2C_208/2024 08.05.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_208/2024  
 
 
Urteil vom 8. Mai 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Hänni, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rolf Wüthrich, Fürsprecher 
und Bastian Thurneysen, Advokat, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, Eigerstrasse 65, 3003 Bern, 
 
Gegenstand 
Amtshilfe (DBA CH-FR), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 8. April 2024 (A-3961/2022). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die französische Direction Générale des Finances Publiques (nachfolgend: ersuchende Behörde) richtete am 26. Februar 2021 gestützt auf Art. 28 des Abkommens vom 9. September 1966 zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht (DBA CH-FR; SR 0.672.934.91) ein Amtshilfeersuchen betreffend die A.________ an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). Als Informationsinhaberin wurde die B.________ AG mit Sitz in U.________ (Kanton Basel-Landschaft; nachfolgend: schweizerische Gesellschaft) genannt. 
 
A.a. Die ersuchende Behörde erklärte im Amtshilfeersuchen, dass die französische Steuerbehörde bei der A.________ für die Geschäftsjahre vom 1. September 2016 bis 31. August 2019 eine Prüfung durchführe, wobei es um die französische Körperschaftssteuer ("impôt sur les sociétés") gehe. Die A.________ betreibe A.________ Franchise-Filialen in Frankreich und erwerbe den Grossteil ihrer Waren von der schweizerischen Gesellschaft. Die schweizerische Gesellschaft sei bis zum 31. August 2016 Teil derselben Unternehmensgruppe, C.________, gewesen wie die A.________. Am 31. August 2016 sei die schweizerische Gesellschaft an eine andere Unternehmensgruppe, D.________, veräussert worden. Die schweizerische Gesellschaft sei allerdings das einzige Unternehmen, das von D.________ dazu berechtigt sei, A.________ Waren zu kaufen und an die operativen Gesellschaften von C.________ sowie an die Vertriebsgesellschaften von D.________ weiterzuveräussern. Nach dem 31. August 2016 habe die A.________ keine Verrechnungspreisdokumentation mehr vorgelegt. Folglich wolle die ersuchende Behörde überprüfen und sicherstellen, dass der Preis, zu dem die A.________ von der schweizerischen Gesellschaft Waren kaufe, dem Fremdvergleichspreis entspreche, und die Waren nicht zu einem überhöhten Preis beziehe.  
 
A.b. Die ESTV erkundigte sich mit Schreiben vom 19. März 2021 und 26. April 2021 bei der ersuchenden Behörde über die voraussichtliche Erheblichkeit der ersuchten Informationen und wies dabei auf den Umstand hin, dass die A.________ und die schweizerische Gesellschaft gemäss Sachverhaltsdarstellung im Ersuchen für den ersuchten Zeitraum nicht mehr derselben Unternehmensgruppe angehören würden. In der Rückmeldung vom 6. Mai 2021 führte die ersuchende Behörde aus, dass die A.________ und die schweizerische Gesellschaft für den ersuchten Zeitraum zwar nicht kapitalmässig derselben Unternehmensgruppe angehörten, aber eine wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen ihnen bestünde. Nach dem anwendbaren, internen (französischen) Recht würden beide Gesellschaften daher weiterhin als verbunden gelten.  
 
B.  
Mit Schlussverfügung vom 12. August 2022 erkannte die ESTV, dass der ersuchenden Behörde Amtshilfe betreffend die A.________ zu leisten sei und die ersuchten Informationen zu übermitteln seien. 
Die von der A.________ gegen die Schlussverfügung vom 12. August 2022 erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 8. April 2024 ab, soweit es darauf eintrat (zugestellt am 15. April 2024). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 25. April 2024 gelangt die A.________ an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Urteils vom 8. April 2024. Es sei die Amtshilfe zu verweigern. Eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 147 I 89 E. 1; 146 II 276 E. 1). 
 
1.1. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 139 II 340 E. 4).  
Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann - namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_108/2024 vom 21. Februar 2024 E. 1.1). 
 
1.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass sie und die schweizerische Gesellschaft verbundene Unternehmen im Sinne von Art. 9 DBA CH-FR seien. Mangels Verbundenheit im Sinne von Art. 9 DBA CH-FR fehle es an der voraussichtlichen Erheblichkeit der ersuchten Informationen. Es stelle sich folglich die Rechtsfrage, ob nach dem schweizerischen Staatsvertragsrecht Art. 9 DBA CH-FR vorliegend Anwendung finde und die von den französischen Behörden geltend gemachte innerstaatliche Definition von Verbundenheit zu einer abkommenswidrigen Besteuerung führe. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist der Informationsaustausch nach Art. 28 Abs. 1 DBA CH-FR unzulässig, da er eine abkommenswidrige Besteuerung zur Folge habe. Das Bundesgericht, so die Beschwerdeführerin weiter, habe sich bisher nicht zur Frage geäussert, ob Art. 9 DBA CH-FR im Zusammenhang mit dem Informationsaustausch gemäss Art. 28 DBA CH-FR eine Sperrwirkung entfalte.  
 
1.3. Art. 9 DBA CH-FR lautet wie folgt:  
Wenn 
 
a) ein Unternehmen eines Vertragsstaates unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder am Kapital eines Unternehmens des anderen Vertragsstaates beteiligt ist, oder 
 
b) dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder am Kapital eines Unternehmens eines Vertragsstaates und eines Unternehmens des anderen Vertragsstaates beteiligt sind, 
 
und in diesen Fällen zwischen den beiden Unternehmen hinsichtlich ihrer kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen Bedingungen vereinbart oder auferlegt werden, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden. 
 
 
1.4. Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Rechtsfrage im Kontext der Überprüfung der Verrechnungspreise sowie zu Art. 9 DBA CH-FR betrifft im Wesentlichen das Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit sowie das völkerrechtliche Vertrauensprinzip.  
 
1.4.1. Das Bundesgericht hat sich schon verschiedentlich zur Überprüfung der Verrechnungspreise im Rahmen der internationalen Amtshilfe in Steuersachen geäussert (vgl. BGE 143 II 185 E. 2 ff.; Urteile 2C_282/2021 vom 15. Juni 2022 E. 1.2.2; 2C_455/2021 vom 31. Mai 2022 E. 1.2.2). Dabei hat das Bundesgericht festgehalten, dass die ersuchten Informationen das Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit erfüllen, wenn die ersuchende Behörde auf die Anwendung der internen Verrechnungspreisvorschriften des ersuchenden Staats abzielt (vgl. Urteile 2C_481/2021 vom 19. Mai 2022 E. 7.5 ["les prix de transfert pratiqués aux fins de l'application de sa législation fiscale interne"]; 2C_690/2015 vom 15. März 2016 E. 3.3 ["l'application des règles internes de l'Etat requérant en matière de prix de transfert"]). Diese Erwägung deckt sich mit der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach sich der ersuchte Staat im Rahmen des Amtshilfeverfahrens nicht zum innerstaatlichen Steuer- und Verfahrensrecht des ersuchenden Staats zu äussern hat. Für die voraussichtliche Erheblichkeit reicht vielmehr aus, dass die ersuchten Informationen für eine Verwendung im ausländischen Verfahren als potenziell geeignet erscheinen (vgl. BGE 144 II 206 E. 4.3; Urteil 2C_109/2022 vom 30. Januar 2023 E. 4.2.1). Die Vorinstanz erwägt denn auch, die ersuchten Informationen würden der ersuchenden Behörde vorliegend bei der Anwendung der innerstaatlichen Verrechnungspreisvorschriften dienen (vgl. E. 3.2.1.3 des angefochtenen Urteils). Dass die ersuchten Informationen für diesen Besteuerungszweck nicht geeignet seien, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. Folglich liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG vor. Soweit die Beschwerdeführerin die französischen Verrechnungspreisvorschriften und die darin enthaltene innerstaatliche Definition der Verbundenheit als abkommenswidrig kritisiert, hat sie dies, wie das Bundesgericht in seiner ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, vor den Behörden des ersuchenden Staats geltend zu machen (vgl. BGE 144 II 206 E. 4.6; 142 II 161 E. 2.2; 142 II 218 E. 3.6 f.; Urteil 2C_241/2016 vom 7. April 2017 E. 5.4).  
 
1.4.2. Ausserdem ergibt sich aus dem völkerrechtlichen Vertrauensprinzip, dass sich der ersuchte Staat grundsätzlich auf die Angaben zu verlassen hat, die ihm der ersuchende Staat mitteilt (zum völkerrechtlichen Vertrauensprinzip siehe BGE 146 II 150 E. 7.1; 144 II 206 E. 4.4). Vorliegend erkundigte sich die ESTV bei der ersuchenden Behörde, ob die Beschwerdeführerin und die schweizerische Gesellschaft nach wie vor als verbunden gelten würden, was die ersuchende Behörde in ihrer Rückmeldung vom 6. Mai 2021 ausdrücklich bestätigte (vgl. Bst. A.b hiervor). Die Vorinstanz hält vor diesem Hintergrund fest, dass die Vermutung der Verbundenheit der beiden Gesellschaften nicht aufgrund konkreter, nachgewiesener Anhaltspunkte umgestossen worden sei (vgl. E. 3.2.2 des angefochtenen Urteils). Auch vor Bundesgericht bringt die Beschwerdeführerin keine konkreten Anhaltspunkte vor, die die Auskunft der ersuchenden Behörde in Zweifel ziehen würden (vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1; 144 II 206 E. 4.4). Ohnehin würde eine solche Beanstandung die vorinstanzliche Anwendung des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips im vorliegenden Einzellfall betreffen und keine Grundsatzfrage im Sinne von Art. 84a BGG aufwerfen.  
 
1.5. Im Ergebnis ist die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob sich der ersuchende Staat im Rahmen seiner internen Besteuerung von vornherein an die in Art. 9 DBA CH-FR enthaltenen Vorgaben halten müsse (Sperrwirkung) oder sich auf sein innerstaatliches Recht berufen könne (keine Sperrwirkung) nicht im Rahmen eines Amtshilfeverfahrens zu klären. Die Frage betrifft die materielle Beurteilung der Angelegenheit im Rahmen des französischen Steuerverfahrens und richtete sich gegen die dortige Anwendung der internen Verrechnungspreisvorschriften. Es liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG vor, weshalb auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten ist.  
 
2.  
Diesem Verfahrensausgang entsprechend trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Mai 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger