2C_108/2024 21.02.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_108/2024  
 
 
Urteil vom 21. Februar 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Kradolfer, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältinnen 
Aline Wey Speirs und/oder Kristin Arve, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV, 
Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, 
Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe (DBA CH-IN), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, 
vom 29. Januar 2024 (A-2720/2023). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das indische Ministry of Finance (nachfolgend: ersuchende Behörde) richtete mit Schreiben vom 27. August 2020 ein Amtshilfeersuchen gestützt auf Art. 26 des Abkommens vom 2. November 1994 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-IN; SR 0.672.942.31) betreffend A.________ an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). 
Zum Sachverhalt führte die ersuchende Behörde aus, sie führe in Indien gegen A.________ Ermittlungen in Bezug auf nicht deklariertes in- und ausländisches Einkommen und Vermögen sowie betreffend Steuerhinterziehung. Bei A.________ sei eine Hausdurchsuchung durchgeführt und unter anderem ein USB-Stick mit Daten gefunden worden. Aus diesen sei ersichtlich, dass A.________ Zahlungseingänge und -ausgänge auf verschiedenen ausländischen Bankkonten getätigt habe und mehrere verdeckte Unternehmen führe. In diesem Zusammenhang seien Kontobewegungen von der respektive an die Gesellschaft "B.________." (nachfolgend nur: Gesellschaft) aufgefallen, die in Zusammenhang mit A.________ stehe. Es werde davon ausgegangen, dass A.________ die tatsächliche wirtschaftliche Berechtigung am Vermögen auf den Bankkonten der Gesellschaft habe. Entsprechend sei das Vermögen auf den Bankkonten der Gesellschaft A.________ zuzurechnen und in Indien als Einkommen zu besteuern. Daher werde um Informationen über die Gesellschaft und über alle Bankkontobeziehungen samt den Transaktionen und Bankkontodokumenten der Gesellschaft bei der C.________ (nachfolgend: Informationsinhaberin) für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 31. März 2019 gebeten. 
 
B.  
Mit Schlussverfügung vom 6. April 2023 entschied die ESTV, der ersuchenden Behörde betreffend A.________ Amtshilfe zu leisten. 
 
B.a. Mit Beschwerde vom 11. Mai 2023 gelangte A.________ an das Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung der Schlussverfügung vom 6. April 2023. Das Amtshilfeersuchen der ersuchenden Behörde sei abzuweisen und es sei keine Amtshilfe zu gewähren. Im Weiteren stellte A.________ Eventual- und Subeventualbegehren betreffend den Umfang der zu übermittelnden Informationen.  
 
B.b. Mit Urteil vom 29. Januar 2024, zugestellt am 6. Februar 2024, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Es erwog im Wesentlichen, es sei nicht ersichtlich, dass die ersuchende Behörde das Amtshilfeersuchen auf rechtswidrig erlangte Quellen stütze oder von offensichtlich unrichtigen Tatsachen ausgehe. Die ersuchten Informationen seien voraussichtlich erheblich und es sei nicht zu erkennen, dass eine Verletzung des Spezialitätsprinzips drohe.  
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 16. Februar 2024 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Urteils vom 29. Januar 2024. Es sei der ersuchenden Behörde keine Amtshilfe zu gewähren. Eventualiter seien alle Informationen, die vor dem 1. April 2011 datierten, auszusondern und nicht zu übermitteln. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 147 I 89 E. 1; 146 II 276 E. 1). 
 
1.1. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 139 II 340 E. 4).  
Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann - namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_1037/2019 vom 27. August 2020 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 II 116). 
 
1.2. Der Beschwerdeführer stellt zunächst die Frage, ob allgemeine Behauptungen ohne Belege dazu ausreichten, um den Zusammenhang zwischen der Gesellschaft und dem Beschwerdeführer als steuerpflichtige Person glaubhaft zu machen.  
 
1.2.1. Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt, dass die ersuchte Behörde nicht zu entscheiden hat, ob der im Amtshilfeersuchen dargestellte Sachverhalt gänzlich der Realität entspricht. Sie muss lediglich überprüfen, ob die ersuchten Informationen einen Bezug zu diesem Sachverhalt haben (vgl. BGE 144 II 206 E. 4.3; 143 II 185 E. 3.3.2; 142 II 161 E. 2.1.1). Der ersuchte Staat kann Auskünfte daher nur verweigern, wenn ein Zusammenhang zwischen den verlangten Angaben und der Untersuchung wenig wahrscheinlich erscheint (vgl. BGE 143 II 185 E. 3.3.2; 141 II 436 E. 4.4.3). Folglich beschränkt sich die Rolle der Steuerbehörden des ersuchten Staats im Wesentlichen auf die Prüfung der Plausibilität des Ersuchens (vgl. BGE 142 II 161 E. 2.1.1; vgl. auch Urteil 2C_511/2023 vom 26. September 2023 E. 1.3.).  
Nach dem (völkerrechtlichen) Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von Art. 26 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (SR 0.111) wird vermutet, dass ein staatsvertraglich gebundener Staat nach Treu und Glauben handelt. Im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen bedeutet diese Vermutung, dass der ersuchte Staat auf die Angaben des ersuchenden Staats vertraut (sogenanntes Vertrauensprinzip; vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1; 144 II 206 E. 4.4; 142 II 161 E. 2.1.3; 142 II 218 E. 3.3). Die Vermutung des guten Glaubens kann nur aufgrund konkreter, nachgewiesener Anhaltspunkte umgestossen werden (vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1; 144 II 206 E. 4.4; Urteil 2C_241/2016 vom 7. April 2017 E. 5.5). 
 
1.2.2. Die Vorinstanz nimmt auf die soeben dargelegte bundesgerichtliche Rechtsprechung Bezug. Sie erwägt, der Beschwerdeführer vermöge die Sachverhaltsdarstellung der ersuchenden Behörde nicht in Zweifel zu ziehen. Es seien keine konkreten Anhaltspunkte nachgewiesen, die dazu Anlass gäben, nicht auf die Erläuterungen der ersuchenden Behörde zu vertrauen und deswegen nicht auf ihre Angaben abzustellen. Der dargestellte Sachverhalt und die Verbindung zwischen der Gesellschaft und dem Beschwerdeführer hält die Vorinstanz sodann für plausibel (vgl. E. 3.1.3 des angefochtenen Urteils). Im Lichte des Gesagten betrifft die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage lediglich die konkrete Anwendung der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Darstellung des massgebenden Sachverhalts durch die ersuchende Behörde, zur Prüfung der Plausibilität des Ersuchens sowie zum völkerrechtlichen Vertrauensprinzip durch die Vorinstanz auf den vorliegenden Einzelfall. Es liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG vor.  
 
1.3. Der Beschwerdeführer wirft sodann die Frage auf, ob Informationen, die nicht in den ersuchten Zeitraum ab dem 1. April 2011 fielen, nach der Schwärzung des Datums übermittelt werden dürften. Er unterbreitet dem Bundesgericht diesbezüglich ferner die Frage, ob Art. 26 DBA CH-IN auf Unterlagen anwendbar sei, die vor dem 1. April 2011 und damit vor dem zeitlichen Anwendungsbereich der Klausel erstellt worden seien.  
 
1.3.1. Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit Art. 26 DBA CH-IN und Dokumenten, die aus dem Zeitraum vor dem 1. April 2011 stammen, bereits festgehalten, dass diese Unterlagen übermittelt werden dürfen, wenn sie für die Steuerjahre ab 2011 von Bedeutung sind (vgl. Urteil 2C_703/2020 vom 15. März 2021 E. 4.1 und E. 7.4.3). Insbesondere Bankkontounterlagen, welche das Verhältnis zwischen der Bank und der Kundin oder dem Kunden während dessen Dauer regeln, sind bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen - namentlich des Erfordernisses der voraussichtlichen Erheblichkeit - auch dann zu übermitteln, wenn sie vor dem 1. April 2011 erstellt worden sind. Dabei sind jedoch diejenigen Stellen zu schwärzen, deren Erheblichkeit für die Steuerjahre ab dem 1. April 2011 unwahrscheinlich ist (vgl. Urteil 2C_703/2020 vom 15. März 2021 E. 7.4.2). Dabei kann es sich aufdrängen, die Datumsangaben zu schwärzen, die sich auf die Zeit vor dem 1. April 2011 beziehen (vgl. Urteil 2C_703/2020 vom 15. März 2021 E. 9.2).  
 
1.3.2. Die Vorinstanz hält die ersuchten Bankkontodokumente der Gesellschaft - unter anderem auch solche aus dem Zeitraum vor dem 1. April 2011 - für voraussichtlich erheblich (vgl. E. 3.1 f. des angefochtenen Urteils). Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht nicht geltend, die Vorinstanz würde die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Übermittlung von (voraussichtlich erheblichen) Bankkontounterlagen, die vor dem 1. April 2011 erstellt worden sind, rechtsfehlerhaft anwenden. Er stellt sich lediglich auf den Standpunkt, die Informationen mit den geschwärzten Datumsangaben würden bei der ersuchenden Behörde den Eindruck erwecken, dass sie in den ersuchten Zeitraum fielen. Damit richtet sich seine Kritik allerdings bloss gegen die Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall. Entsprechend wirft der Beschwerdeführer auch diesbezüglich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG auf.  
 
1.4. Im Ergebnis ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten.  
 
2.  
Diesem Verfahrensausgang entsprechend trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Februar 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger