6B_261/2022 02.06.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_261/2022  
 
 
Urteil vom 2. Juni 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Meier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Junker, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, 
Binningerstrasse 21, 4051 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Betrug, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts 
des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, 
vom 9. November 2021 (SB.2020.76). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt erliess am 12. September 2019 einen Strafbefehl gegen A.________ wegen mehrfachen Betrugs. Dagegen erhob A.________ Einsprache. 
 
B.  
Das Einzelgericht in Strafsachen des Kantons Basel-Stadt sprach A.________ am 1. April 2020 wegen mehrfachen Betrugs schuldig und verurteilte sie zu einer bedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 30.--. Die Probezeit legte es auf zwei Jahre fest. 
 
C.  
Mit Urteil vom 9. November 2021 sprach das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt A.________ vom Vorwurf des Betrugs betreffend nicht deklariertes Kontoguthaben frei. Zudem verurteilte es sie wegen Betrugs betreffend nicht deklarierte Mittel für die Ersatzwohnung und bestrafte sie mit einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 30.--. Die Probezeit legte es auf zwei Jahre fest. 
 
D.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 9. November 2021 sei aufzuheben und sie sei von Schuld sowie Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. A.________ stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 BGG). In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Partei hat mit ihrer Kritik bei der als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägung der Vorinstanz anzusetzen (BGE 146 IV 297 E. 1.2). Die Begründung muss sachbezogen sein und erkennen lassen, dass und weshalb nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei Recht im Sinne von Art. 95 BGG verletzt ist (BGE 142 I 99 E. 1.7.1; 140 III 86 E. 2; 139 I 306 E. 1.2).  
 
1.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.3.5; 147 IV 73 E. 4.1.2). Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.3.5; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
1.3. Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1).  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO, des Anklagegrundsatzes sowie des Untersuchungsgrundsatzes. Die Vorinstanz befasst sich im angefochtenen Entscheid mit einer allfälligen Verletzung von Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO, des Anklage- und des Untersuchungsgrundsatzes nicht. Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer Beschwerde auch nicht, sie habe eine Verletzung von Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO, des Anklage- und des Untersuchungsgrundsatzes bereits vor der Vorinstanz gerügt, welche darauf in Missachtung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht eingegangen sei. Zwecks Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG) wäre die Beschwerdeführerin jedoch verpflichtet gewesen, die Rüge bereits im Berufungsverfahren vorzutragen. Die Pflicht zur Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs gilt nach der Rechtsprechung insbesondere auch bei einer allfälligen Verletzung des Anklageprinzip (Urteil 6B_239/2022 vom 22. März 2023 E. 7.3 mit Hinweisen). Da es nicht Sache des Bundesgerichts ist, in den Akten danach zu forschen, ob solche Rügen im kantonalen Verfahren rechtzeitig erhoben wurden, ist auf die Beschwerde in diesen Punkten nicht einzutreten. 
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Schuldspruch des Betrugs. Sie macht geltend, sie habe nicht aktiv getäuscht. Sie habe wahrheitsgemäss angegeben, eine 2-Zimmerwohnung zu bewohnen. Man müsse davon ausgehen, dass die Gespräche mit der zuständigen Sachbearbeiterin nicht vollständig protokolliert worden seien. Nicht nachvollziehbar sei, wie und in welchem Umfang das Gemeinwesen geschädigt worden sein solle.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB macht sich des Betrugs schuldig, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt.  
 
3.2.2. Angriffsmittel beim Betrug ist die Täuschung des Opfers. Als Täuschung gilt jedes Verhalten, das darauf gerichtet ist, bei einem andern eine von der Wirklichkeit abweichende Vorstellung hervorzurufen (BGE 147 IV 73 E. 3.1, 143 IV 302 E. 1.2; 140 IV 11 E. 2.3.2; 135 IV 76 E. 5.1 mit Hinweisen). Die Täuschung im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB kann durch konkludentes Handeln erfolgen (BGE 147 IV 73 E. 3.1; 140 IV 11 E. 2.3.2 mit Hinweis). Wer als Bezüger von Sozialhilfe oder Sozialversicherungsleistungen falsche oder unvollständige Angaben zu seinen Einkommens- oder Vermögensverhältnissen macht, täuscht nach ständiger Rechtsprechung durch zumindest konkludentes Handeln aktiv (vgl. BGE 140 IV 206 E. 6.3.1.3, 11 E. 2.4.6 in fine; 131 IV 83 E. 2.2; Urteile 6B_1362/2020 vom 20. Juni 2022 E. 19.4.2; 6B_393/2022 vom 17. Mai 2022 E. 2.1; je mit Hinweisen).  
Die Täuschung muss zudem arglistig sein. Arglist ist nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe bedient. Bei einfachen falschen Angaben ist das Merkmal erfüllt, wenn deren Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, sowie dann, wenn der Täter den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass dieser die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde. Arglist scheidet aus, wenn der Getäuschte den Irrtum mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. Auch unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung erfordert die Erfüllung des Tatbestands indes nicht, dass das Täuschungsopfer die grösstmögliche Sorgfalt walten lässt und alle erdenklichen Vorkehrungen trifft. Arglist ist lediglich zu verneinen, wenn es die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet (zum Ganzen: BGE 147 IV 73 E. 3.2; 143 IV 302 E. 1.3 und 1.3.1; 142 IV 153 E. 2.2.2; 135 IV 76 E. 5.2 mit Hinweisen). 
Nach der im Bereich der Sozialhilfe ergangenen Rechtsprechung handelt eine Behörde leichtfertig, wenn sie eingereichte Belege nicht prüft oder es unterlässt, die um Sozialhilfe ersuchende Person aufzufordern, die für die Abklärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse relevanten Unterlagen einzureichen (Urteil 6B_393/2022 vom 17. Mai 2022 E. 2.1 mit Hinweisen). 
 
3.3.  
 
3.3.1. In tatsächlicher Hinsicht ist für die Vorinstanz sowohl das Mietverhältnis an der U.________-strasse als auch jenes an der V.________-strasse belegt. Letzteres habe die Beschwerdeführerin mit Vertragsunterzeichnung vom 5. April 2006 begründet.  
 
3.3.2. In rechtlicher Hinsicht schliesst die Vorinstanz auf eine aktive Täuschung durch konkludentes Handeln. Die Beschwerdeführerin habe anlässlich der Gesuchstellung vom 31. Mai 2006 und der Gesprächstermine vom 14. September 2006, 15. Januar 2007, 23. Mai 2007 sowie 23. August 2007 ihre persönlichen und finanziellen Verhältnisse betreffend das Mietverhältnis an der V.________-strasse verschwiegen. Dadurch habe sie arglistig getäuscht, die Behörde irrtümlich Sozialhilfeleistungen ausgezahlt und sei Letztere geschädigt worden. Die Beschwerdeführerin sei schon im Zeitpunkt der Gesuchstellung verpflichtet gewesen, vollständige und wahrheitsgetreue Auskunft über ihre persönlichen und finanziellen Verhältnisse zu geben. Sie habe angeben müssen, dass sie eine zweite Wohnung mietete. Zudem habe sie offenlegen müssen, woher die Mittel für die Bezahlung der massiv gestiegenen Wohnkosten stammten. Die Sozialhilfe habe die Beschwerdeführerin explizit darauf hingewiesen, sie habe jegliche Veränderung der Wohnsituation anzugeben, und habe wiederholt nachgefragt, woraufhin die Beschwerdeführerin angegeben habe, keine Änderung zu melden zu haben. Für die Sozialhilfe habe kein Anlass bestanden anzunehmen, die Beschwerdeführerin könnte eine Zweitwohnung gemietet haben. Die Schadenssumme betrage gemäss Anklage Fr. 22'140.--. Die Rückerstattungsverfügung der Sozialhilfe vom 14. Oktober sei letztinstanzlich bestätigt worden (Urteil 8C_140/2012 vom 17. August 2012). Damit sei erstellt, dass die Beschwerdeführerin unrechtmässige Leistungen der Sozialhilfe erwirkt habe, welche ihr erlaubten, 18 Monate Miete zu Fr. 1'230.-- zu bezahlen. Diese Mittel wären ihr bei der Festlegung der wirtschaftlichen Hilfe angerechnet worden. Zudem habe die Beschwerdeführerin Mietzinserlasse für drei Monate zu Fr. 446.-- für die Wohnung an der U.________-strasse erhalten, was meldepflichtig gewesen sei. Jedoch sei dies nicht angeklagt und falle eine Rückweisung der Anklage zufolge Verjährung ausser Betracht. Dasselbe gelte in Bezug auf die drei Monatsmieten zu Fr. 1'230.--, welche die Mutter der Beschwerdeführerin für die Zweitwohnung bezahlt habe. Diese Beträge subtrahiert die Vorinstanz von den angeklagten verschwiegenen Mittel, weshalb sich der beim Sozialamt strafrechtlich relevante, eingetretene Vermögensschaden auf Fr. 17'112.-- belaufe. Zusammenfassend würdigt die Vorinstanz den Straftatbestand des Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB in diesem Umfang als erfüllt.  
 
3.4. Die Beschwerdeführerin macht keine Willkür in der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung geltend; diese ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG; vgl. oben E. 1.2). Vielmehr beschränkt sich die Beschwerdeführerin darauf, allgemeine appellatorische Kritik auszuüben und ihre Sicht der Dinge darzutun, ohne sich mit den umfassenden wie auch zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinanderzusetzen. Die Vorinstanz wirft der Beschwerdeführerin kein Unterlassen, sondern dem Betrugstatbestand immanentes aktives Täuschen durch konkludentes Handeln vor (vgl. oben E. 3.2.2). Die Argumentation, wonach sie wahrheitsgemäss angegeben habe, eine 2-Zimmerwohnung zu bewohnen, verfängt nicht. Zwar gab sie im Unterstützungsgesuch vom 31. Mai 2006 als ihre Adresse U.________-strasse xx in Basel und kreuzte sie bei Anzahl Zimmer entsprechend zwei an. Streitgegenstand bildet allerdings die Anzahl der durch die Beschwerdeführerin gemieteten Wohnungen, insbesondere die Nichtdeklaration der 2½-Zimmerwohnung an der V.________-strasse yy in Basel mit Mietbeginnn 1. Mai 2006, sowie die in diesem Zusammenhang verwendeten Mittel. Damit setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander (vgl. oben E. 1.1 und 1.3). Die Rüge ist abzuweisen, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann.  
 
4.  
Mangels Begründung ist nicht auf die Strafe einzugehen. 
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihren finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Juni 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Meier