2C_621/2023 21.11.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_621/2023  
 
 
Urteil vom 21. November 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Hänni, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marco S. Marty, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, 
Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe (DBA CH-FR), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, 
vom 23. Oktober 2023 (A-4830/2021). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die französische Direction Générale des Finances Publiques, Direction Nationale des Vérifications de Situations Fiscales (nachfolgend: ersuchende Behörde), ersuchte am 10. Mai 2021 bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) gestützt auf Art. 28 des Abkommens vom 9. September 1966 zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht (DBA CH-FR; SR 0.672.934.91) um die Leistung von Amtshilfe betreffend A.________ (nachfolgend auch: betroffene Person). Als Informationsinhaberin wurde die Bank B.________ Co. Ltd. (nachfolgend: Informationshaberin) genannt. 
Die ersuchende Behörde erklärt im Amtshilfeersuchen, dass die französische Steuerbehörde betreffend A.________ für die Steuerperiode vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2018 eine Prüfung durchführe. Die französische Steuerbehörde verfüge über Hinweise, denen zufolge die betroffene Person Bankkonten mit sieben explizit genannten Nummern bei der Informationsinhaberin halte. Die Bankkonten würden dabei indirekt über die Trusts C.________ Limited, D.________ Holdings Limited, E.________ Limited, F.________ Limited und den G.________ Trust gehalten. Die betroffene Person habe die genannten Bankkonten gegenüber der französischen Steuerbehörde nicht deklariert. Als "résidente fiscale française" müsse die betroffene Person als Steuerpflichtige jedoch zusammen mit ihrer Einkommensdeklaration sowie Gewinn- und Verlustdeklaration die Referenzen der Bankkonten angeben, die im Laufe des von der Deklaration betroffenen Jahres im Ausland eröffnet, genutzt oder geschlossen wurden. Ebenso müsse sie ihr gesamtes Einkommen aus französischen und ausländischen Quellen sowie ihr gesamtes Vermögen in Frankreich und im Ausland angeben. Trotz einer im Rahmen der Steuerprüfung ergangenen Anfrage durch die französischen Steuerbehörden, habe die betroffene Person keinerlei Informationen zu den genannten Bankkonten eingereicht. 
 
B.  
Mit Schlussverfügung vom 1. Oktober 2021 leistete die ESTV der ersuchenden Behörde Amtshilfe betreffend A.________. Dabei nannte die ESTV zu jeder Bankkontobeziehung die Namen der Bankkontoinhaberin und erklärte, dass A.________ an den jeweiligen Bankkonten wirtschaftlich berechtigt sei und die Bankkonten während des ersuchten Zeitraums nicht aufgelöst worden seien. 
Die gegen die Schlussverfügung vom 1. Oktober 2021 von A.________ am 1. November 2021 erhobene Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 23. Oktober 2023 teilweise gut. Es hob die Ziffer 2 des Dispositivs der Schlussverfügung vom 1. Oktober 2021 im Sinne der Erwägung 4.3.1 auf und wies die ESTV an, die Ziffer 2 des Dispositivs gemäss Erwägung 4.3.1 zu ändern. Die Erwägung 4.3.1 betraf die Angabe zur Art der wirtschaftlichen Berechtigung am G.________ Trust. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 6. November 2023 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils vom 23. Oktober 2023. Der ESTV sei zu untersagen, dem Amtshilfeersuchen vom 10. Mai 2021 nachzukommen. Die Schlussverfügung vom 1. Oktober 2021 sei aufzuheben. Eventualiter sei die ESTV anzuweisen, bei der ersuchenden Behörde Erklärungen über die Herkunft der fraglichen Informationen, auf welchen das Amtshilfeersuchen basiere, sowie zur Anknüpfung und über die Steuerpflicht der Beschwerdeführerin einzuholen. Subeventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 147 I 89 E. 1; 146 II 276 E. 1). 
 
1.1. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 139 II 340 E. 4).  
Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann - namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_1037/2019 vom 27. August 2020 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 II 116). 
 
1.2. Die Beschwerdeführerin führt aus, die ESTV gewähre der ersuchenden Behörde Amtshilfe, ohne dass überhaupt eine Erklärung über die Herkunft der Informationen vorliege, auf denen das Amtshilfeersuchen basiere. Überdies habe die Beschwerdeführerin die Annahme einer Steuerpflicht in Frankreich widerlegt. Es bestehe folglich gar keine hinreichende Anknüpfung, woraus sich eine Steuerpflicht in Frankreich ableiten lasse. Folglich sei evident, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen werde.  
 
1.3. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin trägt sie mit ihren Ausführungen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.  
 
1.3.1. Die Beschwerdeführerin leitet aus dem Umstand, dass die ersuchende Behörde keine Angaben zur Herkunft der Informationen mache, ab, diese Informationen seien durch eine strafbare Handlung erlangt worden. Allerdings lässt die Beschwerdeführerin ausser Acht, dass die Frage, wie das Fehlen von Angaben zur Herkunft der Informationen zu werten ist, lediglich das völkerrechtliche Vertrauensprinzip betrifft (vgl. Urteil 2C_773/2022 vom 30. September 2022 E. 1.3.3; zum völkerrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben im Allgemeinen siehe BGE 146 II 150 E. 7.1; 144 II 206 E. 4.4; 142 II 161 E. 2.1.3; 142 II 218 E. 3.3). Die Vermutung des guten Glaubens kann nur aufgrund konkreter, nachgewiesener Anhaltspunkte umgestossen werden (vgl. Urteil 2C_546/2023 vom 9. Oktober 2023 E. 1.2.2 i.f. m.w.H.). Die Vorinstanz wendet diesen Grundsatz an und erwägt, die Beschwerdeführerin trage keine konkreten Anhaltspunkte vor, die auf eine illegale Herkunft der Informationen, auf denen das Amtshilfeersuchen gründe, hindeuten würden (vgl. E. 3.3.5 des angefochtenen Urteils). Die Kritik der Beschwerdeführerin am vorinstanzlichen Urteil bezieht sich daher bloss auf die Anwendung des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips und der angeführten Rechtsprechung im vorliegenden Einzelfall, weshalb sie keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG aufwirft.  
 
1.3.2. Überdies stellt nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Bestimmung des Steuerwohnsitzes der betroffenen Person im internationalen Kontext eine materielle Frage dar, die von den Behörden des ersuchten Staats nicht im Rahmen des Amtshilfeverfahrens zu klären ist, sondern in die Zuständigkeit der Behörden des ersuchenden Staats fällt (vgl. BGE 145 II 112 E. 2.2.2; 142 II 218 E. 3.6 f.; 142 II 161 E. 2.2.2). Deshalb ist es im Grundsatz unbehelflich, wenn sich die betroffene Person im Rahmen des Amtshilfeverfahrens auf eine (unbeschränkte) Steuerpflicht in einem anderen Staat beruft (vgl. BGE 142 II 161 E. 2.2 ff.; Urteile 2C_109/2022 vom 30. Januar 2023 E. 4.2.1; 2C_762/2022 vom 23. September 2022 E. 1.3; 2C_622/2022 vom 29. Juli 2022 E. 1.2.1; 2C_552/2022 vom 14. Juli 2022 E. 1.3; 2C_805/2018 vom 23. August 2019 E. 4.5; zur Ausnahme von diesem Grundsatz siehe Urteile 2C_109/2022 vom 30. Januar 2023 E. 4.5.3; 2C_953/2020 vom 24. November 2021 E. 3.6 mit Hinweis auf BGE 142 II 161). Die Vorinstanz würdigt die Beanstandungen der Beschwerdeführerin zu ihrer Ansässigkeit und Steuerpflicht im Lichte dieser Rechtsprechung (vgl. E. 3.3.4 des angefochtenen Urteils). Die Beschwerdeführerin kritisiert diesbezüglich vor Bundesgericht ebenfalls bloss die vorinstanzliche Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall, weshalb sie keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG aufwirft.  
 
1.4. Im Ergebnis ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten.  
 
2.  
Diesem Verfahrensausgang entsprechend trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. November 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger