2C_502/2023 25.09.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_502/2023  
 
 
Urteil vom 25. September 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Gerichtsschreiberin Ivanov. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Fricker, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, 
Migrationsamt, 
Ambassadorenhof, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung und 
Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 
16. August 2023 (VWBES.2022.353). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ (geb. 1991), aus Chile, reiste am 28. Dezember 2003 zusammen mit ihren beiden Schwestern im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein. Am 26. August 2004 wurde ihr zunächst eine Aufenthaltsbewilligung und am 16. September 2014 schliesslich eine Niederlassungsbewilligung erteilt.  
Mit Strafbefehlen der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 1. September 2011, 10. Juli 2013 und 30. Juni 2014 wurde A.________ jeweils wegen fahrlässigen rechtswidrigen Aufenthalts zu Bussen von insgesamt Fr. 650.-- verurteilt. 
 
1.2. Mit Schreiben vom 14. Januar 2018 ersuchte ihr Stiefvater um Aufrechterhaltung ihrer Niederlassungsbewilligung und gab an, dass sie für zwei Jahre, bis etwa Ende 2019, in Deutschland studieren werde. A.________ meldete sich persönlich rückwirkend per 31. Dezember 2016 nach Tübingen (Deutschland) ab.  
Mit Schreiben des Migrationsamts des Kantons Solothurn vom 22. Februar 2018 wurde das Gesuch um Aufrechterhaltung der Niederlassungsbewilligung mangels Erfüllens der Voraussetzungen abgewiesen, nachdem sich A.________ gemäss Mutationsmeldung der Einwohnergemeinde U.________ bereits seit Januar 2017 im Ausland aufgehalten hatte. Gleichzeitig wurde sie auf die Möglichkeit einer Wiederzulassung innert zwei Jahren nach der Ausreise hingewiesen. Eine beschwerdefähige Verfügung wurde trotz entsprechendem Hinweis nicht verlangt. 
 
1.3. Am 25. April 2021 stellte A.________ beim Migrationsamt ein Aufenthaltsgesuch "Nichterwerbstätige Drittstaaten", ohne einen Bewilligungszweck anzugeben und ohne die hierfür erforderlichen Unterlagen einzureichen.  
Am 14. September 2022 verfügte das Migrationsamt, A.________ werde keine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen einer Wiederzulassung gestützt auf einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall oder eine andere Rechtsgrundlage erteilt. 
Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 16. August 2023 ab. 
 
1.4. A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und (hilfsweise) subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 15. September 2023 an das Bundesgericht und beantragt, es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und es sei ihr eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Prozessual ersucht sie um aufschiebende Wirkung.  
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet. 
 
2.  
 
2.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide ausgeschlossen, welche Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Für das Eintreten genügt, wenn der Betroffene in vertretbarer Weise dartun kann, dass ein potenzieller Anspruch auf die beantragte Bewilligung besteht; ob die jeweils erforderlichen Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind, bildet Gegenstand der inhaltlichen Beurteilung (vgl. BGE 137 I 305 E. 2.5; 136 II 177 E. 1.1). Ist die Zulässigkeit eines Rechtsmittels zweifelhaft, umfasst die Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG grundsätzlich auch die Eintretensvoraussetzungen (vgl. BGE 134 II 45 E. 2.2.3; 133 II 249 E. 1.1; Urteil 2C_682/2021 vom 3. November 2021 E. 1.1).  
 
2.2. Gegenstand des angefochtenen Urteils bildet die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. k (Wiederzulassung von Ausländerinnen und Ausländern) bzw. einer Härtefallbewilligung gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG (SR 142.20). Diese Bestimmungen räumen keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, sondern betreffen die Abweichungen von den Zulassungsvoraussetzungen, die unter den Ausnahmetatbestand von Art. 83 lit. c Ziff. 5 BGG fallen (vgl. u.a. Urteile 2C_361/2023 vom 4. Juli 2023 E. 2.5; 2C_16/2022 vom 13. Januar 2022 E. 2.3; jeweils mit Hinweisen).  
 
3.  
Die Beschwerdeführerin leitet indessen einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus dem Schutz ihres Privatlebens (Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV) ab. 
 
3.1. In sachverhaltlicher Hinsicht hat die Vorinstanz in für das Bundesgericht verbindlicher Weise festgestellt (Art. 105 Abs. 1 BGG), dass die Beschwerdeführerin am 28. Dezember 2003 in die Schweiz eingereist und seit dem 16. September 2014 im Besitz einer Niederlassungsbewilligung gewesen sei. Ende 2018 habe sie sich bei ihrer Einwohnergemeinde rückwirkend per 31. Dezember 2016 nach Deutschland abgemeldet, wobei sie gemäss dem angefochtenen Urtreil ihren Wohnsitz bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 ins Ausland verlegt habe. Bis zu ihrer Scheidung von einem deutschen Staatsangehörigen, im April 2021, habe sie sich in Deutschland aufgehalten. Derzeit halte sie sich ohne gültigen Aufenthaltstitel in der Schweiz auf.  
Es ist somit festzuhalten, dass die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin spätestens mit der Abmeldung ins Ausland, per 31. Januar 2016, erloschen ist (Art. 61 Abs. 1 lit. a AIG) und sie sich danach während mehrerer Jahre in Deutschland aufgehalten hat, bevor sie wieder in die Schweiz eingereist ist. 
 
3.2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann sich ein Ausländer in einer solchen Konstellation grundsätzlich nicht auf seine lange Anwesenheit in der Schweiz bzw. auf die in BGE 144 I 266 festgelegten Grundsätze berufen, um aus dem Schutz seines Privatlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abzuleiten (vgl. BGE 149 I 66 E. 4.5-4.8). Anders kann es sich ausnahmsweise verhalten, wenn im Einzelfall eine besonders ausgeprägte Integration vorliegt (vgl. im Einzelnen Urteil 2C_734/2022 vom 3. Mai 2023 E. 5.3 zur Publ. vorgesehen).  
Mit ihren Ausführungen, wonach sie fliessend Deutsch spreche und auch andere Landessprachen beherrsche, in der Schweiz über ein soziales Netzwerk verfüge und während ihres Aufenthalts in Deutschland regelmässig in die Schweiz zurückgekehrt sei, vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun, dass - trotz langjähriger Landesabwesenheit - eine besondere Verwurzelung in der Schweiz bestehe. Folglich gelingt es ihr nicht, in vertretbarer Weise darzutun, dass sie einen potenziellen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf den Schutz ihres Privatlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK habe (vgl. E. 2.1 hiervor). 
 
3.3. Ein anderweitiger potenzieller Bewilligungsanspruch ist nicht ersichtlich und wird nicht in vertretbarer Weise geltend gemacht. Insbesondere behauptet die Beschwerdeführerin, die über keine Kernfamilie in der Schweiz verfügt, nicht, dass ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu ihren in der Schweiz lebenden Angehörigen bestehe (vgl. dazu BGE 147 I 268 E. 1.2.3 mit Hinweisen; BGE 144 II 1 E. 6.1; Urteile 2C_98/2018 vom 7. November 2018 E. 5.4; 2C_441/2018 vom 17. September 2018 E. 5.3), sodass ein Bewilligungsanspruch gestützt auf den Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK ausser Betracht fällt.  
 
3.4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als unzulässig.  
 
4.  
Die Beschwerdeführerin erhebt (hilfsweise) subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Mangels Aufenthaltsanspruchs in der Schweiz sind in diesem Rahmen ausschliesslich Rügen bezüglich verfahrensrechtlicher Punkte zulässig, deren Verletzung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt und die das Gericht von der Prüfung der Sache bzw. der Bewilligungsfrage getrennt beurteilen kann ("Star"-Praxis; vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1; 137 II 305 E. 2; Urteil 2D_24/2022 vom 16. Juni 2022 E. 5.2). Unzulässig sind Vorbringen, die im Ergebnis wiederum auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen, wie die Behauptung, die Begründung sei unvollständig oder zu wenig differenziert bzw. die Vorinstanz habe sich nicht oder in willkürlicher Weise mit den Argumenten der Partei auseinandergesetzt und Beweisanträge in offensichtlich unhaltbarer antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt (vgl. BGE 137 II 305 E. 2; Urteile 1C_456/2021 vom 6. Januar 2022 E. 2.2; 2D_50/2018 vom 11. Dezember 2018 E. 4.2 mit Hinweisen). 
Die Beschwerdeführerin rügt zwar eine formelle Rechtsverweigerung sowie Verletzungen des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Dabei wirft sie dem Verwaltungsgericht - soweit ersichtlich - insbesondere vor, die Voraussetzungen bezüglich des Vorliegens eines schweren persönlichen Härtefalls nicht hinreichend geprüft und sein Ermessen willkürlich ausgeübt zu haben bzw. beanstandet sie die vorinstanzliche Interessenabwägung. Diese Rügen zielen auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Urteils ab und können nicht getrennt von der Bewilligungsfrage geprüft werden, sodass sie unzulässig sind. 
Soweit sie im Übrigen geltend macht, die Vorinstanz habe ihren Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK nicht geprüft, legt sie nicht substanziiert dar, dass sie entsprechende Rügen erhoben habe bzw. inwiefern das Verwaltungsgericht - angesichts der vorangegangenen Ausführungen (vgl. E. 3 hiervor) - gehalten gewesen sei, weitere Abklärungen vorzunehmen. 
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin keine substanziierten Rügen formeller Natur erhebt, die von der Prüfung der Sache getrennt werden können. 
 
5.  
 
5.1. Die Eingabe erweist sich sowohl als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch als subsidiäre Verfassungsbeschwerde als unzulässig. Es ist darauf mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG (Abs. 1 lit. a) nicht einzutreten. Damit wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos.  
 
5.2. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 66 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. September 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov