4A_23/2024 21.03.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_23/2024  
 
 
Urteil vom 21. März 2024  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Hohl, Kiss, 
Gerichtsschreiber Brugger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Carmine Baselice, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Bohren, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Versicherungsvertrag, Beweiswürdigung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss und das Urteil 
des Handelsgerichts des Kantons Zürich 
vom 23. November 2023 (HG210212-O). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ (Kläger, Beschwerdegegner) ist Halter eines geleasten Personenwagens BMW M4 Coupé. Versichert wurde das Fahrzeug bei der A.________ AG (Beklagte, Beschwerdeführerin), u.a. gegen das Kollisionsrisiko mit Zeitwertzuschlag. 
Am 1. Januar 2018 kollidierte der Kläger mit seinem Fahrzeug mit einer Mauer. Er meldete den Schaden der Beklagten und schilderte, er habe einem entgegenkommenden Fahrzeug ausweichen müssen und sei dabei mit der Mauer kollidiert. Die Beklagte bestritt den vom Kläger geschilderten Unfallhergang und verweigerte die Versicherungsleistungen. Der Kläger habe das Schadensereignis inszeniert und habe sein Fahrzeug gerade in die Mauer gesteuert. 
 
B. Mit Beschluss vom 5. Mai 2021 trat das Handelsgericht Zürich auf eine Feststellungklage des Klägers mangels schutzwürdigen Feststellungsinteresses nicht ein. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 4A_322/2021 vom 9. August 2021 ab, soweit es darauf eintrat.  
 
C.  
Am 18. Oktober 2021 gelangte der Kläger erneut an das Handelsgericht des Kantons Zürich. Er verlangte die Versicherungsleistung aus dem zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag sowie den Ersatz der Einstellkosten für das beschädigte Fahrzeug. Im Hauptbegehren verlangte er, die Beklagte sei unter Nachklagevorbehalt zu verpflichten, ihm einen noch zu beziffernden Betrag von mindestens Fr. 65'301.55 zuzüglich Verzugszins und Schadenszins zu zahlen. Eventualiter beantragte er unter anderem die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Fr. 65'301.55, und subeventualiter zu Fr. 95'753.--, jeweils zuzüglich Verzugs- und Schadenszins. 
Mit Urteil und Beschluss vom 23. November 2023 trat das Handelsgericht auf die unbezifferte Forderungsklage gemäss Hauptrechtsbegehren nicht ein und wies verschiedene prozessuale Anträge des Klägers ab, soweit sie nicht gegenstandslos geworden waren. In der Sache kam das Handelsgericht zum Schluss, dass der Kläger den Versicherungsfall nach dem Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen habe. Da der Beklagten die Widerlegung der klägerischen Darstellung des Versicherungsfalls nicht gelungen sei, sei auch keine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls nachgewiesen. Entsprechend verpflichtete das Handelsgericht die Beklagte, dem Kläger Fr. 55'700.-- zuzüglich Zins zu bezahlen und wies die Klage im Mehrbetrag ab, soweit es darauf eintrat. 
 
D.  
Gegen das Urteil des Handelsgerichts erhebt die Beschwerdeführerin Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, das Urteil sei vollumfänglich aufzuheben und das Verfahren sei zur Vervollständigung des Sachverhalts bzw. durch Durchführung eines Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Der Beschwerdegegner beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz verzichtete auf Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Unter Vorbehalt einer rechtsgenüglichen Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. Erwägung 2) ist daher auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (BGE 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2).  
Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Macht die beschwerdeführende Partei beispielsweise eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) geltend, genügt es nicht, wenn sie einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich; sie hat vielmehr im Einzelnen zu zeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist (BGE 141 III 564 E. 4.1). 
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1). 
 
3.  
Unbestritten ist, dass der Beschwerdegegner den Versicherungsfall nachweisen muss, und zwar mit dem herabgesetzten Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Die Vorinstanz nahm im angefochtenen, über 50-seitigen Urteil eine ausführliche Beweiswürdigung vor und kam zum Schluss, dass dem Beschwerdegegner dieser Beweis gelungen sei. Vor Bundesgericht bezieht sich die Beschwerdeführerin zwar formell auf die Erwägungen der Vorinstanz. Sie verkennt dabei aber, dass das Bundesgericht keine Appellationsinstanz ist, die den Prozessstoff nach dem Handelsgericht ein zweites Mal umfassend beurteilt. Es greift nur ein, wenn eine Bundesrechtsverletzung klar und detailliert aufgezeigt ist (vgl. Erwägung 2). Dies gelingt der Beschwerdeführerin über weiteste Strecken nicht. 
 
3.1. Die Beschwerdeführerin genügt den Begründungsanforderungen nicht, wenn sie die Beweiswürdigung der Vorinstanz kritisiert und dabei lediglich ihre eigene Auffassung schildert, wonach der Beschwerdegegner den Unfall inszeniert habe. Sie setzt sich diesbezüglich nicht rechtsgenüglich mit den ausführlichen Erwägungen der Vorinstanz auseinander, geschweige denn zeigt sie auf, inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung offensichtlich unrichtig im oben genannten Sinn sein soll (Erwägung 2.1).  
 
3.2. Das Gleiche gilt, wenn die Beschwerdeführerin den Entscheid der Vorinstanz pauschal als "Inbegriff der Widersprüchlichkeit", "völlig widersprüchlich", überspitzt formalistisch und willkürlich qualifiziert oder behauptet, dass die Vorinstanz in "nicht ganz nachvollziehbarer Manier" geurteilt habe, ohne sich aber hinreichend mit den jeweiligen ausführlichen Erwägungen der Vorinstanz auseinander zu setzen und ohne diese Vorwürfe rechtsgenüglich zu begründen.  
 
3.3. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den von der Vorinstanz abgewiesenen Editionsantrag bezüglich der Fahrzeugdaten bei der C.________ AG und dem vorinstanzlichen Verzicht auf die Befragung von dipl.Ing. D.________. Ebenso kritisiert sie die Nichteinvernahme von Zeugen bezüglich der Auslegung der Daten. Die Vorinstanz legte auch diesbezüglich dar, aus welchen Gründen sie auf die Beweisabnahmen verzichtete. Dagegen qualifiziert die Beschwerdeführerin den Verzicht bloss pauschal als willkürlich oder überspitzt formalistisch, ohne diese Vorwürfe nachvollziehbar und rechtsgenüglich zu begründen.  
 
3.4. Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich eine "krasse Verletzung" von Art. 8 ZGB, weil die Vorinstanz den von ihr anerbotenen Zeugenbefragungen der Schadenexperten nicht gefolgt sei. Weshalb den Zeugen die Beweiseignung abgehe, begründe die Vorinstanz nicht. Sie verletze auch hier das Willkürverbot und handle überspitzt formalistisch.  
Diese Rügen gehen fehl. Es ist nicht korrekt, wenn die Beschwerdeführerin behauptet, die Vorinstanz habe die Ablehnung der Zeugen nicht begründet. Vielmehr legte die Vorinstanz auch hier dar, aus welchen Gründen sie auf die Einvernahme der genannten Zeugen verzichtete. Sie führte aus, dass die Frage der Vereinbarkeit eines Schadensbilds mit einer Unfallschilderung ohne Weiteres zum Gegenstand eines gerichtlichen Gutachtens gemacht werden könne und die Einvernahme eines privaten Sachverständigen als Zeugen zum Nachweis nicht geeignet sei (angefochtener Entscheid E. 2.3.1 S. 21). Mit diesen Erwägungen setzt sich die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nicht rechtsgenüglich auseinander. Sie zeigt zudem nicht nachvollziehbar auf, inwiefern diesbezüglich Art. 8 ZGB verletzt oder dieser Entscheid der Vorinstanz offensichtlich unrichtig, geschweige denn überspitzt formalistisch sein soll. 
 
4.  
Der vorinstanzliche Kosten- und Entschädigungsentscheid wird nicht unabhängig vom Ausgang des bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens angefochten. Da der Beschwerde nach dem Gesagten kein Erfolg beschieden ist, bleibt es ohne Weiteres bei den vorinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
 
5.  
Das Gesuch vom 19. Februar 2024um Erteilung der aufschiebenden Wirkung wird mit dem Entscheid in der Sache selbst gegenstandslos. 
 
6.  
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdegegner reichte bloss eine zweiseitige Eingabe ein, in der er im Wesentlichen auf den Entscheid der Vorinstanz verwies und sich diesem anschloss. Er ist dafür mit einer reduzierten Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu entschädigen. 
 
Das Bundesgericht erkennt: 
 
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. März 2024 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Brugger