1C_308/2022 19.07.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_308/2022  
 
 
Urteil vom 19. Juli 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Haag, Müller, 
Gerichtsschreiber Vonlanthen. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Zuger Heimatschutz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Stadtrat von Zug, 
Stadthaus am Kolinplatz, Gubelstrasse 22, 
Postfach, 6301 Zug, 
 
Regierungsrat des Kantons Zug, Regierungsgebäude am Postplatz, Seestrasse 2, Postfach 156, 6301 Zug. 
 
Gegenstand 
Denkmalschutz (Nichtunterschutzstellung 
Kantonsschule Lüssiweg), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, 
vom 11. April 2022 (V 2020 44). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Auf Gesuch der Baudirektion des Kantons Zug entschied der Regierungsrat des Kantons Zug mit Beschluss vom 30. Juni 2020, dass die Gebäudegruppe der Kantonsschule Lüssiweg 22-26 auf dem Grundstück Nr. 3070 in Zug nicht unter kantonalen Denkmalschutz gestellt wird und alle verzeichneten Elemente der Kantonsschule nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses aus dem Inventar der schützenswerten Denkmäler entlassen werden. 
 
B.  
Gegen den Beschluss des Regierungsrats erhoben der Schweizer Heimatschutz sowie der Zuger Heimatschutz Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug. Mit Urteil vom 11. April 2022 trat das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde des Schweizer Heimatschutzes mangels Beschwerdelegitimation nicht ein und wies die Beschwerde des Zuger Heimatschutzes ab. 
 
C.  
Der Zuger Heimatschutz gelangt am 24. Mai 2022 mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur vollständigen materiellen Beurteilung an die Vorinstanzen zurückzuweisen. 
Für den Regierungsrat des Kantons Zug beantragt die Direktion des Inneren, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei diese vollumfänglich abzuweisen. Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Der Zuger Heimatschutz hält in seiner Replik an seinen Anträgen fest. Die Direktion des Inneren reichte eine Duplik ein, zu der sich der Zuger Heimatschutz erneut äusserte. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 147 I 89 E. 1; 146 II 276 E. 1). 
 
1.1. Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid im Bereich des Denkmalschutzes. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG); ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Umstritten ist indes, ob der Beschwerdeführer zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert ist.  
 
1.2.  
 
1.2.1. Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (Art. 89 Abs. 1 BGG). Ein Verband, der als juristische Person konstituiert ist, kann insbesondere zur Wahrung der eigenen Interessen Beschwerde führen. Er kann aber auch die Interessen seiner Mitglieder geltend machen, wenn es sich um solche handelt, die er nach seinen Statuten zu wahren hat, die der Mehrheit oder doch einer Grosszahl seiner Mitglieder gemeinsam sind und zu deren Geltendmachung durch Beschwerde jedes dieser Mitglieder befugt wäre (BGE 142 II 80 E. 1.4.2; 137 II 40 E. 2.6.4; 136 II 539 E. 1.1; je mit Hinweisen; sogenannte "egoistische Verbandsbeschwerde"). Ferner sind zur Beschwerde Organisationen berechtigt, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt (Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG).  
 
1.2.2. Der Beschwerdeführer ist als privatrechtlicher Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB konstituiert, dessen statutarischer Zweck im Heimat-, Denkmal- und Naturschutz in seinem weitesten Umfang liegt. Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, er sei im kantonalen Verfahren Partei gewesen, vom angefochtenen Entscheid betroffen und habe ein schutzwürdiges, aktuelles Interesse an seiner Aufhebung. Inwieweit er selbst wie eine natürliche Person betroffen sein sollte oder die Mehrheit seiner Mitglieder durch die Nichtunterschutzstellung der betreffenden Gebäude besonders berührt wären, legt der Beschwerdeführer jedoch weder dar, noch ist dies ersichtlich (vgl. auch Urteile 1C_436/2020 vom 29. März 2021 E. 1.2; 1C_617/2017 vom 25. Mai 2018 E. 1.2). Gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG kann daher keine Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers abgeleitet werden.  
Vor der Vorinstanz war der Beschwerdeführer gestützt auf § 39 Abs. 2 des Gesetzes vom 26. April 1990 über Denkmalpflege, Archäologie und Kulturgüterschutz des Kantons Zug (Denkmalschutzgesetz, DMSG/ZG; BGS 423.11) als kantonale Vereinigung, die sich statutengemäss dem Denkmalschutz widmet, zur Beschwerde berechtigt. Dieses Verbandsbeschwerderecht gilt jedoch nur auf kantonaler Ebene und gelangt vor Bundesgericht nicht zur Anwendung. Was das Verbandsbeschwerderecht gemäss Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) anbelangt, so ist dieses gesamtschweizerisch tätigen Organisationen vorbehalten und kann sich der Beschwerdeführer als kantonal tätige Heimatschutzorganisation nicht darauf berufen (vgl. Urteile 1C_436/2020 vom 29. März 2021 E. 1.2; 1C_617/2017 vom 25. Mai 2018 E. 1.2). Folglich ergibt sich auch aus der Spezialgesetzgebung kein Beschwerderecht des Beschwerdeführers. 
 
1.3.  
 
1.3.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann jedoch der Beschwerdeführer, dem auf kantonaler Ebene ein Verbandsbeschwerderecht zusteht, vor Bundesgericht geltend machen, im kantonalen Verfahren in seinen Parteirechten verletzt worden zu sein (Urteile 1C_436/2020 vom 29. März 2021 E. 1.2; 1C_617/2017 vom 25. Mai 2018 E. 1.2). In diesem Rahmen kann namentlich die Verletzung des Verbots der formellen Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV) und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) gerügt werden, soweit diese Vorwürfe unabhängig vom Entscheid in der Sache beurteilt werden können (vgl. Urteile 1C_14/2020 vom 4. Mai 2020 E. 1.3; 1C_593/2015 vom 25. Mai 2016 E. 1.2). Auf diesem Weg lässt sich jedoch keine (indirekte) Überprüfung des Entscheids in der Hauptsache erlangen. Insbesondere ist der Beschwerdeführer dabei nicht befugt, die Begründung des Verwaltungsgerichts als unvollständig, zu wenig differenziert oder materiell unzutreffend zu rügen. Ebenso wenig kann beanstandet werden, der Sachverhalt sei unvollständig abgeklärt oder sonstwie willkürlich ermittelt worden bzw. Beweisanträgen sei wegen willkürlicher antizipierter Beweiswürdigung keine Folge gegeben worden (vgl. BGE 135 II 430 E. 3.2; Urteile 1C_284/2021 vom 18. Juli 2022 E. 1.3; 1C_436/2020 vom 29. März 2021; je mit Hinweisen; "Star-Praxis" analog).  
 
1.3.2. Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang geltend, die Vorinstanz habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt, indem sie die Frage der Schutzwürdigkeit der Kantonsschule Lüssiweg unter einem zu engen Gesichtspunkt geprüft habe. Die Vorinstanz habe nicht annehmen dürfen, dass ein Objekt die Denkmalschutzkriterien gemäss § 25 Abs. 1 lit. a DMSG/ZG nur dann erfülle, wenn dem fraglichen Objekt eine "mehr als sehr wichtige" und zudem "einzigartige" Bedeutung zukomme. Diese Auslegung verstosse gegen das Übereinkommen vom 3. Oktober 1985 zum Schutz des baugeschichtlichen Erbes in Europa (sog. Granada-Übereinkommen; SR 0.440.4) und die Grenzen, die das Bundesgericht in BGE 147 I 308 gezogen habe.  
 
1.3.3. Das Bundesgericht hatte sich in BGE 147 I 308 im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle mit der am 14. Dezember 2019 in Kraft getretenen Teilrevision des kantonalen Denkmalschutzgesetzes zu befassen. Dabei hielt das Bundesgericht unter anderem fest, dass § 25 Abs. 1 lit. a DMSG/ZG, der für die Unterschutzstellung eines Objekts ein Denkmal von äusserst hohem wissenschaftlichen, kulturellen oder heimatkundlichen Wert voraussetzt, im Einklang mit der Granada-Konvention ausgelegt werden könne und müsse (BGE 147 I 308 E. 7.2 und 7.6). Unter Berücksichtigung dieses Bundesgerichtsurteils hat die Vorinstanz im angefochtenen Urteil eine sorgfältige Beurteilung vorgenommen, wie die betreffende Bestimmung des Denkmalschutzgesetzes in Übereinstimmung mit dem Granada-Übereinkommen ausgelegt werden kann, ohne dabei dem Willen des Gesetzgebers, die Anforderungen an eine Unterschutzstellung zu verschärfen, zu widersprechen. Eine Unterschutzstellung kommt nach der Vorinstanz demnach nur in Frage, wenn ein Objekt von mehr als sehr hohem wissenschaftlichem, kulturellem oder heimatkundlichem Wert ist (vgl. E. 4.2 und 5.1 des angefochtenen Urteils). Auf dieser Grundlage setzte sich die Vorinstanz anschliessend umfassend mit der Unterschutzstellung der betreffenden Gebäude auseinander und gelangte zum Schluss, dass die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung vorliegend nicht gegeben seien. Ob die durch die Vorinstanz im angefochtenen Urteil vorgenommene Auslegung des kantonalen Denkmalschutzgesetzes zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit der betreffenden Gebäude in Übereinstimmung mit der Granada-Konvention und dem zitierten Bundesgerichtsurteil erfolgte, ist eine Frage materieller Natur. Tatsächlich kritisiert der Beschwerdeführer, obwohl er eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, mit seinen Vorbringen nichts anderes als die durch die Vorinstanz vorgenommene materielle Begründung der Schutzwürdigkeit nach kantonalem Denkmalschutzgesetz. Soweit unter diesen Umständen überhaupt von einer (rechtsgenüglichen) Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs auszugehen ist (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG), kann diese unabhängig vom Entscheid in der Sache nicht beurteilt werden und ist sie daher unzulässig (vgl. E. 1.3.1 hiervor). Auf die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs kann folglich auch vor dem Hintergrund der sog. Star-Praxis nicht eingetreten werden.  
 
2.  
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Stadtrat von Zug, dem Regierungsrat des Kantons Zug und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Juli 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Vonlanthen