1C_384/2022 31.01.2023
Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
1C_384, 385, 386 und 387/2022 
 
 
Urteil vom 31. Januar 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, Kölz, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Kanton Solothurn, Regierungsrat, vertreten durch das Bau- und Justizdepartement, Rechtsdienst, Rötihof, Werkhofstrasse 65, 4509 Solothurn, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1C_384/2022 
Tury AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michel Czitron, 
Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
1C_385/2022 
1. Verkehrs-Club der Schweiz (VCS), Aarbergergasse 61, Postfach 8676, 3001 Bern, 
2. Verkehrs-Club der Schweiz (VCS), Sektion Solothurn, 
Niklaus-Konrad-Strasse 18, 4500 Solothurn, 
3. Verein Läbigi Klus, 
alle drei vertreten durch Rechtsanwältin Ursula Ramseier, 
Beschwerdegegner, 
 
und 
 
1C_386/2022 
 
Eggenschwiler Transporte AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marc Aebi, 
Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
1C_387/2022 
1. Peter Stephan Eggenschwiler, 
2. Ernst Alfred Bräcker, 
Beschwerdegegner, 
 
sowie 
 
1C_384-387/2022 
Einwohnergemeinde Balsthal, 
Goldgasse 13, Postfach 627, 4710 Balsthal. 
 
Gegenstand 
Erschliessungsplanung Verkehrsanbindung Thal, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 24. Mai 2022 (VWBES.2020.147, VWBES.2020.148, VWBES.2020.152, VWBES.2020.153). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 31. März 2020 genehmigte der Regierungsrat des Kantons Solothurn die kantonale "Erschliessungsplanung Verkehrsanbindung Thal, Gesamtprojekt, Bestandteil Genehmigungsinhalt gemäss Ziffer 1 (ohne TZP) " sowie die kommunale Teilzonen- und Erschliessungsplanung der Einwohnergemeinde Balsthal, "Verkehrsanbindung Thal, Gesamtprojekt, Bestandteil Genehmigungsinhalt gemäss Ziffer 1" und erteilte die notwendige Ausnahmebewilligung für die Rodung von Waldareal. Verschiedene Einsprachen, soweit sie nicht zurückgezogen oder gegenstandslos geworden waren, wies der Regierungsrat ab, soweit er darauf eintrat. Zwei Beschwerden gegen die kommunale Planung wies der Regierungsrat ebenfalls ab, soweit er darauf eintrat. 
 
B. 1C_384/2022  
 
B.a. Am 27. April 2020 erhob die Tury AG, deren Einsprache beim Regierungsrat erfolglos geblieben war, beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn Beschwerde gegen diesen Regierungsratsbeschluss mit dem Antrag, ihn aufzuheben.  
Am 24. März 2022 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut und hob den Regierungsratsbeschluss auf. 
 
B.b. Mit Eingabe vom 28. Juni 2022 erhebt der Regierungsrat des Kantons Solothurn Beschwerde gegen dieses Verwaltungsgerichtsurteil und beantragt, es aufzuheben.  
 
B.c. Das Verwaltungsgericht beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Tury AG beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten.  
 
B.d. Der Regierungsrat hält in seiner Replik an der Beschwerde fest.  
 
C. 1C_385/2022  
 
C.a. Am 27. April 2020 erhoben der Verkehrsclub der Schweiz (VCS), vertreten durch die VCS Sektion Solothurn, und der Verein "Läbigi Klus", deren Einsprache beim Regierungsrat erfolglos geblieben war, beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn Beschwerde gegen diesen Regierungsratsbeschluss mit dem Antrag, ihn aufzuheben.  
 
Am 24. März 2022 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut und hob den Regierungsratsbeschluss auf. 
 
C.b. Mit Eingabe vom 28. Juni 2022 erhebt der Regierungsrat des Kantons Solothurn Beschwerde gegen dieses Verwaltungsgerichtsurteil und beantragt, es aufzuheben.  
 
C.c. Das Verwaltungsgericht beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Der Verkehrsclub der Schweiz (VCS), vertreten durch die VCS Sektion Solothurn, und der Verein "Läbigi Klus" beantragen, auf die Beschwerde nicht einzutreten.  
 
C.d. Der Regierungsrat hält in seiner Replik an der Beschwerde fest.  
 
D. 1C_386/2022  
 
D.a. Am 29. April 2020 erhob die Eggenschwiler Transporte AG, deren Einsprache beim Regierungsrat erfolglos geblieben war, beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn Beschwerde gegen diesen Regierungsratsbeschluss mit dem Antrag, ihn aufzuheben.  
Am 24. März 2022 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut und hob den Regierungsratsbeschluss auf. 
 
D.b. Mit Eingabe vom 28. Juni 2022 erhebt der Regierungsrat des Kantons Solothurn Beschwerde gegen dieses Verwaltungsgerichtsurteil und beantragt, es aufzuheben.  
 
D.c. Das Verwaltungsgericht beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Eggenschwiler Transporte AG verzichtet auf Vernehmlassung.  
 
E. 1C_387/2022  
 
E.a. Am 29. April 2020 erhoben Peter Eggenschwiler und Ernst Bräcker, deren Einsprache beim Regierungsrat erfolglos geblieben war, beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn Beschwerde gegen diesen Regierungsratsbeschluss mit dem Antrag, ihn aufzuheben.  
Am 24. März 2022 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut und hob den Regierungsratsbeschluss auf. 
 
E.b. Mit Eingabe vom 28. Juni 2022 erhebt der Regierungsrat des Kantons Solothurn Beschwerde gegen dieses Verwaltungsgerichtsurteil und beantragt, es aufzuheben.  
 
E.c. Das Verwaltungsgericht beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Peter Eggenschwiler und Ernst Bräcker liessen sich nicht vernehmen.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Da sowohl die vier Beschwerden als auch die vier angefochtenen Urteile inhaltlich übereinstimmen, sind die Verfahren zu vereinigen. 
 
2.  
 
2.1. Angefochten sind verfahrensabschliessende, kantonal letztinstanzliche Entscheide über eine Plangenehmigung, mithin Endentscheide in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG); ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor.  
Nach Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Ein besonderes Beschwerderecht nach Art. 89 Abs. 2 BGG kommt dem Kanton Solothurn als Beschwerdeführer nicht zu. 
Die Regelung von Art. 89 Abs. 1 BGG ist auf Privatpersonen zugeschnitten, doch kann sich auch ein Gemeinwesen darauf stützen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie Privatpersonen oder aber in spezifischer, schutzwürdiger Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird, namentlich wenn einem Entscheid präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung zukommt. Die Beschwerdebefugnis zur Durchsetzung hoheitlicher Anliegen setzt eine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen Interessen voraus. Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung begründet keine Beschwerdebefugnis im Sinne dieser Regelung (BGE 141 II 161 E. 2.1 mit Hinweisen). 
Gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel von Art. 89 Abs. 1 BGG sind Gemeinwesen nur restriktiv zur Beschwerdeführung zuzulassen. Insbesondere ist die im Rechtsmittelverfahren unterlegene Vorinstanz nicht berechtigt, gegen den sie desavouierenden Entscheid an das Bundesgericht zu gelangen. Besondere Zurückhaltung ist geboten, wenn sich Organe desselben Gemeinwesens gegenüberstehen, namentlich die kantonalen Exekutivbehörden und das kantonale Verwaltungsgericht, da Streitigkeiten zwischen diesen und jenem grundsätzlich nicht vom Bundesgericht entschieden werden sollen, erst recht dann nicht, wenn es um die Auslegung und Anwendung von kantonalem Recht geht (BGE 141 II 161 E. 2.1 f. mit Hinweisen). 
 
2.2. Der Regierungsrat war als Vorinstanz am Verfahren beteiligt und hat, da sein Entscheid und damit auch die von ihm genehmigte Planung aufgehoben wurden, zumindest ein faktisches Interesse an der Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts. Allerdings wollten die Eidgenössischen Räte Konflikte zwischen der kantonalen Exekutive und der Judikative der bundesgerichtlichen Zuständigkeit bewusst entziehen und sind dem Vorschlag des Bundesrates, Kantonsregierungen in gewissen Fällen zur Anfechtung von Verwaltungsgerichtsurteilen zuzulassen, nicht gefolgt (BGE 141 II 161 E. 2.2 mit Hinweisen; zur gesetzgeberischen Vorgeschichte: 140 V 328 E. 5.2). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegen keine Gründe vor, die es rechtfertigen würden, ihm ausnahmsweise die Beschwerdeberechtigung zuzugestehen. Zum einen geht es um ein kantonales Projekt; daran ändert nichts, dass es schlussendlich an den bundesrechtlichen Vorgaben zum Schutz des ISOS-Objektes Nr. 3143 Innere Klus scheiterte. Aus dem Urteil des Bundesgerichts 1C_582/2013 vom 25. September 2014 kann der Beschwerdeführer daher nichts zu seinen Gunsten ableiten, da es dabei um den Bau einer Nationalstrasse im eidg. Plangenehmigungsverfahren ging und der Kanton als Gesuchsteller einen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts angefochten hatte. Die vorliegende Beschwerde der Kantonsregierung richtet sich indessen gegen einen Entscheid seines Verwaltungsgerichts (E. 2.1). Zum andern mag das Projekt zwar für den Regierungsrat politisch wichtig sein; gescheitert ist es aber nicht aus grundsätzlichen, das Schicksal weiterer Projekte präjudizierenden Überlegungen, sondern an einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung, die das Verwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis führte als den Regierungsrat. Dieser ist damit auch nicht "bei der Wahrung ihm anvertrauter hoheitlicher Aufgaben und Befugnisse in spezifischer, qualifizierter Weise betroffen", was nach der bundesgerichtlichen Praxis (Art 138 II 506 E. 2.1.1; 138 I 143 E. 1.3.1) allenfalls seine Legitimation begründen könnte. Daran ändert nichts, dass er gleichzeitig mit der Plangenehmigung auch über die Baubewilligung entschied.  
 
 
3.  
Auf die Beschwerde ist damit mangels Beschwerdebefugnis des Regierungsrates nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der Kanton Solothurn den privaten Beschwerdegegnern und -gegnerinnen, soweit sie sich am Verfahren in der Sache beteiligt haben und anwaltlich vertreten sind, eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Dementsprechend hat die private Beschwerdegegnerschaft in den Verfahren 1C_384 und 385/2022 einen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Einen solchen haben die privaten Beschwerdegegner im Verfahren 1C_387/2022 nicht, da sie sich nicht am Verfahren beteiligt haben. Das Gleiche gilt für die private Beschwerdegegnerin im Verfahren 1C_386/2022, da sie einzig ein aussichtsloses Sistierungsgesuch gestellt und in der Sache auf eine Vernehmlassung verzichtet hat. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerdeverfahren 1C_384/2022, 1C_385/2022, 1C_386/2022 und 1C_387/2022 werden vereinigt. 
 
2.  
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten. 
 
3.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.  
Der Kanton Solothurn hat einerseits die Tury AG mit Fr. 1'500.-- und anderseits den VCS Schweiz, den VCS Schweiz Sektion Solothurn und den Verein Läbigi Klus mit (insgesamt) Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Einwohnergemeinde Balsthal und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 31. Januar 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi