8C_566/2022 04.08.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_566/2022  
 
 
Urteil vom 4. August 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiberin Huber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Hüberli, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
WAS Wirtschaft Arbeit Soziales, 
wira Luzern, Kantonale Amtsstelle (KAST) und Recht, Bürgenstrasse 12, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Kurzarbeitsentschädigung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 25. August 2022 (5V 22 28). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ AG bezweckt die Produktion von und den Handel mit Computern, Hard- und Software sowie die Erbringung von EDV-Dienstleistungen aller Art. Zuletzt bewilligte ihr die "WAS Wirtschaft Arbeit Soziales, wira Luzern, Kantonale Amtsstelle (KAST) und Recht" (nachfolgend: KAST) Kurzarbeit vom 1. März bis 31. August 2021 (Verfügung vom 24. März 2021). Im Anschluss machte die A.________ AG mit Voranmeldungen vom 31. August 2021 für zwölf ihrer Betriebsabteilungen mit dem ausserordentlichen Formular "infolge Pandemie Covid-19" bei der Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern ab 1. September 2021 weiterhin Kurzarbeit geltend. Mit Verfügungen vom 8. Oktober 2021 erhob die KAST Einspruch gegen die Fortsetzung der Kurzarbeit und untersagte damit der Arbeitslosenkasse die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung. Daran hielt sie - nach Einsprache der A.________ AG - mit Entscheid vom 9. Dezember 2021 fest. 
 
B.  
Die von der A.________ AG dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 25. August 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die A.________ AG die Aufhebung des kantonalen Urteils. Ihr sei vom 1. September bis und mit Ende Dezember 2021 Kurzarbeit zu bewilligen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
 
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. Ein Schriftenwechsel ist nicht durchgeführt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4). 
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das Kantonsgericht Bundesrecht verletzte, indem es den Einspracheentscheid bestätigte und damit einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Kurzarbeitsentschädigung vom 1. September bis 31. Dezember 2021 verneinte.  
 
2.2. Die Vorinstanz legte die Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 1 AVIG) und zum anrechenbaren Arbeitsausfall (Art. 31 Abs. 1 lit. b und d, Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG) sowie zu den Härtefällen (Art. 32 Abs. 3 AVIG i.V.m. Art. 51 Abs. 1 AVIV) zutreffend dar. Gleiches gilt für die Voraussetzungen, unter denen die Anrechenbarkeit eines Arbeitsausfalls zu verneinen ist (Art. 33 Abs. 1 lit. a und b AVIG; BGE 121 V 371 E. 2a), sowie für die Rechtsprechung zum normalen Betriebsrisiko (BGE 138 V 333 E. 4.2.2). Darauf wird verwiesen.  
Nochmals zu betonen ist, dass Arbeitsausfälle aufgrund rückläufiger Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, die auf die Pandemie zurückzuführen sind, gemäss den laufend aktualisierten Weisungen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) "Sonderregelungen aufgrund der Pandemie" in Anwendung von Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG grundsätzlich anrechenbar sind. Die Arbeitgeberin muss jedoch glaubhaft darlegen können, dass die in ihrem Betrieb zu erwartenden Arbeitsausfälle darauf zurückzuführen sind. Der einfache Hinweis auf die Pandemie genügt dafür nicht (Ziff. 2.2 der Weisung 2021/13 vom 30. Juni 2021). 
 
3.  
 
3.1.  
 
3.1.1. Im vorliegenden Fall steht für das Bundesgericht verbindlich fest, dass die Pandemie zumindest als Mitursache für einen Rückgang der Kundschaft in den Geschäftsstellen der Beschwerdeführerin verantwortlich war. Diesbezüglich prüfte die Vorinstanz, inwiefern sich die verringerte Kundenfrequenz auf die Mindereinnahmen ausgewirkt hatte. Dabei verglich sie die Kundenbesuche in den Jahren 2019 bis 2021 mit den jeweils erzielten Einnahmen und gelangte zum Ergebnis, dass zwischen diesen beiden Komponenten kein direkter Zusammenhang bestehe. Sie erkannte, dass bei der Beschwerdeführerin die (behauptete) betriebsspezifische Tätigkeit der Beratung und Dienstleistung vor Ort mithin nicht derart eng mit der Kundenfrequenz in den Filialen zusammenhänge, dass allein der Rückgang der Kundschaft ausschlaggebend für die Mindereinnahmen sein könne. Diese seien folglich auch nicht glaubhaft auf ausserordentliche Umstände zurückzuführen.  
 
3.1.2. Die Beschwerdeführerin wendet grundsätzlich zu Recht ein, dass für die Bejahung eines Arbeitsausfalls und dessen Anrechenbarkeit die Arbeitsauslastung der Mitarbeitenden relevant ist (vgl. z.B. Art. 31 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 lit. b AVIG). Vor diesem Hintergrund erscheint zumindest fraglich, ob es ausschlaggebend sein kann, dass sich die zurückgegangene Kundenfrequenz aufgrund der Pandemie nicht auf die Mindereinnahmen auswirkte oder ob es nicht vielmehr einzig darauf ankommt, dass die Mitarbeitenden durch die zum Teil fehlende Kundschaft weniger ausgelastet waren. Wenn nun zugunsten der Beschwerdeführerin davon ausgegegangen wird, dass wirtschaftliche Gründe im Sinn eines Rückgangs der Kundschaft aufgrund der Pandemie einen Arbeitsausfall verursachten, was auch die Vorinstanz im Rahmen einer Eventualbegründung tat, ist im Anschluss zu prüfen, ob dieser unvermeidbar war (vgl. Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG).  
 
3.2.  
 
3.2.1. In diesem Zusammenhang befasste sich das Kantonsgericht mit der Frage, ob es sich beim Betrieb eines Onlineshops für die Beschwerdeführerin um eine geeignete und wirtschaftlich tragbare Massnahme gehandelt hätte, um Arbeitsausfälle zu vermeiden.  
 
In Anlehnung an den Bericht Onlinehandelsmarkt Schweiz 2021 vom 9. März 2022 der GfK Switzerland AG hielt die Vorinstanz fest, dass das Marktvolumen des Jahres 2020 im Vergleich zum Vorjahr um beträchtliche 27,2 % gestiegen sei. Auch im Jahr 2021 habe sich das Marktvolumen um weitere 9,9 % im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Im Bereich Non-Food - der die Sparte Food im Onlinehandel umsatzmässig um ein Vielfaches übertreffe - seien 18,1 % des Handels auf den Onlinehandel entfallen. Dort habe sich der wertmässige Anteil des Bereichs Heimelektronik am Gesamtumsatz von 36 % im Jahr 2019 auf 48 % im Jahr 2020 und auf 50 % im Jahr 2021 gesteigert. Der Bereich Heimelektronik halte den grössten wertmässigen Anteil am Onlinemarkt und verfüge über das grösste frankenmässige Handelsvolumen (jedenfalls im Bereich der Privatkunden).  
 
Weiter erkannte das Kantonsgericht, die Beschwerdeführerin sei seit 2014 Tochtergesellschaft der C.________ AG und damit Teil der C.________ Gruppe. Die C.________ AG habe den auf die Firma der Beschwerdeführerin lautenden Onlineshop seit 2015 betrieben, bis er Ende 2020 ganz an sie übergegangen sei. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass im Bereich des Onlinehandels beträchtlich gewachsene Umsätze hätten erzielt werden können, die geeignet gewesen wären, die Ausfälle der Beschwerdeführerin zu kompensieren oder abzufedern. Es überzeuge nicht, so die Vorinstanz weiter, wenn ein stetig und im Rahmen der Pandemie überdurchschnittlich wachsender (vgl. das Vorstehende) Geschäftszweig eines Betriebs in die Konzern-Gruppe ausgelagert werde, um nachher für Ausfälle - die durch ebendiesen Geschäftszweig aufgefangen oder zumindest hätten verringert werden können - staatliche Leistungen zu beanspruchen. Das Betreiben eines (eigenen) Onlineshops wäre für die Beschwerdeführerin nach dem Gesagten eine geeignete, wirtschaftlich tragbare Massnahme gewesen, die einen anrechenbaren Ausfall nach Art. 51 Abs. 1 AVIV vermieden hätte.  
 
Das Kantonsgericht wies ausserdem auf die Zusammenarbeit zwischen der C.________ AG und der Beschwerdeführerin in Form eines erfolgreichen Click-and-Collect-Geschäfts hin. Es legte dar, es sei nicht einzusehen, inwiefern der eigenständige Betrieb eines Onlineshops für die Mitarbeitenden der Beschwerdeführerin fundamental anders gewesen sein solle, als das, was die Filialen inzwischen aufgrund des Click-and-Collect-Geschäfts bereits anbieten würden. Dieser Zweig mache rund 35 % des Umsatzes der Filialen aus. Die Steigerung dieses Anteils um das Doppelte seit Mitte 2020 habe die Beschwerdeführerin ohne Kündigungen zu bewältigen vermocht. 
 
3.2.2. Da es nach dem zuvor Dargelegten bereits einen bestehenden Onlineshop gibt - der zwar gemäss Kantonsgericht auf den Namen der Beschwerdeführerin läuft, jedoch aufgrund eines verfolgten Geschäftsmodells der C.________ AG gehört - ist fraglich, ob das Betreiben eines eigenen Onlineshops als geeignete Massnahme im Sinn von Art. 51 Abs. 1 AVIV durchgeht. Denn wie die Beschwerdeführerin nachvollziehbar vorbringt, müsste in dieser Konstellation der bestehende Onlineshop der C.________ AG geschlossen und von ihr neu aufgebaut oder der Onlineshop von der C.________ AG wieder auf sie zurückübertragen werden. Selbst wenn jedoch das Betreiben eines eigenen Onlineshops nicht als geeignet gelten würde, bedeutet dies nicht, dass das Abstossen des Onlineshops Ende 2020 unbeachtlich zu bleiben hat. So ging die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich davon aus (vgl. E. 1 und E. 3.2.1 oben), dass der Onlinehandel ein sehr einträglicher Geschäftszweig sei, mit dem die Beschwerdeführerin beträchtliche Umsätze hätte erzielen und Ausfälle hätte kompensieren können. Des Weiteren steht fest, dass mit Blick auf das bereits bestehende Click-and-Collect-Geschäft die Tätigkeit im Zusammenhang mit einem Onlineshop nicht fundamental anders ist und die Mitarbeitenden auch in diesem Bereich hätten eingesetzt werden können.  
 
Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin basierend auf einem gewählten Geschäftsmodell Ende 2020, und somit während der Pandemie, einen lukrativen Geschäftszweig abstiess, der nach dem Gesagten Arbeitsausfälle hätte verhindern können. Dass es aus betrieblichen oder wirtschaftlichen Gründen unerlässlich war, dieses Vorgehen zu wählen, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. Bei dieser Ausgangslage ging das Kantonsgericht unter Berücksichtigung der Schadenminderungspflicht zu Recht davon aus, dass ein allfälliger, mit dieser freiwilligen Änderung der Betriebsstruktur verbundener, Arbeitsausfall das Kriterium der Unvermeidbarkeit im Sinn von Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG nicht zu erfüllen vermag (vgl. dazu ARV 2000 Nr. 10 S. 53 E. 4a; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2410 f. Rz. 479 f.). 
 
4.  
Die Vorinstanz befasste sich eingehend mit der - auch letztinstanzlich vorgebrachten - pauschalen Rüge der Beschwerdeführerin, wonach die durch die globale Natur der Pandemie verursachten Liefer- und Produktionsengpässe verantwortlich seien für die rückläufigen Auftragszahlen. Sie würdigte die wirtschaftliche Situation betreffend Handel von Multimediaartikeln und Computerkomponenten und erwog, die geltend gemachten Engpässe der Beschwerdeführerin seien als normales Betriebsrisiko zu qualifizieren. Diese vermag nicht aufzuzeigen, inwiefern die vorinstanzlichen Feststellungen offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig sein sollen. Ebenso wenig ist dargetan oder ersichtlich, dass und weshalb die darauf beruhenden Erwägungen rechtsfehlerhaft wären. 
 
5.  
Zusammenfassend verletzte das Kantonsgericht kein Bundesrecht, indem es einen anrechenbaren Arbeitsausfall verneinte. Bei diesem Ergebnis kann, wie bereits vor der Vorinstanz, die Frage der vorübergehenden Natur (Art. 31 Abs. 1 lit. d AVIG) offen bleiben. Die Beschwerde ist unbegründet. 
 
6.  
Die Gerichtskosten werden dem Prozessausgang entsprechend der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. August 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Huber