1C_450/2022 07.10.2022
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_450/2022  
 
 
Urteil vom 7. Oktober 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Haag, Merz, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________ SA, 
 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Fabio Spirgi,, 
 
gegen  
 
Bundesanwaltschaft, 
Guisanplatz 1, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Internationale Rechtshilfe an Brasilien, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer, 
vom 15. August 2022 (RR.2022.63-64). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die brasilianischen Strafbehörden führen ein Strafverfahren unter anderem gegen A.________ im Rahmen diverser internationaler Untersuchungen zu komplexen Korruptions- und Geldwäschereifällen betreffend den brasilianischen halbstaatlichen Petrobras-Konzern (Petróleo Brasileiro S.A.). A.________ soll in diesem Zusammenhang zwischen 2000 und 2014 in seinen jeweiligen Funktionen bei Petrobras und später bei C.________ Bestechungsgelder angefordert, erhalten, angeboten und ausbezahlt haben. Am 13. März 2019 ersuchte die Generalstaatsanwaltschaft des brasilianischen Bundesstaates Paraná die Schweiz um Rechtshilfe, namentlich um Durchführung einer Hausdurchsuchung am Sitz der C.________ GmbH und C.________ Ltd. Mit Eintretensverfügung vom 10. Juli 2019 entsprach die Bundesanwaltschaft dem Ersuchen. 
Mit Rechtshilfeersuchen vom 14. August 2020 gelangte die Generalstaatsanwaltschaft von Paraná im Rahmen der Korruptions- und Geldwäschereifälle betreffend den brasilianischen halbstaatlichen Petrobras-Konzern erneut an die Schweiz und ersuchte um Rechtshilfe im Zusammenhang mit verschiedenen Bankkonten. Mit zwei separaten Schlussverfügungen vom 28. Mai 2021 bewilligte die Bundesanwaltschaft die rechtshilfeweise Herausgabe von edierten Unterlagen zu zwei Konten, deren wirtschaftliche Berechtigte A.________ bzw. die B.________ SA sind. 
 
B.  
Dagegen erhoben A.________ sowie die B.________ SA Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Sie rügten, sie hätten keine Einsicht in das Rechtshilfeersuchen vom 13. März 2019 und die Beilagen des Ersuchens vom 14. August 2020 erhalten. Das Bundesstrafgericht hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 17. November 2021 aufgrund einer Verletzung des rechtlichen Gehörs gut, hob die Schlussverfügungen vom 28. Mai 2021 auf und wies die Sache an die Bundesanwaltschaft zur Neubeurteilung zurück. 
Nach Gewährung der Einsicht in das Rechtshilfeersuchen vom 13. März 2019 und einer Frist zur Stellungnahme, erliess die Bundesanwaltschaft am 28. Februar 2022 zwei neue Schlussverfügungen betreffend die Herausgabe der Bankunterlagen. Die von A.________ und der B.________ SA dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesstrafgericht am 15. August 2022 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 29. August 2022 führen A.________ und die B.________ SA Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragen, den Entscheid des Bundesstrafgerichts vom 15. August 2022 sowie die Eintretensverfügung der Bundesanwaltschaft vom 10. Juli 2019 und die zwei Schlussverfügungen vom 28. Februar 2022 aufzuheben und für nichtig zu erklären. Weiter seien das Rechtshilfeersuchen der Generalstaatsanwaltschaft des brasilianischen Bundesstaates Paraná vom 13. März 2019 sowie vom 14. August 2020 abzuweisen und die Rechtshilfe sei zu verweigern. Die Bundesanwaltschaft sei anzuweisen, die geeigneten Massnahmen nach der Verweigerung der Rechtshilfe zu ergreifen und die beschlagnahmten Dokumente seien zurückzugeben. Eventualiter sei der Entscheid des Bundesstrafgerichts vom 15. August 2022 aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Bundesanwaltschaft, subeventualiter an das Bundesstrafgericht zurückzuweisen. 
Die Vorinstanz liess sich am 2. September 2022 vernehmen und verweist auf ihren Entscheid. Die Bundesanwaltschaft beantragt mit Stellungnahme vom 13. September 2022, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Das Bundesamt für Justiz beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Beschwerdeführer replizierten am 29. September 2022. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeschrift ist auf Französisch verfasst. Das Verfahren vor Bundesgericht wird in einer Schweizer Amtssprache geführt, in der Regel in der Sprache des angefochtenen Entscheids (Art. 54 Abs. 1 BGG). Der angefochtene Entscheid erging auf Deutsch. Aus den Akten ergibt sich zudem, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist. Somit besteht hier kein Anlass, von der gesetzlichen Regelung abzuweichen.  
 
1.2. Zwar betrifft die angefochtene Schlussverfügung eine rechtshilfeweise Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich (Bankunterlagen) und damit ein Sachgebiet, bei dem die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten - gemäss Art. 84 Abs. 1 BGG - insoweit zulässig wäre (BGE 133 IV 125 E. 1.4; 132 E. 1.3). Zu prüfen ist jedoch zusätzlich noch, ob es sich hier um einen besonders bedeutenden Fall - im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG - handelt.  
 
1.3. Ein besonders bedeutender Fall liegt gemäss Art. 84 Abs. 2 BGG "insbesondere" vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist. Das Gesetz enthält eine nicht abschliessende, nur beispielhafte Aufzählung von möglichen besonders bedeutenden Fällen. Darunter fallen nicht nur Beschwerdesachen, die Rechtsfragen von grundsätzlicher Tragweite aufwerfen, sondern überdies auch solche, die aus anderen Gründen besonders bedeutsam sind (BGE 145 IV 99 E. 1.1 mit Hinweisen).  
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist, steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (BGE 145 IV 99 E. 1.2 mit Hinweisen). Gerade im Bereich der sogenannten "kleinen" (akzessorischen) Rechtshilfe kann ein besonders bedeutender Fall nur ausnahmsweise angenommen werden. In der Regel stellen sich namentlich keine wichtigen bzw. erstmals zu beurteilenden Rechtsfragen, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedürften (BGE 136 IV 20 E. 1.2; 134 IV 156 E. 1.3.4). 
 
1.4. Nach der Praxis des Bundesgerichts kann auch die drohende Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze im schweizerischen Rechtshilfeverfahren einen besonders bedeutenden Fall begründen. Diesbezüglich sind die Gesetzeswortlaute von Art. 84 Abs. 2 BGG auf Deutsch und Italienisch massgeblich (BGE 145 IV 99 E. 1.3 mit Hinweisen). Das blosse pauschale Vorbringen des Rechtsuchenden, die Behörden hätten elementare Verfahrensgrundsätze verletzt, lässt einen Rechtshilfefall indessen noch nicht als besonders bedeutend erscheinen. Vielmehr müssen dafür ernsthafte Anhaltspunkte objektiv vorliegen (BGE 145 IV 99 E. 1.4; 133 IV 125 E. 1.4; je mit Hinweisen). An einem besonders bedeutenden Fall bzw. an einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Tragweite fehlt es insbesondere, wenn sich der Vorwurf, die Vorinstanz sei von einer ständigen Praxis des Bundesgerichts abgewichen, in appellatorischer Kritik an den materiellen Erwägungen des angefochtenen Entscheids erschöpft (BGE 145 IV 99 E. 1.2 mit Hinweisen).  
 
1.5. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Rechtsschrift in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 BGG vorliegt, so ist auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist.  
Erachtet das Bundesgericht eine Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen als unzulässig, so fällt es gemäss Art. 107 Abs. 3 BGG - abgesehen von einem hier nicht gegebenen Ausnahmefall - den Nichteintretensentscheid innert 15 Tagen seit Abschluss eines allfälligen Schriftenwechsels. 
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3). 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführer machen geltend, es läge ein besonders bedeutender Fall vor, da sich bisher weder das Bundesgericht noch das Bundesstrafgericht mit der Frage befasst habe, ob die Bundesanwaltschaft eine Schlussverfügung erlassen könne, wenn in einem Rechtshilfeersuchen mehrere Beilagen ausdrücklich erwähnt würden, das Ersuchen diese Beilagen aber nicht enthalte und von den Schweizer Behörden auch nicht eingefordert worden seien. Dabei handle es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.  
 
2.2. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Es stellt sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die Vorinstanz erwog im angefochtenen Entscheid, die Beilagen seien von den brasilianischen Behörden nicht übermittelt worden, seien aber zur Ermittlung des Sachverhalts ohnehin nicht notwendig. Letzterer ergebe sich hinreichend aus dem (ergänzenden) Rechtshilfeersuchen vom 14. August 2020, welches die Anforderungen an den Inhalt eines Ersuchens gemäss Art. 28 IRSG (SR 351.1) und Art 24 des Vertrages vom 12. Mai 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Republik Brasiliens über Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.919.81) erfülle. Die Angaben im Rechtshilfeersuchen hätten es den Schweizer Behörden ermöglicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Rechtshilfe erfüllt seien. Dem Ersuchen liesse sich der Gegenstand und Grund entnehmen, es bezeichne die strafbaren Handlungen und enthalte eine Darstellung des Sachverhalts. Es werde ausführlich dargelegt, in welchem Zeitraum und unter Beteiligung welcher Personen die mutmasslichen Bestechungsgelder an brasilianische Funktionäre geflossen seien. Diese Angaben hätte die Prüfung, ob die doppelte Strafbarkeit gegeben sei, ob die Handlungen rechtshilfefähige Delikte darstellen und ob der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gewahrt sei, ermöglicht (vgl. E. 6.2 f. des angefochtenen Entscheids).  
 
2.3. Wenn die Schweizer Behörden erwogen, die ausführliche Sachverhaltsdarstellung im Rechtshilfeersuchen genüge den gesetzlichen sowie den Anforderungen gemäss der bundesgerichtlichen Praxis und die im Rechtshilfeersuchen erwähnten Beilagen, welche von den brasilianischen Behörden nicht übermittelt worden seien, seien zur Ermittlung des Sachverhalts nicht erforderlich, ist dies nicht zu beanstanden. Das Rechtshilfegericht hat weder Tat- noch Schuldfragen zu prüfen und grundsätzlich auch keine Beweiswürdigung vorzunehmen, sondern ist vielmehr an die Sachverhaltsdarstellung im Ersuchen gebunden, soweit sie nicht durch offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche sofort entkräftet wird (BGE 146 IV 338 E. 4.3; 142 IV 175 E. 5.5; Urteil 1C_644/2015 vom 23. Februar 2016 E. 3.1, nicht publ. in BGE 142 IV 175; je mit Hinweisen). Es kann auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden (vgl. E. 6 f. des angefochtenen Entscheids).  
 
2.4. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer liegen folglich auch keine objektiven Anhaltspunkte für die Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze vor, da ihnen keine Einsicht in die den Schweizer Behörden ohnehin nicht zur Verfügung stehenden Beilagen gewährt wurde. Entscheidend ist, dass die Beschwerdeführer Einsicht in die beiden Rechshilfeersuchen der brasilianischen Behörden hatten, auf welche sich die Behörden gestützt haben. Eine Gehörsverletzung ist nicht ersichtlich (vgl. E. 5 des angefochtenen Entscheids). Auch insofern kann kein besonders bedeutender Fall angenommen werden. Für eine weitergehende Einsicht in die (Straf-) Akten sind die Beschwerdeführer auf das brasilianische Strafverfahren zu verweisen.  
 
2.5. Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die Vorinstanz sei von der konstanten Rechtsprechung des Bundesgerichts abgewichen, wonach es den Betroffenen selber überlassen sei, die Relevanz der Akten zu beurteilen. Art. 80b Abs. 1 IRSG regelt die Einsicht in die Akten, die für die Wahrung der Interessen notwendig sind. Mithin ist Einsicht in Akten zu gewähren, auf die sich die Behörde bei ihrem Entscheid stützt. Wie erwähnt, haben die Schweizer Behörden, die selbst nicht im Besitz der Beilagen zum Rechtshilfeersuchen sind, sich auch nicht auf diese Beilagen abgestützt bzw. diese nicht beigezogen. Auch insoweit ist hier kein besonders bedeutender Rechtshilfefall im Sinne der dargelegten Praxis zu Art. 84 BGG dargetan.  
 
2.6. Soweit die Beschwerdeführer überdies rügen, die ersuchende Behörde sei unzuständig gewesen, ist auf E. 6.5 des angefochtenen Entscheids zu verweisen, wonach es sich bei der Generalstaatsanwaltschaft von Paraná um die zuständige Behörde handelt.  
 
3.  
Nach dem Gesagten liegt kein besonders bedeutender Fall vor. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
Die Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern (zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung) aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde, welche dieser bereits von Gesetzes wegen zukam (vgl. Art. 103 Abs. 2 lit. c BGG), hinfällig. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Bundesanwaltschaft, dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, und dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. Oktober 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied Die Gerichtsschreiberin: 
 
Chaix Sauthier