5A_256/2017 09.10.2017
Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_256/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 9. Oktober 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Sieber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.D.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Fäs, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.D.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Therese Buchegger, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Vorsorgliche Massnahmen (Abänderung Eheschutz), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, vom 1. März 2017 (ZSU.2017.9 / FH / RD). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Das Gerichtspräsidium Zofingen verpflichtete mit Eheschutzurteil vom 10. Juni 2014 A.D.________ zu folgenden monatlichen Unterhaltszahlungen: Fr. 700.-- für seine Frau B.D.________ und Fr. 1'000.-- für die gemeinsame Tochter C.D.________, beides ab 1. Mai 2014.  
 
A.b. Am 19. Mai 2015 reichte B.D.________ beim Bezirksgericht Zofingen ein "Gemeinsames Scheidungsbegehren und Teilvereinbarung über die Nebenfolgen gemäss Art. 112 ZGB" ein.  
 
B.  
 
B.a. Am 28. August 2015 beantragte A.D.________ beim Gerichtspräsidium Zofingen, B.D.________ zu verpflichten, die gemeinsame Tochter, welche sie nach Thailand entführt habe, umgehend in die Schweiz zurückzubringen und hier in die Schule zu schicken. Seine Verpflichtung, Ehegattenunterhalt zu leisten, sei sofort aufzuheben. Zudem sei es ihm zu erlauben, die Kinderalimente bis zur Klärung der Aufenthaltssituation der Tochter vorläufig einzustellen; eventuell seien die Kinderalimente sofort angemessen zu reduzieren.  
 
B.b. Am 19. Januar 2016 fand vor dem Gerichtspräsidium Zofingen eine Verhandlung statt, der B.D.________ unentschuldigt fernblieb. A.D.________ hielt an seinen Anträgen (Bst. B.a.) fest. Die Rechtsvertreterin von B.D.________ beantragte die Abweisung der Anträge; eventuell seien die Unterhaltsbeiträge an die aktuellen Verhältnisse anzupassen. Zudem stellte die Rechtsvertreterin den Ergänzungsantrag, den Arbeitgeber bzw. die Arbeitslosenkasse anzuweisen, die Unterhaltsbeiträge direkt B.D.________ auszuzahlen.  
 
B.c. Mit Eingabe vom 15. Juli 2016 teilte B.D.________ dem Gericht mit, dass A.D.________ sie in Thailand genötigt habe, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, wonach sie auf persönlichen Unterhalt und Kinderunterhalt sowie Pensionskassenansprüche verzichte, und im Gegenzug die Tochter bei ihr in Thailand bleiben dürfe und A.D.________ alle Strafanzeigen zurückziehe. Sie habe aus Angst unterschrieben und halte an allen im Verfahren gestellten Anträgen fest.  
 
B.d. Am 13. September 2016 zog A.D.________ seinen Rückführungsantrag (Bst. B.a) zurück und verlangte die persönliche Anhörung von B.D.________.  
 
B.e. Mit Entscheid vom 28. November 2016, berichtigt am 21. Dezember 2016, änderte das Gerichtspräsidium Zofingen den Eheschutzentscheid vom 10. Juni 2014 (Bst. A.a) ab und sprach B.D.________ mit Wirkung vom 10. Juni 2014 Unterhalt von Fr. 500.-- für die Tochter und von Fr. 350.-- für sich persönlich zu. Die Arbeitgeberin von A.D.________ wurde angewiesen, monatlich Fr. 850.-- zuzüglich allfälliger Kinderzulagen auf ein thailändisches Bankkonto von B.D.________ zu überweisen.  
 
B.f. Mit Entscheid vom 1. März 2017 wies das Obergericht des Kantons Aargau die Berufung von A.D.________ gegen diesen Entscheid ab.  
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 30. März 2017 wendet sich A.D.________ (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Er verlangt, seine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt an B.D.________ (Beschwerdegegnerin) mit Wirkung ab 28. August 2015 aufzuheben und die Anweisung an den Arbeitgeber entsprechend anzupassen. Zudem verlangt er die unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor dem Bundesgericht. 
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden Entscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG) betreffend die Abänderung eines Eheschutzentscheids (Art. 179 ZPO) und damit eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG). Strittig ist der Ehegattenunterhaltsbeitrag; dass er für seine in Thailand lebende Tochter Kindesunterhalt von Fr. 500.-- leisten muss sowie die entsprechende Anweisung an den Arbeitgeber bestreitet der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht mehr. Die Angelegenheit ist vermögensrechtlicher Natur (Urteil 5A_705/2013 vom 29. Juli 2014 E. 1.1). Die gesetzliche Streitwertgrenze ist erreicht (Art. 51 Abs. 1 Bst. a und Abs. 4 sowie Art. 74 Abs. 1 Bst. b BGG). Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und verfügt über ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids (Art. 76 BGG). Die rechtzeitig (Art. 100 Abs. 1 und Art. 46 Abs. 1 Bst. a BGG) erhobene Beschwerde in Zivilsachen ist somit grundsätzlich zulässig. 
 
2.  
 
2.1. Strittig ist die Abänderung des Eheschutzurteils vom 10. Juni 2014. Eheschutzurteile gelten als vorsorgliche Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG (BGE 133 III 585 E. 4.1 S. 588). Es gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die rechtsuchende Partei muss anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids genau angeben, welches verfassungsmässige Recht verletzt wurde, und im Einzelnen darlegen, worin die Verletzung besteht. Das Bundesgericht beurteilt nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 II 396 E. 3.2 S. 399). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Verweisen). Seinem Urteil legt das Bundesgericht den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von den Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz weicht es nur ab, wenn sie offensichtlich unrichtig sind (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6 S. 144).  
 
2.2. Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5).  
 
3.  
 
3.1. Gestützt auf das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (HUntÜ; SR 0.211.213.01) ging die Vorinstanz davon aus, dass auf den vorliegenden Fall thailändisches Recht anzuwenden sei. In der Folge hat sie den vom Beschwerdeführer geschuldeten Ehegattenunterhalt an das Preisniveau von Thailand angepasst, im Übrigen aber dem Antrag des Beschwerdeführers nicht entsprochen, den Unterhaltsbeitrag aufzuheben.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, nicht geprüft zu haben, ob er ungeachtet der Kindsentführung und damit einer gegen ihn gerichteten Straftat weiterhin verpflichtet sei, der Beschwerdegegnerin Unterhalt zu leisten. Darin erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) und des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) sowie eine willkürliche Nichtanwendung von Art. 125 Abs. 3 Ziff. 3 ZGB. Die Tatsache, dass ein Ehegatte zu persönlichen Unterhaltsleistungen an seine Ehefrau verpflichtet werde, obwohl diese das gemeinsame Kind vorsätzlich ins Ausland - vorliegend sogar auf einen anderen Kontinent - entführt habe, widerspreche in stossender Weise jeglichem Gerechtigkeitsempfinden. Durch die Entführung habe die Beschwerdegegnerin ihm das gemeinsame Kind in missbräuchlicher und strafbarer Weise entzogen. Die Entführung stelle eine schwere Straftat gegen ihn dar. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn die Beschwerdegegnerin trotz Straftat und Missachtung jeglicher familiärer Pflichten noch mit persönlichem Unterhalt belohnt werde. Dies gelte erst recht, wenn man bedenke, dass er, der Beschwerdeführer, selbst am Rande der Existenz lebe. Die Beschwerdegegnerin habe keine Gründe für die Kindsentführung genannt. Er zweifle daran, dass es seiner Tochter in Thailand besser als in der Schweiz gehe, wo der Beschwerdeführer sie regelmässig besuchen könnte. Die kriminelle Vorgehensweise der Beschwerdegegnerin dürfe keinesfalls zielführend sein. Es gehe nicht an, Fakten zu schaffen, um nachher zu behaupten, es widerspreche dem Kindeswohl, das Kind in seine vertraute Umgebung zurückzuführen.  
 
4.  
 
4.1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) beinhaltet die Pflicht der Behörde, die Vorbringen der Beteiligten tatsächlich zu hören, zu prüfen und bei der Entscheidfindung zu berücksichtigen (BGE 142 I 135 E. 2.1 S. 226). Ausserdem hat die Behörde ihren Entscheid zu begründen (BGE 140 II 262 E. 6.2 S. 274). Der Gehörsanspruch ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit der Beschwerde grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 142 II 218 E. 2.8.1 S. 226). Die Rüge der Gehörsverletzung ist daher vorab zu behandeln (BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237).  
 
4.2. Im vorliegenden Fall kann keine Verletzung des rechtlichen Gehörs ausgemacht werden: Die Vorinstanz hat das Rechtsbegehren des Beschwerdeführers geprüft und (ausführlich) begründet, weshalb sie diesem nur teilweise entsprochen hat. Insbesondere hat sie auch ausgeführt, weshalb das vom Beschwerdeführer angerufene schweizerische Recht nicht anwendbar und kein Vorbehalt zugunsten des schweizerischen Ordre public anzubringen ist. Ob dies auch inhaltlich überzeugt, ist keine Frage des rechtlichen Gehörs, sondern der materiellen Richtigkeit des angefochtenen Entscheids. Ebensowenig wurde die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) verletzt. Es steht im Gegenteil fest, dass sich zwei richterliche Instanzen, die über umfassende Kognition in tatbeständlicher wie rechtlicher Hinsicht verfügten, mit dem Anliegen des Beschwerdeführers befasst haben.  
 
5.  
Die Vorinstanz hat thailändisches Recht zur Anwendung gebracht und ausgeführt, weshalb kein Vorbehalt zu Gunsten eines schweizerischen Ordre public zu machen ist (E. 4.2). Damit setzt sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht auseinander. Der Beschwerdeführer übersieht ferner Art. 96 Bst. b BGG. Danach kann vor Bundes gericht die Verletzung des nach schweizerischem internationalen Privatrecht massgebenden ausländischen Rechts nur dann geltend gemacht werden, wenn der Entscheid keine vermögensrechtliche Streitigkeit betrifft. Um erfolgreich zu sein, müsste der Beschwerdeführer also in einer dem Rügeprinzip genügenden Art und Weise dartun, dass der vorinstanzliche Entscheid verfassungsmässige Rechte verletzt, namentlich willkürlich ist (Corboz, in: Commentaire de la LTF, 2. Aufl., N. 16 zu Art. 96 mit Hinweisen). Dafür genügt es nicht, der Vorinstanz vorzuwerfen, Art. 125 Abs. 3 ZGB nicht analog auf den vorliegenden Fall angewendet zu haben. Im Übrigen kann das Gericht den nachehelichen Unterhaltsanspruch selbst bei offensichtlicher Unbilligkeit auch bloss kürzen, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist; ein Anspruch darauf, dass der Unterhaltsanspruch gänzlich wegfällt, hat der Unterhaltsverpflichtete auch bei unterstellter Anwendung des schweizerischen Rechts nicht (vgl. Urteil 5A_744/2016 vom 28. März 2017 E. 8). Keine Verfassungsverletzung begründet schliesslich der Hinweis des Beschwerdeführers darauf, dass er am Rande der Existenz leben müsse, während die Beschwerdegegnerin in Thailand von den Kinderalimenten profitieren könne. Weder ein Eingriff in sein Existenzminimum tut der Beschwerdeführer auf diese Weise dar noch seine Diskriminierung gegenüber der Beschwerdegegnerin. 
 
6.  
Im Ergebnis ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin, die nicht zur Vernehmlassung eingeladen wurde, sind keine entschädigungspflichtigen Kosten entstan den. Dem Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren (Art. 64 Abs. 1 BGG) kann angesichts der Aussichtslosigkeit der gestellten Rechtsbegehren nicht entsprochen werden. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. Oktober 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Sieber