2C_638/2023 28.11.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_638/2023  
 
 
Urteil vom 28. November 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Gerichtsschreiberin Ivanov. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Amt für Migration des Kantons Luzern, 
Fruttstrasse 15, 6002 Luzern, 
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, 
Bahnhofstrasse 15, 6003 Luzern. 
 
Gegenstand 
Widerruf Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 17. Oktober 2023 (7H 22 274). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ (geb. 1989), von Russland, reiste am 21. Januar 2019 in die Schweiz ein und erhielt eine Kurzaufenthaltsbewilligung L, gültig bis 28. Dezember 2019. Nach der Eheschliessung am 14. Februar 2020 mit einer in der Schweiz niederlassungsberechtigten italienischen und ukrainischen Staatsangehörigen wurde ihm eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA mit Gültigkeit bis 6. Juni 2022 erteilt. Die Ehe wurde mit Urteil vom 7. Juni 2021 des Bezirksgerichts U.________, Ukraine, geschieden.  
Mit Verfügung vom 23. Februar 2022 widerrief das Amt für Migration des Kantons Luzern die Aufenthaltsbewilligung von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg. 
Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern mit Entscheid vom 24. Oktober 2022 ab. 
 
1.2. Mit Urteil vom 17. Oktober 2023 wies das Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, eine gegen den Entscheid des Departements gerichtete Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.  
 
1.3. A.________ gelangt mit Beschwerde vom 14. November 2023 (Postaufgabe) an das Bundesgericht und beantragt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis in der Schweiz sowie die Wiedereröffnung des Scheidungsverfahrens.  
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet. 
 
2.  
Streitgegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens kann nur sein, was bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war oder allenfalls hätte sein sollen und was gemäss der Dispositionsmaxime zwischen den Parteien noch strittig ist. Im Laufe des Rechtsmittelverfahrens kann sich der Streitgegenstand vor einer höheren Instanz grundsätzlich nur verengen, jedoch nicht erweitern oder verändern (BGE 142 I 155 E. 4.4.2; Urteil 1C_117/2023 vom 20. Juni 2023 E. 1.2). 
Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens war einzig der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA des Beschwerdeführers. Soweit der Beschwerdeführer um Wiedereröffnung des Scheidungsverfahrens ersucht, geht sein Rechtsbegehren über den Streitgegenstand hinaus. Auf die Beschwerde ist in diesem Umfang bereits aus diesem Grund nicht einzutreten. 
 
3.  
 
3.1. Nach Art. 42 BGG haben Rechtsschriften an das Bundesgericht die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Die Begründung hat sachbezogen zu sein; die beschwerdeführende Partei hat in gezielter Auseinandersetzung mit den für das Ergebnis des angefochtenen Entscheids massgeblichen Erwägungen plausibel aufzuzeigen, welche Rechte bzw. Rechtsnormen die Vorinstanz verletzt haben soll (BGE 140 III 86 E. 2 mit Hinweisen). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten, einschliesslich des Willkürverbots, gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.1; 143 II 283 E. 1.2.2; 142 I 99 E. 1.7.2). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 148 I 104 E. 1.5; 143 I 1 E. 1.4; 134 II 349 E. 3).  
 
3.2. Vorliegend hat die Vorinstanz erwogen, dass der Beschwerdeführer, dessen Ehe mit einer italienischen und ukrainischen Staatsangehörigen geschieden wurde, kein Aufenthaltsrecht mehr nach dem FZA (SR 0.142.112.681) habe. Selbst wenn das in der Ukraine ergangene Scheidungsurteil, wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht, nicht anerkannt werden könnte, wäre eine Berufung auf den formellen Bestand der Ehe aufgrund des fehlenden Interesses der Ehegatten an der Fortführung der ehelichen Gemeinschaft ohnehin rechtsmissbräuchlich (vgl. dazu u.a. BGE 144 II 1 E. 3.1; 139 II 393 E. 2.1).  
Sodann hat das Kantonsgericht erwogen, dass die Ehe des Beschwerdeführers weniger als drei Jahre gedauert habe, sodass er aus Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG (SR 142.20) keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung ableiten könne. Schliesslich hat es das Vorliegen wichtiger persönlicher Gründe i.S.v. Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG geprüft und verneint. Insbesondere sei es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, hinreichend darzutun, dass er Opfer häuslicher Gewalt gewesen sei (vgl. dazu u.a. BGE 142 I 152 E. 6.2; 138 II 229 E. 3.2.1 f.; Urteil 2C_45/2021 vom 12. März 2021 E. 3.3). 
 
3.3. In seiner Eingabe beschränkt sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf, seiner Ex-Ehefrau vorzuwerfen, die Schweizer sowie die ukrainischen Behörden manipuliert und mit falschen Informationen, namentlich hinsichtlich seines angeblichen Verschwindens, getäuscht zu haben. Dabei schildert er insbesondere seine eigene Sicht der Dinge, ohne sich konkret mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinanderzusetzen.  
Soweit er das Scheidungsverfahren in der Ukraine beanstandet und damit sinngemäss vorbringt, seine Ehe bestehe immer noch, lassen seine Ausführungen eine sachbezogene Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Erwägungen vermissen, wonach die Berufung auf den formellen Bestand der Ehe aufgrund des fehlenden Willens der Ehegatten zur Fortführung der ehelichen Gemeinschaft ohnehin rechtsmissbräuchlich wäre. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass es sich bei der Frage, ob eine Ehegemeinschaft besteht bzw. gewollt ist, um eine Sachverhaltsfrage handelt (vgl. BGE 128 II 145 E. 2.3; Urteil 2C_739/2021 vom 27. Januar 2022 E. 4.4.1 mit Hinweisen). An die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts ist das Bundesgericht grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, die Partei zeige auf, dass diese offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3; BGE 140 III 16 E. 1.3.1; 137 I 58 E. 4.1.2). Diesen qualifizierten Anforderungen an die Begründung von Sachverhaltsrügen genügen die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend den Fortbestand seiner Ehe nicht. Es gelingt ihm nicht substanziiert darzutun, inwiefern die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung, wonach seine Ehe weniger als drei Jahre gedauert habe, offensichtlich unhaltbar bzw. willkürlich sind oder andere verfassungsmässige Rechte verletzen. 
Sodann vermag er mit seinen allgemeinen, nicht weiter belegten Behauptungen, seine Ex-Ehefrau habe ihn übermässigem psychischem Druck und Demütigungen ausgesetzt sowie mit seinen pauschalen Hinweisen auf Schwierigkeiten, namentlich finanzieller Art, die ihn bei einer Rückkehr nach Russland erwarten sollen, nicht rechtsgenüglich darzutun, dass und inwiefern die Vorinstanz Bundesrecht verletzt habe, indem sie das Vorliegen eines nachehelichen Härtefalls gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 AIG verneint hat. 
Folglich gelingt es dem Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, dass das Kantonsgericht in bundes- oder völkerrechtswidriger Weise zum Schluss gelangt ist, dass er weder gestützt auf das FZA noch auf Art. 50 Abs. 1 lit. a und b AIG einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung habe. 
 
3.4. Ein anderweitiger potenzieller Bewilligungsanspruch wird nicht in vertretbarer Weise geltend gemacht (vgl. BGE 139 I 330 E. 1.1; 136 II 177 E. 1.1; zur Begründungspflicht hinsichtlich der Eintretensvoraussetzungen vgl. BGE 134 II 45 E. 2.2.3; 133 II 249 E. 1.1; Urteil 2C_682/2021 vom 3. November 2021 E. 1.1). Insbesondere kann der Beschwerdeführer aus seiner Anwesenheitsdauer in der Schweiz keinen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK (Schutz des Privatlebens) ableiten, da er sich erst seit Januar 2019 und somit noch keine zehn Jahre hier aufhält und nicht konkret dartut, dass seine Integration besonders ausgeprägt sei (vgl. hierzu BGE 144 I 266 E. 3.5 und 3.9 und BGE 149 I 207 E. 5.3). Seine Ausführungen, wonach er gut Deutsch spreche, hier arbeite und eine Ausbildung gemacht habe, reichen dazu nicht aus.  
 
3.5. Im Ergebnis ist auf die Eingabe als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten.  
 
3.6. Rügen bezüglich verfahrensrechtlicher Punkte, deren Verletzung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt und die das Gericht von der Prüfung der Sache bzw. der Bewilligungsfrage getrennt beurteilen kann ("Star"-Praxis; vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1; 137 II 305 E. 2; Urteil 2D_24/2022 vom 16. Juni 2022 E. 5.2), erhebt der Beschwerdeführer nicht, sodass seine Eingabe auch nicht als subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) an die Hand genommen werden kann.  
 
4.  
 
4.1. Auf die offensichtlich unbegründete (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) Beschwerde ist mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG (Abs. 1 lit. b) nicht einzutreten.  
 
4.2. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet.  
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. November 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov