1A.259/2005 15.11.2005
Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1A.259/2005 /gij 
 
Urteil vom 15. November 2005 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Reeb, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Parteien 
X.________AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Pascal Diethelm, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel, 
Strafgericht des Kantons Basel-Stadt, Rekurskammer, Schützenmattstrasse 20, Postfach, 4003 Basel. 
 
Gegenstand 
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Strafgerichts des Kantons Basel-Stadt, Rekurskammer, vom 23. Juni 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Staatsanwaltschaft Offenburg führt eine Strafuntersuchung wegen mutmasslichen Vermögensdelikten im Zusammenhang mit dem Versprechen von fiktiven Preisgewinnen. Am 4. Juni 2003 ersuchte die Staatsanwaltschaft Offenburg die schweizerischen Behörden um Rechtshilfe. Mit Eintretens- und Zwischenverfügung vom 2. Juli 2003 trat die für die Ausführung des Gesuches zuständige Staatsanwaltschaft Basel-Stadt auf das Ersuchen ein und ordnete unter anderem eine Hausdurchsuchung am Sitz der Firma X.________AG an. Am 2. Oktober 2003 wurde die verfügte Hausdurchsuchung (ohne den Beizug deutscher Ermittlungsbeamter) vollzogen. Dabei wurden diverse Geschäftsunterlagen der Fa. X.________AG beschlagnahmt. 
B. 
Mit Schreiben vom 3. Oktober 2003 an die Fa. X.________AG hielt die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt folgendes fest: 
"Bei nochmaliger Durchsicht unserer (...) Eintretens- und Zwischenverfügung vom 02.07.2003 haben wir festgestellt, dass deren Punkt 4 den Beizug deutscher Beamter zur Triage der beschlagnahmten Unterlagen abdeckt, weshalb wir (...) auf den nochmaligen gesonderten Erlass einer diesbezüglichen Zwischenverfügung verzichten. Sollten Sie mit der Einsichtnahme deutscher Beamter in die erhobenen Unterlagen nicht einverstanden sein, wäre unsere Verfügung somit innert der darin angeführten Frist von 10 Tagen bei der Rekurskammer des Strafgerichts Basel-Stadt anzufechten, wobei der Fristenlauf mit Erhalt des vorliegenden Schreibens beginnt". 
C. 
Mit Entscheid vom 23. Juni 2005 trat das Strafgericht Basel-Stadt, Rekurskammer, auf eine Beschwerde der Fa. X.________AG vom 16. Oktober 2003 gegen die Eintretens- und Zwischenverfügung nicht ein. Zur Begründung führte die Rekurskammer aus, es fehle der Rekurrentin an der "Legitimation" zur Anfechtung der Eintretens- und Zwischenverfügung bzw. es liege (im Sinne von Art. 80e IRSG) kein anfechtbarer Beschwerdegegenstand vor. 
D. 
Gegen den Nichteintretensentscheid des Strafgerichtes Basel-Stadt gelangte die Fa. X.________AG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 29. September 2005 an das Bundesgericht. Sie beantragt im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Die kantonalen Behörden bzw. das Bundesamt für Justiz liessen sich im abschlägigen Sinne vernehmen. Die Beschwerdeführerin verzichtete am 2. November 2005 auf eine Replik. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Streitig ist eine Zwischenverfügung im Sinne von Art. 80e lit. b IRSG. Die Beschwerde dagegen ist nur zulässig, wenn die darin angeordneten strafprozessualen Massnahmen beim Rechtsuchenden einen unmittelbaren und nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken. 
1.1 Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, ein drohender Nachteil ergebe sich aus einer Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen (vgl. Art. 80e lit. b Ziff. 1 IRSG). Sie beanstandet vielmehr den Beizug ausländischer Beamter bei der Sichtung der beschlagnahmten Geschäftsunterlagen (im Sinne von Art. 80e lit. b Ziff. 2 IRSG). 
1.2 Der Beizug ausländischer Ermittlungsbeamter ist im hier anwendbaren Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR, SR 0.351.1) grundsätzlich als zulässig vorgesehen (Art. 4 Satz 2 EUeR; vgl. auch Art. 65a IRSG). Er kann (bei umfangreichen Aktenbeschlagnahmungen und komplexen Strafuntersuchungen) nicht zuletzt der Verhältnismässigkeit bzw. der sachbezogenen Begrenzung der beantragten Rechtshilfemassnahmen dienen. Bei der Beschlagnahme und anschliessenden Sichtung von Akten sind jene Dokumente auszuscheiden, die für die ausländische Untersuchung offensichtlich irrelevant sind. Zu diesem Zweck darf gestützt auf das EUeR nötigenfalls eine thematische Triage unter Beizug von ausländischen Ermittlungsbeamten, die den Untersuchungsgegenstand näher kennen, vorgenommen werden. Anders zu entscheiden hiesse, dass zwangsläufig alle vorgefundenen Akten beschlagnahmt werden müssten. Diese untersuchungsbezogene Triage darf allerdings nicht dazu missbraucht werden, Privat-, Berufs- oder Geschäftsgeheimnisse zu verletzen bzw. das Rechtshilfeverfahren faktisch zu umgehen, bevor über die Zulässigkeit und den Umfang der Rechtshilfe entschieden wurde. Daher dürfen die Dokumente bei der ersten Sichtung noch nicht im Detail durchsucht und ausgewertet werden. Der Betroffene, der Rechtshilfehindernisse bzw. Geheimhaltungsinteressen geltend machen will, hat dabei die Obliegenheit, die Untersuchungsbehörde bei der sachgerechten Ausscheidung von Dokumenten zu unterstützen und jene Aktenstücke zu benennen, die seiner Ansicht nach nicht beschlagnahmt bzw. rechtshilfeweise weitergeleitet werden dürfen. Über die Zulässigkeit und den Umfang der beantragten Rechtshilfe wird erst in der anschliessenden Schlussverfügung entschieden (Art. 80d IRSG). Gegen die Schlussverfügung (und die vorangegangenen Zwischenverfügungen) steht dann der Rechtsweg offen (Art. 80e lit. a IRSG). Zuvor hat die das Ersuchen vollziehende schweizerische Behörde die nach den Umständen geeigneten Massnahmen zu treffen, um eine vorzeitige bzw. unzulässige Verwendung der gewonnenen Informationen in einem ausländischen Verfahren zu verhindern (vgl. Art. 65a Abs. 3 IRSG; BGE 130 II 329 E. 3 S. 333 f.; 128 II 211 E. 2.1 S. 215 f., je mit Hinweisen). 
1.3 Aus den genannten Gründen genügt das blosse Vorbringen, der Beizug deutscher Beamter sei unzulässig, noch nicht, um bereits separat dagegen Beschwerde führen zu können. Es müssen nach der genannten Praxis des Bundesgerichtes vielmehr konkrete Anhaltspunkte für einen unmittelbaren und nicht wiedergutzumachenden Nachteil bzw. für eine rechtsmissbräuchliche vorzeitige Verwendung von Informationen im Einzelfall dargetan sein (BGE 130 II 329 E. 2 S. 332; 128 II 211 E. 2.1 S. 215 f., 353 E. 3 S. 354; 126 II 495 E. 5 S. 499 ff., je mit Hinweisen). Solche konkreten Anhaltspunkte werden in der vorliegenden Beschwerde nicht dargelegt. Auch die blosse Befürchtung der Beschwerdeführerin, vorzeitig erhaltene Informationen könnten in Deutschland zur Verfolgung von Fiskaldelikten missbraucht werden, vermag daran nichts zu ändern. Eine allfällige Rechtshilfe unterläge jedenfalls dem ausdrücklichen Spezialitätsvorbehalt zum Nachteil nicht rechtshilfefähiger Fiskaldelikte (vgl. Vorbehaltserklärung der Schweiz zu Art. 2 lit. a EUeR; Art. 67 i.V.m. Art. 3 Abs. 3 IRSG). Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt hier ausdrücklich angeordnet, "dass sich die deutschen Beamten vor Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen schriftlich verpflichten müssen", die ihnen bei der angeordneten Triage "zur Kenntnis gebrachten Informationen erst nach bzw. unter der Bedingung der rechtskräftig bewilligten Übermittlung der rechtshilfeweise verlangten Unterlagen im deutschen Ermittlungsverfahren zu verwenden". Wie sich aus den Akten ergibt, hatte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme am 2. Oktober 2003 noch selbstständig vollzogen und keine ausländischen Ermittler dazu beigezogen. Beschlagnahmt wurden 24 Ordner und fünf weitere Dossiers mit Geschäftsunterlagen. Es handelt sich um umfangreiche Dokumente in einem relativ komplexen Fall mutmasslicher Wirtschaftskriminalität. Zur Ausscheidung der für die ausländische Untersuchung irrelevanten Unterlagen verfügte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt sodann den Beizug sachkundiger deutscher Ermittlungsbeamter. In diesem Zusammenhang ist im vorliegenden Fall kein unmittelbarer und nicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis dargetan. Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Fragen der beidseitigen Strafbarkeit (und weiterer materieller Rechtshilfevoraussetzungen) sind nötigenfalls im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gegen den Rechtshilfeentscheid (Schlussverfügung) zu prüfen. Wie die Beschwerdeführerin selbst erwähnt, erging am 3. Oktober 2005 denn auch die betreffende Schlussverfügung. 
2. 
Nach dem Gesagten steht hier der separate Rekursweg gegen die streitige Eintretens- und Zwischenverfügung nicht offen (Art. 80e lit. b IRSG). Der angefochtene Nichteintretensentscheid erweist sich als bundesrechtskonform, weshalb die dagegen gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet abzuweisen ist. 
 
Der Sistierungsantrag der Beschwerdeführerin ist mangels Sistierungsgrund abzuweisen. Ihr Gesuch um "aufschiebende Wirkung" der Beschwerde wird mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache hinfällig. 
 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft und dem Strafgericht, Rekurskammer, des Kantons Basel-Stadt sowie dem Bundesamt für Justiz, Sektion internationale Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 15. November 2005 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: