2C_290/2023 26.05.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_290/2023  
 
 
Urteil vom 26. Mai 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Hartmann, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch David Hürlimann und Jens Lehmann, 
Rechtsanwälte, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, 
Dienst für Informationsaustausch in 
Steuersachen SEI, 
Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe DBA (CH-ES), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 2. Mai 2023 (A-4994/2022). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit E-Mail vom 12. November 2021 richtete die spanische Steuerbehörde B.________ (nachfolgend: ersuchende Behörde) gestützt auf das Abkommen vom 26. April 1966 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Spanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (SR 0.672.933.21) ein Amtshilfeersuchen betreffend A.________ an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). 
 
A.a. Die ersuchende Behörde ersuchte insbesondere um Informationen zum steuerrechtlichen Status von A.________ in der Schweiz in den Steuerjahren 2016-2018. Mit Bezug auf den Sachverhalt führte die ersuchende Behörde aus, sie führe eine Überprüfung der Steuerbelange von A.________ durch. Dieser habe in den Jahren 2016-2018 keine Steuererklärungen betreffend die Einkommenssteuer für nicht-ansässige Personen in Spanien eingereicht. A.________ halte jedoch über die C.________ eine Liegenschaft im Hochpreissegment in Spanien. Die C.________ werde zu 100 % von der D.________ SA mit Sitz in U.________ gehalten. Gemäss einer der ersuchenden Behörde vorliegenden notariellen Beglaubigung sei A.________ wirtschaftlich Berechtigter der D.________ SA. A.________ habe angegeben, im fraglichen Zeitraum in der Schweiz steuerlich ansässig gewesen zu sein. Die innerstaatlichen Auskunftsquellen seien ausgeschöpft worden.  
 
A.b. Mit E-Mail vom 30. November 2021 ersuchte die ESTV die ersuchende Behörde um nähere Erläuterungen betreffend die voraussichtliche Erheblichkeit der ersuchten Informationen. Falls die ersuchende Behörde davon ausgehe, dass A.________ in Spanien steuerlich ansässig sei, sei sie zudem gebeten, diesen Verdacht zu begründen. Mit E-Mail vom 10. Dezember 2021 führte die ersuchende Behörde aus, Ziel des Ersuchens sei es, die Gültigkeit der von A.________ eingereichten Bestätigung zu überprüfen und festzustellen, ob dieser in der Schweiz Steuererklärungen eingereicht habe. Grund dafür sei, dass dieser in Spanien keine Steuererklärungen eingereicht habe, obwohl er dazu verpflichtet gewesen sei. Zwischen 2015 und 2018 habe A.________ über ein Unternehmen, dessen tatsächlicher Eigentümer ("real owner") er sei, mehr als 6 Mio. Euro in die Entwicklung einer Liegenschaft investiert.  
 
A.c. Am 24. Januar 2022 versandte die ESTV ein an A.________ adressiertes Informationsschreiben an die in der Wohnsitzbestätigung der Steuerverwaltung des Kantons Wallis genannte Adresse. Die Zustellung war erfolglos. In der Folge ermittelte die ESTV im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) eine abweichende Wohnadresse in V.________ (Kanton Wallis). Mit Informationsschreiben vom 8. Februar 2022 setzte die ESTV A.________ über das Amtshilfeersuchen in Kenntnis. Gleichzeitig teilte sie ihm mit, dass sie beabsichtige, dem Ersuchen stattzugeben. Sie gewährte ihm eine zehntägige Frist, um der Übermittlung der Informationen schriftlich zuzustimmen oder zur beabsichtigten Übermittlung Stellung zu nehmen. Während A.________ mit E-Mail vom 4. und 9. März 2022 der Übermittlung im Sinne eines raschen Abschlusses des Amtshilfeverfahrens grundsätzlich zustimmte, teilte er am 17. Juni 2022 über seinen damaligen Rechtsvertreter mit, dass er mit der Übermittlung nicht (mehr) einverstanden sei.  
 
B.  
Mit Schlussverfügung vom 29. September 2022 hielt die ESTV fest, dass der ersuchenden Behörde Amtshilfe betreffend A.________ geleistet werde und bezeichnete die an die ersuchende Behörde zu übermittelnden Informationen. Die ESTV hielt weiter fest, sie werde die ersuchende Behörde darauf hinweisen, dass die übermittelten Informationen geheim zu halten seien und im ersuchenden Staat nur in Verfahren gegen A.________ verwendet werden dürften. 
Die am 31. Oktober 2022 gegen die Schlussverfügung vom 29. September 2022 von A.________ erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 2. Mai 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 19. Mai 2023 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Urteils vom 2. Mai 2023 und der Schlussverfügung vom 29. September 2022. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subeventualiter und subsubeventualiter sei von der Übermittlung gewisser Unterlagen und Informationen abzusehen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 147 I 89 E. 1; 146 II 276 E. 1). 
 
1.1. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 133 IV 131 E. 3).  
Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann - namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_1037/2019 vom 27. August 2020 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 II 116). 
 
1.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, der eigentliche Grund für das vorliegende Amtshilfeersuchen liege darin, eine vermutete unbeschränkte Steuerpflicht in Spanien abzuklären. Es stelle sich die Frage, ob es zulässig sei, bei Vorliegen einer beschränkten Steuerpflicht ein Amtshilfeersuchen zu stellen, mit dem Ziel, eine allfällige unbeschränkte Steuerpflicht im ersuchenden Staat abzuklären.  
 
1.2.1. Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt, dass die Bestimmung des Steuerwohnsitzes der betroffenen Person im internationalen Kontext eine materielle Frage darstellt, die von den Behörden des ersuchten Staats nicht im Rahmen des Amtshilfeverfahrens zu klären ist, sondern in die Zuständigkeit der Behörden des ersuchenden Staats fällt (vgl. BGE 145 II 112 E. 2.2.2; 142 II 218 E. 3.6 f.; 142 II 161 E. 2.2.2). Deshalb ist es im Grundsatz unbehelflich, wenn sich die betroffene Person im Rahmen des Amtshilfeverfahrens auf eine (unbeschränkte) Steuerpflicht in einem anderen Staat beruft (vgl. BGE 142 II 161 E. 2.2 ff.; Urteil 2C_762/2022 vom 23. September 2022 E. 1.3), da sie den Informationsaustausch grundsätzlich nicht mit der Begründung vereiteln kann, dass sie ihren steuerrechtlichen Wohnsitz im ersuchten Zeitraum nicht im ersuchenden Staat hatte (vgl. Urteil 2C_109/2022 vom 30. Januar 2023 E. 4.5.1; vgl. auch Urteil 2C_188/2023 vom 31. März 2023 E. 1.2.1).  
 
1.2.2. Die einzige Konstellation, in der das Bundesgericht eine solche Vorabwürdigung im Rahmen des Amtshilfeverfahrens ausnahmsweise zulässt, erfordert, dass die betroffene Person in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig ist. Diesfalls ist beim Nachweis des Schweizer Domizils denkbar, dass die voraussichtliche Erheblichkeit trotz grundsätzlich zulässigem Ersuchen verneint werden darf (vgl. Urteile 2C_109/2022 vom 30. Januar 2023 E. 4.5.3; 2C_953/2020 vom 24. November 2021 E. 3.6 mit Hinweis auf BGE 142 II 161). Die Vorinstanz nimmt unter Beachtung dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Prüfung des Amtshilfeersuchens vor. Angesichts des Umstands, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz nach dem Aufwand besteuert werde (sogenannte Pauschalbesteuerung; vgl. E. 3.1 des angefochtenen Urteils), und dass im Weiteren klare Anknüpfungspunkte zu Spanien vorlägen (Liegenschaft und wirtschaftliche Berechtigung; vgl. Bst. A.a f. hiervor), hält die Vorinstanz die ersuchten Informationen für die Untersuchung einer möglichen Steuerpflicht in Spanien als voraussichtlich erheblich (vgl. E. 5.2 des angefochtenen Urteils). Aus dem Dargelegten ist ersichtlich, dass die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage und die damit verbundenen Rügen lediglich die konkrete Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall betreffen.  
 
1.2.3. Vor diesem Hintergrund ist nicht massgebend, ob die ersuchende Behörde "unter dem Vorwand der beschränkten Steuerpflicht" eine allfällige unbeschränkte Steuerpflicht abklärt, wie der Beschwerdeführer ohne Darlegung hinreichender Anhaltspunkte vermutet. Der Beschwerdeführer wirft somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG auf.  
 
1.3. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, die ersuchende Behörde bestätige in einem Formular die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips sowie des Grundsatzes der Reziprozität. Allerdings handle es sich um ein Formular, das den Anschein erwecke, standardmässig eingereicht worden zu sein. Der Beschwerdeführer wirft die Frage auf, ob eine Zusicherung, die durch die zuständige Behörde weder datiert noch unterzeichnet sei, in Anbetracht der elementaren Bedeutung dieser Grundsätze ausreiche.  
 
1.3.1. Nach dem (völkerrechtlichen) Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von Art. 26 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (SR 0.111) wird vermutet, dass ein staatsvertraglich gebundener Staat nach Treu und Glauben handelt. Im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen bedeutet diese Vermutung, dass der ersuchte Staat auf die Angaben des ersuchenden Staats vertraut (sogenanntes Vertrauensprinzip; vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1; 144 II 206 E. 4.4). Liegt eine Bestätigung des ersuchenden Staats vor, wonach dieser das Subsidiaritätsprinzip oder den Grundsatz der Reziprozität einhält, darf der um Amtshilfe ersuchte Staat die Gewährung von Amtshilfe nur dann ablehnen, wenn er Gründe dafür hat, dass die abgegebenen Erklärungen klarerweise unzutreffend sind (vgl. Urteil 2C_646/2017 vom 9. April 2018 E. 2.1; vgl. auch Urteile 2C_173/2023 vom 29. März 2023 E. 1.6.2; 2C_455/2021 vom 31. Mai 2022 E. 5.2.1).  
 
1.3.2. Die Vorinstanz nimmt auf diese bundesgerichtliche Rechtsprechung Bezug und erwägt, der Beschwerdeführer nenne keine konkreten Anhaltspunkte, die die von der ersuchenden Behörde abgegebenen Erklärungen, wonach das Subsidiaritätsprinzip und der Grundsatz der Reziprozität eingehalten würden, in Zweifel zögen. Unter diesen Umständen sei nicht massgebend, dass die Erklärungen - nach Auffassung des Beschwerdeführers - standardmässig abgegeben würden, ohne dass das Formular mit den Erklärungen (separat) unterzeichnet sei (vgl. E. 4.2.2 des angefochtenen Urteils). Der Beschwerdeführer bringt auch im bundesgerichtlichen Verfahren keine Anhaltspunkte vor, aus denen hervorginge, dass die abgegebenen Erklärungen klarerweise unzutreffend seien. Dass die Vorinstanz vor diesem Hintergrund die Erklärungen als hinreichend akzeptiert, ohne weitere (formelle) Anforderungen an sie zu stellen, betrifft die konkrete Anwendung der ergangenen ständigen Rechtsprechung im vorliegenden Einzelfall.  
 
1.3.3. Der Beschwerdeführer wirft somit auch mit Bezug auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips sowie des Grundsatzes der Reziprozität keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG auf.  
 
2.  
Im Ergebnis ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten. 
Diesem Verfahrensausgang entsprechend trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. Mai 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger