8C_103/2023 06.12.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_103/2023  
 
 
Urteil vom 6. Dezember 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterinnen Heine, Viscione, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiber Walther. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Mirjam Schneider, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Hilflosenentschädigung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 19. Dezember 2022 (IV.2022.00269). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1988 in Deutschland geborene A.________ leidet seit einem Skiunfall vom 15. Januar 2005 an einer inkompletten Paraplegie sub Th 8(unterhalb des achten Brustwirbels). Nach seiner Einreise in die Schweiz am 11. Juli 2016 meldete er sich am 11. August 2017 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, wobei er einen Rollstuhl sowie Amortisationsbeiträge für sein Motorfahrzeug beantragte. Nach verschiedenen Abklärungen gewährte ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich (fortan: IV-Stelle oder Beschwerdegegnerin) am 8. Januar 2018 die anbegehrten Amortisationsbeiträge und erteilte überdies Kostengutsprache für verschiedene Anpassungen am Fahrzeug. Am 18. September 2018 sprach sie A.________ zudem einen Kostenbeitrag für einen neuen Rollstuhl zu. Infolge verschiedener weiterer Anmeldungen in den Jahren 2017 bis 2021 erhielt er zusätzliche Hilfsmittel. Mit Formular vom 7. Oktober 2021 (Eingang bei der IV-Stelle: 11. Oktober 2021) meldete er sich schliesslich zum Bezug einer Hilflosenentschädigung an. Die IV-Stelle liess vor Ort eine Abklärung für Hilflosenentschädigung durchführen (Bericht vom 9. Dezember 2021) und sprach ihm mit Verfügung vom 1. April 2022 ab 1. Oktober 2020 eine Hilflosenentschädigung aufgrund leichter Hilflosigkeit zu. 
 
B.  
Die dagegen gerichtete Beschwerde des A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Urteil vom 19. Dezember 2022). 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des kantonalen Urteils sowie der Verfügung der IV-Stelle sei ihm rückwirkend ab 1. August 2016 mindestens eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades zuzüglich Verzugszins zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Vornahme weiterer Abklärungen an die Vorinstanz oder allenfalls an die IV-Stelle zurückzuweisen. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Sozialversicherungsgericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die vorgebrachten Argumente, falls weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Feststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang zudem entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1). Eine entsprechende Rüge ist hinreichend zu substanziieren (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2).  
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie dem Beschwerdeführer in Einklang mit der IV-Stelle ab dem 1. Oktober 2020 eine Hilflosenentschädigung bloss wegen leichter Hilflosigkeit zusprach. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze des hier anwendbaren Rechts, das heisst des IVG sowie der IVV (SR 831.201) in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung (vgl. zum Ganzen BGE 148 V 174 E. 4.1) richtig dargelegt. Zutreffend wiedergegeben sind insbesondere die rechtlichen Grundlagen zum Anspruch auf Hilflosenentschädigung (Art. 42 Abs. 1 IVG), zur - für deren Höhe wesentlichen - Unterscheidung von drei Hilflosigkeitsgraden (Art. 42 Abs. 2 IVG; Art. 37 Abs. 1 bis 3 IVV) sowie zu den massgebenden sechs alltäglichen Lebensverrichtungen (An- und Auskleiden; Aufstehen, Absitzen, Abliegen; Essen; Körperpflege; Verrichtung der Notdurft; Fortbewegung [innerhalb und ausserhalb des Hauses], Kontaktaufnahme; BGE 133 V 450 E. 7.2). Darauf kann ebenso verwiesen werden wie auf die vorinstanzlichen Ausführungen zur Entstehung des Anspruchs auf die Hilflosenentschädigung (Art. 35 Abs. 1 IVV) und zur Regelung, wonach deren Nachzahlung bei verspäteter Anmeldung nur für die zwölf Monate erfolgt, die der Geltendmachung vorangehen (Art. 48 Abs. 1 IVG).  
 
3.2. Hervorzuheben bzw. zu ergänzen ist Folgendes:  
 
3.2.1. Als hilflos gilt eine Person, die wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit für alltägliche Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf (Art. 9 ATSG). Die Angewiesenheit auf die Hilfe Dritter muss dabei regelmässig und erheblich sein (Art. 37 Abs. 1-3 IVV). Die richtige Auslegung und Anwendung des Begriffs der Hilflosigkeit betrifft eine Rechtsfrage (Urteil 8C_272/2022 vom 28. Oktober 2022 E. 3.4 mit Hinweisen), die als solche vom Bundesgericht frei überprüft werden kann (vgl. vorne E. 1.1).  
 
3.2.2. Nach der Rechtsprechung wahrt die versicherte Person mit ihrer Anmeldung bei der IV-Stelle nicht nur diejenigen Ansprüche, die sie ausdrücklich auf dem Anmeldeformular aufzählt. Vielmehr umfasst die Anmeldung alle Ansprüche, die nach Treu und Glauben mit dem angemeldeten Risikoeintritt im Zusammenhang stehen. Die im Anschluss an ein Leistungsgesuch durchzuführenden Abklärungen der Verwaltung erstrecken sich jedoch nur auf die vernünftigerweise mit dem vorgetragenen Sachverhalt und allfälligen bisherigen oder neuen Akten im Zusammenhang stehenden Leistungen. Wird später geltend gemacht, es bestehe noch Anspruch auf eine andere Versicherungsleistung, so ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalles im Lichte von Treu und Glauben zu prüfen, ob jene frühere ungenaue Anmeldung auch den zweiten, allenfalls später substanziierten Anspruch umfasst (BGE 121 V 195 E. 2; Urteil 9C_336/2012 vom 6. Mai 2013 E. 3.2 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 139 V 289, aber in: SVR 2013 AHV Nr. 12 S. 47; Urteil 9C_40/2020 vom 26. Juni 2020 E. 5.1).  
Übersieht ein Versicherungsträger eine hinreichend substanziierte Anmeldung, ist praxisgemäss eine fünfjährige Nachzahlungsfrist, rückwärts gerechnet ab dem Zeitpunkt der Neuanmeldung, zu beachten. Eine weitergehende Nachzahlung ist hingegen ausgeschlossen (BGE 121 V 195 E. 5c und 5d; SVR 2013 UV Nr. 16 S. 61, 8C_888/2012 E. 3.3 und 4.3; Urteil 8C_624/2021 vom 1. Juni 2022 E. 4.2.3). 
 
4.  
Einigkeit besteht vorliegend darüber, dass der Beschwerdeführer in den alltäglichen Lebensverrichtungen "An- und Auskleiden" und "Essen" nicht hilfsbedürftig ist. Ebenso unbestritten ist, dass er in den drei alltäglichen Lebensverrichtungen "Aufstehen/Absitzen/Abliegen", "Körperpflege" sowie "Fortbewegung/Kontaktaufnahme" regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und er daher Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung für mindestens leichte Hilflosigkeit im Sinne von Art. 37 Abs. 3 lit. a IVV hat. Nicht strittig ist schliesslich auch die verfügungsweise Feststellung der IV-Stelle, wonach die Anspruchsvoraussetzungen für die Hilflosenentschädigung grundsätzlich bereits seit dem 1. Juli 2016, d.h. seit der Einreise des Beschwerdeführers in die Schweiz, erfüllt sind. 
Umstritten und zu entscheiden ist hingegen, ob der Beschwerdeführer auch bei der Verrichtung der Notdurft hilfsbedürftig ist und damit Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit mittleren Grades hat. 
 
4.1. Nach einer Darlegung der diesbezüglichen Sachverhaltsschilderungen des Beschwerdeführers sowie des Abklärungsberichts vom 9. Dezember 2021 hielt die Vorinstanz fest, gemäss dem Urteil 9C_604/2013 vom 6. Dezember 2013 E. 5 bestehe keine Hilflosigkeit, wenn sich eine versicherte Person den Stuhl manuell aus dem Darm entfernen müsse und dazu keine Dritthilfe benötige. Der Beschwerdeführer könne den Darm selbstständig, also ohne Dritthilfe, mittels eines Klistier-Duschaufsatzes entleeren. Vor diesem Hintergrund habe die IV-Stelle zu Recht keine Hilflosigkeit bei der Verrichtung der Notdurft anerkannt. Daran vermöge auch das vom Beschwerdeführer zitierte Urteil des Cour des assurances sociales des Kantons Waadt vom 22. März 2018 (AA 70/16 - 27/2018) nichts zu ändern. In jenem Fall habe sich das Gericht mit einer versicherten Person zu befassen gehabt, welche sich zur Blasenentleerung durchschnittlich fünfmal täglich selbst katheterisieren musste, wobei es eine Hilflosigkeit unter Bezugnahme auf das vorliegend nicht einschlägige Urteil 8C_674/2007 vom 6. März 2008 E. 6 bejaht habe. Insgesamt sei der Beschwerdeführer somit nur in drei alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen, weshalb die IV-Stelle zu Recht von einer Hilflosigkeit leichten Grades ausgegangen sei.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Auffassung der Vorinstanz greife zu kurz. Ihr sei darin zuzustimmen, dass er die Darmentleerung ohne fremde Hilfe vornehme. Unzutreffend scheine sie aber im Weiteren davon auszugehen, dass es sich lediglich um einen Fall gewöhnlicher manueller Darmausräumung handle. Erst durch die Konsultationen in der Ernährungsberatung des Zentrums B.________ während eines Aufenthalts vom 9. August bis 7. Oktober 2021 sei es ihm gelungen, die Dauer der täglichen Darmentleerung von eineinhalb bis zwei Stunden auf den heutigen Stand von rund einer Stunde zu reduzieren. Er entleere seinen Darm einmal täglich in der Dusche mit Hilfe eines Klistieraufsatzes, mit dem er einen Einlauf mit warmem Wasser durchführe, wodurch der Stuhl aufgeweicht und teilweise ausgespült werden könne. Anschliessend entferne er den restlichen Stuhl manuell aus dem Darm. Da das Aufweichen stets einige Zeit in Anspruch nehme und oftmals nicht auf Anhieb gelinge, sei der Einlauf sehr zeitintensiv; auch das anschliessende manuelle Ausräumen des Stuhls benötige Zeit, ebenso wie das An- und Auskleiden sowie der Transfer in bzw. aus der Dusche. Hinzu komme, dass die manuelle Stimulation mittels Klistieraufsatz nicht ungefährlich sei. Dies alles führe zu einer erheblichen persönlichen Einschränkung in seiner Lebensweise, zumal er auch bei privaten und beruflichen Reisen auf eine seinen Bedürfnissen angepasste barrierefreie Umgebung bzw. Dusche angewiesen sei, um den Darm entleeren zu können. Damit liege sowohl eine unübliche Art der Verrichtung der Notdurft als auch ein unzumutbarer Aufwand im Sinne von Rz. 8026 des Kreisschreibens über die Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung vor. Entgegen der Vorinstanz sei der vorliegende Sachverhalt zudem mit den Urteilen betreffend Blasenentleerung mittels Selbstkatheterisierung vergleichbar. Es liege deshalb auf der Hand, dass die Darmentleerung mittels Darmspülung in der Dusche während mindestens einer Stunde pro Tag auch ohne Dritthilfe eine Hilflosigkeit begründe. Indem die Vorinstanz die Verrichtung der Notdurft allein danach beurteilt habe, ob der Beschwerdeführer den Darm selbstständig manuell entleere, ohne den ausserordentlichen zeitlichen und organisatorischen Aufwand sowie die Aussergewöhnlichkeit der Darmentleerung zu würdigen, habe sie den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt und den Begriff der Hilflosigkeit bundesrechtswidrig ausgelegt.  
 
4.3.  
 
4.3.1. Was die Rüge der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung betrifft, kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden. Zwar erwähnte das kantonale Gericht in Erwägung 4.2 seines Urteils, wo es die Hilflosigkeit verneinte, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände der Notdurftverrichtung nicht mehr ausdrücklich. Da es in den vorangehenden Erwägungen 2.2 und 3 die entsprechenden Schilderungen des Beschwerdeführers und der Abklärungsperson wiedergegeben hatte, kann Erwägung 4.2 jedoch nicht anders verstanden werden, als dass es bei der rechtlichen Würdigung von dem vom Beschwerdeführer vorgetragenen bzw. dem von der Abklärungsperson erhobenen Sachverhalt ausging. Soweit das kantonale Gericht die Hilflosigkeit mit der Begründung verneinte, der Beschwerdeführer könne den Darm selbstständig entleeren, ist dies somit nicht hinsichtlich der betreffenden Sachverhaltsfeststellung, sondern deren rechtlicher Würdigung zu prüfen.  
 
4.3.2. Zur Begründung seiner Hilflosigkeit macht der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Urteil 8C_674/2007 vom 6. März 2008 E. 6 im Kern geltend, er könne die Notdurft nur auf unübliche Weise und mit unzumutbarem Aufwand verrichten. Im erwähnten Urteil habe das Bundesgericht bei einem Versicherten, der sechsmal täglich einen Katheter zur Blasenentleerung habe einsetzen müssen, die Hilflosigkeit wegen der Unüblichkeit der Notdurftverrichtung bejaht, obwohl es am Erfordernis einer effektiven Dritthilfe gefehlt habe.  
 
4.3.2.1. Wie sich aus dem nach wie vor wegweisenden Urteil BGE 106 V 153 ergibt, auf dem sowohl das von der Vorinstanz als auch das vom Beschwerdeführer zitierte Urteil beruhen, greift diese Argumentation zu kurz. In der Tat erkannte das damalige Eidgenössische Versicherungsgericht (heute: Dritte und Vierte öffentlich-rechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) in Erwägung 2b des besagten Urteils, dass die Voraussetzung der Angewiesenheit auf Dritthilfe grundsätzlich als erfüllt zu betrachten ist, wenn die versicherte Person eine alltägliche Lebensverrichtung nur in einer nicht den üblichen Gepflogenheiten entsprechenden Weise auszuführen vermag. Die dort beurteilte Fallkonstellation ist mit der vorliegenden jedoch nicht vergleichbar. Fraglich war, ob eine in einem Heim lebende Versicherte auch bei der alltäglichen Lebensverrichtung "Essen" auf Hilfe angewiesen war. Die Hilfe des Personals bei dieser Lebensverrichtung beschränkte sich darauf, die Versicherte im Rollstuhl in den Speisesaal zu bringen, wo sie dann selbstständig ass, indem sie die Nahrung mit den Fingern zum Mund führte. Das Eidgenössische Versicherungsgericht erwog, dass die Voraussetzung der Angewiesenheit auf Dritthilfe beim Essen zweifellos als erfüllt betrachtet würde, wenn der Versicherten die Speisen von einer Drittperson angereicht worden wären. Es wäre unbillig, ja geradezu stossend, wenn der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung nur deswegen verneint würde, weil die Versicherte, sich selber überlassen, mit den Fingern zu essen vermochte.  
 
4.3.2.2. Wie sich daraus ergibt, lässt sich aus dem Umstand, dass die versicherte Person eine alltägliche Lebensverrichtung nur in einer unüblichen Weise ausüben kann, nicht unmittelbar auf eine Hilfsbedürftigkeit und damit auf eine Hilflosigkeit bei dieser Lebensverrichtung schliessen. Vielmehr ist hierfür auch erforderlich, dass die versicherte Person die fragliche Lebensverrichtung mit Hilfe Dritter im Vergleich zur selbstständigen Ausübung auf eine den üblichen Gepflogenheiten entsprechende bzw. würdigere Art und Weise vornehmen kann. Gleiches gilt, soweit die Rechtsprechung zur Bejahung der Hilfsbedürftigkeit daran anknüpft, dass die versicherte Person eine Lebensverrichtung nur mehr mit unzumutbarem Aufwand ausüben kann (vgl. Urteile 8C_533/2019 vom 11. Dezember 2019 E. 3.2.3; 9C_560/2017 vom 17. Oktober 2017 E. 4.3; 9C_809/2015 vom 10. August 2016 E. 5.1.2; jeweils mit Hinweis auf Ziff. 8026 des Kreisschreibens über die Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung [KSIH]). Auch dort ist zu verlangen, dass es der versicherten Person durch die Hilfe Dritter möglich ist, die fragliche Lebensverrichtung in einer weniger aufwändigen Weise vorzunehmen.  
Sollte das vom Beschwerdeführer zitierte Urteil 8C_674/2007 vom 6. März 2008 E. 6 dahingehend zu verstehen sein, dass die Hilflosigkeit bei der Verrichtung der Notdurft allein deshalb bejaht wurde, weil die sechsmal tägliche Blasenentleerung mittels Katheters als unüblich eingestuft wurde (vgl. diesbezüglich auch Rz. 8021 der hier anwendbaren Fassung des KSIH vom 1. Januar 2021), kann daran nach dem Gesagten nicht festgehalten werden. Gleiches gilt hinsichtlich des Urteils des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 431/86 vom 3. Februar 1988, in welchem das Ausräumen des Darms von Hand als eine unübliche Art und Weise der Notdurftverrichtung eingestuft wurde, ohne in diesem Zusammenhang auf die Angewiesenheit auf Hilfe Dritter einzugehen (vgl. E. 2d des Urteils). 
 
4.3.2.3. Vor diesem Hintergrund sind die Vorbringen des Beschwerdeführers nicht stichhaltig. Wie er geltend macht, erscheint die von ihm praktizierte Verrichtung der Notdurft zwar durchaus als mit erheblichem Aufwand verbunden und unüblich. Er legt jedoch nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich (vgl. vorne E. 4.1 und 4.2), inwiefern es ihm durch die Hilfe Dritter möglich wäre, seine Notdurft in einer üblicheren und weniger aufwändigen bzw. belastenden Weise zu verrichten. Fehlt es im Zusammenhang mit dieser Lebensverrichtung somit von vornherein an der Notwendigkeit erheblicher Hilfe Dritter, so verstösst die vorinstanzliche Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer sei in der alltäglichen Lebensverrichtung "Notdurft" nicht hilflos im Sinne von Art. 9 ATSG, nicht gegen Bundesrecht. Da der Beschwerdeführer lediglich in drei alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, ist auch die Zusprache einer Hilflosenentschädigung wegen leichter Hilflosigkeit nicht zu beanstanden.  
 
5.  
Umstritten ist letztinstanzlich schliesslich der Zeitpunkt, ab welchem dem Beschwerdeführer die ihm zustehende Hilflosenentschädigung wegen einer Hilflosigkeit leichten Grades auszurichten ist. 
 
5.1. Die Vorinstanz hielt diesbezüglich fest, mit der ersten Anmeldung vom 11. August 2017 habe der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine Querschnittlähmung einen Rollstuhl sowie Amortisationsbeiträge für sein Motorfahrzeug beantragt. Angaben zur Hilflosigkeit fänden sich darin nicht. Sein Hausarzt Dr. med. C.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, habe in seinem Bericht vom 26. August 2017 zwar vermerkt, dass der Beschwerdeführer dauerhaft im Rollstuhl sitze, eine Hilflosigkeit habe aber auch er nicht erwähnt. Aus dem Bericht der Klinik D.________ (Deutschland), vom 3. September 2013 ergebe sich zudem, dass der Beschwerdeführer regelmässig um sein Auto gehe und zweimal wöchentlich zu Fuss mit Unterarmgehstütze eine Etage Treppen steige. Hinsichtlich des Hilfebedarfs werde weiter ausgeführt, dass beim Waschen, Kleiden und bei Transfers keine Hilfe erforderlich sei. Weiter heisse es, dass der Beschwerdeführer vollzeitig als Informatikkaufmann berufstätig sei und selbst mit dem Auto zur Arbeit fahre; im September 2013 sei überdies ein Umzug nach U.________ geplant, um dort ein Studium der Wirtschaftsinformatik aufzunehmen. Bei dieser Ausgangslage, so die Vorinstanz, hätten im Zeitpunkt der erstmaligen Anmeldung bei der IV-Stelle keine Anhaltspunkte für eine mögliche Hilflosigkeit bestanden. Dasselbe gelte für die Anmeldungen des Beschwerdeführers vom 29. November 2017, vom 5. Mai 2020, vom 31. Juli 2020, vom 23. Januar 2021 sowie vom 31. August 2021. Vor der Anmeldung vom 11. Oktober 2021 sei die IV-Stelle somit nicht gehalten gewesen, die Frage der Hilflosigkeit von Amtes wegen zu prüfen. Der von der IV-Stelle gemäss Art. 48 Abs. 1 IVG auf den 1. Oktober 2020, d.h. zwölf Monate vor letzterer Anmeldung, festgelegte Anspruchsbeginn sei damit nicht zu beanstanden.  
 
5.2. Der Beschwerdeführer ist mit der Vorinstanz darin einig, die Hilflosenentschädigung erst mit der Anmeldung vom 11. Oktober 2021 beantragt zu haben. Bereits zum Zeitpunkt der ersten Anmeldung hätten jedoch mehr als deutliche Anhaltspunkte für das Vorliegen der Hilflosigkeit und damit den Anspruch auf die Hilflosenentschädigung bestanden, weshalb er gemäss Art. 48 IVG bereits ab 1. August 2016, also ein Jahr vor der erstmaligen Anmeldung, Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung habe.  
 
5.3.  
 
5.3.1. Mit dieser Argumentation dringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen durch. Unbestrittenermassen war der IV-Stelle aufgrund der Anmeldung vom 11. August 2017 und der in der Folge eingeholten Berichte des Hausarztes und der Klinik D.________ bekannt, dass der Beschwerdeführer wegen seiner inkompletten Paraplegie dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen ist. Wie er zutreffend geltend macht, kann bei kompletter Paraplegie eine Hilflosenentschädigung leichten Grades praxisgemäss ohne Abklärung ausgerichtet werden (Ziff. 8068 KSIH). Zudem gilt nach ständiger Rechtsprechung eine versicherte Person, die auf einen Rollstuhl angewiesen ist, in der alltäglichen Lebensverrichtung "Fortbewegung/Kontaktaufnahme" als hilflos; dies gilt selbst dann, wenn die versicherte Person in der Lage ist, selber Auto zu fahren oder sich im Alltag weitgehend selbstständig fortzubewegen. Denn für die Bejahung der Hilflosigkeit bei dieser Lebensverrichtung genügt, dass eine infolge Gehunfähigkeit auf einen Rollstuhl angewiesene Person - unabhängig davon, ob eine komplette oder inkomplette Paraplegie vorliegt - im Alltag regelmässig und in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, um Hindernisse in einer nicht rollstuhlgängigen Umgebung zu überwinden (BGE 117 V 146 E. 3a/bb; Urteil 8C_592/2020 vom 15. April 2021 E. 4.2). Weiter kann nach der Rechtsprechung bei Paraplegikern grundsätzlich auch eine erhebliche Hilfsbedürftigkeit in der Teilfunktion "Aufstehen" und damit bei der Lebensverrichtung "Aufstehen/Absitzen/Abliegen" vorliegen (vgl. BGE 117 V 146 E. 3b).  
 
5.3.2. Entgegen der unhaltbaren Feststellung des kantonalen Gerichts ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass die IV-Stelle aufgrund ihrer Kenntnis der Paraplegie und Rollstuhlabhängigkeit des Beschwerdeführers bereits im Zeitpunkt der ersten Anmeldung vom 11. August 2017 hinreichende Anhaltspunkte für eine allfällige Hilfsbedürftigkeit namentlich bei den alltäglichen Lebensverrichtungen "Fortbewegung" und "Aufstehen/Absitzen/Abliegen" hatte. Dass es sich vorliegend um eine inkomplette Paraplegie handelt, ändert daran ebenso wenig wie der Umstand, dass der Beschwerdeführer laut Bericht der Klinik D.________ um sein Auto herumgehen kann, zweimal wöchentlich mit Unterarmgehstütze eine Etage Treppen bewältigt und beim Waschen, Anziehen und bei Transfers keine Hilfe benötigt. Inwiefern die Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2013 in Vollzeit als Informatikkaufmann arbeitete, dabei selbst mit dem Auto zur Arbeit fuhr und im September 2013 nach U.________ zog, um dort ein Studium der Wirtschaftsinformatik aufzunehmen, gegen eine Hilfsbedürftigkeit in den besagten Lebensverrichtungen "Fortbewegung" und "Aufstehen/Absitzen/Abliegen" sprechen soll, ist ebenfalls nicht ersichtlich.  
 
5.3.3. Wie in der Beschwerde geltend gemacht wird, hätte die IV-Stelle unter den gegebenen Umständen schon nach der Anmeldung vom 11. August 2017 Abklärungen hinsichtlich einer allfälligen Hilfsbedürftigkeit vornehmen müssen. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Hilflosenentschädigung - deren Voraussetzungen grundsätzlich seit dem 1. Juli 2016 erfüllt waren (vgl. vorne E. 4) - und damit auch die zwölfmonatige Verwirkungsfrist von Art. 48 Abs. 1 IVG bereits mit dieser Anmeldung gewahrt hat, was grundsätzlich zur beantragten Nachzahlung ab dem 1. August 2016 führen würde. Zu beachten ist jedoch, dass nach der Rechtsprechung auch dann, wenn ein Versicherungsträger eine hinreichende Anmeldung übersehen hat, nur die Leistungen der letzten fünf Jahre vor der Neuanmeldung nachbezahlt werden (vgl. vorne E. 3.2.2). Als Neuanmeldung in diesem Sinne gilt dabei jedes unmissverständliche Beharren der versicherten Person darauf, dass der Versicherungsträger ihr weitere Leistungen schuldet (Urteil 8C_888/2012 vom 20. Februar 2013 E. 3.5 mit Hinweisen), was vorliegend mit der Anmeldung des Beschwerdeführers zum Bezug einer Hilflosenentschädigung vom 11. Oktober 2021 der Fall war. Die Nachzahlung der Hilflosenentschädigung ist somit für die letzten fünf Jahre vor dieser Anmeldung, d.h. für die Zeit ab 1. Oktober 2016, geschuldet. Insoweit ist die Beschwerde gutzuheissen.  
 
6.  
Bei diesem Verfahrensausgang rechtfertigt es sich, die Gerichtskosten hälftig aufzuteilen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 BGG). Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 67 und 68 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. Dezember 2022 wird insoweit abgeändert, als dem Beschwerdeführer bereits ab dem 1. Oktober 2016 eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit leichten Grades zusteht. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden zu Fr. 250.- dem Beschwerdeführer und zu Fr. 250.- der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'400.- zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. Dezember 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Walther