2C_622/2022 29.07.2022
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_622/2022  
 
 
Urteil vom 29. Juli 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Hartmann, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Helmut Schwärzler, Rechtsanwalt und Gabriela Loepfe-Lazar, Rechtsanwältin, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe (DBA CH-AT), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, 
vom 7. Juli 2022 (A -274/2021). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 16. Februar 2017 richtete das Central Liaison Office for International Cooperation (nachfolgend: ersuchende Behörde) des Bundesministeriums für Finanzen der Republik Österreich gestützt auf Art. 26 des Abkommens vom 30. Januar 1974 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA CH-AT; SR 0.672.916.31) ein Amtshilfeersuchen an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). 
 
A.a. Als vom Ersuchen betroffene Personen nannte die ersuchende Behörde mutmasslich in Österreich steuerpflichtige Personen, die anhand von Kundenstammnummern gemäss einer dem Ersuchen beigelegten Liste identifizierbar seien. Aus der Liste gehe hervor, dass diese Bankverbindungen und Vermögensdaten Personen zuzuordnen seien, die einen steuerlichen Bezug zu Österreich hätten (Domizilcode). Die Aufstellung enthalte mehrere tausend eindeutig zuordenbare Kundennummern, jedoch keine Namen oder sonstigen Daten der betroffenen Personen. Damit sei eine weitere Ermittlungstätigkeit gegenüber den betroffenen Personen ohne Mithilfe der Schweiz nicht möglich. Als Informationsinhaberin in der Schweiz wurde die B.________ AG (nachfolgend: Informationsinhaberin) genannt. Die Informationen würden für die Erhebung der Einkommenssteuer, die Kapitalertragssteuer und der Körperschaftssteuer für die Steuerperioden 2012 bis 2015 benötigt. Mit Schreiben vom 23. August 2017 liess A.________ ihre Verfahrensteilnahme als vom Amtshilfeersuchen betroffene Person erklären.  
 
A.b. In Erwartung eines Grundsatzurteils des Bundesgerichts bezüglich eines ähnlichen Amtshilfeersuchens der französischen Behörden, das auf Daten derselben Quelle basierte, setzte die ESTV die Bearbeitung der auf dem Amtshilfeersuchen der ersuchenden Behörde vom 16. Februar 2017 basierenden Verfahren vorübergehend aus. Im Anschluss an das (teilweise) amtlich publizierte Bundesgerichtsurteil 2C_653/2018 vom 26. Juli 2019 (BGE 146 II 150) informierte die ESTV mit Schreiben vom 16. Januar 2020 die ersuchende Behörde über die neusten Entwicklungen in der Rechtsprechung. Mit Schreiben vom 24. Januar 2020 wies die ersuchende Behörde auf die innerstaatliche Verjährungsfrist von zehn Jahren für die Abgabefestsetzung hin. Allerdings sei eine Verlängerung dieser Festsetzungsverjährung gewährleistet, wenn die Abgabefestsetzung von der Erledigung einer Beschwerde abhänge.  
 
B.  
Mit E-Mail vom 22. September 2020 eröffnete die ESTV A.________, dass die ESTV vorhabe, persönliche Daten an die ersuchende Behörde zu versenden. A.________ nahm am 12. November 2020 dazu Stellung. Sie führte aus, dass sie mit der Weitergabe ihrer Daten nicht einverstanden sei, da sie seit dem 29. Februar 2008 nicht mehr in Österreich gemeldet sei. Der Domizilwechsel und der Wegzug aus Österreich sei der Informationsinhaberin bereits im Jahr 2010 angezeigt worden. 
Mit Schlussverfügung vom 17. Dezember 2020 ordnete die ESTV die Leistung der Amtshilfe in Bezug auf die von der ersuchenden Behörde erfragten und von der Informationsinhaberin edierten Bankinformationen betreffend A.________ an. Gegen die Schlussverfügung der ESTV vom 17. Dezember 2020 erhob A.________ am 18. Januar 2021 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde. Sie beantragte die Aufhebung der Verfügung der ESTV vom 17. Dezember 2020. Es seien keine Daten im Zusammenhang mit ihr an die ersuchende Behörde zu übermitteln. Mit Urteil vom 7. Juli 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 25. Juli 2022 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Sie beantragt die vollumfängliche Aufhebung des Urteils vom 7. Juli 2022. Es seien keine Daten im Zusammenhang mit ihr an die ersuchende Behörde zu übermitteln. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 146 II 276 E. 1; 141 II 113 E. 1). 
 
1.1. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 139 II 340 E. 4).  
 
1.1.1. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann - namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_1037/2019 vom 27. August 2020 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 II 116).  
 
1.1.2. Gemäss Art. 84 Abs. 2 BGG liegt ein besonders bedeutender Fall insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist. Das Gesetz enthält nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 84 Abs. 2 BGG eine nicht abschliessende Aufzählung von möglichen besonders bedeutenden Fällen. Art. 84a BGG bezweckt wie Art. 84 BGG die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuerangelegenheiten. Ein besonders bedeutender Fall ist daher mit Zurückhaltung anzunehmen. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist, steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (vgl. BGE 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_653/2018 vom 26. Juli 2019 E. 1.2.1, nicht publ. in: BGE 146 II 150).  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin unterbreitet dem Bundesgericht mehrere Fragen, denen sie grundsätzliche Bedeutung beimisst.  
 
1.2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, es stelle sich vorliegend zunächst die Grundsatzfrage, inwiefern Daten ab dem Jahr 2012 herausgegeben werden dürften, wenn die betroffene Person nachweislich in den Steuerperioden 2012 bis 2015 keinen Wohnsitz mehr in Österreich gehabt habe und Österreich somit über keine Steuerhoheit verfügt habe. Alsdann sei zu beurteilen, ob die Herausgabe von Daten an die österreichischen Behörden, denen keine Steuerhoheit zukomme, eine "fishing expedition" darstelle. Die Beschwerdeführerin wirft diese beiden Fragen vor dem Hintergrund ihres Wegzugs aus Österreich nach Bulgarien im Jahr 2008 auf.  
Das Bundesgericht hat bereits mehrfach bestätigt, dass im Zusammenhang mit den Listen der Informationsinhaberin der Domizilcode einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für eine potenzielle Steuerpflicht darstellt (vgl. BGE 146 II 150 E. 6.2.5 f.; Urteile 2C_552/2022 vom 14. Juli 2022 E. 1.3; 2C_55/2022 vom 27. Januar 2022 E. 1.3.2; 2C_56/2022 vom 27. Januar 2022 E. 1.3.2) und keine "fishing expedition" vorliegt (vgl. BGE 146 II 150 E. 6.3). Nach den Feststellungen der Vorinstanz habe sich die Beschwerdeführerin auf einer sichergestellten Liste befunden und sei in Verbindung mit einem Domizilcode für Österreich gestanden (vgl. E. 3.2.3.2 S. 18 des angefochtenen Urteils). Überdies gilt nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung, dass die Bestimmung des Steuerwohnsitzes der betroffenen Person im internationalen Kontext eine materielle Frage darstellt, die von der ESTV nicht im Rahmen des Amtshilfeverfahrens zu klären ist, sondern in die Zuständigkeit der Behörden des ersuchenden Staats fällt (vgl. BGE 145 II 112 E. 2.2.2; 142 II 218 E. 3.6 f.; 142 II 161 E. 2.2.2; Urteil 2C_552/2022 vom 14. Juli 2022 E. 1.3). Die Konstellation, in der sich die betroffene Person auf eine (unbeschränkte) Steuerpflicht in einem anderen Land beruft, ist in der Rechtsprechung bereits behandelt worden (vgl. BGE 142 II 161 E. 2.2 ff.). Insofern ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin anfangs 2008 ihren Wohnsitz von Österreich nach Bulgarien verlegt habe, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. 
 
1.2.2. Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist nach Ansicht der Beschwerdeführerin ausserdem zu beurteilen, ob Art. 26 Abs. 1 DBA CH-AT ausschliesslich auf Personen anwendbar sei, die in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig seien. Ihrer Auffassung nach sei das DBA CH-AT auf sie nicht anwendbar, da sie im erfragen Zeitraum in Bulgarien wohnhaft gewesen sei.  
Gemäss Art. 26 Abs. 1 Satz 2 DBA CH-AT ist der Informationsaustausch durch Art. 1 DBA CH-AT, demgemäss das Abkommen für Personen gilt, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind, nichteingeschränkt (vgl. auch Urteile 2C_481/2021 vom 19. Mai 2022 E. 7.1, zur Publikation vorgesehen; 2C_953/2020 vom 24. November 2021 E. 3.1). Im Lichte von Art. 26 Abs. 1 Satz 2 DBA CH-AT stellt eine allfällige Ansässigkeit der vom Amtshilfeersuchen betroffenen Person in einem anderen als dem ersuchenden Staat keinen Anhaltspunkt dar, der die Vermutung des guten Glaubens umstossen oder die voraussichtliche Erheblichkeit der ersuchten Informationen infrage stellen könnte. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist lediglich vorausgesetzt, dass die ersuchende Behörde in ihrem Ersuchen alle Informationen angibt, die nach dem anwendbaren Abkommen und dessen allfälligen Protokollen erforderlich sind (vgl. Urteil 2C_953/2020 vom 24. November 2021 E. 3.5; vgl. auch BGE 142 II 161 E. 2.4). Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Rechtsfrage ist somit geklärt.  
 
1.3. Die Beschwerdeführerin sieht in der vorliegenden Angelegenheit ausserdem einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG.  
 
1.3.1. Sie macht geltend, die Vorinstanz verweise im angefochtenen Urteil fast ausnahmslos auf ein rechtskräftiges bundesverwaltungsgerichtliches Referenzurteil, das ebenfalls das DBA CH-AT betreffe. Nachdem aber äusserst fraglich sei, ob das DBA CH-AT vorliegend überhaupt anwendbar sei, verletze die Vorinstanz den Anspruch auf rechtliches Gehör, indem sie lediglich die Erwägungen des Referenzurteils zitiere, aber keine Einzelfallbeurteilung vornehme.  
Die Beschwerdeführerin lässt ausser Acht, dass gerade keine Anhaltspunkte gegen die Anwendbarkeit des DBA CH-AT sprechen (vgl. E. 1.2.2 hiervor). Ihr gelingt es mit ihren Ausführungen daher nicht, eine qualifizierte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hinreichend darzutun (vgl. Urteil 2C_567/2022 vom 27. Juli 2022 E. 2.1). Vor diesem Hintergrund ist auch nicht offenkundig, dass die vorinstanzliche Verweisung auf ein Referenzurteil, das ebenfalls das DBA CH-AT betreffe, einen elementaren Verfahrensgrundsatz verletzen würde. 
 
1.3.2. Gleich verhält es sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, es sei davon auszugehen, dass das Verfahren in Österreich schwere Mängel aufweise, da die ersuchende Behörde mangels Steuerhoheit gar nicht zuständig sei. Die Rüge bleibt unsubstanziiert. Wie bereits dargelegt (vgl. E. 1.2.2 hiervor), führt die allfällige Ansässigkeit in einem Drittstaat überdies nicht ohne Weiteres zur Unzuständigkeit der ersuchenden Behörde. Ein schwerer Verfahrensmangel ist nicht zu erkennen, weshalb es sich auch hierbei nicht um einen besonderen Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG in Verbindung mit Art. 84a BGG handelt.  
 
2.  
Im Ergebnis ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. Juli 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger