8C_701/2022 10.01.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_701/2022  
 
 
Urteil vom 10. Januar 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Gerichtsschreiber Grünvogel. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dieter Studer, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Prozessvoraussetzung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. Oktober 2022 (IV 2021/223). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hat die Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 22. Oktober 2021 mit Entscheid vom 19. Oktober 2022 aufgehoben und die Sache zur Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens im Sinne der Erwägungen an diese zurückgewiesen. 
 
2.  
Bei dem von der IV-Stelle angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich, da das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt somit alternativ voraus, dass der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). 
 
3.  
 
3.1. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG liegt dann vor, wenn er auch durch einen für die Beschwerde führende Partei günstigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden kann (so etwa BGE 146 I 62 E. 5.3; 141 IV 289 E. 1.2). Rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung reichen generell nicht aus (BGE 142 II 20 E. 1.4; 139 V 99 E. 2.4; 136 II 165 E. 1.2.1; vgl. auch BGE 137 V 314 E. 2.2.1).  
 
3.2. Das kantonale Gericht erachtete es im angefochtenen Entscheid als unzulässig, berufliche Eingliederungsmassnahmen (Umschulung, Berufsberatung, Integrationsmassnahmen und Arbeitsvermittlung) allein wegen eines fehlenden formalen Ausbildungsnachweises abzulehnen, vielmehr bedürfe es weiterer Abklärungen darüber, ob der Versicherte "faktisch als Berufsmann" zu qualifizieren sei, ehe über das Leistungsbegehren befunden werden könne.  
Zwar führt das Gericht in diesem Zusammenhang zunächst aus, ein "faktischer" Berufsmann sei als "umschulungsspezifisch invalid zu qualifizieren". Dies präzisiert es aber hernach dahingehend, dass nach Abschluss der Sachverhaltsermittlungen über den Anspruch auf eine Arbeitsintegration, auf eine Berufsberatung, auf eine Umschulung und/oder auf eine Arbeitsvermittlung neu zu entscheiden sei. Mit anderen Worten hat das kantonale Gericht nicht erkannt, "falls der Versicherte faktisch als Berufsmann gilt, so hat er ungeachtet der weiteren Umstände auch Anspruch auf konkrete Umschulungs- oder andere berufliche Eingliederungsmassnahmen" (vgl. dazu auch Urteil I 210/05 vom 10. November 2005 E. 3.3.1 Absatz 2), wovon die Beschwerdeführerin letztinstanzlich auszugehen scheint. Diese wird nicht dazu verhalten, eine aus ihrer Sicht rechtswidrige Verfügung zu erlassen. Allein der Umstand, dass sie die vom Gericht angeordneten Abklärungen als von Vornherein unnötig oder sinnlos erachtet, reicht zur Bejahung eines Anfechtungsgrunds nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht aus (BGE 139 V 99; Urteil 8C_311/2022 vom 31. Mai 2022). 
 
4.  
Ein Eintreten auf die Beschwerde gestützt auf Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ist ebenso wenig angezeigt. Zwar wäre ein sofortiger Endentscheid möglich, indessen bliebe damit klarerweise kein weitläufiges Beweisverfahren im Sinne dieser Bestimmung erspart (vgl. statt vieler: BGE 139 V 99 E. 2.4 oder SVR 2011 IV Nr. 57 [Urteil 8C_958/2010 vom 25. Februar 2011] E. 3.3.2.2). 
 
5.  
Zu ergänzen ist, dass vom Grundsatz der Nichtanhandnahme direkter Beschwerden gegen erwiesenermassen ungerechtfertigte Rückweisungsentscheide mangels Vorliegens der Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a und b BGG eine Ausnahme gemacht werden kann, wenn sich zeigt, dass ein Gericht regelmässig in entsprechender Weise vorgeht (BGE 139 V 99 E. 2.5 mit Hinweis; SVR 2020 IV Nr. 3 [Urteil 8C_503/2019 vom 19. Dezember 2019] E. 1.2 mit Hinweisen; Urteil 9C_9/2022 vom 8. März 2022 E. 3.2.2). Dahinter steht die Überlegung, dass eine strikte Einzelfallbehandlung der Eintretensvoraussetzungen es verunmöglichen würde, eine Fehlpraxis zu korrigieren. Es verhält sich insofern ähnlich, wie wenn unter bestimmten Bedingungen auf das Eintretenserfordernis des aktuellen praktischen Interesses (Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG) verzichtet wird, damit eine bestimmte Frage von allgemeinem Interesse überhaupt je einmal beurteilt werden kann (Urteil 9C_287/2020 vom 22. September 2020 E. 1.2 mit diversen Hinweisen; vgl. BGE 140 III 92 E. 1.1; 139 I 206 E. 1.1; 137 I 23 E. 1.3.1; 136 III 497 E. 1.1). 
 
Eine eigentliche Fehlpraxis von Seiten des kantonalen Gerichts wird jedoch nicht geltend gemacht (zur diesbezüglichen Begründungspflicht: Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 141 IV 284 E. 2.3 und 289 E. 1.3, je mit Hinweisen; siehe auch BGE 141 III 80 E. 1.2 in fine), was endlich zu einem Nichteintreten auf die Beschwerde im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 lit. a und b BGG führt. 
 
6.  
Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss der Beschwerdeführerin zu überbinden (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt der Präsident:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 10. Januar 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünvogel