremdenpolizeilichen Bestimmungen über den Familiennachzug bezweckten die Vereinigung der Familie und dürften nicht für den Nachzug von Jugendlichen wegen der besseren Ausbildungs- und Erwerbsmöglichkeiten in der Schweiz missbraucht werden. 
 
Der gegen diese Verfügung erhobene Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Zürich blieb erfolglos, und am 26. Oktober 2005 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eine gegen den regierungsrätlichen Beschluss vom 25. Mai 2005 erhobene Beschwerde ebenfalls ab, soweit es darauf eintrat. 
 
D. 
Mit Eingabe vom 19. Dezember 2005 führt X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Oktober 2005 aufzuheben und den Familiennachzug für die Tochter C.________ zu bewilligen. 
 
Die Staatskanzlei des Kantons Zürich beantragt - für den Regierungsrat - Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Denselben Antrag stellt das Bundesamt für Migration. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Nach Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei ausgeschlossen gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Damit besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung, es sei denn, der Ausländer oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen könnten sich hierfür auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen (BGE 130 II 281 E. 2.1 S. 284; 128 II 145 E. 1.1.1 S. 148 mit Hinweisen). 
2. 
2.1 Gemäss Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG haben ledige Kinder von Ausländern, die in der Schweiz niedergelassen sind, Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern, wenn sie mit diesen zusammenwohnen und noch nicht 18 Jahre alt sind. Der Beschwerdeführer ist im Besitz der Niederlassungsbewilligung. Er hat am 31. August 2004 um Familiennachzug für seine Tochter ersucht. Sie war zu diesem - im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 ANAG massgeblichen - Zeitpunkt (BGE 129 II 11 E. 2 S. 13 mit Hinweis) noch nicht ganz 16 Jahre alt. Damit besteht ein grundsätzlicher Anspruch auf Einbezug der Tochter in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher zulässig, und der Beschwerdeführer ist hierzu legitimiert (Art. 103 lit. a OG). 
Da die Tochter auch heute noch nicht 18 Jahre alt ist, kann sich der Beschwerdeführer für deren Nachzug im Übrigen auch auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK (Schutz des Familienlebens) berufen, wofür auf die im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Entscheides gegebene Rechts- und Sachlage abzustellen ist (BGE 129 II 11 E. 2 S. 13, 120 Ib 257 E. 1f S. 262). 
2.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an die Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG). 
2.3 Das Bundesgericht wendet im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde das Bundesrecht von Amtes wegen an; es ist gemäss Art. 114 Abs. 1 OG an die von den Parteien vorgebrachten Begründungen nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE 128 II 145 E. 1.2.2 S. 150 f.; 127 II 264 E. 1b S. 268 mit Hinweisen). 
3. 
3.1 Zweck des so genannten Familiennachzugs ist es, das Leben in der Familiengemeinschaft zu ermöglichen. Nach der Rechtsprechung ist der nachträgliche Familiennachzug durch Eltern, die sich beide in der Schweiz niedergelassen haben und einen gemeinsamen ehelichen Haushalt führen, möglich, ohne dass besondere stichhaltige Gründe die verzögerte Geltendmachung des Nachzugsrechtes rechtfertigen müssen. Innerhalb der allgemeinen Schranken von Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG ist der Nachzug von gemeinsamen Kindern grundsätzlich jederzeit zulässig, vorbehalten bleibt einzig das Rechtsmissbrauchsverbot (BGE 129 II 11 E. 3.1.2 S. 14; 126 II 329 E. 3b S. 332). 
3.2 Rechtsmissbrauch liegt insbesondere dann vor, wenn ein Rechtsinstitut zweckwidrig zur Verwirklichung von Interessen verwendet wird, die dieses Rechtsinstitut nicht schützen will (BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151 mit Hinweisen). Beim Nachzug von Kindern ist dies der Fall, wenn nicht die Herstellung der Familiengemeinschaft in der Schweiz beabsichtigt, sondern Art. 17 Abs. 2 ANAG zweckwidrig für die Beschaffung einer Niederlassungsbewilligung allein im Hinblick auf eine künftige selbständige Anwesenheit als Erwachsener und eine Erwerbsaufnahme in der Schweiz, d.h. zwecks Verschaffung besserer Zukunftsaussichten angerufen wird (vgl. BGE 126 II 329 E. 3b S. 333; Urteile 2A.31/2005 vom 26. Mai 2005, E. 3.1; 2A.455/2004 vom 13. Dezember 2004, E. 2.1 und 2.2 mit zahlreichen Hinweisen). Rechtsmissbrauch kann selbst dann angenommen werden, wenn das Leben in der Familiengemeinschaft allenfalls noch eine gewisse Rolle spielen könnte, jedoch als Motiv für die Gesuchseinreichung von verschwindend geringer Bedeutung ist (Urteile 2A.31/2005 vom 26. Mai 2005, E. 3.1; 2A.314/2001 vom 10. Dezember 2001, E. 3d; 2A.273/ 2000 vom 25. August 2000, E. 3c). Das gesetzgeberische Ziel von Art. 17 Abs. 2 ANAG, das familiäre Zusammenleben zu ermöglichen und rechtlich abzusichern, wird nicht erreicht, wenn der in der Schweiz niedergelassene Ausländer jahrelang von seinem Kind getrennt lebt und dieses erst kurz vor Vollendung des 18. Altersjahrs in die Schweiz holt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Familiengemeinschaft in der Schweiz aus guten Gründen erst nach Jahren hergestellt wird; solche Gründe müssen sich aus den Umständen des Einzelfalles ergeben (vgl. BGE 129 II 249 E. 2.1 S. 253; 119 Ib 81 E. 3a S. 88). 
3.3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, das vorliegend streitige Familiennachzugsgesuch sei eingereicht worden, nachdem die Tochter C.________ gut neun Jahre von den Eltern getrennt gelebt habe und bereits in der Berufsausbildung bzw. in einer an die Volksschule anschliessenden berufsbezogenen Ausbildung gestanden sei. C.________ wohne gemäss eigener Darstellung des Beschwerdeführers seit September 2003 bei ihrem Vermieter in Bajina Basta. Es sei daher von einer jahrelangen Trennung der Eltern von ihrer Tochter auszugehen, obwohl die Möglichkeit bestanden hätte, als Familie gemeinsam hier in der Schweiz zu leben. Daraus zog das Verwaltungsgericht den Schluss, dass für das vorliegende Gesuch nicht die Zusammenführung der Familie in der Schweiz ausschlaggebend gewesen sei, sondern der "verständliche Wunsch des Beschwerdeführers, seine Tochter von den besseren wirtschaftlichen Verhältnissen in der Schweiz profitieren zu lassen" (S. 7 des angefochtenen Entscheides). 
3.4 Dieser Schluss des Verwaltungsgerichts lässt sich nicht beanstanden: Auch wenn das Datum der Erteilung der Niederlassungsbewilligung an den Beschwerdeführer bzw. dessen Ehefrau aus den Akten nicht genau hervorgeht, so darf doch angenommen werden, dass dem Ehepaar die Möglichkeit des Nachzugs seiner Kinder rechtlich schon lange offen stand. Die Eheleute haben, weil sie über keine ausreichend grosse Wohnung verfügten (bzw. sich eine solche nicht leisten konnten oder wollten), die beiden Söhne in der Heimat zurückgelassen und ihre in der Schweiz geborene Tochter im Alter von sechseinhalb Jahren nach Serbien zurückgeschickt, wo sie heute lebt und eine Berufsausbildung begonnen hat. Damit haben die Eltern eine langjährige Trennung von den Kindern in Kauf genommen. Der nunmehr beantragte Nachzug der im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bereits fast 16 Jahre alten Tochter dient, wie das Verwaltungsgericht in vertretbarer Würdigung des Sachverhaltes annehmen durfte, in erster Linie der Verschaffung besserer beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten. Dies ist durch den Zweck von Art. 17 ANAG nicht mehr gedeckt und daher rechtsmissbräuchlich (vgl. E. 3.2). 
3.5 Nichts an diesem Ergebnis ändert die vom Beschwerdeführer angerufene Garantie von Art. 8 Ziff. 1 EMRK (Schutz des Familienlebens), hätten doch die Vorinstanzen das Nachzugsgesuch für die Tochter hier mit derselben Begründung wie bei Art. 17 Abs. 2 ANAG ablehnen können (vgl. BGE 119 Ib 81 E. 4a S. 90). 
4. 
Nach dem Gesagten erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet und ist abzuweisen. 
 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht (2. Abteilung, 2. Kammer) des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. April 2006 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: