6F_13/2023 06.06.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6F_13/2023  
 
 
Urteil vom 6. Juni 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Stadler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Schlegel, 
Gesuchsteller, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, 
Spisergasse 15, 9001 St. Gallen, 
2. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Schultz, 
Gesuchsgegner, 
 
Anklagekammer des Kantons St. Gallen, 
Klosterhof 1, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 22. März 2023 (6B_869/2022). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 6. August 2021 reichte A.________ beim Untersuchungsamt St. Gallen Strafanzeige gegen B.________ wegen Verdachts der Veruntreuung, der versuchten Nötigung und allfälliger weiterer Delikte ein. 
In der Strafanzeige wird zusammengefasst ausgeführt, dass sich A.________ mit Vertrag vom 4. März 2019 verpflichtet habe, B.________ 5'000 Namenaktien der C.________ AG mit einem Nennwert von je Fr. 1.-- zu übertragen, sobald die Gründung der C.________ AG erfolgt sei. Mit Zession vom 2. September 2019 habe A.________ die Namenaktien mit allen Rechten und Pflichten und mit sofortiger Wirkung an B.________ abgetreten. Am 6. Dezember 2019 hätten die Parteien sodann eine weitere schriftliche Vereinbarung getroffen, in der sich B.________ verpflichtet habe, 5'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je Fr. 1.-- zum Kaufpreis von Fr. 0.-- an A.________ zu verkaufen, sobald dieser Fr. 250'000.-- des bestehenden Darlehens zurückbezahlt habe. 
Hinter- und Rechtsgrund für die Übertragung der Aktien an B.________ sei eine Sicherungsabrede gewesen. A.________ habe die 5'000 Namenaktien im Rahmen eines Sicherungsgeschäftes an B.________ übertragen. B.________ habe die Aktien als Sicherheit für eine Darlehensforderung von Fr. 250'000.-- verwendet, weshalb er sich verpflichtet habe, die Aktien nach Rückzahlung des Darlehens an A.________ zurückzuübertragen. B.________ sei treuhänderischer Eigentümer der Aktien geworden und aufgrund der Sicherungszession als Aktionär im Aktienbuch der C.________ AG eingetragen worden. Wirtschaftlich Berechtigter und damit Inhaber aller über den Sicherungszweck hinausgehenden Rechte sei indessen A.________ geblieben. B.________ habe in verschiedenen Schreiben wiederholt bestätigt, dass es sich um eine Sicherungsübereignung handle. Erst nachdem A.________ am 2. Februar 2021 mitgeteilt habe, dass der aktuelle Preis der Aktien der C.________ AG Fr. 400.-- pro Aktie betrage, habe B.________ mit Schreiben vom 10. Februar 2021 an den damals aus A.________ und D.________ bestehenden Verwaltungsrat der Gesellschaft klargestellt, dass die Aktien nie sicherungsübereignet gewesen seien und A.________ rechtmässiger und uneingeschränkter Eigentümer der 5'000 Namenaktien sei. 
Aufgrund dieses widersprüchlichen Verhaltens habe sich der Verwaltungsrat der C.________ AG gezwungen gesehen, den Eintrag betreffend B.________ im Sinne von Art. 686a OR im Aktienbuch zu streichen, da er durch falsche Angaben zustande gekommen sei. In der Folge habe B.________ den Verwaltungsrat der C.________ AG mit Schreiben vom 18. Mai 2021 aufgefordert, schriftlich zu bestätigen, dass er nach wie vor als Inhaber von 5'000 Namenaktien im Aktienbuch eingetragen sei, ansonsten ohne weitere Korrespondenz strafrechtliche Schritte eingeleitet würden. Der Verwaltungsrat sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen. 
B.________ werde deshalb vorgeworfen, sich der Veruntreuung schuldig gemacht zu haben, indem er sich als rechtmässiger und unbelasteter Eigentümer der 5'000 Aktien ausgegeben habe, die frei von Rechten Dritter sein sollen. Weiter wird B.________ vorgeworfen, sich der versuchten Nötigung schuldig gemacht zu haben, indem er dem Verwaltungsrat mit einer Strafanzeige gedroht habe, falls dieser seiner Forderung, ihn als rechtmässigen Eigentümer und wirtschaftlich Berechtigten der 5'000 Aktien im Aktienbuch der C.________ AG einzutragen, nicht nachkomme. 
 
B.  
 
B.a. Mit Verfügung vom 16. August 2021 nahm das Untersuchungsamt St. Gallen die Strafanzeige gegen B.________ nicht anhand, weil die fraglichen Tatbestände offensichtlich nicht erfüllt seien.  
Mit Entscheid vom 23. Mai 2022 wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen die von A.________ gegen die Nichtanhandnahmeverfügung eingereichte Beschwerde ab. 
 
B.b. Mit Urteil 6B_869/2022 vom 22. März 2023 trat das Bundesgericht auf die Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer nicht ein.  
Das Bundesgericht erwog, es sei zivil- und handelsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn B.________ während der Zeit, in der ihm die Aktien sicherungshalber - also fiduziarisch ( fiducia cum creditore) - übertragen sind, die Eintragung ins Aktienbuch verlange, da er während dieser Zeit nach der Theorie des vollen Rechtserwerbs Eigentümer der Aktien sei. Inwiefern dem Beschwerdeführer dadurch ein wie auch immer gearteter Schaden im Sinne der obligationenrechtlichen Differenzhypothese entstanden sein solle, sei nicht ersichtlich. Ein Anspruch nach Art. 41 OR scheide somit bereits mangels Schadens aus.  
 
C.  
Mit Revisionsgesuch vom 17. Mai 2023 beantragt A.________ dem Bundesgericht, es das Urteil 6B_869/2022 vom 22. März 2023 aufzuheben und die in diesem Verfahren gestellten Beschwerdeanträge seien gutzuheissen. Weiter sei ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Gesuchsteller beruft sich auf den Revisionsgrund von Art. 121 lit. d BGG, wonach die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts verlangt werden kann, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Er stört sich daran, dass das Bundesgericht in E. 1.3.1 seines mit Revision angefochtenen Entscheids einleitend ausgeführt hat, "zwischen den Parteien" sei "unbestritten", dass der Gesuchsteller dem Gesuchsgegner 2 5'000 Namenaktien der C.________ AG zwecks Sicherung eines Darlehens von Fr. 250'000.-- übereignet hat. Vielmehr ergebe sich aus den Akten des kantonalen Verfahrens (act. S1/3), dass der Gesuchsgegner 2 den Sicherungscharakter des Übereignungsgeschäfts gerade bestreite. 
Diese Aussage trifft zu und insoweit erweist sich die E. 1.3.1 des angefochtenen Urteils des Bundesgerichts als nicht ganz glücklich formuliert. Korrekterweise müsste stehen, dass der Beschwerdeführer (also im vorliegenden Revisionsverfahren der Gesuchsteller) das Vorliegen einer Sicherungsübereignung nicht bestreitet (und auch keine Simulation geltend macht). Eine Auswirkung auf das Ergebnis hat die Formulierung im angefochtenen Entscheid indessen nicht: Für die bundesgerichtliche Argumentation war nämlich einzig massgebend, dass es sowohl nach den Behauptungen des Gesuchstellers als auch nach denjenigen des Gesuchsgegners 2 zu einer Eigentumsübertragung an den Namenaktien gekommen ist, die sachenrechtlich nach der Theorie des vollen Rechtserwerbs vollgültig ist. Damit war aber zivil- und handelsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesuchsgegner 2 als - womöglich nur, aber immerhin fiduziarischer - Eigentümer der Aktien die Eintragung ins Aktienbuch verlangte. Die blosse Bestreitung des Sicherungscharakters könnte zwar die Absicht, das allfällige pactum fiduciae brechen zu wollen, andeuten, stellt aber noch keinen zivilrechtlichen Schaden im Sinne einer Verminderung der gesuchstellerischen Aktiven dar, womit die Beschwerdelegitimation im angefochtenen Entscheid zutreffend verneint worden ist.  
 
2.  
Bei dieser Sachlage ist das Revisionsgesuch ohne Schriftenwechsel oder sonstige Instruktionsmassnahmen (Art. 127 BGG) abzuweisen. Unter den gegebenen Umständen ist auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG), womit auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege diesbezüglich gegenstandslos wird. Im Übrigen ist dieses Gesuch wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. Juni 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Stadler