4A_418/2023 12.01.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_418/2023  
 
 
Urteil vom 12. Januar 2024  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hohl, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Manuel Kunz, Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Thomet, Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Revision; Vergleich, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Zivilkammer, vom 27. Juli 2023 
(ZK 23 128). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
C.B.________ und A.________ (Beschwerdeführerin) schlossen am 1. März 2004 und am 14. April 2008 je einen Mietvertrag über eine 5-Zimmer-Wohnung. Beide Verträge enthalten die inhaltlich identische Bestimmung "Wohnrecht bis 1.3.2064 d.h. für die Dauer von 60 (sechzig) Jahren ab 1.3.04, ist im Grundbuchblatt Nr. xxx verankert. Die Parteien haben sich geeinigt, dass der Mietzins alle 10 Jahre dem allgemeinen Zinsmarkt angepasst wird". 
Im Jahr 2011 verstarb C.B.________ und vererbte das Grundstück seinem Neffen B.B.________ (Beschwerdegegner). Dieser kündigte mit amtlichem Formular vom 15. Oktober 2019 den Mietvertrag vom 14. April 2008 wegen Zahlungsverzugs per 30. November 2019. 
Die Beschwerdeführerin focht die Kündigung bei der Schlichtungsbehörde Bern-Mittelland an. An der Schlichtungsverhandlung vom 16. Dezember 2019 schlossen die anwaltlich vertretenen Parteien einen Vergleich und stellten die Gültigkeit der Kündigung per 30. November 2019 fest, unter einmaliger Erstreckung des Mietverhältnisses bis 30. April 2022. Die Beschwerdeführerin verpflichtete sich, die 5-Zimmer-Wohnung spätestens per 2. Mai 2022 zurückzugeben. 
 
B.  
Nachdem die Beschwerdeführerin die 5-Zimmer-Wohnung nicht vereinbarungsgemäss zurückgegeben hatte, beantragte der Beschwerdegegner am 2. Mai 2022 beim Regionalgericht Bern-Mittelland die Ausweisung. 
Mit Entscheid vom 8. Juli 2022 räumte das Regionalgericht der Beschwerdeführerin eine letzte Frist ein, um die 5-Zimmer-Wohnung zu räumen und unter Rückgabe sämtlicher Schlüssel zu verlassen. Für den Fall, dass die Beschwerdeführerin diese Verpflichtung versäumen sollte, ordnete das Regionalgericht die zwangsweise Räumung an. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin wies das Obergericht des Kantons Bern am 22. Juli 2022 ab, soweit es darauf eintrat. Der Entscheid des Obergerichts erwuchs in Rechtskraft. Die Ausweisung wurde am 1. Dezember 2022 vollzogen. 
 
C.  
Bereits am 9. Juni 2022 hatte die Beschwerdeführerin bei der Schlichtungsbehörde Bern-Mittelland ein Revisionsgesuch um Aufhebung der Vereinbarung vom 16. Dezember 2019 und Erteilung der Klagebewilligung gestellt und ausserdem um aufschiebende Wirkung ersucht. 
Mit Verfügung vom 14. Juli 2022 wies die Schlichtungsbehörde das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab. Auf die dagegen gerichteten Rechtsmittel traten zuerst das Obergericht des Kantons Bern und dann das Bundesgericht nicht ein (Urteil 4D_58/2022 vom 13. Dezember 2022). 
Am 19. Dezember 2022 fragte die Schlichtungsbehörde die Beschwerdeführerin angesichts der vollzogenen Ausweisung an, ob sie an ihrem Revisionsgesuch festhalte. Dies bejahte die Beschwerdeführerin am 28. Dezember 2022 unter Hinweis auf allfällige Schadenersatzansprüche. 
Am 7. März 2023 wies die Schlichtungsbehörde das Revisionsgesuch ab. 
 
D.  
Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern am 27. Juli 2023 ab. 
 
E.  
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, der obergerichtliche Entscheid vom 27. Juli 2023 sei aufzuheben. Die Vereinbarung vom 16. Dezember 2019 sei ungültig zu erklären und die Klagebewilligung sei zu erteilen. Eventualiter sei die Sache an das Obergericht zurückzuweisen. 
Der Vermieter trägt auf Abweisung der Beschwerde an, soweit darauf eingetreten werden könne, während das Obergericht auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
Die Parteien replizierten und duplizierten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit dem angefochtenen Entscheid wird das Revisionsgesuch abgewiesen, mit dem die Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme einer mietrechtlichen Streitigkeit beantragt. Der angefochtene Entscheid des Obergerichts ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) eines oberen kantonalen Gerichts (Art. 75 Abs. 1 und 2 BGG). Dagegen steht die Beschwerde in Zivilsachen offen, da der Streitwert in mietrechtlichen Fällen gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG erreicht ist. 
 
2.  
 
2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, ansonsten darauf nicht eingetreten wird (BGE 140 III 115 E. 2; 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist dabei, dass auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingegangen und im Einzelnen aufgezeigt wird, worin eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerde an das Bundesgericht nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 145 V 188 E. 2; 140 III 115 E. 2, 264 E. 2.3). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). 
 
2.3. Zu beachten ist, dass das Bundesgericht in die Beweiswürdigung des Sachgerichts nur eingreift, wenn diese willkürlich ist. Willkür liegt nach der Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern bloss, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 141 III 564 E. 4.1; 140 III 16 E. 2.1; 129 I 8 E. 2.1; je mit Hinweisen). Die Beweiswürdigung ist mithin nicht schon dann willkürlich, wenn sie nicht mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmt (BGE 135 II 356 E. 4.2.1), sondern bloss, wenn sie im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist (BGE 141 III 564 E. 4.1 mit Hinweisen). Dies ist dann der Fall, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 140 III 264 E. 2.3; 137 III 226 E. 4.2). Inwiefern die Beweiswürdigung willkürlich sein soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 134 II 244 E. 2.2). Namentlich genügt es nicht, einzelne Beweise anzuführen, die anders als im angefochtenen Entscheid gewichtet werden sollen, und dem Bundesgericht in appellatorischer Kritik die eigene Auffassung zu unterbreiten, als ob diesem freie Sachverhaltsprüfung zukäme (vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3).  
 
3.  
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Abweisung ihres Revisionsgesuchs. 
 
3.1.  
 
3.1.1. Nach Art. 328 Abs. 1 ZPO kann eine Partei beim Gericht, welches als letzte Instanz in der Sache entschieden hat, die Revision des rechtskräftigen Entscheids verlangen, wenn sie nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel findet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte; ausgeschlossen sind Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind (lit. a); wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder ein Vergehen zum Nachteil der betreffenden Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; eine Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich; ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden (lit. b); wenn geltend gemacht wird, dass die Klageanerkennung, der Klagerückzug oder der gerichtliche Vergleich unwirksam ist (lit. c).  
Ein Vergleich beendet den Prozess unmittelbar; dem Abschreibungsbeschluss kommt rein deklaratorische Wirkung zu (BGE 139 III 133 E. 1.2 mit Hinweisen). Da der Prozess durch Klageanerkennung, Klagerückzug oder Vergleich unmittelbar beendet wird, richten sich Revisionsgründe gegen diese Dispositionsakte der Parteien, wobei vorab Willensmängel in Frage kommen. Der Abschreibungsbeschluss kann nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden; insbesondere auch nicht mit der Revision. Die ZPO hat das frühere "Zürcher Modell" nicht übernommen, wonach erst der Abschreibungsbeschluss oder die entsprechende Verfügung des Gerichts den Prozess beendet. Anfechtungsgegenstand der Revision bildet der Dispositionsakt der Parteien, nicht der verfahrensbeendende Abschreibungsbeschluss des Gerichts. Dass dieser Beschluss mittelbar mitangefochten wird und formell aufgehoben werden muss, damit das Verfahren wiederaufgenommen werden kann, ändert daran nichts (Urteil 4A_441/2015 vom 24. November 2015 E. 3.2 mit zahlreichen Hinweisen auf Materialien und Lehre). 
Gegen Dispositionsakte der Parteien, die das Verfahren beenden, können die Revisionsgründe von Art. 328 Abs. 1 lit. a und lit. b ZPO nicht angerufen werden. Vielmehr kommt allein der Revisionsgrund von Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO in Betracht, mit dem die Unwirksamkeit des Dispositionsakts geltend gemacht werden kann, der das Verfahren beendet hat. Die rein deklaratorische Bedeutung des Abschreibungsbeschlusses schliesst aus, diesem mehr als formelle Bedeutung beizumessen (zit. Urteil 4A_441/2015 E. 3.3). 
 
3.1.2. Mit dem Vergleich legen die Parteien einen Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis mit gegenseitigen Zugeständnissen bei (BGE 132 III 737 E. 1.3; 130 III 49 E. 1.2). Das gilt auch, wenn der Vergleich eine gerichtliche Auseinandersetzung beendet (BGE 105 II 273 E. 3a; Urteile 4A_463/2022 vom 3. Januar 2023 E. 3.1.2; 4A_92/2018 vom 29. Mai 2018 E. 3.1; 4A_441/2015 vom 24. November 2015 E. 4.1; vgl. auch BGE 121 III 397 E. 2c).  
Als Vertrag des Privatrechts untersteht grundsätzlich auch der gerichtliche Vergleich den Irrtumsregeln (Art. 23 ff. OR; vgl. BGE 132 III 737 E. 1.3; 110 II 44 E. 4; 105 II 273 E. 3a; je mit Hinweisen). Einem Erklärungsirrtum unterliegt die Partei, die in Offerte oder Akzept unbewusst etwas nicht ihrem Willen Entsprechendes erklärt, das heisst wenn sie entweder den Wortlaut der Erklärung nicht gewollt oder der Erklärung eine andere Bedeutung beigemessen hat (BGE 57 II 284 E. 2 mit Hinweis) und sich die Gegenpartei nach Treu und Glauben auf das Erklärte verlassen darf (Urteil 4C.195/2005 vom 9. September 2005 E. 2 mit Hinweisen). Ob er wesentlich ist (Art. 23 OR), beurteilt sich nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1-3 OR. Ein wesentlicher Irrtum ist auch der Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Auf einen solchen kann sich die Partei berufen, die sich über einen bestimmten Sachverhalt geirrt hat, der für sie notwendige Vertragsgrundlage war, und den sie zudem nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrags betrachten durfte (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR; BGE 136 III 528 E. 3.4.1; 132 II 161 E. 4.1; 123 III 200 E. 2). Neben der subjektiven Wesentlichkeit ist damit erforderlich, dass der zu Grunde gelegte Sachverhalt auch objektiv, vom Standpunkt oder nach den Anforderungen des loyalen Geschäftsverkehrs als notwendige Grundlage des Vertrags erscheint (BGE 136 III 528 E. 3.4.1 S. 532; 118 II 58 E. 3b; Urteile 4A_29/2022 vom 19. April 2022 E. 2.1; 4A_249/2017 vom 8. Dezember 2017 E. 3.2 f.). Bei einem Vergleich kommen als nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR relevante Sachverhalte Umstände in Betracht, die von beiden Parteien oder von der einen für die andere erkennbar dem Vergleich als feststehende Tatsachen zu Grunde gelegt worden sind (BGE 132 III 737 E. 1.3 mit Hinweisen). Betrifft der Irrtum demgegenüber einen zweifelhaften Punkt, der gerade verglichen und nach dem Willen der Parteien dadurch endgültig geregelt sein sollte (sogenanntes caput controversum), so ist die Irrtumsanfechtung ausgeschlossen; andernfalls würden eben diese Fragen wieder aufgerollt, derentwegen die Beteiligten den Vergleich geschlossen haben (BGE 130 III 49 E. 1.2 S. 52 mit Hinweis). 
 
3.2. Die Beschwerdeführerin machte im Revisionsverfahren geltend, sie habe beim Abschluss des Vergleichs irrigerweise angenommen, sie befinde sich im Rückstand mit der Zahlung des Mietzinses. In Wahrheit habe sie im Zeitpunkt der Kündigung Fr. 1'471.50 zu viel an Mietzins bezahlt. Darauf sei sie an der Schlichtungsverhandlung nicht hingewiesen worden, weder von ihrem damaligen Rechtsanwalt noch vom Beschwerdegegner noch von der Vorsitzenden der Schlichtungsbehörde. Erst später habe sie davon erfahren und daher in Unkenntnis der tatsächlichen Sachlage den Vergleich unterzeichnet.  
Die Schlichtungsbehörde hielt fest, der behauptete Irrtum betreffe das caput controversum, also einen zweifelhaften Punkt, der durch den Vergleich gerade geregelt werden sollte. Denn die Beschwerdeführerin habe bereits an der Schlichtungsverhandlung den Standpunkt vertreten, sich mit der Zahlung der Mietzinse nicht im Rückstand zu befinden, was der Beschwerdegegner bestritten habe. Der Zahlungsrückstand sei ein wesentlicher Streitpunkt gewesen. Schliesslich hätten sich die Parteien darauf geeinigt, die Kündigung als gültig zu betrachten und das Mietverhältnis zu erstrecken. Damit hätten sich die Parteien über die strittige Frage abschliessend geeinigt und auf deren gerichtliche Beurteilung verzichtet. 
 
3.3.  
 
3.3.1. Im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren hielt die Beschwerdeführerin dagegen, der Beschwerdegegner habe ihr vorgeworfen, den Mietzins eigenmächtig reduziert zu haben. Seine Kündigung habe er dann mit dem Zahlungsrückstand begründet. An der Schlichtungsverhandlung sei nur die eigenmächtige Reduktion des Mietzinses Thema gewesen, nicht aber die mietvertragliche Klausel, wonach der Mietzins per 1. März 2014 an den allgemeinen Zinsmarkt anzupassen ist. Die Schlichtungsbehörde habe den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt, indem sie diesen Aspekt im Revisionsverfahren ausser Acht gelassen habe. Der Vergleich habe nicht bezweckt, die Ungewissheit im Zusammenhang mit der Anpassung des Mietzinses an den allgemeinen Zinsmarkt zu beseitigen, sondern nur bezüglich der eigenmächtigen Mietzinsreduktion wegen Mängeln an der Mietsache. Die mietvertragliche Klausel zur Anpassung des Mietzinses an den allgemeinen Zinsmarkt sei beim Abschluss des Vergleichs kein Thema gewesen.  
 
3.3.2. Die Vorinstanz ging auf die Behauptung der Beschwerdeführerin ein, wonach im Schlichtungsverfahren einzig diskutiert worden sei, ob sie zur eigenmächtigen Mietzinsreduktion wegen Mängeln an der Mietsache berechtigt gewesen sei, während ihr mietvertraglicher Anspruch auf Anpassung des Mietzinses an den allgemeinen Zinsmarkt nicht zur Sprache gekommen sei. Dies qualifiziert die Vorinstanz als reine Parteibehauptung, zumal die Aussagen der Parteien im Schlichtungsverfahren nicht protokolliert werden dürfen (Art. 205 Abs. 1 ZPO). Die Frage einer insoweit unrichtigen Feststellung des Sachverhalts liess die Vorinstanz aber offen, da sie ohnehin nicht rechtserheblich sei.  
In der Folge legte die Vorinstanz den Vergleich aus. Sie hielt fest, die Parteien hätten darin festgestellt, dass die Zahlungsverzugskündigung per 30. November 2019 gültig sei. Dabei beziehe sich der Vergleich weder auf eine Mietzinsreduktion wegen Mängeln an der Mietsache noch auf eine Anpassung des Mietzinses an den allgemeinen Zinsmarkt. Daraus zog die Vorinstanz den Schluss, der Vergleich betreffe nach Treu und Glauben alle Umstände, die zu einem Zahlungsrückstand der Beschwerdeführerin gemäss Art. 257d OR führen konnten. 
Die Vorinstanz ergänzte, der Vergleich sei in Kenntnis des Mietvertrags vom 14. April 2008 geschlossen worden. Die anwaltlich vertretenen Parteien hätten die Klausel kennen müssen, wonach der Mietzins per 1. März 2014 an den allgemeinen Zinsmarkt anzupassen war. Somit habe ihnen auch bewusst sein müssen, dass diese Anpassung einem Zahlungsrückstand entgegenstehen könnte. Dass sie den Vergleich dennoch abschlossen, lässt gemäss Vorinstanz darauf schliessen, dass sie Ungewissheiten über den Zahlungsrückstand der Beschwerdeführerin unter jedem Titel beseitigen wollten, insbesondere auch hinsichtlich einer allfälligen Anpassung des Mietzinses an den allgemeinen Zinsmarkt. 
Die Beschwerdeführerin machte im Revisionsverfahren geltend, beim Abschluss des Vergleichs sei unbekannt gewesen, dass ein Anspruch auf Anpassung des Mietzinses an den allgemeinen Zinsmarkt besteht. Dies wies die Vorinstanz als aktenwidrig aus, indem sie festhielt, die Parteien hätten einen allfälligen Anspruch auf Reduktion des Mietzinses bereits im Jahr 2017 diskutiert, und zwar unabhängig von angeblichen Mängeln an der Mietsache. Vor diesem Hintergrund könne die Unterzeichnung des Vergleichs durch die Beschwerdeführerin nur dahingehend verstanden werden, dass auch die diesbezügliche Ungewissheit beseitigt werden sollte. 
 
3.4. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, verfängt nicht.  
Die Beschwerdeführerin schildert den Ablauf der Geschehnisse aus ihrer Warte und wirft der Vorinstanz vor, sie habe den Sachverhalt verkürzt wiedergegeben. Allerdings legt sie nicht dar und ist auch nicht ersichtlich, inwiefern eine Ergänzung des Sachverhalts mit ihrem Vorbringen für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein könnte. 
Bei den Vergleichsgesprächen ging es um die Rechtmässigkeit der Kündigung des Mietvertrags vom 14. April 2008. Darin befindet sich die Klausel, wonach der Mietzins per 1. März 2014 an den allgemeinen Zinsmarkt anzupassen ist. Wenn die Vorinstanz erklärte, die Klausel habe der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin bekannt sein müssen, dann verfiel sie offensichtlich nicht in Willkür und verletzte auch sonst kein Bundesrecht. 
Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie habe damit gerechnet, den Lebensabend in der 5-Zimmer-Wohnung zu verbringen. Sie habe nicht verstanden, dass sie wegen eines angeblichen Zahlungsrückstands von Fr. 337.50 ausgewiesen werden sollte. Ihr sei damals nicht bewusst gewesen, dass sie aufgrund der Anpassungsklausel sogar zu viel bezahlt hatte. Sie habe "die äusserst unvorteilhafte, existenzbedrohende Vereinbarung" nur unterzeichnet, weil sie der Vorsitzenden der Schlichtungsbehörde geglaubt habe, dass sie die Wohnung sonst sofort verlassen müsse und nicht noch zwei Jahre bleiben könne. Diese Ausführungen sind durchaus nachvollziehbar. Allerdings blendet die Beschwerdeführerin aus, dass sie bei den Vergleichsgesprächen anwaltlich vertreten war und nur schon deshalb von der Anpassungsklausel wissen musste. 
Die Beschwerdeführerin geht zu Unrecht davon aus, dass der behauptete Irrtum über den Zahlungsrückstand nicht das caput controversum betraf. Die Vorinstanz begründete überzeugend, dass der Zahlungsrückstand einen zweifelhaften Punkt betraf, der durch den Vergleich geregelt werden sollte. Im Zentrum des Vergleichs stand die Frage, ob die Kündigung des Beschwerdegegners wegen Zahlungsrückstands rechtens war. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz davon ausging, dass auch eine allfällige Reduktion des Mietzinses gestützt auf die Anpassungsklausel in den Bereich des caput controversum fiel. 
 
3.5. Nach dem Gesagten besteht kein Revisionsgrund gemäss Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO. Bei diesem Ausgang kann offen bleiben, ob der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der Klagebewilligung unzulässig ist, weil es ihr diesbezüglich an einem schutzwürdigen Interesse fehlt, nachdem die Ausweisung am 1. Dezember 2022 vollzogen wurde (vgl. Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Denn der Antrag wäre ohnehin abzuweisen.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. Januar 2024 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt