1C_74/2023 01.12.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_74/2023  
 
 
Urteil vom 1. Dezember 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, Müller, 
Gerichtsschreiber Poffet. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Burgergemeinde Bannwil, 
Steinackerweg 3, 4913 Bannwil, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick Freudiger, 
 
Wirtschafts-, Energie- und 
Umweltdirektion des Kantons Bern, 
Rechtsabteilung, Münsterplatz 3a, 3011 Bern. 
 
Gegenstand 
Beschwerdelegitimation; Kostenverlegung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, 
vom 16. Januar 2023 (100.2021.356U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ meldete dem damaligen Amt für Wald des Kantons Bern am 10. Februar 2019 eine widerrechtliche Rodung durch die Burgergemeinde Bannwil auf zwei in ihrem Eigentum stehenden Parzellen. Am 22. Februar 2019 teilte ihm das Waldamt mit, die abgeholzte Fläche sei nicht als Wald zu qualifizieren, weshalb es seine Meldung an das Amt für Landwirtschaft und Natur, Abteilung Naturförderung, weitergeleitet habe. Diese führte am 7. März 2019 einen Augenschein durch und beantragte am 25. März 2019 beim Regierungsstatthalteramt Oberaargau die Wiederherstellung der entfernten Gehölze. Mit Verfügung vom 3. September 2019 stellte der Regierungsstatthalter namentlich fest, es liege kein widerrechtlicher Heckeneingriff vor. 
Am 19. September 2019 teilte der stellvertretende Regierungsstatthalter A.________ als Anzeiger mit, dass eine Verfügung ergangen sei. Auf entsprechendes Ersuchen erhielt dieser am 14. November 2019 Akteneinsicht und damit Kenntnis vom Inhalt der Verfügung vom 3. September 2019. Auf seine dagegen gerichtete Beschwerde trat die damalige Volkswirtschafts- bzw. heutige Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion des Kantons Bern mit Entscheid vom 12. November 2021 mangels Beschwerdelegitimation nicht ein, nachdem sie das Gesuch A.________ s um unentgeltliche Rechtspflege am 13. März 2020 wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen hatte. Zudem auferlegte sie ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Fr. 600.-- und verpflichtete ihn, der anwaltlich vertretenen Burgergemeinde Bannwil die Parteikosten in der Höhe von Fr. 3'716.75 zu entschädigen. 
Hiergegen gelangte A.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern und beantragte die Reduktion der Verfahrenskosten und die Streichung der Parteikosten. Ergänzend führte er aus, dass er seine Beschwerde ausdrücklich als Revisionsgesuch verstanden haben wolle. Mit Urteil vom 16. Januar 2023 wies das Verwaltungsgericht seine Beschwerde und sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab. Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren auferlegte es ihm Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 500.-- und verpflichtete ihn zur Bezahlung einer Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 3'219.30 an die Burgergemeinde. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 16. Februar 2023 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Neubeurteilung der Kostenfolgen im kantonalen Verfahren. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Direktion verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Burgergemeinde schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat repliziert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid im Bereich des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Ein Ausnahmegrund liegt nicht vor (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass das Bundesgericht prüft, ob ihm im kantonalen Verfahren zu Recht Kosten auferlegt wurden (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG). In der Sache selbst - d.h. im Zusammenhang mit dem geltend gemachten widerrechtlichen Heckeneingriff - behauptet er wie bereits im kantonalen Verfahren, über kein persönliches Rechtsschutzinteresse zu verfügen. Ein solches ist auch nicht ersichtlich (zur geltend gemachten Nichtigkeit der Verfügung des Regierungsstatthalters vgl. Urteil 1C_561/2021 vom 15. August 2023 E. 2.4.1 mit Hinweisen). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers vermittelt das Interesse an der richtigen Anwendung des Rechts ohne eigenen Bezug zur Streitsache keine Legitimation zur Beschwerdeerhebung in der Verwaltungsrechtspflege. Die Popularbeschwerde, mit der die Durchsetzung öffentlicher Interessen bezweckt wird, ist im Rahmen des allgemeinen Beschwerderechts, das dem Individualrechtsschutz dient, unzulässig (vgl. BGE 147 I 280 E. 6.2.1; 145 II 259 E. 2.3; je mit Hinweisen; für das bernische Recht Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8. September 2021 E. 2.7, in: BVR 2021 S. 517). Im Übrigen war der Streitgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf den Kostenentscheid der Direktion beschränkt, wie die Vorinstanz unwidersprochen festhielt. Auch deshalb ist auf die erneute Kritik am Vorgehen des Regierungsstatthalters und der Abteilung Naturförderung nicht einzugehen (vgl. BGE 142 I 155 E. 4.4.2 mit Hinweisen). 
Auf die Beschwerde ist damit nur insoweit einzutreten, als die Kostenfolgen im kantonalen Verfahren beanstandet werden. 
 
2.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verletze Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale verfassungsmässige Rechte (Art. 95 lit. a-c BGG). Die Verletzung des übrigen kantonalen Rechts kann, abgesehen von den vorliegend nicht einschlägigen Ausnahmen gemäss Art. 95 lit. d und e BGG, vor Bundesgericht nicht gerügt werden. Zulässig ist jedoch die Rüge, die Anwendung dieses Rechts führe zu einer Verletzung von Bundesrecht, namentlich des Willkürverbots gemäss Art. 9 BV (BGE 146 I 11 E. 3.1.3 mit Hinweis). Solchen Rügen geht das Bundesgericht jedoch nur nach, wenn sie in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 II 44 E. 1.2). 
 
3.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie dem Beschwerdeführer Verfahrens- und Parteikosten auferlegte. 
 
3.1. Die Vorinstanz hielt fest, die Verfahrenskosten seien gemäss Art. 108 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Bern vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21) der unterliegenden Partei aufzuerlegen, es sei denn, das prozessuale Verhalten einer Partei gebiete eine andere Verlegung oder die besonderen Umstände rechtfertigten, keine Verfahrenskosten zu erheben. Zudem habe die unterliegende Partei gemäss Art. 108 Abs. 3 VRPG der Gegenpartei die Parteikosten zu ersetzen, sofern nicht deren prozessuales Verhalten oder die besonderen Umstände eine andere Teilung oder die Wettschlagung gebieten würden oder die Auflage der Parteikosten an das Gemeinwesen als gerechtfertigt erscheine. Der Beschwerdeführer bestreite nicht, dass die Direktion zu Recht nicht auf seine Beschwerde eingetreten sei. Entsprechend gelte er auch als unterliegend. Besondere Umstände, die eine abweichende Kostenverteilung gebieten würden, erkannte die Vorinstanz nicht. Ebenso wenig sah sie sich veranlasst, bei der Kostenhöhe, die sich mit Fr. 600.-- im untersten Bereich des Gebührenrahmens befinde, einzugreifen. Sodann sei die Beschwerdegegnerin als Grundeigentümerin und damit wie eine Privatperson betroffen, worin praxisgemäss eine Ausnahme vom Grundsatz nach Art. 104 Abs. 4 VRPG (in seiner bis zum 31. März 2023 geltenden Fassung) vorliege, weshalb die Beschwerdegegnerin Anspruch auf Entschädigung ihrer Parteikosten habe.  
Was die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens anbelangt, leitete die Vorinstanz die Kostenpflicht des Beschwerdeführers gleichermassen aus Art. 108 Abs. 1 VRPG ab. Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wies sie zufolge Aussichtslosigkeit ab. Da der Beschwerdeführer keine Möglichkeit hatte, die Beschwerde nach Abweisung des Armenrechtsgesuchs zurückzuziehen, beschränkte sie die Verfahrenskosten auf die Höhe der üblichen Abschreibungsgebühr. Die Parteientschädigung sprach sie der Beschwerdegegnerin ebenfalls unter Verweis auf Art. 104 Abs. 4 VRPG zu, wobei sie diese gestützt auf die eingereichte Kostennote festsetzte. 
 
3.2. Der Beschwerdeführer bringt dagegen im Wesentlichen vor, er könne nicht als unterliegende Partei betrachtet werden. Es sei falsch gewesen, seine Beschwerdelegitimation mit der Frage des persönlichen Rechtsschutzinteresses zu verbinden. Dies trifft indes nach dem Gesagten nicht zu (vgl. E. 1). Art. 65 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 1 VRPG setzen für die Beschwerdebefugnis im kantonalen Verfahren eine besondere Beziehungsnähe und ein schutzwürdiges Interesse voraus, was mit Blick auf Art. 89 Abs. 1 BGG und den Grundsatz der Einheit des Verfahrens gemäss Art. 111 Abs. 1 BGG, den das Bundesgericht frei prüft, nicht zu beanstanden ist (vgl. BGE 144 I 43 E. 2.1 mit Hinweisen).  
Im Übrigen legt der Beschwerdeführer nicht rechtsgenüglich dar, inwiefern die Vorinstanz bei der Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts in Willkür verfallen wäre oder andere verfassungsmässige Rechte verletzt hätte. Es entspricht denn auch der Praxis des Bundesgerichts zu Art. 66 BGG, die beschwerdeführende Partei, auf deren Anträge nicht eingetreten wird, als unterliegende Partei zu qualifizieren (Urteil 2C_195/2020 vom 18. März 2021 E. 2; GRÉGORY BOVEY, in: Commentaire de la LTF, 3. Aufl. 2022, N. 38 zu Art. 66 BGG; HANSJÖRG SEILER, in: Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, N. 15 zu Art. 66 BGG). Mit der Höhe der Kosten und der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege setzt sich die Beschwerde überhaupt nicht auseinander. Damit hat es beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden. 
 
4.  
Demzufolge ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Der Beschwerdeführer ersucht auch im bundesgerichtlichen Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege. Das Gesuch ist zufolge Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Umständehalber kann jedoch auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Der Beschwerdeführer hat der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin, die ausserhalb ihres amtlichen Wirkungskreises obsiegt, eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 und 3 BGG). Bei deren Festsetzung ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin angesichts der geringen Komplexität der Streitsache und der Vorbringen des Beschwerdeführers den Rahmen des Notwendigen sprengt (vgl. Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Burgergemeinde Bannwil, der Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion des Kantons Bern, und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. Dezember 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Poffet