8C_196/2023 29.11.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_196/2023  
 
 
Urteil vom 29. November 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterinnen Heine, Viscione, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, Geschäftsbereich Schaden/Litigation, 8085 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Manfred Dähler, Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente; versicherter Verdienst), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. Februar 2023 (UV 2021/57). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1953, war seit 2007 als Kontraktmanager bei der Firma B.________ angestellt und dadurch bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend: Zürich) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 30. Juni 2011 verdrehte er sich beim Tennisspielen das linke Knie. Am 20. Dezember 2012 und am 20. Mai 2013 verletzte er sich beim Tennis- beziehungsweise beim Golfspielen am rechten Fuss. Im Herbst 2018 meldete er zudem einen Rückfall bezüglich seiner Beschwerden am linken Knie. 
Die Zürich sprach ihm für die Verletzung am rechten Fuss mit Verfügung vom 4. Oktober 2016 und Einspracheentscheid vom 2. Mai 2017 eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 25 % zu. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 2. April 2019 gut und wies die Sache zu weiteren Abklärungen an die Zürich zurück. Diese holte ein Gutachten des Zentrums C.________, PD Dr. med. D.________, vom 25. April 2020 ein. 
Mit Verfügungen vom 18. Juni und 22. Juni 2020 sprach die Zürich A.________ für die Unfallfolgen am linken Knie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 20 % und für diejenigen am rechten Fuss ab 1. Oktober 2016 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 33 % in der Höhe von Fr. 2'772.- zu. Diesen Betrag korrigierte sie mit Einspracheentscheid vom 6. August 2021 auf Fr. 2'347.-, dies ausgehend von einem versicherten Verdienst von Fr. 113'586.- statt Fr. 126'000.-, wie der Berechnung in der Verfügung vom 22. Juni 2020 noch zugrundegelegt. 
 
B.  
Die von A.________ gegen den Einspracheentscheid vom 6. August 2021 erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung einer höheren Invalidenrente (Fr. 6'636.-) sowie weiterer Taggelder hiess das Versicherungsgericht mit Entscheid vom 21. Februar 2023 teilweise gut. Es sprach A.________ ab 1. Oktober 2016 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 57 % zu. Das Versicherungsgericht erwog zudem, es sei beim versicherten Verdienst nicht nur die Tätigkeit als Kontraktmanager bei der Firma B.________, sondern auch die Beschäftigung als Dozent beim Kantonalen Verband E.________ (Fr. 2'400.-) und beim Zentrum F.________ (Fr. 22'800.-) zu berücksichtigen. Sie wies die Sache an die Zürich zurück zur Rentenberechnung. Im Übrigen wies sie die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat. 
 
C.  
Die Zürich führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der kantonale Gerichtsentscheid sei insoweit aufzuheben, als beim versicherten Verdienst im Rahmen der Rentenberechnung auch die Einkommen aus den Nebentätigkeiten zu berücksichtigen seien. 
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, soweit darauf einzutreten sei. Beide Parteien nehmen mit je einer weiteren Eingabe Stellung. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 2. Juni 2023 gibt der Instruktionsrichter dem Gesuch der Zürich um Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde statt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde an das Bundesgericht ist grundsätzlich nur zulässig gegen Endentscheide (Art. 90 BGG), bei Zwischenentscheiden, insbesondere auch bei Rückweisungen, bedarf es besonderer Voraussetzungen (Art. 92 BGG, Art. 93 Abs. 1 lit. a und lit. b BGG). Wenn die Rückweisung indessen, wie hier, bloss noch der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient, der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, also kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt (BGE 135 V 141 E. 1.1; 134 II 124 E. 1.3), liegt materiell betrachtet kein Zwischen-, sondern ein Endentscheid vor (BGE 140 V 282 E. 4.2; SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131, 9C_684/2007 E. 1.1). Es ist daher auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
Streitig ist einzig, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie bei der Berechnung des versicherten Verdienstes für die Invalidenrente die Einkommen des Beschwerdegegners aus seinen Nebentätigkeiten als Dozent miteinbezog. Unbestrittenerweise handelt es sich bei den zu beurteilenden Ereignissen um Nichtberufsunfälle, die im Übrigen auch nicht auf dem Arbeitsweg erlitten wurden. 
 
3.  
 
3.1. Nach Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des UVG vom 25. September 2015, in Kraft getreten am 1. Januar 2017, werden Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten der Änderung ereignet haben, nach bisherigem Recht gewährt (AS 2016 4375 ff., 4387). Da sämtliche Unfallereignisse vor diesem Zeitpunkt datieren, gelangen daher Art. 15 UVG und Art. 22 ff. UVV in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung zur Anwendung (vgl. auch Art. 118 Abs. 1 UVG; BGE 143 V 285 E. 2.1; 143 V 341 E. 3.1; Urteil 8C_483/2017 vom 3. November 2017 E. 3). Die nachfolgend zitierten Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen beziehen sich (bis auf die bezeichneten Ausnahmen) auf die damals in Kraft stehende Fassung.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Gemäss Art. 15 Abs. 1 UVG werden Taggelder und Renten nach dem versicherten Verdienst bemessen. Nach Abs. 2 der nämlichen Bestimmung gilt als versicherter Verdienst für die Bemessung der Taggelder der letzte vor dem Unfall bezogene Lohn, für die Bemessung der Renten der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn. In Abs. 3 wird dem Bundesrat die Kompetenz zur Festsetzung des Höchstbetrags des versicherten Verdienstes (vgl. Art. 18 ATSG) sowie zum Erlass von Bestimmungen über den versicherten Verdienst in Sonderfällen übertragen. Als solche nennt Art. 15 Abs. 3 UVG namentlich eine langdauernde Taggeldberechtigung (lit. a), Berufskrankheiten (lit. b), Versicherte, die nicht oder noch nicht den berufsüblichen Lohn erhalten (lit. c), sowie Versicherte, die unregelmässig beschäftigt sind (lit. d).  
 
3.2.2. Art. 22 UVV regelt den Höchstbetrag des versicherten Verdienstes (Abs. 1) sowie verschiedene weitere Aspekte, unter anderem die Abweichungen vom massgebenden Lohn gemäss AHVG (Abs. 2) und die für die Bemessung des Taggeldanspruchs massgebenden Grundlagen (Abs. 3). In Abs. 4 bezieht sich Art. 22 UVV namentlich auf den Rentenanspruch, nämlich wörtlich wie folgt: "Als Grundlage für die Bemessung der Renten gilt der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bei einem oder mehreren Arbeitgebern bezogene Lohn, einschliesslich noch nicht ausbezahlter Lohnbestandteile, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Dauerte das Arbeitsverhältnis nicht das ganze Jahr, so wird der in dieser Zeit bezogene Lohn auf ein volles Jahr umgerechnet. Bei einer zum voraus befristeten Beschäftigung bleibt die Umrechnung auf die vorgesehene Dauer beschränkt."  
 
3.2.3. In Art. 23 und 24 UVV werden sodann die in Art. 15 Abs. 3 UVG angesprochenen Sonderfälle der Bemessung des versicherten Verdienstes im Einzelnen für den Taggeld- bzw. den Rentenanspruch geregelt.  
 
3.2.3.1. Nebst einer ganzen Reihe von Sonderregeln enthält insbesondere Abs. 5 von Art. 23 UVV auch eine solche für die Mehrfachbeschäftigung. In der seit dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung vom 9. November 2016 lautet die Bestimmung wie folgt (AS 2016 4393 ff., 4395) : "War der Versicherte vor dem Unfall bei mehr als einem Arbeitgeber tätig, so ist der Gesamtlohn aus allen Arbeitsverhältnissen massgebend, unabhängig davon, ob diese Arbeitsverhältnisse eine Deckung nur bei Berufsunfällen oder auch bei Nichtberufsunfällen begründet haben. Diese Bestimmung gilt auch für die freiwillige Versicherung." Dieser zweite Satz sowie der mit "unabhängig davon..." eingeleitete Teil des ersten Satzes von Art. 23 Abs. 5 UVV waren in der zuvor bis Ende 2016 in Kraft stehenden (hier massgebenden) Fassung noch nicht enthalten gewesen (AS 1983 45; vgl. BGE 139 V 148 E. 2.2 a. E.).  
In diesem Zusammenhang gilt es an das Äquivalenzprinzip zu erinnern. Nach diesem tragenden Grundsatz der Unfallversicherung ist für die Bemessung des versicherten Verdienstes, der den Geldleistungen zugrunde liegt, von den gleichen Faktoren auszugehen, die auch Basis der Prämienberechnung bilden (BGE 139 V 148 E. 7.2.2). Dabei hat das Bundesgericht gerade mit Blick auf Art. 23 Abs. 5 UVV erkannt, dass eine Durchbrechung des Äquivalenzprinzips zugunsten des Solidaritätsprinzips insoweit in Kauf genommen wird, als es einen umfassenden Versicherungsschutz in Bezug auf Berufsunfälle sowie Unfälle auf dem Arbeitsweg anzustreben gilt (BGE 139 V 148 E. 7.2.3 und 7.3.1 f.). Dies führte dazu, dass für einen Arbeitswegunfall, der einzig wegen einer bestehenden Berufs- und Nichtberufsunfalldeckung bei einem von mehreren Arbeitgebern als Nichtberufsunfall qualifiziert wurde, der Einbezug von nur gegen die Folgen von Berufsunfällen versicherten Einkommen geboten war (BGE 139 V 148 E. 8; vgl. demgegenüber noch BGE 126 V 26).  
 
3.2.3.2. Beim massgebenden Lohn für Renten (Art. 24 UVV) gilt als Sonderfall ein verminderter Verdienst wegen Militärdienst, Zivildienst, Zivilschutzdienst, Unfall, Krankheit, Mutterschaft, Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit (Abs. 1), ein Rentenbeginn mehr als fünf Jahre nach dem Unfall beziehungsweise dem Ausbruch der Berufskrankheit (Abs. 2), ein Unfall noch während der Berufsausbildung (Abs. 3) oder der erneute Unfall eines Versicherten, der bereits eine Invalidenrente bezieht (Abs. 4). Nicht erwähnt wird demgegenüber in Art. 24 UVV die Mehrfachbeschäftigung. Daran hat auch die Revision der UVV vom 9. November 2016 nichts geändert.  
 
3.2.3.3. In den Blick zu nehmen ist schliesslich auch Art. 99 UVV betreffend die Leistungspflicht bei Versicherten mit mehreren Arbeitgebern. Nach dessen Abs. 2 in der Fassung gemäss Ziff. I der Verordnung vom 15. Dezember 1997, in Kraft seit 1. Januar 1998 (AS 1998 151 ff., 157), ist bei Nichtberufsunfällen der Versicherer jenes Arbeitgebers leistungspflichtig, bei dem der Versicherte vor dem Unfall zuletzt tätig und für Nichtberufsunfälle versichert war. Die anderen Versicherer müssen dem leistungspflichtigen Versicherer bei Unfällen, die zu einer Rentenleistung oder zu einer Integritätsentschädigung führen, einen Teil der Versicherungsleistungen zurückerstatten. Ihr Anteil richtet sich nach dem Verhältnis des bei ihnen versicherten Verdienstes zum gesamten versicherten Verdienst.  
 
4.  
 
4.1. Gemäss Vorinstanz sei die Sonderregel von Art. 23 Abs. 5 UVV betreffend Mehrfachbeschäftigung nicht nur bei der Taggeldbemessung anzuwenden. Aus Gründen der Gleichbehandlung habe dies auch bei der Berechnung des versicherten Verdienstes bei der Invalidenrente zu geschehen, für die eine entsprechende ausdrückliche Regelung in Art. 24 UVV über den massgebenden Lohn für Renten in Sonderfällen fehle.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die von der Vorinstanz vertretene Auffassung widerspreche dem in Art. 92 Abs. 1 UVG verankerten Prinzip der Äquivalenz zwischen Prämien und Leistungen. Dass dieses zu durchbrechen wäre bei der Berechnung des versicherten Verdienstes für Renten, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Selbst nach dem - sofern hier überhaupt anzuwendenden - bis 31. Dezember 2016 geltenden Art. 23 Abs. 5 UVV und der dazu ergangenen Rechtsprechung könnten jedenfalls zumindest bei Nichtberufsunfällen keine Löhne mitberücksichtigt werden, auf die keine Prämien bezahlt worden seien. Nachdem Art. 24 UVV betreffend den versicherten Verdienst bei Renten keine Regelung für mehrfach Beschäftigte enthalte und zudem anlässlich der letzten UVG-Revision auch keine diesbezügliche Änderung erfolgt sei, falle eine Anwendung von Art. 23 UVV ausser Betracht.  
 
4.3. Der Beschwerdegegner wendet gegen diese Argumentation insbesondere ein, es sei nicht erstellt, dass im Rahmen seiner Nebentätigkeit keine Unfallversicherungsprämien geleistet worden seien beziehungsweise dass keine Versicherungsdeckung für Nichtberufsunfälle bestanden habe. Zumindest im Jahr 2012 sei er für Nichtberufsunfälle versichert gewesen.  
 
5.  
 
5.1. Gesetzesbestimmungen sind in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen. An einen klaren Gesetzeswortlaut ist die rechtsanwendende Behörde grundsätzlich gebunden. Abweichungen vom klaren Wortlaut sind indessen zulässig oder sogar geboten, wenn triftige Gründe zur Annahme bestehen, dass er nicht dem wahren Sinn der Bestimmung entspricht. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben. Vom klaren Wortlaut kann ferner abgewichen werden, wenn die grammatikalische Auslegung zu einem Ergebnis führt, das der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann. Im Übrigen sind bei der Auslegung alle herkömmlichen Auslegungselemente zu berücksichtigen, wobei das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus befolgt und es ablehnt, die einzelnen Auslegungselemente einer Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 148 V 265 E. 5.3.3 mit Hinweisen).  
Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen ist, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann. Von einer unechten oder rechtspolitischen Lücke ist demgegenüber die Rede, wenn dem Gesetz zwar eine Antwort, aber keine befriedigende zu entnehmen ist. Echte Lücken zu füllen, ist dem Gericht aufgegeben, unechte zu korrigieren, ist ihm nach traditioneller Auffassung grundsätzlich verwehrt (BGE 148 V 84 E. 7.1.2). 
Ob eine zu füllende Lücke oder ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ist ein lückenhaftes Gesetz zu ergänzen, gelten als Massstab die dem Gesetz selbst zugrunde liegenden Zielsetzungen und Werte. Lücken können oftmals auf dem Weg der Analogie geschlossen werden. Umgekehrt ist Voraussetzung für die analoge Anwendung eines Rechtssatzes, dass zunächst das Vorliegen einer Lücke im Gesetz festgestellt wird (BGE 148 V 84 E. 7.1.2; vgl. zum Ganzen: Urteil 1C_624/2022 vom 21. April 2023 E. 6.6 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). 
 
5.2.  
 
5.2.1. Aus dem Gesetz selber lässt sich hinsichtlich des versicherten Verdienstes Mehrfachbeschäftigter mit Blick auf die in der Verordnung zu regelnden Sonderfälle nichts Konkretes ableiten (Art. 15 Abs. 2 und Abs. 3 UVG).  
 
5.2.2. Was sodann die explizit auf Sonderfälle bezogenen Art. 23 und Art. 24 UVV anbelangt, fällt auf, dass hier die Mehrfachbeschäftigung - wie gesehen (E. 3.2.3 oben) - nach unmissverständlichem Wortlaut ausdrücklich nur bei der Taggeld- (Art. 23 UVV), nicht aber bei der Rentenbemessung (Art. 24 UVV) erwähnt wird. Aus der Entstehungsgeschichte, das heisst den Protokollen der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die obligatorische Unfallversicherung, ergibt sich in dieser Hinsicht nichts Weiteres. Über die hier interessierenden, die Mehrfachbeschäftigung betreffenden Bestimmungen wurde im Einzelnen nicht diskutiert und sie erfuhren im weiteren Verlauf, soweit hier von Belang, auch keine Änderung (Beratung der Art. 21 bis 23 des Vorentwurfs vom 20. Mai 1980 in den Sitzungen vom 10. Juni 1980 und, in zweiter Lesung, nunmehr Art. 22 bis 24, vom 29. April 1981). Wird jedoch in Betracht gezogen, dass Art. 23 Abs. 5 UVV insbesondere im Nachgang zu BGE 139 V 148 mit Inkrafttreten auf den 1. Januar 2017 revidiert und dabei explizit um den Passus betreffend Berufs- und Nichtberufsunfälle erweitert wurde (E. 3.2.3.1 oben), kann jedenfalls nicht auf ein gesetzgeberisches Versehen geschlossen werden, wenn derlei im gleichen Zug keinen Eingang in Art. 24 UVV gefunden hat.  
 
5.2.3. In den Blick zu nehmen ist auf Verordnungsstufe jedoch auch Art. 22 Abs. 4 Satz 1 UVV (vgl. E. 3.2.2 oben), wonach als Grundlage für die Rentenbemessung der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bei einem oder mehreren Arbeitgebern bezogene Lohn gilt ([le] "salaire que l'assuré a reçu d'un ou plusieurs employeurs"; [il] "salario pagato all'assicurato da uno o più datori di lavoro"). Dieser Wortlaut spricht zumindest auf Anhieb für die vorinstanzlich vertretene Sichtweise. Auch im Schrifttum wird dementsprechend mitunter die Auffassung vertreten, der versicherte Verdienst bemesse sich (auch) für die Rente nach dem Gesamtlohn (Brunner/Vollenweider, in: Basler Kommentar zum UVG, 2019, N. 15 zu Art. 15; Kaspar Gehring, in: KVG/UVG Kommentar, 2018, N. 9 zu Art. 15 UVG), wobei zur Begründung im Wesentlichen ohne weitere Ausführungen auf die beim Taggeld nach Art. 23 Abs. 5 UVV geltende Regelung verwiesen wird.  
Keine entscheidende Bedeutung für die Auslegung von Art. 22 Abs. 4 UVV kann dem Umstand beigemessen werden, dass diese Bestimmung, anders als Art. 23 und 24 UVV, nicht ausdrücklich von "Sonderfall" spricht. Denn die Rechtsprechung hat auch schon in Art. 22 Abs. 4 Satz 2 und 3 UVV Sonderregeln erblickt, die der Bundesrat in Abweichung von Art. 15 Abs. 2 UVG zu erlassen befugt ist (RKUV 2005 Nr. U 551 S. 299, U 307/04 E. 1.2). Anderseits fällt auf, dass die Bestimmung zwar von mehreren Arbeitgebern spricht. Auch damit wird für die hier zu entscheidende Frage nichts gewonnen. Denn abgesehen davon, dass es den bereits dargelegten Art. 99 Abs. 2 UVV im Auge zu behalten gilt (vgl. E. 3.2.3.3 sowie E. 5.4), trägt diese Formulierung auch der Möglichkeit zeitlich gestaffelter Arbeitsverhältnisse Rechnung, dies namentlich mit Blick auf den Bemessungszeitraum, der - anders als in Art. 22 Abs. 3 UVV - ein ganzes Jahr beträgt. Wird zudem in Betracht gezogen, dass auf den 1. Januar 2017 allein Art. 23 Abs. 5 UVV mit der in allen Sprachversionen klar gefassten expliziten Ausdehnung auf Nichtberufsunfälle im Nachgang zur Rechtsprechung angepasst worden ist, ohne derlei auch in Art. 22 Abs. 4 (oder in Art. 24) UVV vorzusehen, spricht dies dagegen, diese Bestimmung (en) über den eigenen Wortlaut hinaus in Anlehnung an denjenigen von Art. 23 Abs. 5 UVV auszulegen. Dies gilt jedenfalls für die Belange des vorliegenden Falles, wo es nicht um Arbeitswegunfälle, sondern um eigentliche Nichtberufsunfälle geht. Insofern besteht zu einer weitergehenden Durchbrechung des Äquivalenzprinzips auch mit Blick auf das von der bisherigen Rechtsprechung Erwogene (vgl. E. 3.2.3.1 oben) kein zwingender Grund. 
 
5.2.4. Auch aus der letzten Gesetzesrevision folgt nichts Anderes: In der Botschaft zur Änderung des UVG vom 30. Mai 2008 (BBl 2008 5395 ff., 5426, 5467) war die Mehrfachbeschäftigung innerhalb eines Jahres vor dem Unfall in Art. 15 Abs. 2bis lit. a ausdrücklich geregelt im Sinne der Mitberücksichtigung aller Einkommen. Die Vorlage wurde indessen von National- und Ständerat an den Bundesrat zurückgewiesen (AB 2010 N 1422, 1429, 2011 S 42 f.). In dessen Zusatzbotschaft zur Änderung des UVG vom 19. September 2014 war eine Änderung des Art. 15 UVG nicht mehr vorgesehen (BBl 2014 7911 ff., 7970 f.). Daraus lässt sich somit für die Beurteilung der sich hier stellenden Frage jedenfalls nichts zugunsten des Beschwerdegegners gewinnen. Im Gegenteil wollte der Gesetzgeber die Neuordnung des versicherten Verdienstes im Rahmen der Revision per 1. Januar 2017 ausdrücklich ausklammern und der Verordnungsgeber begnügte sich seinerseits allein mit einer Anpassung von Art. 23 Abs. 5 UVV (AS 2016 4393 ff., 4395).  
 
5.2.5. Nach dem Gesagten ist demnach nicht zu beanstanden, wenn Art. 22 Abs. 4 UVV in Bezug auf den Nichtberufsunfall nicht genau gleich ausgelegt wird wie Art. 23 Abs. 5 UVV. Eine Ungleichbehandlung von Taggeld und Invalidenrente findet sich denn auch an anderer Stelle wie beispielsweise bei dem in Art. 36 UVG geregelten Zusammentreffen verschiedener Schadensursachen.  
 
5.3. Zusammengefasst können die vom Beschwerdegegner ausgeübten Nebenbeschäftigungen als Dozent bei der Bemessung seiner Rente nicht als Sonderfall in dem Sinne gelten, dass die Beschwerdeführerin nebst dem bei ihr versicherten Verdienst zusätzlich auch die dort erzielten - nicht versicherten - Einkünfte zu berücksichtigen hätte. Insbesondere fehlt es diesfalls bei den hier zu beurteilenden eigentlichen Nichtberufsunfällen an dem bei Unfällen auf dem Arbeitsweg zu beachtenden besonderen Schutzbedürfnis, das eine Durchbrechung des Äquivalenzprinzips zu rechtfertigen vermöchte.  
 
5.4. Vom Erwogenen abzugrenzen gilt es jedoch den von Art. 99 Abs. 2 UVV erfassten Fall (vgl. E. 3.2.3.3), wo eine versicherte Person für mehrere Arbeitgeber tätig ist und für jedes Arbeitsverhältnis auch hinsichtlich der Nichtberufsunfälle eine Versicherungsdeckung besteht. Der Beschwerdegegner macht unter Hinweis auf einen schon vorinstanzlich eingereichten Beleg eine solche Konstellation geltend, indem er sich auf seine Nebentätigkeit für das Zentrum F.________ beruft. Die Beschwerdeführerin widersetzt sich dem.  
 
5.4.1. Gemäss den damals der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen war der Beschwerdegegner im Jahr 2012 - als sich, am 20. Dezember, der erste hier zu beurteilende Unfall mit Verletzung des rechten Fusses ereignete - beim Zentrum F.________ beschäftigt. Nach dessen Aufstellung belief sich das Engagement auf insgesamt 133 Stunden in acht Monaten, und zwar 21 Stunden im Januar, 14 im Februar, 35 im März, 21 im Mai, 14 im August, 7 im Oktober, 14 im November und 7 Stunden im Dezember. Das Zentrum F.________ bestätigte mit Schreiben vom 16. Dezember 2021, dass in jenem Jahr 2012 eine Versicherung für Nichtberufsunfälle bestanden habe.  
 
5.4.2. Nach Art. 13 Abs. 1 UVV sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, deren wöchentliche Arbeitszeit bei einem Arbeitgeber mindestens acht Stunden beträgt, auch gegen Nichtberufsunfälle versichert. Gestützt auf die Aufstellung des Zentrums F.________ wurde diese zeitliche Grenze höchstens im März 2012 überschritten. In den sieben weiteren Monaten des Jahres, in denen der Beschwerdegegner für das Zentrum F.________ arbeitete, leistete er deutlich weniger als acht Stunden pro Woche. Damit fehlt es an der Voraussetzung der Mindestarbeitszeit, die bei Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung für eine obligatorische Nichtberufsunfallversicherung verlangt wird. Der Beschwerdegegner kann daher für seine Nebentätigkeit beim Zentrum F.________ nicht als versichert gelten. Daran ändert nichts, wenn das Zentrum F.________ gemäss eigenen Angaben vom 16. Dezember 2021 Versicherungsprämien auch für Nichtberufsunfälle bezahlt hat. Die hier interessierende Versicherungsdeckung lässt sich nicht erkaufen. Die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung ist von Gesetzes wegen nur für in der Schweiz wohnhafte Selbstständigerwerbende und ihre nicht obligatorisch versicherten mitarbeitenden Familienglieder vorgesehen (Art. 4 UVG). Der Beschwerdegegner vermag mit seinem Einwand nicht durchzudringen.  
 
6.  
Die Beschwerde des Unfallversicherers ist nach dem Gesagten gutzuheissen. Der Berechnung der Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 57 %, die das kantonale Gericht dem Beschwerdegegner zugesprochen hat, ist - wie im Einspracheentscheid vom 6. August 2021 - ein versicherter Verdienst von Fr. 113'586.- zugrundezulegen. 
 
7.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdegegner auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Eine Parteientschädigung steht der in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegenden Beschwerdeführerin nicht zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. Februar 2023 wird insoweit abgeändert, als der Rentenberechnung ein versicherter Verdienst von Fr. 113'586.- zugrundezulegen ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 29. November 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo