2C_958/2011 18.02.2013
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_958/2011 
 
Urteil vom 18. Februar 2013 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Gerichtsschreiberin Dubs. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Angela Roos, 
 
gegen 
 
Amt für Migration des Kantons Luzern, Fruttstrasse 15, Postfach 3439, 6002 Luzern, 
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15, Postfach 3768, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Ausländerrecht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 17. Oktober 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ ist am 9. August 1962 in der Ukraine als Staatsangehörige der Sowjetunion geboren und dort aufgewachsen. In ihrer Heimat hat sie ein Elektroingenieur-Studium absolviert. Am 14. Januar 1984 heiratete sie einen aus der Russischen Sowjetrepublik stammenden Landsmann, zog mit ihm in das heutige Russland und erwarb, als die Sowjetunion 1991 aufgelöst wurde, die russische Staatsangehörigkeit. Im Jahr 1984 kam der gemeinsame Sohn zur Welt. Nach der Scheidung von ihrem russischen Ehegatten im April 1994 reiste X.________ im Juni des gleichen Jahrs erstmals als Tänzerin (Kurzaufenthaltsbewilligung L) in die Schweiz ein und lernte den Schweizer Bürger Y.________ (geb. 1948) kennen. In der Folge arbeitete sie während mehrerer Kurzaufenthalte in der Schweiz, bis sie am 29. November 1996 Y.________ heiratete. Gestützt auf die Heirat wurde X.________ eine Aufenthaltsbewilligung und am 12. August 2002 die Niederlassungsbewilligung erteilt. Der Sohn aus erster Ehe kam 1998 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz. Er ist verheiratet und verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Aargau. Am 17. März 2004 wurde die Ehe von X.________ mit Y.________ geschieden. 
 
B. 
X.________ ist seit dem 1. April 2005 auf Sozialhilfe angewiesen und geht seither keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Das Sozialamt gab dem Amt für Migration im Juli 2005 als Grund für die Unterstützungsbedürftigkeit an, dass die Betroffene nicht vermittlungsfähig und psychisch sowie physisch angeschlagen sei. Am 30. September 2005 verwarnte das Amt für Migration des Kantons Luzern X.________ erstmals wegen ihrer Fürsorgeabhängigkeit und stellte ihr den Widerruf der Niederlassungsbewilligung in Aussicht, sollte sie ein Jahr später immer noch Sozialhilfe beziehen. 
X.________ leidet an nie abgeklärten, sie auf dem Arbeitsmarkt behindernden Lebensmittelallergien, Schmerzen und psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen. Ein im Jahre 2004 erlittener Unfall wird als Auslöser der gesundheitlichen Probleme angegeben und ihre Erwerbsunfähigkeit wurde hausärztlich mehrfach bestätigt. Mit Verfügung vom 11. Mai 2006 lehnte die Invalidenversicherung Luzern das Leistungsgesuch von X.________ ab. Sie stellte fest, es liege keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit als Elektroingenieurin vor. Gemäss Arztzeugnis vom 1. September 2007 soll X.________ jedoch wegen verschiedener chronischer Beschwerden nur noch in einem geschützten Rahmen eine Erwerbstätigkeit ausüben können. Auf ein Wiedererwägungsgesuch vom 30. September 2008 trat die IV-Versicherung mit Verfügung vom 11. November 2008 nicht ein, da keine neuen Tatsachen geltend gemacht wurden. 
Mit Verfügung vom 16. Dezember 2008 ermahnte das Amt für Migration X.________ erneut und stellte ihr den Widerruf der Niederlassungsbewilligung in Aussicht. 
Eine dritte IV-Anmeldung erfolgte am 19. Februar 2010 über das Sozialamt der Stadt Luzern mit dem Hinweis, dass psychische Schwierigkeiten vermutet werden und eine psychiatrische Abklärung notwendig sei. Die Invalidenversicherung trat auf das neue Wiedererwägungsgesuch mit Verfügung vom 20. April 2010 wiederum nicht ein. 
 
C. 
Mit Verfügung vom 2. Juli 2010 hat das Amt für Migration des Kantons Luzern die Niederlassungsbewilligung von X.________ wegen Fürsorgeabhängigkeit widerrufen. 
Die von X.________ zunächst beim Justiz- und Sicherheitsdepartement und sodann beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos. 
 
D. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 23. November 2011 beantragt X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2011, die Verfügung des Amtes für Migration vom 2. Juli 2010 sowie den Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Luzern vom 10. Januar 2011 aufzuheben und das Amt für Migration anzuweisen, ihr weiterhin die Niederlassungsbewilligung "zu erteilen, resp. zu verlängern". Zudem ersucht sie, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und ihr sei die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie das Bundesamt für Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Amt für Migration sowie das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern liessen sich nicht vernehmen. 
 
E. 
Mit Verfügung vom 28. November 2011 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Gegen kantonal letztinstanzliche Entscheide über den Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 [e contrario] und Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4; Urteil 2C_401/2012 vom 18. September 2012 E. 1.3; 2C_478/2010 vom 17. November 2010 E. 2, nicht publ. in: BGE 137 II 10), und die Beschwerdeführerin ist zur Ergreifung dieses Rechtsmittels befugt (Art. 89 BGG). Auf die rechtzeitig eingereichte Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten. 
Nicht einzutreten ist jedoch auf den Antrag, (auch) die unterinstanzlichen Entscheide aufzuheben. Aufgrund des Devolutiveffekts der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann einzig das vorinstanzliche Urteil angefochten werden, wobei der unterinstanzliche Entscheid inhaltlich als mitangefochten gilt (BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144; 129 II 438 E. 1 S. 441, mit Hinweisen). 
Die Niederlassungsbewilligung wird unbefristet und ohne Bedingungen erteilt (Art. 34 Abs. 1 AuG). Wird das den Widerruf der Niederlassungsbewilligung bestätigende Urteil aufgehoben, gilt die Bewilligung weiter. Sie muss dafür weder wiedererteilt noch verlängert werden (zur Verlängerung der Kontrollfrist vgl. PETER UEBERSAX, in: Uebersax/ Rudin/Hugi Yar/Geiser (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 7.282; vgl. zum ANAG: derselbe, Ausländerrecht, 2002, Rz. 5.101). 
 
1.2 Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dabei prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), an sich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht prüft es hingegen nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen bloss berichtigen oder ergänzen, falls er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Der Betroffene muss dartun, dass und inwiefern der festgestellte Sachverhalt in einem entscheidwesentlichen Punkt klar und eindeutig mangelhaft erscheint (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; 133 III 350 E. 1.3 S. 351, 393 E. 7.1 S. 398, 462 E. 2.4 S. 466). Auf rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsermittlung oder der Beweiswürdigung tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 136 II 101 E. 3 S. 104 f.). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 135 I 143 E. 1.5 S. 146 f.). 
Beim Arztbericht von Dr. med. Z.________ vom 20. März 2012 sowie beim Schreiben der IV-Stelle Luzern vom 19. Dezember 2012 an die Beschwerdeführerin handelt es sich um so genannte "echte Noven", die im bundesgerichtlichen Verfahren in jedem Fall unzulässig sind (BGE 133 IV 342 E. 2.1 S. 344). 
 
2. 
2.1 Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn ein Ausländer oder eine Person, für die er zu sorgen hat, dauerhaft und in erheblichem Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist. Die Niederlassungsbewilligung von Ausländern, die sich seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhalten, kann allerdings nicht mehr nach Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG widerrufen werden (Art. 63 Abs. 2 AuG). 
 
2.2 Auch wenn die Beschwerdeführerin bereits zwischen 1994 und 1996 regelmässig als Kurzaufenthalterin in der Schweiz arbeitete, konnte sie sich im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung des Amts für Migration vom 2. Juli 2010 noch nicht auf einen mehr als fünfzehnjährigen ununterbrochenen und ordnungsgemässen Aufenthalt in der Schweiz berufen. Denn in der Zeit als sie sich in der Schweiz mit einer L-Bewilligung aufhielt, war ihr Aufenthalt nicht ununterbrochen. Erst seit 1996 hat sie sich mit einem fortwährenden Anwesenheitstitel in der Schweiz aufgehalten. Da das Gesetz ausdrücklich einen ununterbrochenen Aufenthalt verlangt, fällt auch eine Addierung der verschiedenen, nicht fortlaufenden Aufenthaltszeiten als Kurzaufenthalterin ausser Betracht. 
Damit dauerte der massgebende Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Widerrufs durch das Amt für Migration 14 Jahre. Es ist nicht zu beanstanden, die Prüfung, ob die Aufenthaltsdauer von 15 Jahren nach Art. 63 Abs. 2 AuG bereits erreicht ist, auf den Zeitpunkt der Verfügung des Widerrufs durch die erste Instanz vorzunehmen. Angesichts der Verzögerungsmöglichkeiten in mehrstufigen Rechtsmittelverfahren geht es nicht an, auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen (vgl. BGE 137 II 10 E. 4.2 S. 12 mit Hinweisen). Es besteht vorliegend kein Anlass, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin steht demnach Art. 63 Abs. 2 AuG dem Widerruf der Niederlassungsbewilligung vorliegend nicht entgegen. Der frühere Aufenthalt der Beschwerdeführerin als Kurzaufenthalterin ist bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen. 
 
2.3 Nach geltender Praxis ist der Widerrufsgrund wegen Fürsorgeabhängigkeit nach Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG erfüllt, wenn konkret die Gefahr einer fortgesetzten und erheblichen Fürsorgeabhängigkeit besteht. Blosse finanzielle Bedenken genügen nicht. Neben den bisherigen und den aktuellen Verhältnissen ist auch die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht abzuwägen. Ein Widerruf soll in Betracht kommen, wenn eine Person hohe finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten hat und nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft für ihren Lebensunterhalt sorgen wird (vgl. zum AuG: Botschaft vom 8. März 2002, BBl 2002 3810 Ziff. 2.9.2 zu Art. 62; Urteil 2C_74/2010 vom 10. Juni 2010 E. 3.4 mit Hinweis; zum ANAG: BGE 119 Ib 1 E. 3b S. 6; 123 II 529 E. 4 S. 533; Urteil 2C_358/2011 vom 28. November 2011 E. 3.3). Nach gefestigter Rechtsprechung stellen Sozialversicherungsleistungen unter Einschluss der Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung keine Sozialhilfe im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. c (bzw. Art. 62 lit. e) AuG dar (BGE 135 II 265 E. 3.7 S. 272 mit Hinweis). Im Übrigen sprechen nach einer über zehnjährigen Anwesenheit in der Schweiz in der Regel gewichtige Interessen gegen die Entfernung eines Ausländers wegen Bedürftigkeit (vgl. BGE 119 Ib 1 E. 4c S. 8 sowie Urteil 2C_358/2011 vom 28. November 2011 E. 3.3). 
Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz bezieht die Beschwerdeführerin seit April 2005 Sozialhilfe, wobei sich die Gesamtsumme der ausgerichteten Unterstützungsleistungen auf über Fr. 90'000.-- beläuft. Auch gegenwärtig ist die Beschwerdeführerin auf Sozialhilfe angewiesen. Ob und inwieweit die Beschwerdeführer ein Verschulden an der Sozialhilfebedürftigkeit trifft, bildet nicht eine Frage des Vorliegens des Widerrufsgrundes, sondern der nach Art. 96 AuG vorzunehmenden Verhältnismässigkeitsprüfung (vgl. BBl 2002 3810 zu Art. 62; Berichterstatterin Leuthard und Nationalrat Pfister in: AB 2004 N 1087 und 1089 f. als Antwort auf die Bedenken und Minderheitsanträge der Nationalräte Janiak, Gross und Vischer in: AB 2004 N 1086 f.). Die Vorinstanz ist damit zu Recht davon ausgegangen, dass der Widerrufsgrund vorliegend erfüllt ist. 
 
3. 
3.1 Nach Art. 63 AuG "kann" die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden. Die Massnahme muss - wie jedes staatliche Handeln - verhältnismässig sein (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 AuG). In der Botschaft vom 8. März 2002 zum Ausländergesetz wird ausgeführt, dass eine unverschuldete Sozialhilfeabhängigkeit zu einem ernst zu nehmenden Problem werden könne, weshalb die Behörden weiterhin eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalles vorzunehmen hätten. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass bereits von altrechtlichen Ausweisungen wegen Sozialhilfeabhängigkeit nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht wurde (BBl 2002 3810 zu Art. 62; vgl. ANDREAS ZÜND, Beendigung der Anwesenheit, Entfernung und Fernhaltung, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold [Hrsg.], Rz. 6.32; SILVIA HUNZIKER, in: Caroni/ Gächter/Thurnherr [Hrsg.] Handkommentar zum AuG, N 21 zu Art. 63 S. 619 f.; MARC SPESCHA, in: Spescha/Thür/Zünd/Bolzli, OF-Kommentar Migrationsrecht, 3. Aufl. 2012, AuG N 11 zu Art. 63 S. 183). Die Hintergründe, warum eine Person sozialhilfeabhängig wurde, müssen daher in den Entscheid einbezogen werden. Oft werden gerade Frauen, die gemäss der traditionellen Rollenverteilung während der Ehe den Haushalt besorgt und Betreuungsaufgaben übernommen haben, von der Sozialhilfe abhängig, wenn die Ehe scheitert oder durch den Tod des Ehegatten endet, was wiederum ausländerrechtlich zum Widerruf der Bewilligung führen kann. 
3.2 
3.2.1 Die Beschwerdeführerin ist ausgebildete Elektroingenieurin. Als sie 1996 im Alter von 34 Jahren zu ihrem schweizerischen Ehegatten in die Schweiz kam, liess sie sich zur Übersetzerin ausbilden und arbeitete danach auf diesem Beruf für die Firma A.________ und in der Folge als Selbständigerwerbende (Aufträge der Firmen A.________ und B.________ SA, Übersetzungen im Spital C.________). Zusätzlich absolvierte sie eine Ausbildung als Nailkosmetikerin sowie einen Lehrgang auf dem Gebiet der Meridianmassage und war auch in diesem Bereich erwerbstätig. Wie erfolgreich ihre Erwerbstätigkeit war, lässt sich schwer beurteilen, da sie ja damals mit ihrem Ehemann zusammenwohnte und damit nicht finanziell auf sich allein gestellt war, indessen kann jedenfalls aus ihren aktenkundigen Bemühungen geschlossen werden, dass sie sich ernsthaft um ihre Integration in die hiesige Arbeitswelt sorgte und sich für ihr berufliches Fortkommen entsprechend einsetzte. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe im Jahr 2004 einen Unfall erlitten (Schlag auf den Hinterkopf durch unachtsam hingestellten Rucksack) und die dadurch verursachten Beschwerden hätten sie zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit gezwungen. Am 17. März 2004 wurde die Ehe der Beschwerdeführerin mit ihrem schweizerischen Ehemann, dessen Alkoholproblem und damit verbundene Gewalttätigkeit die ehelichen Schwierigkeiten verursacht haben soll, geschieden. Als die Ehe aufgelöst wurde, ging die Beschwerdeführerin offenbar keiner Erwerbstätigkeit nach und der monatliche Unterhaltsbeitrag des ehemaligen Ehemannes in Höhe von Fr. 800.-- (bis August 1996) erlaubte es ihr nicht, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Es kam zu Betreibungen. Gleichzeitig litt die Beschwerdeführerin weiterhin an gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hinderten und die die Beschwerdeführerin hauptsächlich auf das Unfallereignis im Jahr 2004 zurückführte. Seit 16. September 2004 war die Beschwerdeführerin zur Arbeitsvermittlung und zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung angemeldet. Mit Verfügung der Arbeitslosenkasse vom 14. März 2005 wurde sie aber ab 1. Februar 2005 als nicht vermittlungsfähig erklärt und erhält seither finanzielle Unterstützung von der Sozialhilfe. 
3.2.2 Die Vorinstanz wirft der Beschwerdeführerin vor, trotz mehrfacher ausländerrechtlicher Verwarnung nichts unternommen zu haben, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, und auch ihrer Mitwirkungspflicht nicht genügend nachgekommen zu sein. Diese Feststellungen sind an sich nicht unzutreffend, aber die vorgeworfene Untätigkeit bzw. mangelnde Mitwirkung ist vorliegend im Licht der konkreten Verhältnisse der Beschwerdeführerin zu beurteilen. 
Angesichts ihrer Deutschkenntnisse sowie ihrer Ausbildung wird von der Beschwerdeführerin erwartet, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht nachkommt, Sendungen entgegen nimmt und beantwortet sowie aufgrund der Mahnungen/Verwarnungen ihr Verhalten anpasst, wozu sie aber aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage zu sein scheint. Vorliegend fällt auf, dass es trotz seit Jahren andauernder gleicher und den kantonalen Behörden bekannter Symptomatik bisher nicht zu einer umfassenden ärztlichen Abklärung gekommen ist. Mit ein Grund ist vermutlich die mangelnde Krankheitseinsicht bzw. Mitwirkung der Betroffenen, was wohl aber wiederum hauptsächlich auf die vom Sozialdienst bereits vor der ersten fremdenpolizeilichen Verwarnung festgestellten psychischen Beeinträchtigungen der Betroffenen zurückzuführen ist. Das Sozialamt begründete die Unterstützungsleistungen von Anfang an mit den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin. Der Hausarzt attestierte dieser denn auch zumindest vom 1. September 2007 bis zum 26. Februar 2010 ausdrücklich eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit. Es trifft zu, dass die Beschwerdeführerin bisher erfolglos an die Invalidenversicherung gelangt ist. Sie war im IV-Verfahren aber nicht anwaltlich vertreten und wurde in jenem Verfahren offensichtlich auch nicht von einem Sozialdienst oder einer Beratungsstelle begleitet. Sie füllte das einschlägige Formular jeweils selber und nur unvollständig bzw. so aus, dass eine Abweisung des ersten Gesuchs bzw. ein Nichteintreten auf die beiden nachfolgenden Wiedererwägungsgesuche geradezu voraussehbar waren. Zudem blieben die ihr zugestellten Anfragen meistens nicht oder ungenügend beantwortet. Auch den Aufforderungen der Ausländerbehörde, über ihre Situation Auskunft zu geben bzw. sich zur vorgesehenen ausländerrechtlichen Massnahme zu äussern, kam sie im Übrigen regelmässig nicht oder erst nach Erhalt mehrerer Mahnungen nach. Es trifft zu, dass die Beschwerdeführerin ihre Mitwirkungspflicht insofern nur ungenügend erfüllt hat. Im Fall einer psychisch angeschlagenen Person kann die Mitwirkungspflicht jedoch an Grenzen stossen bzw. vermögen auch Mahnungen/Androhungen unter Umständen kaum die erwartete Wirkung zu zeitigen, wobei dies der psychisch beeinträchtigten Person nicht ohne weiteres zum Vorwurf gemacht werden kann. Bei einer Gesamtbetrachtung fällt auf, dass die Beschwerdeführerin offensichtlich nicht in der Lage ist, sich allein in angemessener Weise um ihre administrativen Angelegenheiten zu kümmern. Aus dem Arztzeugnis vom 2. März 2011 geht hervor, dass bei der Beschwerdeführerin eine gravierende psychische Erkrankung mit paranoiden Symptomen vorliege, die unbedingt fachärztlich abgeklärt und behandelt werden sollte. Selbst wenn - wie die Vorinstanz erwähnt - Beurteilungen durch Hausärzte in Zweifelsfällen eher zugunsten der Patienten ausfallen mögen, ändert dies nichts an der Tatsache, dass die ärztliche Aussage vorliegend mit der seit Jahren andauernden schwer nachvollziehbaren Verhaltensweise übereinzustimmen scheint. Die empfohlene fachärztliche Abklärung der gesundheitlichen Beschwerden, namentlich der psychischen Erkrankung der Beschwerdeführerin wurde bis anhin auch von der Invalidenversicherung nicht vorgenommen, obwohl auch das Sozialamt ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer psychiatrischen Abklärung hingewiesen hatte. Vorliegend bestehen somit starke Indizien, die darauf hindeuten, dass die Fürsorgeabhängigkeit der Beschwerdeführerin nicht oder grösstenteils nicht selbst verschuldet ist. Im Übrigen ist nicht ausgeschlossen, dass ein Wiedererwägungsgesuch bei der Invalidenversicherung, vorausgesetzt die Beschwerdeführerin wird in diesem Verfahren entsprechend engmaschig begleitet und unterstützt, zu einem positiven Ausgang führen könnte, womit eine zukünftige Sozialhilfeabhängigkeit entfiele. 
3.2.3 Nach ihrer Einreise in die Schweiz hat sich die Beschwerdeführerin bemüht, schnell gute Deutschkenntnisse zu erwerben, und hat sich in den folgenden Jahren, wie bereits erwähnt, für ihr berufliches Fortkommen eingesetzt. Aufgrund der fehlenden Erwerbstätigkeit und der Fürsorgeabhängigkeit kann im heutigen Zeitpunkt zwar trotz langer Aufenthaltsdauer (im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils über 15, bei Berücksichtigung der Kurzaufenthalte ungefähr 17 Jahre), abgesehen von den guten Deutschkenntnissen, nicht von einer besonders guten Integration der Beschwerdeführerin in die hiesigen Verhältnisse die Rede sein. Da die psychische Erkrankung mit ein Grund für die heutige Situation darstellt, kann diese der Beschwerdeführerin allerdings nicht unbesehen zum Vorwurf gemacht werden. Entgegen der Vorinstanz kann auch nicht gesagt werden, die Beschwerdeführerin sei in strafrechtlicher Hinsicht aktenkundig geworden. Der fragliche Polizeirapport aus dem Jahr 2010 betrifft einen angeblichen Hausfriedensbruch (Besuch eines Geschäfts trotz von der Beschwerdeführerin bestrittenem mündlichem Hausverbot) und fällt ausländerrechtlich nicht ins Gewicht, zumal auch keine Verurteilung ersichtlich ist. Hauptsächliche Bezugsperson der Beschwerdeführerin ist ihr Sohn aus erster Ehe, der mit seiner Ehefrau im Kanton Aargau lebt. Ihren Angaben zufolge pflegt die Beschwerdeführerin engen Kontakt zum Sohn sowie zur Schwiegertochter. 
Die Beschwerdeführerin ist in der heutigen Ukraine (damals Sowjetunion) aufgewachsen, hat danach 10 Jahre zusammen mit ihrem ersten Ehemann und 3 Jahre teilweise (Kurzaufenthalte in der Schweiz erforderten regelmässige Rückreise) im heutigen Russland gelebt. Da sie im Zeitpunkt der Auflösung der Sowjetunion (21. Dezember 1991) in Moskau lebte, wurde sie russische Staatsangehörige. Damit verfügt sie heute ausschliesslich über die russische Staatsangehörigkeit. Der von der Vorinstanz erwähnte Pass vom 20. Januar 1984 ist ein Pass der damaligen Sowjetunion (die Ukraine als Staat gab es noch nicht), in dem die Volkszugehörigkeit (Ukraine) aufgeführt wurde. Aufgrund dieses Eintrags im sowjetischen Pass vermuteten die kantonalen Behörden fälschlicherweise, die Beschwerdeführerin besitze auch die ukrainische Staatsangehörigkeit. 
Es trifft zu, dass in Russland grundsätzlich alle Bürger Zugang zur medizinischen Grundversorgung haben. Die Beschwerdeführerin hat in Russland jedoch keine Familienangehörigen und verfügt dort über kein Beziehungsnetz. Auch als russische Staatsangehörige könnte sie möglicherweise in die Ukraine reisen, wo ihre Familie lebt. Abgesehen davon, dass sie gemäss ihren Angaben in ihrer Familie Opfer schwerer sexueller Übergriffe wurde, ist nicht bekannt, ob sie dort überhaupt aufgenommen werden könnte. Dass sie in der Ukraine von staatlicher Stelle unterstützt werden könnte, ist wenig wahrscheinlich, zumal sie auch nicht ukrainische Staatsangehörige ist. Mit Blick auf die psychischen Probleme der Beschwerdeführer erscheint äusserst zweifelhaft, ob die Betroffene überhaupt in der Lage wäre, sich ohne Hilfe aktiv um ihre Wiedereingliederung in einem neuen Umfeld zu kümmern, und ob insofern eine Ausreise aus der Schweiz als zumutbar betrachtet werden könnte. 
 
3.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Fürsorgeabhängigkeit vorliegend grösstenteils nicht als selbst verschuldet zu betrachten und die beanstandete mangelnde Mitwirkung seitens der Beschwerdeführerin hauptsächlich durch deren psychischen Beeinträchtigungen bedingt ist. Weiter ist zu berücksichtigen, dass eine soziale Wiedereingliederung der Beschwerdeführerin in Russland, wo sie über keine Familienangehörigen verfügt, nach über 15 Jahren Landesabwesenheit vor allem aufgrund ihrer psychischen Schwierigkeiten als sehr problematisch erscheint. Die Vorinstanz hat diesen Umständen im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung nicht genügend Rechnung getragen. Bei einer Gesamtbetrachtung der vorliegenden Verhältnisse erweist sich der Widerruf der Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin, knapp bevor aufgrund der Aufenthaltsdauer der Widerruf wegen Sozialhilfeabhängigkeit gemäss Art. 63 Abs. 2 AuG nicht mehr möglich gewesen wäre, als unverhältnismässig. 
 
4. 
4.1 Mithin verstösst das angefochtene Urteil gegen Bundesrecht und ist in Gutheissung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, soweit darauf eingetreten werden kann, aufzuheben. Damit gilt die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin weiter (vgl. E. 1.1 in fine). 
 
4.2 Dem unterliegenden Kanton Luzern sind für das vorliegende Verfahren keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Er muss die obsiegende Beschwerdeführerin für dieses jedoch angemessen entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Dadurch wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wird über die Kosten- und Entschädigungsfrage für die vorinstanzlichen Verfahren im Kanton neu zu befinden haben. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Verwaltungsgericht des Kantons Luzern vom 17. Oktober 2011 wird aufgehoben. 
 
2. 
2.1 Es werden keine Kosten erhoben. 
 
2.2 Der Kanton Luzern hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
2.3 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
3. 
Die Sache wird an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zurückgewiesen zur Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen für das kantonale Verfahren. 
 
4. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Amt für Migration des Kantons Luzern, dem Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 18. Februar 2013 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dubs