2C_239/2023 09.06.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_239/2023  
 
 
Urteil vom 9. Juni 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Gerichtsschreiberin Ivanov. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Herrn Ayhan Acemoglu, 
 
gegen  
 
Amt für Migration und Bürgerrecht 
des Kantons Basel-Landschaft, 
Parkstrasse 3, 4402 Frenkendorf, 
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, 
Regierungsgebäude, Rathausstrasse 2, 4410 Liestal. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung / Rückstufung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 18. Januar 2023 (810 22 141). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ (geb. 1974), türkische Staatsangehörige, reiste am 5. Juni 2004 gemeinsam mit ihren beiden Töchtern (geb. 1996 und 1998) im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Mit Entscheid des damaligen Bundesamts für Flüchtlinge (heute: Staatssekretariat für Migration [SEM]) vom 29. Juli 2004 wurden A.________ sowie die beiden Töchter in die Flüchtlingseigenschaft des Ehemannes einbezogen und verfügten seit dem 11. August 2004 über Aufenthaltsbewilligungen. A.________ und ihr Ehemann sind Eltern zweier gemeinsamer Kinder (geb. 2007 und 2018). Seit September 2004 bezieht die Familie Sozialhilfeleistungen.  
Am 30. Juni 2009 erhielt A.________ eine Niederlassungsbewilligung. Im Oktober 2009 erklärten sie und ihre Kinder den Verzicht auf die Flüchtlingseigenschaft. 
Am 29. Juni 2020 wurde dem Ehepaar das rechtliche Gehör betreffend Widerruf der Niederlassungsbewilligungen und Ersetzung durch Aufenthaltsbewilligungen (Rückstufung) gewährt, da sie die Integrationskriterien gemäss Art. 58a AIG (SR 142.20) nicht (mehr) erfüllen würden. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Gesamtsumme der bezogenen Unterstützungsleistungen Fr. 557'365.55. Da die Ehegatten in der Folge weiterhin Unterstützungsleistungen bezogen, wurde ihnen am 27. Mai 2021 erneut das rechtliche Gehör betreffend Rückstufung eingeräumt. 
 
1.2. Mit Verfügung vom 14. März 2022 widerrief das Amt für Migration und Bürgerrecht des Kantons Basel-Landschaft (nachfolgend: Migrationsamt) die Niederlassungsbewilligung von A.________ und ersetzte diese durch eine Aufenthaltsbewilligung, wobei die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung mit verschiedenen Bedingungen verbunden wurde.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft mit Beschluss vom 28. Juni 2022 ab. Mit Urteil vom 18. Januar 2023 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, eine gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. 
 
1.3. A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 27. April 2023 (Postaufgabe) an das Bundesgericht und beantragt, es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und es sei festzustellen, dass das Prinzip des rechtlichen Gehörs und das Rechtsstaatsprinzip durch die Vorinstanz verletzt worden seien. Prozessual ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege.  
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. 
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht prüft Verletzungen von Grundrechten, einschliesslich des Willkürverbots, nur insofern, als entsprechende Rügen in der Beschwerdeschrift vorgebracht und begründet werden. Es gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 143 I 321 E. 6.1; 142 I 99 E. 1.7.2). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 148 I 104 E. 1.5; 143 I 1 E. 1.4; 134 II 349 E. 3).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (vgl. BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3; 137 I 58 E. 4.1.2; 136 I 184 E. 1.2).  
 
2.3. Die Beschwerdeführerin macht einzig eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung geltend, die das Kantonsgericht am 18. Januar 2023 in dieser Angelegenheit durchgeführt hatte. Zur Begründung führt sie aus, anlässlich ihrer persönlichen Befragung sei sie zwar von einem Dolmetscher unterstützt worden; indessen sei dieser unmittelbar bevor der Vertreter des Migrationsamtes das Wort ergriffen habe, vom Kantonsgericht aufgefordert worden, den Gerichtssaal zu verlassen. Anschliessend sei die Beschwerdeführerin "schlicht und einfach ignoriert" worden und es sei "über ihren Kopf hinweg und ohne ihre Mitwirkung" über ihren Aufenthaltsstatus entschieden worden. Schliesslich beanstandet sie, dass die Verhandlung in ihrer Abwesenheit beendet worden sei, nachdem sie den Gerichtssaal zwecks Erholung verlassen habe.  
 
2.4. Ob der Dolmetscher während der ganzen Verhandlung anwesend gewesen bzw. aufgefordert worden sei, den Gerichtssaal zu verlassen, ist eine Sachverhaltsfrage. Vorliegend lassen sich weder dem angefochtenen Urteil noch dem aktenkundigen Protokoll der Parteiverhandlung vom 18. Januar 2023 Hinweise darauf entnehmen, dass die Verhandlungsleitung den Dolmetscher aufgefordert hätte, zu einem bestimmten Zeitpunkt den Gerichtssaal zu verlassen. Ebensowenig ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil und den Akten, dass die Beschwerdeführerin den Ablauf der Parteiverhandlung im vorinstanzlichen Verfahren beanstandet hätte.  
 
2.5. Die Beschwerdeführerin, die sich in ihrer Argumentation auf blosse unbelegte Behauptungen beschränkt, legt nicht substanziiert dar, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben seien und das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre (vgl. E. 2.2 hiervor; vgl. auch BGE 140 III 16 E. 1.3.1; 137 I 58 E. 4.1.2; Urteil 4A_223/2007 vom 30. August 2007 E. 3.2). Folglich kann der von ihr dargelegte Sachverhalt nicht berücksichtigt werden (vgl. BGE 140 III 16 E. 1.3.1; Urteil 8C_455/2020 vom 20. Oktober 2020 E. 1.3).  
 
2.6. Vor diesem Hintergrund genügen die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur behaupteten Verletzung ihres rechtlichen Gehörs zufolge der angeblichen Abwesenheit des Dolmetschers den qualifizierten Anforderungen an die Begründung von Verfassungsrügen nicht (vgl. E. 2.1 hiervor).  
Doch selbst wenn ihre Darstellung zutreffen sollte, ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin, deren persönliche Anhörung unbestrittenermassen in Anwesenheit eines Dolmetschers stattgefunden hat, in keiner Weise dartut, welche weiteren Vorbringen sie im Rahmen der Parteiverhandlung hätte einbringen können und inwiefern diese einen Einfluss auf das Ergebnis des Verfahrens gehabt hätten, wozu sie aber gestützt auf ihre qualifizierte Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG) gehalten wäre (vgl. Urteil 4D_31/2021 vom 22. Juni 2021 E. 2.1 mit Hinweisen). 
Zudem legt die Beschwerdeführerin nicht substanziiert dar, inwiefern der Umstand, dass die Gerichtsverhandlung, wie sie behauptet, weitergeführt worden sei, obwohl sie nach eigenen Angaben freiwillig den Gerichtssaal verlassen hatte, eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs darstellen oder sonstwie verfassungswidrig sein soll (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die blosse Behauptung, es handle sich um eine "willkürliche und unsachliche" Vorgehensweise, die ihre Persönlichkeitsrechte und ihre Psyche in gravierender Weise verletze, reicht dazu nicht aus. 
 
2.7. Soweit die Beschwerdeführerin schliesslich - unter Hinweis auf eine Bestätigung ihrer Wohnsitzgemeinde - vorbringt, sie werde seit dem 28. Februar 2023 nicht mehr von der Sozialhilfe unterstützt, handelt es sich um echte Noven, die im bundesgerichtlichen Verfahren zum vornherein unzulässig sind (Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 143 V 19 E. 1.2).  
 
3.  
 
3.1. Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet (Art. 106 Abs. 2 BGG). Es ist darauf mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG (Abs. 1 lit. b) nicht einzutreten.  
 
3.2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abgewiesen (Art. 64 BGG). Mit Blick auf die finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. Juni 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov