2C_522/2013 23.12.2013
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_522/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 23. Dezember 2013  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, Stadelmann, 
Gerichtsschreiberin Genner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.X.________, 
2. B.X.________, 
3. C.X.________, 
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Florian Wick, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Amt für Migration des Kantons Luzern, Fruttstrasse 15, Postfach 3439, 6002 Luzern,  
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15, 6002 Luzern.  
 
Gegenstand 
Ausländerrecht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung (vormals Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung), 
vom 2. Mai 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.X.________ (geb. 1982) ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste am 19. November 1993 mit seiner Mutter und seiner Schwester als Asylsuchender in die Schweiz ein; am 8. Juli 1995 erhielt er die Niederlassungsbewilligung. In der Türkei heiratete er am 10. März 2008 seine Landsfrau B.X.________ (geb. 1990), welche am 14. September 2008 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz einreiste. Ihre Aufenthaltsbewilligung wurde letztmals bis zum 14. September 2010 verlängert. Am 30. August 2010 wurde der gemeinsame Sohn C.X.________ geboren. 
 
 Das Strafgericht des Kantons Zug verurteilte A.X.________ am 10. Juni 2009 wegen mehrfacher Gefährdung des Lebens, qualifizierter Sachbeschädigung, Hinderung einer Amtshandlung, grober Verletzung der Verkehrsregeln und Fahrens in fahrunfähigem Zustand (alle Taten begangen am 4. Dezember 2005) zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten unter Aufschub des Vollzugs im Umfang von 18 Monaten und unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren. Eine dagegen erhobene Berufung beim Obergericht des Kantons Zug (nachfolgend: Obergericht) blieb erfolglos; dieses erhöhte in seinem Urteil vom 19. Januar 2010 zudem die Probezeit auf vier Jahre. Das Urteil des Obergerichts wurde vom Bundesgericht am 23. April 2010 bestätigt. 
 
 In der Folge reiste A.X.________ in die Türkei aus, wo er sich per 1. Juni 2010 in psychiatrische Behandlung begab. Am 27. Oktober 2010 kehrte er in die Schweiz zurück und trat am 10. Januar 2011 den Strafvollzug in der Strafanstalt Wauwilermoos an. Aufgrund akuter psychiatrischer Probleme wurde er zwei Mal in die Psychiatrische Klinik des Kantons Luzern verlegt. Am 24. Oktober 2011 ordnete die Strafvollzugsbehörde die Versetzung ins Wohn- und Arbeitsexternat an mit der Auflage, sich einer ambulanten psychiatrischen Behandlung zu unterziehen. Am 8. Juli 2012 erfolgte die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug. 
 
B.  
Am 6. Dezember 2011 widerrief das Amt für Migration des Kantons Luzern (nachfolgend: Migrationsamt) die Niederlassungsbewilligung von A.X._______, wies das Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von B.X.________ ab und wies beide weg. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern (nachfolgend: Justiz- und Sicherheitsdepartement) wies die dagegen erhobene Beschwerde am 23. November 2012 ab und wies gleichzeitig das Migrationsamt an, C.X.________ rückwirkend auf den 30. August 2010 eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (heute: Kantonsgericht Luzern) bestätigte diesen Entscheid mit Urteil vom 2. Mai 2013. 
 
C.  
A.X.________, B.X.________ und C.X.________ erheben am 5. Juni 2013 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit den Anträgen, das angefochtene Urteil aufzuheben, A.X.________ die Niederlassungsbewilligung zu belassen und B.X.________ die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern; allenfalls sei die Angelegenheit zur Ergänzung des Sachverhalts an das Kantonsgericht zurückzuweisen. Eventuell - bei einem Widerruf der Niederlassungsbewilligung - sei von einem sofortigen Vollzug der Wegweisung abzusehen und den Beschwerdeführendeneine angemessene Ausreisefrist anzusetzen. 
 
 Das Kantonsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, ebenso das Bundesamt für Migration. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement und das Migrationsamt lassen sich nicht vernehmen. 
 
 Mit Präsidialverfügung vom 13. Juni 2013 ist der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der letztinstanzliche, verfahrensabschliessende Entscheid eines kantonalen Gerichts auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, welcher grundsätzlich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unterliegt (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG, Art. 90 BGG, Art. 82 lit. a BGG). Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 AuG (SR 142.20) ist die Beschwerde auf dem Gebiet des Ausländerrechts unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt.  
 
1.2. Das angefochtene Urteil bestätigt den Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers 1 und die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin 2 sowie die Wegweisung des Ehepaars aus der Schweiz. Die Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin 2 hängt gemäss Art. 43 Abs. 1 AuG (SR 142.20) vom Bestand der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers 1 ab. Deswegen rechtfertigt es sich, in erster Linie die Beschwerde betreffend den Widerruf der Niederlassungsbewilligung zu behandeln. Erweist sich der Widerruf als rechtmässig, entfällt ein bundesrechtlicher Anspruch der Beschwerdeführerin 2 auf eine Aufenthaltsbewilligung, so dass insoweit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden könnte.  
Gegen Entscheide über den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, weil grundsätzlich ein Anspruch auf das Fortbestehen dieser Bewilligung gegeben ist (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Demgemäss ist die Beschwerde des Beschwerdeführers 1 zulässig. Ob der Anspruch im konkreten Fall zu bejahen ist, bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 137 I 284 E. 1.3 S. 287). 
 
1.3. Die Beschwerdeführenden haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen. Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 II 304 E. 2.5 S. 314).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist rechtsgenüglich substanziiert vorzubringen (BGE 136 II 304 E. 2.5 S. 314).  
 
3.  
Der Beschwerdeführer 1rügt eine willkürliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts. 
 
3.1. Die Vorinstanz habe den Beweisantrag, wonach für ihn - den Beschwerdeführer 1 - ein psychiatrisches Gutachten zum Zusammenhang zwischen seiner paranoiden Schizophrenie und dem "Vorfall" vom 4. Dezember 2005 zu erstellen sei, zu Unrecht abgewiesen. Auch der Antrag, es seien Berichte der Polizei beizuziehen und ein Gutachten zur Gefährlichkeit und Legalprognose zu erstellen, sei unzulässigerweise abgewiesen worden.  
 
3.2. Im vorinstanzlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer 1 an, nachweislich sei erst seit Januar 2010 eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden. Weil diese Tatsache im Strafverfahren nicht bekannt gewesen sei, hätte die Migrationsbehörde im ausländerrechtlichen Verfahren vom strafrechtlichen Verschulden abweichen müssen. Die Vorinstanz erwog hierauf, die psychische Situation sei im Strafverfahren bekannt gewesen und in die Strafzumessung eingeflossen. Im Übrigen habe es dem Beschwerdeführer 1 freigestanden, ein Revisionsgesuch betreffend das Strafurteil einzureichen. Dies habe er nach eigenen Angaben mangels Erfolgsaussichten und aus Kostengründen unterlassen. Es bestehe keine Veranlassung und rechtsprechungsgemäss auch kein Raum, das Verschulden des Beschwerdeführers 1 anders zu beurteilen als die Strafbehörden. Deswegen sei im Rahmen einer antizipierten Beweiswürdigung auf die Einholung eines entsprechenden psychiatrischen Gutachtens zu verzichten. Auch das beantragte Prognosegutachten sei aufgrund beschränkter Relevanz im Rahmen der antizipierten Beweiswürdigung abzulehnen.  
 
3.3. Den Ausführungen der Vorinstanz ist beizupflichten. Im ausländerrechtlichen Verfahren besteht kein Raum dafür, die Beurteilung des Strafgerichts hinsichtlich des Verschuldens zu relativieren (Urteil 2C_480/2013 vom 24. Oktober 2013 E. 4.5.1). Wenn der Beschwerdeführer 1 tatsächlich überzeugt war, dass er im Zeitpunkt der Straftat bereits an paranoider Schizophrenie gelitten hatte, hätte er diese Tatsache im Strafverfahren vorbringen (das Obergericht fällte sein Urteil am 19. Januar 2010) oder eine Revision des Strafurteils beantragen müssen. Nachdem er dies unterlassen hat, erübrigen sich Vermutungen zur Frage, ob der Beweis, die Krankheit habe bereits im Jahr 2005 bestanden, im Jahr 2010 überhaupt noch hätte geführt werden können. Die Vorinstanz ist in Anlehnung an die Strafurteile des Obergerichts und des Bundesgerichts willkürfrei von einem sehr schweren Verschulden ausgegangen. Mangels Notwendigkeit und Tauglichkeit des beantragten Beweismittels durfte sie in antizipierter Beweiswürdigung auf die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens verzichten (vgl. auch Urteil 2C_733/2012 vom 24. Januar 2013 E. 3.2).  
 
 Auch den Antrag auf Einholung eines Gutachtens betreffend Legalprognose hat die Vorinstanz zu Recht abgewiesen. Nach der Rechtsprechung kommt der Rückfallgefahr bzw. der Wahrscheinlichkeit eines künftigen Wohlverhaltens ausserhalb des Anwendungsbereichs des FZA (SR 0.142.112.681) keine zentrale Bedeutung zu (Urteile 2C_733/2012 vom 24. Januar 2013 E. 3.2.4; 2C_371/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 3.2; BGE 130 II 176 E. 4.2 S. 185; 125 II 105 E. 2c S. 110). Die Legalprognose wird zwar auch in Fällen von Drittstaatsangehörigen im Rahmen der Interessenabwägung mitberücksichtigt, ist aber nicht allein ausschlaggebend (Urteil 2C_296/2011 vom 25. August 2011 E. 3.3). Im Vordergrund steht die mit den Erwägungen der Strafbehörden übereinstimmende Einschätzung der Vorinstanz, wonach (auch) in ausländerrechtlicher Hinsicht ein sehr schweres Verschulden vorliegt. Deswegen hätte eine günstige Legalprognose nur geringe Auswirkungen auf die Interessenabwägung, zumal im Zusammenhang mit Gewaltdelikten selbst ein relativ geringes Restrisiko nicht hingenommen werden muss (Urteile 2C_282/2012 vom 31. Juli 2012 E. 2.5; 2C_477/2008 vom 24. Februar 2009 E. 2.3 mit Hinweis). Die Legalprognose ist daher vorliegend nicht in dem Sinn als rechtserheblich zu werten, dass dafür ein psychiatrisches Gutachten notwendig wäre. 
 
4.  
 
4.1. Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG in Verbindung mit Art. 62 lit. b AuG kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn die ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt oder gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinn von Art. 64 oder Art. 61 StGB angeordnet wurde. Eine längerfristige Freiheitsstrafe gemäss Art. 62 lit. b AuG liegt vor, wenn sie die Dauer eines Jahres überschreitet (BGE 135 II 377 E. 4.2), wobei es keine Rolle spielt, ob sie bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgesprochen wurde (BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32, 16 E. 2.1 S. 18). Nachdem der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden war, ist der Widerrufsgrund von Art. 62 lit. b AuG in der ersten Variante erfüllt.  
 
4.2. In jedem Fall rechtfertigt sich der Widerruf einer Niederlassungsbewilligung nur, wenn die Massnahme nach einer Gegenüberstellung der privaten und der öffentlichen Interessen verhältnismässig erscheint. Dabei sind namentlich die Schwere des Verschuldens, der Grad der Integration und die der betroffenen Person drohenden Nachteile zu berücksichtigen (BGE 139 I 31 E. 2.3.1 S. 33; 135 II 377 E. 4.3 S. 381; vgl. auch Art. 96 Abs. 1 AuG). Je länger eine ausländische Person in der Schweiz gelebt hat, desto strengere Anforderungen sind grundsätzlich an Entfernungsmassnahmen zu stellen (BGE 135 II 110 E. 2.1 S. 112).  
 
4.3. Eine Abwägung der Interessen ist auch mit Blick auf Art. 8 EMRK geboten. Zwar ist das Recht auf Achtung des Familienlebens, welches im Verhältnis zwischen Vater und Sohn beidseitig angerufen werden kann, hier nicht verletzt. Denn rechtsprechungsgemäss teilen minderjährige Kinder den Aufenthaltsort des für sie verantwortlichen Elternteils (Urteil 2C_495/2013 vom 28. Oktober 2013 E. 2.5). Sofern einem niederlassungsberechtigten minderjährigen Kind die Ausreise zumutbar ist, genügt dies für eine Bewilligungsverweigerung in Bezug auf den sorge- bzw. obhutsberechtigten Elternteil (Urteil 2C_495/2013 vom 28. Oktober 2013 E. 2.4 mit Hinweisen). Weil dem im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils zwei Jahre und acht Monate alten Sohn des Beschwerdeführers 1 die Übersiedlung in die Türkei zweifellos zugemutet werden kann, bleibt beider Recht auf Achtung des Familienlebens gewahrt.  
 
 Sofern der Beschwerdeführer 1 einen Anspruch aus Art. 8 Ziff. 1 EMRK aus Beziehungen zu nahen Verwandten ableiten will, ist er nicht zu hören. Denn Art. 8 Ziff. 1 EMRK schützt in erster Linie die Kernfamilie (d.h. Ehegatten untereinander und deren Kinder). Die Beziehung zu Geschwistern, Eltern oder anderen nahen Verwandten fällt unter die Garantie, sofern eine genügend nahe, echte und tatsächlich gelebte Beziehung besteht. Hinweise dafür sind das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt, eine finanzielle Abhängigkeit oder die Übernahme von Verantwortung für eine andere Person (BGE 137 I 154 E. 3.4.2 S. 159; 135 I 143 E. 3.1). Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer 1 auch im Betrieb seines Vaters arbeitet, wie er vorbringt, begründet keine engen Familienbande im Sinn der zitierten Rechtsprechung. 
 
4.4. Der Beschwerdeführer 1 macht zusätzlich das Recht auf Schutz des Privatlebens geltend. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) trägt dieses Recht insbesondere einer langen Anwesenheitsdauer und der damit verbundenen Verwurzelung im Gaststaat Rechnung (vgl. Urteil des EGMR  Shala gegen Schweiz vom 15. November 2012 [Nr. 52873/09] § 38-40). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann aus Art. 8 Ziff. 1 EMRK ohne Familienbezug (Anspruch auf Schutz des Privatlebens) nur unter besonderen Umständen ein Recht auf Verbleib im Aufenthaltsstaat abgeleitet werden. Eine lange Anwesenheit und die normale Integration genügen hierfür nicht; erforderlich sind besonders intensive private Beziehungen beruflicher oder gesellschaftlicher Natur (BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286 mit Hinweisen).  
 
 Der Beschwerdeführer hielt sich im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils seit 19 Jahren und 6 Monaten in der Schweiz auf. Er konnte sich beruflich zunächst nur schwer etablieren, jedoch gelang es ihm, trotz fehlenden Lehrabschlusses eine Festanstellung zu finden. Mehrere seiner Verwandten leben in der Schweiz; einige besitzen das Schweizer Bürgerrecht. Der Beschwerdeführer 1 hat hier fast seine ganze Schulzeit verbracht. Es ist daher davon auszugehen, dass der Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK als Garantie des Privatlebens betroffen ist. 
 
4.5. Gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK ist ein Eingriff in das durch Ziff. 1 geschützte Rechtsgut statthaft, soweit er gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Die Konvention verlangt eine Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Erteilung (bzw. am Fortbestand) der Bewilligung und der öffentlichen Interessen an deren Verweigerung (bzw. an deren Widerruf), wobei Letztere in dem Sinn überwiegen müssen, dass sich der Eingriff als notwendig erweist (BGE 135 I 153 E. 2.2.1 S. 156 mit Hinweisen).  
 
4.6. Ausgangspunkt und Massstab für die Schwere des Verschuldens und für die Interessenabwägung ist die vom Strafgericht verhängte Strafe (BGE 134 II 10 E. 4.2 S. 23; 129 II 215 E. 3.1 S. 216). Die Vorinstanz erachtet in Übereinstimmung mit den Erwägungen der Strafbehörden das Verschulden des Beschwerdeführers 1 als sehr schwer. Dies ist, auch mit Blick auf das relativ hohe Strafmass von 36 Monaten Freiheitsstrafe, nicht zu beanstanden. Vor der Tat am 4. Dezember 2005 hatte der Beschwerdeführer 1 Cannabis und Alkohol konsumiert, bevor er mit seinem Wagen auf der Autobahn unterwegs war. Er fuhr auf der linken Fahrspur mit übersetzter Geschwindigkeit in eine von insgesamt sieben Polizisten betriebene Kontrollstelle. Der polizeilichen Aufforderung mittels Signalstab zum Halten leistete er keine Folge, sondern beschleunigte sein Fahrzeug und durchbrach den Eingangsbereich der Kontrollstelle, wobei es den vier auf der Fahrbahn stehenden Polizisten gelang, sich in Sicherheit zu bringen. In der Folge rammte der Beschwerdeführer 1 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 75 km/h ein Polizeifahrzeug. Sein Auto wurde nach rechts abgelenkt, begann sich zu drehen und prallte schliesslich in die rechte Schallschutzwand. Am Dienstfahrzeug entstand ein Sachschaden von Fr. 90'000.--.  
 
 Wenngleich alle beteiligten Polizisten unverletzt blieben und der Beifahrer des Beschwerdeführers 1 sich nur leichte Schürfungen zuzog, offenbart dessen Verhalten eine bedenkliche Geringschätzung des menschlichen Lebens, wie die Vorinstanz zu Recht hervorhob. Der Beschwerdeführer hat schwere Verletzungen, ja sogar den Tod mehrerer Personen in Kauf genommen, um einer Polizeikontrolle zu entgehen, deren Folgen er (aufgrund eigenen Fehlverhaltens) fürchten musste. Dieses Verhalten zeugt von einer gravierenden Charakterschwäche und ist nicht zu tolerieren. Zwar ist dem Beschwerdeführer 1 zugute zu halten, dass er sich seither in strafrechtlicher Hinsicht nichts mehr hat zuschulden kommen lassen. Dieser Umstand hat jedoch keine entscheidende Bedeutung, weil die Probezeit noch nicht abgelaufen war und der Beschwerdeführer 1 zudem unter dem Eindruck des Widerrufsverfahrens stand. Es besteht demnach ein erhebliches öffentliches Interesse an seiner Wegweisung. 
 
4.7. Dem sicherheitspolizeilichen Interesse ist das private Interesse der betroffenen Person an einem Verbleib in der Schweiz gegenüberzustellen.  
 
 Der Beschwerdeführer 1 ist im Alter von 11 Jahren in die Schweiz gekommen. Bis zum angefochtenen Urteil hat er 19 Jahre und sechs Monate hier gelebt; für die Interessenabwägung ist jedoch die im Strafvollzug verbrachte Zeit nicht zu berücksichtigen (Urteil 2C_977/2012 vom 15. März 2013 E. 3.6). Es ist somit von einer massgeblichen Aufenthaltsdauer von 18 Jahren auszugehen. Diese verhältnismässig lange Zeitspanne spricht zugunsten des Beschwerdeführers 1. 
 
 Darüber hinaus sind jedoch keine Gründe ersichtlich, welche einen Widerruf der Niederlassungsbewilligung unzumutbar erscheinen lassen. Der Beschwerdeführer 1 hat die ersten, prägenden Jahre seines Lebens in der Türkei verbracht und pflegt dort nach wie vor Beziehungen; neben seinen Grosseltern und einigen Onkeln und Tanten leben auch seine Schwiegereltern in der Türkei. Im Fall des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung würden seine Frau und sein Sohn mit ihm ausreisen. Das Interesse des Beschwerdeführers beschränkt sich somit darauf, in der Schweiz bleiben zu dürfen, ohne dass im Fall der Wegweisung die Trennung von seiner Familie drohen würde. Dieses Interesse ist zu schwach, um das öffentliche Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung aufzuwiegen. Eine Ausreise nach 18 Jahren ist mit einer gewissen Härte verbunden, jedoch nicht unzumutbar. Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils erst 31 Jahre alt, so dass er beruflich in der Türkei Fuss fassen kann. Auch seine psychischen Probleme stellen kein Hindernis dar, nachdem die Vorinstanz (für das Bundesgericht im Prinzip verbindlich) festgestellt hat, dass die Krankheit in der Türkei behandelbar ist. 
 
 Schliesslich kann der Beschwerdeführer 1 aus dem Urteil des EGMR  Udeh gegen Schweiz vom 16. April 2013 (Nr. 12020/09, in: Plädoyer 2013 3 S. 64) nichts zu seinen Gunsten ableiten. Abgesehen davon, dass sich die familiäre Situation des Beschwerdeführers in jenem Fall grundlegend anders darstellt als im vorliegenden, kann das erwähnte Urteil des EGMR nicht als Grundsatzurteil gelten. Dieses erscheint vielmehr als spezifischer Anwendungsfall der bisherigen Praxis des EGMR (vgl. insb. das Urteil  Üner gegen Niederlande vom 18. Oktober 2006, Recueil CourEDH 2006-XII S. 159 §§ 54 ff.; vgl. auch die Urteile  Boultif gegen Schweiz vom 2. August 2001 [Nr. 54273/00];  Emre gegen Schweiz [Nr. 2] vom 11. Oktober 2011 [Nr. 5056/10]), die von der Vorinstanz korrekt angewendet worden ist (vgl. Urteile 2C_586/2013 vom 3. Dezember 2013 E. 3.2.5; 2C_360/2013 vom 21. Oktober 2013 E. 2.5; 2C_339/2013 vom 18. Juli 2013 E. 2.9; 2C_139/2013 vom 11. Juni 2013 E. 7.5). Zudem hat das Bundesgericht die Bedeutung des Urteils  Udeh stark relativiert, im Wesentlichen mit der Begründung, der EGMR habe im erwähnten Entscheid diverse Umstände berücksichtigt, die erst nach der Beurteilung durch das Bundesgericht eingetreten sind (Urteil 2C_365/2013 vom 30. August 2013 E. 2.4, zur Publikation vorgesehen).  
 
4.8. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Vorinstanz die Verhältnismässigkeit des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung im Ergebnis zu Recht bejaht hat. Der Widerruf erweist sich als korrekt, weshalb auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 betreffend Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung nicht eingetreten werden kann (vgl. E. 1.2).  
 
4.9. Zu behandeln bleibt der Eventualantrag der Beschwerdeführenden, von einem sofortigen Vollzug der Wegweisung sei abzusehen und es sei eine angemessene Ausreisefrist anzusetzen. Gegen Entscheide betreffend die Wegweisung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG unzulässig. Das Bundesgericht kann mangels Zuständigkeit nicht anordnen, es sei eine angemessene Ausreisefrist anzusetzen; das Migrationsamt setzt die Wegweisung nach den Regeln von Art. 64d AuG um. Auf den Eventualantrag ist daher nicht einzutreten.  
 
5.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die unterliegenden Beschwerdeführenden die Gerichtskosten unter solidarischer Haftung (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG); eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung (vormals Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung), und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Dezember 2013 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner