2C_208/2011 23.09.2011
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_208/2011 
 
Urteil vom 23. September 2011 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Gerichtsschreiber Merz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Ruth Schierbaum, 
 
gegen 
 
Amt für Polizeiwesen und Zivilrecht Graubünden, Fremdenpolizei, Karlihof 4, 7002 Chur, 
 
Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden, Hofgraben 5, 7001 Chur. 
 
Gegenstand 
Widerruf bzw. Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 9. November 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die ukrainische Staatsangehörige X.________ (geb. 1982) reiste im März 2005 erstmals in die Schweiz ein, wo sie als Cabaret-Tänzerin arbeitete. Im März 2006 heiratete sie den Schweizer Bürger Y.________ (geb. 1983). Hierauf gestützt erhielt sie eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Graubünden zum Verbleib bei ihrem Ehemann. Diese wurde letztmals im März 2009 bis zum 21. März 2010 verlängert. 
 
Infolge der Trennung der Eheleute widerrief das Amt für Polizeiwesen und Zivilrecht Graubünden am 11. Dezember 2009 die Aufenthaltsbewilligung und setzte X.________ eine Frist zur Ausreise aus der Schweiz an. Dagegen erhob Letztere erfolglos Rechtsmittel beim Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit und anschliessend beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. 
 
B. 
Mit Beschwerde vom 2. März 2011 beantragt X.________ dem Bundesgericht, das in der Sache zuletzt ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. November 2010 aufzuheben. 
 
Das kantonale Amt für Polizeiwesen und Zivilrecht, das Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden sowie - mit Postaufgabe vom 5. Juli 2011 und deshalb verspätet und unbeachtlich - das Bundesamt für Migration beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
 
C. 
Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der Beschwerde am 9. März 2011 antragsgemäss die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Ausreiseverpflichtung zuerkannt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Da die Laufzeit der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin am 21. März 2010 endete, geht es hier nicht mehr um den Bewilligungswiderruf als solchen, sondern darum, ob auch nach dem erwähnten Zeitpunkt ein Anspruch auf die weitere Gewährung des Aufenthalts besteht (vgl. Urteil 2C_635/2009 vom 26. März 2010 E. 1.1 mit Hinweisen). Mit Urteil vom 29. Januar 2010 - seit dem 23. Februar 2010 rechtskräftig - wurde die mit dem Schweizer Bürger eingegangene Ehe der Beschwerdeführerin geschieden. Mithin kann sie sich nur noch auf einen Anspruch auf Bewilligung des Aufenthaltes berufen, der aus Art. 50 AuG (SR 142.20) abgeleitet wird. Gemäss Art. 50 Abs. 1 AuG besteht der Anspruch des ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach Auflösung der Ehe weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre angehalten hat und eine erfolgreiche Integration gegeben ist (lit. a) oder wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (lit. b). Die Beschwerdeführerin behauptet in schlüssiger Weise, die Voraussetzungen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG seien erfüllt, weshalb auf ihre Beschwerde einzutreten ist und die Ausschlussbestimmung von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG insoweit nicht greift (vgl. in BGE 136 II 113 nicht publizierte E. 1.1). 
 
Daran ändert nichts, dass sie sich im Herbst 2009 nach Zürich abgemeldet hat und dort - auf ihr Gesuch hin - noch ein Verfahren zur Bewilligung des Kantonswechsels hängig ist (vgl. in BGE 2C_327/2010 vom 19. Mai 2011 nicht publizierte E. 2.1). Besteht gestützt auf Art. 50 AuG ein Anspruch auf die umstrittene Bewilligung, gilt dieser für die ganze Schweiz. Der Entscheid über den Verbleib nach dieser Bestimmung ist nicht dem Ermessen der jeweiligen kantonalen Behörden überlassen (BGE 137 II 1 E. 3.1 S. 5). Zwar macht die Beschwerdeführerin geltend, "aktuell" sei der Kanton Zürich für die Regelung ihres Aufenthaltes zuständig. Sie hat jedoch erst nach dem Widerruf ihrer Bewilligung durch das Bündner Amt für Polizeiwesen und Zivilrecht um Bewilligung des Kantonswechsels im Kanton Zürich ersucht. Ausserdem hat sie einen Anspruch auf Kantonswechsel nur, wenn sie mindestens über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt (vgl. Art. 37 AuG). Die Beschwerdeführerin behauptet zudem nicht, der Kanton Zürich habe den Kantonswechsel bzw. den Aufenthalt in seinem Gebiet inzwischen bewilligt. Mithin durften die Bündner Instanzen das Verfahren fortsetzen und darüber befinden, ob ein Anspruch nach Art. 50 AuG besteht. Die Beschwerdeführerin hat sich im Übrigen sowohl vor den Bündner Instanzen als auch vor Bundesgericht zu den entsprechenden Voraussetzungen dieses Anspruchs geäussert. Ihr Rechtsbegehren ist denn auch dahin gehend zu interpretieren, dass es ihr nicht nur um die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, sondern ebenso um die weitere Bewilligung des Aufenthaltes gestützt auf Art. 50 AuG geht. 
 
2. 
2.1 Zwischen den Beteiligten ist einzig streitig, ob die Ehegemeinschaft im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG mindestens drei Jahre bestanden hat. Die Vorinstanz ist der Auffassung, diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Sie geht davon aus, die Beschwerdeführerin habe seit April 2008 nicht mehr mit ihrem früheren Ehemann zusammengewohnt. Die ehelichen Konflikte, die damals zur Trennung geführt hätten, stellten keine wichtigen Gründe dar, die ein Getrenntleben gemäss Art. 49 AuG rechtfertigen würden. Zudem habe die Ehegemeinschaft während der Trennung nicht mehr bestanden. 
 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Eheleute hätten die Ehe erst im April/Mai 2009, mithin über drei Jahre nach der Heirat im März 2006, aufgegeben. Sie habe nur wegen der Wiederaufnahme ihrer Arbeit als Cabaret-Tänzerin in anderen Städten übernachtet. Insoweit liege aber ein wichtiger beruflicher Grund gemäss Art. 49 AuG vor für eine Ausnahme vom Erfordernis des Zusammenwohnens. Ihren Lebensmittelpunkt habe sie zudem bis April/Mai 2009 beim Ehemann beibehalten. Die gegenteilige Feststellung der Vorinstanz sei akten- und sachverhaltswidrig. 
 
2.2 Den Feststellungen der Vorinstanz zufolge trennten sich die Eheleute im April 2008 infolge von ehelichen Problemen. Danach kehrte die Beschwerdeführerin selbst an ihren arbeitsfreien Tagen nicht mehr in die eheliche Wohnung zurück. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die eheliche Gemeinschaft unter aktiver, zielgerichteter Aufarbeitung der geklagten Eheprobleme wieder aufgenommen werden sollte. Dass diese Feststellungen offensichtlich unrichtig seien, legt die Beschwerdeführerin nicht dar und ist auch nicht ersichtlich (vgl. Art. 97 und 105 BGG). Unbehelflich ist insoweit der blosse, unsubstanziierte Einwand der Beschwerdeführerin, die Ehe sei "an den gemeinsamen Freitagen weitergelebt" worden. Aus den Angaben des Ehemannes ergibt sich, dass nach der Trennung im Frühjahr 2008 fast nur noch gelegentliche telefonische Kontakte zwischen den Eheleuten stattfanden. Konkrete gemeinsame Aktivitäten - wie anlässlich von Urlauben - wurden nicht geltend gemacht. Demzufolge ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz zum Schluss gelangt, die Ehegemeinschaft habe nur bis zum Frühjahr 2008 und damit weniger als drei Jahre bestanden. Insoweit kommt es nicht mehr darauf an, ob die Wiederaufnahme der Tätigkeit als Cabaret-Tänzerin einen wichtigen Grund für eine Ausnahme vom Erfordernis des Zusammenwohnens gemäss Art. 49 AuG dargestellt hätte. Dementsprechend musste sich das Verwaltungsgericht hiezu entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht äussern, womit es ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV auch nicht verletzt hat. Ebenso wenig wurde gegen das Prinzip von Treu und Glauben verstossen. Nachdem die Beschwerdeführerin nicht dargelegt hat, was sie für unwiederbringliche Anstalten getroffen hatte, als ihre Bewilligung in den Jahren 2008 und 2009 zunächst noch verlängert worden war, hat für die Vorinstanz kein Anlass bestanden, auf dieses Vorbringen näher einzugehen. Ausserdem mögen die Behörden seinerzeit von der Wiederaufnahme der Tätigkeit als Cabaret-Tänzerin gewusst und dies zunächst gebilligt haben. Von der Auflösung der Ehegemeinschaft erfuhren sie jedoch erst später. Daraus wird im Übrigen ersichtlich, dass die Behörden - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin - das Scheitern der Ehe nicht einfach an der Tänzerinnentätigkeit festgemacht haben. 
 
2.3 Somit erweist sich der Entscheid des Verwaltungsgerichts, dem im Übrigen die zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung zutreffend zugrunde gelegt wird (vgl. insb. BGE 136 II 113 [2C_304/2009]; erwähntes Urteil 2C_635/2009; Urteil 2C_314/2010 vom 26. Juli 2010), als bundesrechtskonform und die Beschwerde als unbegründet. Diese ist daher abzuweisen, wobei ergänzend auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen wird. 
 
3. 
Diesem Ausgang entsprechend hat die Beschwerdeführerin die - mit Blick auf ihre finanzielle Lage leicht reduzierten - Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 65 f. BGG). Wohl hat sie das Bundesgericht gemäss Art. 64 BGG um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung ersucht, doch erwies sich ihre Beschwerde nach dem Dargelegten als aussichtslos, weshalb auch dieses Gesuch abzuweisen ist. Parteientschädigungen werden nicht zugesprochen (vgl. Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 23. September 2011 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Merz