5A_14/2024 09.04.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_14/2024  
 
 
Urteil vom 9. April 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Bundesrichterin De Rossa, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, 
Poststrasse 25, 3071 Ostermundigen KATA. 
 
Gegenstand 
Zahlungsbefehl, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 11. Dezember 2023 (ABS 23 391). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ wurde von der B.________ AG für eine Forderung von Fr. 49.55 (zzgl. Kosten) betrieben (Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamts Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland). Der Zahlungsbefehl vom 19. Oktober 2023 wurde ihm am 30. Oktober 2023 zugestellt, worauf er gleichentags Rechtsvorschlag erhob. 
 
B.  
 
B.a. Mit Schreiben vom 9. November 2023 (Postaufgabe 13. November 2023) erhob A.________ ausserdem Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern als einzige Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (fortan: Aufsichtsbehörde) und beantragte, der Zahlungsbefehl sei für nichtig zu erklären (Rechtsbegehren 1), er sei aufzuheben (Rechtsbegehren 2) und das Betreibungsamt sei zu verpflichten, allfällige Einträge im Betreibungsregister zu löschen (Rechtsbegehren 4).  
 
B.b. Im Rahmen der Instruktion teilte das Betreibungsamt dem Obergericht mit, die Gläubigerin habe ihm mitgeteilt, A.________ habe die in Betreibung gesetzte Forderung vollständig bezahlt.  
 
B.c. Das Obergericht trat auf das Rechtsbegehren 4 nicht ein und schrieb das Beschwerdeverfahren zufolge Gegenstandslosigkeit ab (Entscheid vom 11. Dezember 2023; zugestellt am 20. Dezember 2023).  
 
C.  
Mit Eingabe vom 2. Januar 2023 (recte: 2024) wendet sich A.________ (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. In der Sache beantragt er, es sei festzustellen, dass der Zahlungsbefehl nichtig sei (Rechtsbegehren 3); ferner sei festzustellen, dass der Entscheid des Obergerichts nichtig sei (Rechtsbegehren 4); sofern der Entscheid des Obergerichts nicht nichtig sei, sei er aufzuheben (Rechtsbegehren 5) und es sei ihm Einsicht in alle Verfahrensakten inkl. Protokolleinträge des Betreibungsamts zu geben (Rechtsbegehren 6); alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (Rechtsbegehren 7). 
Mit Verfügung vom 5. Januar 2024 wies das Bundesgericht das Gesuch um aufschiebende Wirkung (Rechtsbegehren 2) mangels Begründung ab. 
Im Zusammenhang mit dem Gesuch des Beschwerdeführers um "Einsicht in alle Verfahrensakten" (Rechtsbegehren 6) hat ihn das Bundesgericht dahin informiert, dass es die dem Obergericht vorliegenden Akten beziehe und er die Möglichkeit habe, das Dossier vor Ort zu konsultieren und diesbezüglich einen Termin mit der Kanzlei der II. zivilrechtlichen Abteilung zu vereinbaren. Soweit das Einsichtsgesuch auch andere Akten des Betreibungsamts betreffen sollte, müsse er sich direkt an das Betreibungsamt wenden. Der Beschwerdeführer hat von der Möglichkeit, die Akten beim Bundesgericht einzusehen, keinen Gebrauch gemacht. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen ist die Beschwerde in Zivilsachen streitwertunabhängig gegeben (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hat als Schuldner ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids und ist insoweit zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerde vom 2. Januar 2024 hat er innert Frist eingereicht (Art. 100 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. c BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist das zutreffende Rechtsmittel. 
 
2.  
 
2.1. Das Obergericht erwog, gemäss den unbestritten gebliebenen Ausführungen des Betreibungsamtes habe der Beschwerdeführer die offene Betreibung samt Kosten an die Gläubigerin bezahlt. Die Gläubigerin habe diese Zahlung dem Betreibungsamt mit Schreiben vom 14. November 2023 angezeigt und den Antrag gestellt, die Betreibung sei "als erledigt" zu betrachten. Das Schreiben enthalte zudem die Formulierung, wonach es "lediglich als Information und nicht als Rückzug gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. c SchKG zu betrachten ist". Im Gegensatz zur Bezahlung der Forderungssumme samt Zins und Kosten beim Betreibungsamt führe die direkte Zahlung an die Gläubigerin nicht zum Erlöschen der Betreibung. Allerdings sei die Anzeige der Gläubigerin, mit der sie dem Betreibungsamt die an sie direkt geleistete Zahlung des Schuldners zur Kenntnis bringt, als Verzicht auf die Weiterführung des Vollstreckungsverfahrens zu werten. Mit dem Verzicht der Gläubigerin auf die Weiterführung der Betreibung entfalle das schutzwürdige Interesse des Beschwerdeführers an der Feststellung der Nichtigkeit bzw. der eventualiter beantragten Aufhebung des Zahlungsbefehls: Das Betreibungsverfahren werde nicht mehr weitergeführt, weshalb auch kein schutzwürdiges Interesse mehr an der Korrektur von früher ergangenen Verfahrenshandlungen bestehe. Eine solche Korrektur würde keinem praktischen Verfahrenszweck mehr dienen. Das Beschwerdeverfahren sei daher insoweit, d.h. betreffend die Beschwerdebegehren 1 und 2 als gegenstandslos abzuschreiben.  
 
2.2. Rechtsschriften haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). In der Beschwerdebegründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdebegründung muss sachbezogen sein und sich auf den Streitgegenstand beziehen und beschränken; der Beschwerdeführer hat in gezielter Auseinandersetzung mit den für das Ergebnis des angefochtenen Entscheids massgeblichen Erwägungen aufzuzeigen, welche Rechte bzw. Rechtsnormen die Vorinstanz verletzt haben soll (BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2). Auf ungenügend begründete Beschwerden tritt das Bundesgericht nicht ein, ohne dass der Beschwerdeführer Gelegenheit zur Verbesserung erhält (BGE 134 III 102 E. 1.1; Urteil 5A_92/2008 vom 25. Juni 2008 E. 2.3).  
 
2.3. Der Beschwerdeführer setzt sich nicht mit den oben in E. 2.1 in extenso wiedergegebenen Erwägungen des Obergerichts auseinander und legt dementsprechend nicht dar, weshalb diese bundesrechtswidrig sein sollen. Insofern ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.  
 
2.4. Selbst wenn auf die Beschwerde einzutreten wäre, wäre ihr kein Erfolg beschieden.  
 
2.4.1. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), weil der Beschwerdeführer vor dem Erlass des Zahlungsbefehls nicht angehört worden sei, ist unbegründet. Weder ist im SchK-Verfügungsverfahren allgemein vor jeder Verfügung eine formelle Stellungnahme der Parteien einzuholen (MEIER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021, N. 66 vor Art. 17-21), noch hat der Schuldner einen besonderen Anspruch, vor der Ausstellung des Zahlungsbefehls angehört zu werden. Vielmehr hat das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl gestützt auf das Betreibungsbegehren zu erlassen (Art. 69 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG) und diesen dem Schuldner zuzustellen (Art. 71 Abs. 1 SchKG). Dieser kann dagegen Rechtsvorschlag erheben (Art. 74 SchKG). Abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen bedarf der Rechtsvorschlag keiner Begründung (Art. 75 Abs. 1 SchKG). Der Rechtsvorschlag bewirkt die Einstellung der Betreibung (Art. 78 Abs. 1 SchKG). Ab diesem Moment liegt die Verantwortung für die Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens allein beim Gläubiger. Er kann, je nach Ausgangslage, seinen Anspruch im Zivilprozess oder im Verwaltungsverfahren geltend machen und die Beseitigung des Rechtsvorschlags verlangen (Art. 79 SchKG) oder beim Richter die provisorische oder definitive Aufhebung des Rechtsvorschlags beantragen (Art. 80 ff. SchKG). Mit der voraussetzungslosen Möglichkeit, Rechtsvorschlag zu erheben, sind die Interessen des Schuldners genügend geschützt. Im Übrigen kann ein Zahlungsbefehl erwirkt werden, unabhängig davon ob tatsächlich eine Schuld besteht oder nicht (vgl. Art. 38 und Art. 67 SchKG; BGE 125 III 149 E. 2a; 113 III 2 E. 2b; Urteil 5A_1020/2018 vom 11. Februar 2019 E. 5.1), und es steht weder dem Betreibungsamt noch der Aufsichtsbehörde zu, die materielle Begründetheit der in Betreibung gesetzten Forderung zu beurteilen (BGE 140 III 481 E. 2.3.1). Auch aus diesen Gründen besteht kein Anlass, den Schuldner vor der Ausstellung des Zahlungsbefehls anzuhören.  
 
2.4.2. Unrichtig ist die Behauptung des Beschwerdeführers, das Betreibungsamt habe den Zahlungsbefehl als nichtig bzw. unrichtig anerkannt und diesen zurückgezogen. Es trifft zwar zu, dass die Ausführungen des Betreibungsamts nicht in allen Teilen leicht verständlich sind. Indes erklärte es den Zahlungsbefehl an keiner Stelle als "zurückgezogen", sondern führte vielmehr aus, "[d]urch die Bezahlung der Betreibung hat sich das Betreibungsverfahren erledigt". Zu dieser Ansicht ist auch das Obergericht gelangt (vgl. oben E. 2.1), wobei es bei der Erkenntnis bleibt, dass die direkte Zahlung der betriebenen Forderung an die Gläubigerin weder zum Erlöschen noch zur Nichtigkeit der Betreibung führt.  
 
2.4.3. An der Sache vorbei zielt sodann der Einwand, sein Gesuch um Vorlegung von Beweisen durch die Gläubigerin sei verweigert worden. Zwar kann ein Schuldner jederzeit nach Einleitung der Betreibung verlangen, dass der Gläubiger aufgefordert wird, die Beweismittel für seine Forderung zusammen mit einer Übersicht über alle gegenüber dem Schuldner fälligen Ansprüche beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen (Art. 73 Abs. 1 SchKG). Indes hat die Aufforderung weder eine Auswirkung auf die Gültigkeit des Zahlungsbefehls noch auf laufende Fristen. Falls der Gläubiger der Aufforderung nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen ist, berücksichtigt das Gericht beim Entscheid über die Prozesskosten in einem nachfolgenden Rechtsstreit den Umstand, dass der Schuldner die Beweismittel nicht hat einsehen können (Art. 73 Abs. 2 SchKG). Dasselbe - keine Auswirkungen auf die Gültigkeit des Zahlungsbefehls und die laufenden Fristen - gilt, falls das Betreibungsamt der Aufforderung an den Gläubiger zur Einreichung der Unterlagen keine Folge leisten sollte.  
 
2.4.4. Untauglich ist auch der Hinweis des Beschwerdeführers, er habe die Forderung der Gläubigerin am 20. Oktober 2023 und damit vor der Zustellung des Zahlungsbefehls und sogar vor der Übergabe desselben an die Post bezahlt. Selbst wenn es sich so zugetragen haben sollte, wie der Beschwerdeführer behauptet, vermöchte er daraus nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Er schliesst nämlich nicht aus, dass die Gläubigerin das Betreibungsbegehren vor Eingang der Zahlung gestellt hat. Haben sich aber das Betreibungsbegehren und die Zahlung gleichermassen gekreuzt, führt dies nicht zur Nichtigkeit des Zahlungsbefehls.  
 
2.4.5. Nichts auszurichten vermag der Beschwerdeführer schliesslich mit der Rüge, das Schreiben der Gläubigerin vom 14. November 2013 sei als Verzicht auf die Beseitigung des Rechtsvorschlags zu interpretieren, denn es bleibt unklar, was genau der Beschwerdeführer damit erreichen will. Das Obergericht hat das besagte Schreiben als Verzicht der Gläubigerin auf die Weiterführung des Vollstreckungsverfahrens gewertet (oben E. 2.1). Damit hätte die Gläubigerin offensichtlich kein (schützenswertes) Interesse daran, den Rechtsvorschlag in einem (ordentlichen) Zivilprozess beseitigen (Art. 79 SchKG) oder in einem Rechtsöffnungsverfahren aufheben zu lassen (Art. 80 ff. SchKG). Bei dieser Ausgangslage kommt der Frage, ob die Gläubigerin mit ihrem Schreiben auf eine Beseitigung des Rechtsvorschlags verzichtet hat, keine Relevanz zu.  
 
2.4.6. Wie das Obergericht in E. 5.3 des angefochtenen Entscheids zutreffend ausführt, ist eine Betreibung nichtig, wenn der Betriebene infolge fehlerhafter Zustellung des Zahlungsbefehls davon keine Kenntnis erhalten hat (BGE 128 III 101 E. 1b), während der Zahlungsbefehl seine Wirkung entfaltet, wenn der Betriebene trotz fehlerhafter Zustellung von diesem Kenntnis erlangt (BGE 128 III 101 E. 2). Dass der streitgegenständliche Zahlungsbefehl nicht in seine Hände gelangt wäre, behauptet der Beschwerdeführer zu Recht nicht.  
 
2.4.7. Nach dem Ausgeführten haftet dem in der Betreibung Nr. xxx ausgestellten Zahlungsbefehl vom 19. Oktober 2023 weder der Makel der Ungültigkeit noch der Nichtigkeit an (Rechtsbegehren 3). Dasselbe gilt hinsichtlich des angefochtenen Entscheids (Rechtsbegehren 4 und 5).  
 
2.5. Soweit sich der Beschwerdeführer zur Löschung des Eintrags im Betreibungsregister äussert, kann auf die unbestritten gebliebenen Ausführungen des Obergerichts in E. 5.2 des angefochtenen Entscheids verwiesen werden.  
 
3.  
Zusammengefasst kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Der Beschwerdeführer unterliegt und wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind hingegen keine geschuldet (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. April 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante