4A_467/2023 06.05.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_467/2023  
 
 
Urteil vom 6. Mai 2024  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Hohl, Kiss, 
Gerichtsschreiber Brugger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Advokat Prof. Dr. Pascal Grolimund, Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Forderung aus Versicherungsvertrag, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 5. Juli 2023 
(HG.2020.174-HGK). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die B.________ AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) führt in U.________ einen Gastronomiebetrieb. Sie schloss mit der A.________ AG (Beklagte, Beschwerdeführerin) die "Geschäftsversicherung X.________" ab, die unter anderem eine Fahrhabeversicherung beinhaltet. Diese Fahrhabeversicherung umfasst auch die Versicherung für Ertragsausfall und Mehrkosten infolge Epidemie bis zu einem Höchstbetrag von Fr. 4 Mio. bei einem Selbstbehalt von Fr. 200.--. 
Am 16. März 2020 stufte der Bundesrat die Situation in der Schweiz im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus als ausserordentliche Lage im Sinne von Art. 7 des Epidemiengesetzes ein. Er ordnete mit Wirkung ab dem 17. März 2020 die Schliessung von für das Publikum öffentlich zugänglichen Einrichtungen an, insbesondere von Restaurations- und Barbetrieben (Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus [COVID-19]; COVID-19-Verordnung 2; Änderung vom 16. März 2020). Infolgedessen waren Restaurations- und Barbetriebe für das Publikum erst ab dem 11. Mai 2020 unter einschränkenden Auflagen wieder öffentlich zugänglich (Art. 6 Abs. 3 lit. b bis COVID-19-Verordnung 2 [Stand 11. Mai 2020]). 
 
B.  
Am 12. November 2020 reichte die Klägerin eine Teilklage am Handelsgericht des Kantons St. Gallen ein. Sie beantragte, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 35'000.-- samt Zins für Ertragsausfall und Mehrkosten inf olge der Epidemie zu bezahlen. 
Mit Entscheid vom 5. Juli 2023 hiess das Handelsgericht die Klage gut. Es verpflichtete die Beklagte, der Klägerin Fr. 35'000.-- nebst Zins zu bezahlen. 
 
C.  
Dagegen erhebt die Beschwerdeführerin Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, es sei das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Klage der Beschwerdegegnerin abzuweisen, eventualiter sei die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Die Beschwerdegegnerin begehrt, die Beschwerde abzuweisen. Die Vorinstanz verzichtete auf Vernehmlassung. Die Beschwerdeführerin replizierte. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Zu entscheiden ist, ob die vom Bundesrat verordnete Schliessung des Restaurationsbetriebs der Beschwerdegegnerin bzw. der daraus resultierende Erwerbsausfall von der zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherung gedeckt ist. Hierzu sind die anwendbaren allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beschwerdeführerin zu interpretieren. Die diesbezüglich anwendbaren Grundsätze hat das Bundesgericht in BGE 148 III 57 E. 2 zusammengefasst. Darauf kann verwiesen werden. Ein übereinstimmender tatsächlicher Wille der Parteien wurde nicht behauptet, weshalb die allgemeinen Versicherungsbedingungen nach dem Vertrauensprinzip auszulegen sind. 
 
1.1. Das versicherte Ereignis der Epidemie wird in den hier unbestrittenermassen anwendbaren Zusatzbedingungen "Geschäftsversicherung X.________, Nahrungsmittel" (nachfolgend "Zusatzbedingungen") wie folgt umschrieben:  
 
"Epidemie 
 
B1 Massnahmen, die eine zuständige schweizerische oder liechtensteinische Behörde oder ein nach EN 45001/ISO17025 akkreditiertes Labor aufgrund gesetzlicher Bestimmungen verfügt oder empfiehlt, um durch 
- die Betriebsschliessung, Teilschliessung, Quarantäne oder Einschränkung der betrieblichen Tätigke it 
- die Beseitigung oder Aufbereitung von infizierte[n] Waren im Betrieb die Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Lebensmittel, Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände sowie Wasser aus Schwimmbädern zu verhindern. 
-..] 
Nicht versichert sind 
-..] 
B2 Schäden infolge Grippe (Influenza); [...]." 
 
1.2. Die Vorinstanz kam zusammengefasst zum Schluss, Ausgangspunkt der Auslegung bilde der Wortlaut der Klausel B1, aus dem sich allerdings im vorliegenden Fall wenig ableiten lasse. Klar für den Standpunkt der Beschwerdegegnerin spreche allerdings der Gesamtzusammenhang, in dem sich die strittige Klausel befinde. Dass gemäss den Zusatzbedingungen beim versicherten Ereignis Epidemie Ertragsausfälle und Mehrkosten infolge Grippe (Influenza) ausdrücklich ausgeschlossen seien (Klausel B2), scheine in den Augen des Versicherungsnehmers nur sinnvoll, wenn ohne diese konkrete Ausschlussklausel die Schliessung eines Betriebs wegen einer Grippewelle von der Versicherungsdeckung erfasst wäre. Da es bezüglich des SARS-Virus bzw. COVID-19 keine entsprechende Ausschlussklausel gebe, sei nach dem Vertrauensprinzip davon auszugehen, dass Massnahmen, welche zur Verhinderung der Ausbreitung dieser nicht von der Versicherungsdeckung ausgeschlossenen Krankheit verfügt worden seien, von der Versicherungsdeckung erfasst seien. Auch aus dem Begriff des versicherten Risikos einer Epidemie sei abzuleiten, dass eine Gefahr gemeint sein müsse, welche von verseuchten Lebensmitteln bzw. verseuchten Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen ausgehe, und zwar unabhängig davon, woher die Viren oder Bakterien, welche zur Verseuchung geführt haben, letztendlich stammten. Die Betriebsschliessungen bezweckten nach der Vorstellung des Bundesrates unter anderem, eine Ansteckung der Bevölkerung mit dem Coronavirus an den Oberflächen von Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen in den von der Schliessung betroffenen Betrieben zu verhindern, da die Gefahr bestanden habe, dass die empfohlenen Hygienemassnahmen nicht eingehalten werden könnten. Damit stehe fest, dass mit der behördlich verfügten Betriebsschliessung vom 17. März bis 11. Mai 2020 das versicherte Ereignis im Sinne der vertraglichen Bestimmungen eingetreten sei.  
 
1.3. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, die Vorinstanz beschränke ihre Auslegung der Zusatzbedingungen auf einen kurzen Hinweis zum Wortlaut der strittigen Versicherungsbedingungen und einen systematischen Umkehrschluss. Eine solche Auslegung genüge den bundesrechtlichen Anforderungen an eine objektive Vertragsauslegung nicht. Es sei falsch, von einem Ausschlussgrund auf den Deckungsbeschrieb zu schliessen. Solches bedeute, das Pferd am Schwanz aufzuziehen. Die Auslegung der Deckungsklausel müsse grundsätzlich von der Auslegung von Ausschlüssen getrennt und vorgelagert erfolgen. Andererseits könne ein Ausschluss stets auch erfolgen, um die Deckungsklausel mit Blick auf mögliche Zweifelsfälle zu präzisieren, ohne dass es sich um eine Ausnahme von einer grundsätzlich bestehenden Deckung handle. Die Vorinstanz unterlasse es auch zu prüfen, was der Sinn und Zweck der Versicherung sei. Dabei erschliesse es sich ohne Weiteres, dass die vorliegende Versicherungsdeckung das in Gastronomiebetrieben inhärente Hygienerisiko und damit verbundene Massnahmen versichern wolle. Die vorliegende Zusatzdeckung sei denn auch Bestandteil der Betriebsversicherung für entsprechende Betriebe. Es gehe mithin um betriebsimmanente und vom betreffenden Betrieb her stammende Gesundheitsrisiken. Gedeckt würden nicht alle behördlichen Anordnungen, sondern nur solche zum Schutz vor Gesundheitsgefährdungen durch Lebensmittel, Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände. Das speziell für Gastronomiebetriebe geschaffene Versicherungsprodukt wolle augenscheinlich vor den spezifisch mit dem Betrieb entsprechender Einrichtungen verbundenen Gesundheitsrisiken schützen.  
 
1.4. Dieser Standpunkt überzeugt und die Beschwerdeführerin rügt die Auslegung der Zusatzbedingungen durch die Vorinstanz zu Recht als bundesrechtswidrig.  
 
1.4.1. Für die Bestimmung der Deckung dieser Versicherung ist beim Wortlaut der hier strittigen Klausel B1 der Zusatzbedingungen anzusetzen: Wie dem letzten Absatz der Klausel B1 der Zusatzbedingungen entnommen werden kann, sind Schäden gedeckt, die durch Massnahmen verfügt wurden, um "die Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Lebensmittel, Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände sowie Wasser aus Schwimmbädern zu verhindern." Zu ersetzen sind also nur Schäden, die aufgrund von Massnahmen entstanden sind, denen der Zweck der Verhinderung dieser Gefährdung der menschlichen Gesundheit ("um...zu") zu Grunde liegt. Dabei müssen die Massnahmen erlassen werden, um die Gefährdung der menschlichen Gesundheit "durch Lebensmittel, Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände sowie Wasser aus Schwimmbädern" zu verhindern.  
Damit wird die Deckung eingeschränkt und fällt nur unter diesen, ausdrücklich genannten Bedingungen in Betracht. Wie das Wort "durch" klar macht, hat die Gefährdung von diesen Sachen als solchen auszugehen, mithin von Lebensmitteln, Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenständen oder Wasser aus Schwimmbädern. Nicht genannt wird in der Klausel die Gesundheitsgefährdung durch Menschen. Ebenso wenig wird eine indirekt kausale Schädigung in der Klausel erwähnt, indem Viren von einem Menschen auf Lebensmittel oder Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände oder in das Wasser aus Schwimmbädern gelangten und von dort aus durch Schmierinfektion weiter übertragen werden. Der Wortlaut der Klausel macht deutlich, dass nur die eigentliche Primärursache für die Gefährdung der menschlichen Gesundheit gemeint sein kann und nicht allfällige Sekundärursachen wie ein Schmierinfekt, dem überdies keine eigenständige Tragweite zukommt, da er mittelbar auf die Primärursache (den infizierten Menschen) zurückzuführen ist. Bereits der einschränkende Wortlaut der Bestimmung B1 der Zusatzbedingungen spricht gegen die Deckung für Schäden aus der Gefährdung der menschlichen Gesundheit aufgrund bloss "indirekter Übertragungswege". Gemäss Wortlaut sind Gesundheitsgefährdungen avisiert, die unmittelbar von Lebensmitteln, Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenständen oder Wasser aus Schwimmbädern ausgehen. 
 
1.4.2. Dieses Ergebnis der Auslegung der Klausel nach dem Wortlaut korrespondiert mit der Bezeichnung und Ausgestaltung des gesamten Versicherungsprodukts. Die Versicherung wird als "Fahrhabeversicherung" bezeichnet und sie ist Teil der "Geschäftsversicherung X.________ Nahrungsmittel". Die Versicherung ist damit Bestandteil einer Betriebsversicherung für den Bereich "Nahrungsmittel". Daraus musste die Beschwerdegegnerin erkennen, dass diese Versicherung das spezifische Risiko im Zusammenhang mit "Nahrungsmitteln" versichert, also Nahrungsmitteln inhärente Gesundheitsrisiken und die damit verbundenen Massnahmen. Unter diesen konkreten Umständen musste die Beschwerdegegnerin daher die Klausel B1 der Zusatzbedingungen nach Treu und Glauben so verstehen, dass die Gefahr unmittelbar von Lebensmitteln, von Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenständen oder vom Wasser aus Schwimmbädern als solchen ausgehen muss.  
 
1.4.3. Daran ändert auch die Ausschlussklausel B2 der Zusatzbedingungen nichts, wonach "Schäden infolge Grippe (Influenza) " von der Versicherungsdeckung ausgeschlossen sind. Richtig ist, dass bei der Interpretation einzelner Worte oder Sätze stets die Gesamtheit der vertraglichen Regelungen und insbesondere die systematische Anordnung der einzelnen Vertragsklauseln zu berücksichtigen ist (vgl. BGE 128 III 265 E. 3a; 122 III 118 E. 2c). In diesem Sinne ist bei einer gesamtheitlichen Auslegung der Deckungsbestimmung B1 der Zusatzbedingungen auch die Ausschlussklausel B2 zu berücksichtigen.  
Entgegen der Vorinstanz und der Beschwerdegegnerin kann aber aus dem blossen Umstand, dass es für den "SARS-Virus bzw. COVID 19" anders als für den Grippevirus keine Ausschlussklausel gibt, nicht geschlossen werden, dass diese ohne Weiteres von der Versicherungsdeckung erfasst sind. Ein nicht genannter Ausschluss von der Versicherungsdeckung muss nicht bedeuten, dass auf der anderen Seite das versicherte Risiko um diesen nicht erwähnten Ausschluss automatisch erweitert wird. Ein solcher Umkehrschluss verbietet sich. Die Versicherungsdeckung für bestimmte Erreger kann auch aus anderen Gründen ausgeschlossen werden, etwa um mögliche Zweifelsfälle zu präzisieren, ohne dass es sich um eine Ausnahme von einer grundsätzlich bestehenden Deckung handelt. Dies hat die Vorinstanz verkannt. 
 
1.4.4. Gestützt auf das Gesagte besteht nach der Klausel B1 der Zusatzbedingungen eine Versicherungsdeckung nur dann, wenn mit den erlassenen Massnahmen eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch von Lebensmitteln, Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen oder Wasser aus Schwimmbädern unmittelbar ausgehende Gefahren verhindert werden sollen. Keine Deckung besteht, wenn die Massnahmen Gesundheitsgefährdungen durch andere Menschen oder durch Schmierinfektionen verhindern sollen.  
 
2.  
Damit bleibt zu entscheiden, ob die Schliessung des Restaurationsbetriebs der Beschwerdegegnerin angeordnet wurde, weil mit den erlassenen Massnahmen eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch von Lebensmitteln, Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenständen oder von Wasser aus Schwimmbädern unmittelbar ausgehende Gefahren verhindert werden sollten. Dafür ist der Zweck der angeordneten Betriebsschliessung im Zeitpunkt der Anordnung zu analysieren. Die Behörde, die am 16. März 2020 die Schliessung von Restaurationsbetrieben ab 17. März 2020 angeordnet hat, ist der Bundesrat, der mit der COVID-19- Verordnung 2 diese Massnahme traf (Art. 6 Abs. 2 lit. b COVID-19-Verordnung 2). 
 
2.1. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Zwecks der vom Bundesrat angeordneten Massnahmen bildet die COVID-19-Verordnung 2. Dessen Art. 6 Abs. 2 bestimmt: "Öffentlich zugängliche Einrichtungen sind für das Publikum geschlossen, namentlich: [...] b. Restaurationsbetriebe". Dazu wird unter dem Titel "Gegenstand und Zweck" der Verordnung in Art. 1 Abs. 1 das Motiv der Massnahmen wie folgt umschrieben: "Diese Verordnung ordnet Massnahmen gegenüber der Bevölkerung, Organisationen und Institutionen sowie den Kantonen an zur Verminderung des Übertragungsrisikos und zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19)." Und weiter in Art. 1 Abs. 2: "Die Massnahmen dienen dazu: a. die Verbreitung des Coronavirus (COVID-19) in der Schweiz zu verhindern oder einzudämmen; b. die Häufigkeit von Übertragungen zu reduzieren, Übertragungsketten zu unterbrechen und lokale Ausbrüche zu verhindern oder einzudämmen; c. besonders gefährdete Personen zu schützen; d. die Kapazitäten der Schweiz zur Bewältigung der Epidemie sicherzustellen, insbesondere zur Aufrechterhaltung der Bedingungen für eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Pflege und Heilmitteln."  
 
2.2. Für die Ermittlung des vom Bundesrat mit seinen Massnahmen verfolgten Zwecks kommt neben der gesetzlichen Grundlage, d.h. der Verordnung selbst, den Erläuterungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) ein entscheidender Stellenwert zu, da darin der Zweck der bundesrätlichen Massnahmen erläutert wird (Erläuterungen zur Verordnung 2 vom 13. März 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus [COVID-19-Verordnung 2], Fassung vom 16. März 2020; Stand: 17. März 2020).  
In diesen Erläuterungen wird unter dem einleitenden Titel "Ausgangslage und Zweck der Verordnung / der Massnahmen" ausgeführt, dass je näher und je länger Personen beieinander seien, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit der Übertragung. Das neue Coronavirus werde hauptsächlich bei engem und längerem Kontakt übertragen. Eine wirksame Massnahme sei demzufolge, Distanz zu halten (engl. social distancing). Am Ende des ersten Titels der Erläuterungen wird der Zweck der Massnahmen wie folgt zusammengefasst: "Die in der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Massnahmen können zusammenfassend wie folgt begründet werden: Massnahmen gegenüber der Bevölkerung zur Verhinderung von grossen Menschenansammlungen an einem definierten Zeitpunkt an einem definierten Ort: man hält sich näher als 2m und länger als 15 Minuten auf (...) " (Erläuterungen, a.a.O, S. 2). 
In den spezifischen Erläuterungen zu Art. 6 Abs. 1 finden sich die einführenden Bemerkungen, dass nur mit einer weitgehenden Minimierung von Menschenansammlungen die weitere Verbreitung des Coronavirus effizient verhindert resp. eingedämmt werden könne. In den Bemerkungen zu Art. 6 Abs. 2, bei denen die öffentlichen Einrichtungen aufgeführt werden, die für das Publikum geschlossen werden, unter anderem Restaurationsbetriebe, "welche eine Verköstigung vor Ort anbieten" (lit. b), heisst es ferner: "Bei all diesen Einrichtungen besteht die Gefahr, dass die Empfehlungen des BAG betreffend Hygiene und soziale Distanz nicht eingehalten werden können. Zudem führen diese Betriebe zu einem erhöhten Mobilitätsaufkommen, was es ebenfalls möglichst einzuschränken gilt" (Erläuterungen, a.a.O, S. 5). 
 
2.3. Aus diesen Belegstellen ergibt sich eindeutig, dass es dem Bundesrat bei den angeordneten Betriebsschliessungen für Restaurationsbetriebe am 16. März 2020 im Wesentlichen darum ging, die Wahrscheinlichkeit der Übertragung des Coronavirus von Mensch zu Mensch zu senken und dafür hauptsächlich grössere Menschenansammlungen über einen längeren Zeitraum zu verhindern. Das geht auch aus der Auflistung der zu schliessenden Betriebe hervor, bei denen es sich im Wesentlichen um solche handelt, in denen das "social distancing" in Innenräumen nicht praktikabel ist (Nachtclubs, Kinos, Theater etc.). Die Problematik der Lebensmittelhygiene oder die unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Lebensmittel, Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstände sowie durch Wasser aus Schwimmbädern wird demgegenüber im Zusammenhang mit den Betriebsschliessungen nach Art. 6 Abs. 2 COVID-19-Verordnung 2 in den Erläuterungen nicht erwähnt.  
 
2.4. Ob der Bundesrat mit den Restaurantschliessungen ab 17. März 2020 auch die Gefahr von Schmierinfektionen (mit) verhindern wollte, diese mithin mitursächlich für diese Massnahme waren, wie dies die Vorinstanz erwog und die Beschwerdegegnerin geltend macht, aber die Beschwerdeführerin verneint, tut hier nach dem oben Ausgeführten nichts zur Sache. Wie oben dargelegt, besteht eine Versicherungsdeckung nach der Klausel B1 der Zusatzbedingungen nur dann, wenn mit den erlassenen Massnahmen eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch von Lebensmitteln oder Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen oder von Wasser aus Schwimmbädern unmittelbar ausgehende Gefahren verhindert werden sollen; Schmierinfektionen sind gerade nicht gedeckt (oben Erwägung 1.4.4). Dass sich aus den Erläuterungen oder anderen Dokumenten dieses Motiv der unmittelbaren Gefährdung durch diese Elemente entnehmen lässt, macht die Beschwerdegegnerin vor Bundesgericht zu Recht nicht geltend.  
 
2.5. Unabhängig davon ist auszuschliessen, dass für den Bundesrat bei der Anordnung der Restaurantschliessungen im März 2020 die Schmierinfektion wirklich eine solche ursächliche Rolle gespielt hätte, wie dies die Vorinstanz erwog und die Beschwerdegegnerin behauptet. Dagegen spricht insbesondere, dass gewisse Verpflegungsangebote, welche notgedrungen nur mit Kontakt des Personals zu Lebensmitteln und Gebrauchs- sowie Verbrauchsgegenständen funktionieren können, weitergeführt werden konnten, so der Betrieb von Hotelrestaurants, Betriebskantinen, Lieferdienste für Mahlzeiten, Imbissbuden und Take Aways (Art. 6 Abs. 3 lit. b COVID-19-Verordnung 2), währenddem weitere Institutionen, die nicht ohne Menschenansammlungen betrieben werden konnten, bei welchen die Lebensmittelhygiene jedoch grundsätzlich kein Thema war, wie beispielsweise Museen, Bibliotheken, Kinos etc. (Art. 6 Abs. 2 lit. d COVID-19-Verordnung 2), schliessen mussten. Dieser Umstand deutet klarerweise darauf hin, dass der Bundesrat mit der Anordnung der Restaurantschliessungen nicht die Schmierinfektionen vor Augen hatte, ansonsten konsequenterweise z.B. auch Take Aways und Lieferdienste hätten geschlossen werden müssen, zumal zahlreiche Restaurationsbetriebe auf einen Take Away-Betrieb umstellen durften.  
 
2.6. Der Zweck der bundesrätlich angeordneten Schliessung der Restaurationsbetriebe mit der COVID-19-Verordnung 2 war somit nicht die Verhinderung der unmittelbaren Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Lebensmittel, Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstände oder Wasser aus Schwimmbädern. Betriebsschliessungen aufgrund der COVID-19-Verordnung 2 sind somit nicht von Klausel B1 der Zusatzbedingungen und damit von der zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherung erfasst.  
 
2.7. Die abgeschlossene Versicherung bietet somit keine Deckung für die bundesrätlich angeordnete Betriebsschliessung der Beschwerdegegnerin. Die Klage der Beschwerdegegnerin ist entsprechend abzuweisen.  
Bei diesem Ergebnis braucht auf die Schadenberechnung der Vorinstanz und die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen nicht eingegangen zu werden. Ebensowenig ist auf die Frage der Deckung bei Teilursächlichkeit einzugehen, bei der ein Schaden gleichzeitig durch eine versicherte und eine nicht versicherte Gefahr bedingt ist. 
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage der Beschwerdegegnerin abzuweisen. Ferner ist die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen (vgl. Art. 67 und 68 Abs. 5 BGG). Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die unterliegende Beschwerdegegnerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 5. Juli 2023 (HG.2020.174-HGK) wird aufgehoben und die Klage der Beschwerdegegnerin (Klägerin) wird abgewiesen. 
Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. Mai 2024 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Brugger