9C_502/2021 04.08.2022
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_502/2021  
 
 
Urteil vom 4. August 2022  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
nebenamtlicher Bundesrichter Kradolfer, 
Gerichtsschreiberin N. Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Christine Fleisch, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Valideneinkommen; Invalideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Juli 2021 (IV.2020.00332). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1960 geborene A.________ meldete sich im November 2010 wegen Beschwerden am rechten Knie infolge eines am 23. März 2010 erlittenen Unfalls bei der Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich gewährte in der Folge unter anderem Kostengutsprache für ein Praktikum bei der B.________ AG. Angesichts der Anstellung per 1. Januar 2013 als Mitarbeiter Submission bei der B.________ AG teilte die Verwaltung dem Versicherten mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 mit, die Arbeitsvermittlung sei erfolgreich abgeschlossen; er sei rentenausschliessend eingegliedert.  
 
A.b. Im März 2015 reichte der Versicherte erneut eine Anmeldung zum Leistungsbezug bei der IV ein. Die Verwaltung veranlasste daraufhin verschiedene Abklärungen, insbesondere liess sie A.________ durch die Swiss Medical Assessment- and Business-Center (SMAB) AG, St. Gallen, polydisziplinär begutachten (Expertise vom 18. April 2019). Gestützt darauf verneinte die IV-Stelle nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren mit Verfügung vom 25. März 2020 einen Anspruch auf eine Rente.  
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich teilweise gut und stellte in Abänderung der angefochtenen Verfügung fest, der Versicherte habe Anspruch auf eine befristete ganze Rente vom 1. Februar 2017 bis 30. September 2018 (Urteil vom 29. Juli 2021). 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sei ihm eine ganze Rente vom 1. Februar 2017 bis 30. September 2018 und eine halbe Rente - eventualiter eine Viertelsrente - ab 1. Oktober 2018 zuzusprechen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4). 
 
2.  
 
2.1. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie feststellte, der Beschwerdeführer habe ab 1. Oktober 2018 keinen Rentenanspruch mehr. Dabei ist die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung aufgrund des als beweiskräftig eingestuften Gutachtens der SMAB vom 18. April 2019 unbestritten geblieben, der Beschwerdeführer sei in der angestammten Tätigkeit als Baufacharbeiter/Polier seit dem Unfall im März 2010 nicht mehr arbeitsfähig und in einer angepassten Tätigkeit bestehe eine Arbeitsfähigkeit von 65 %. Auf weitere Ausführungen hierzu kann verzichtet werden, da diese tatsächlichen Feststellungen auch nicht offensichtlich unrichtig erscheinen. Strittig ist hingegen der Einkommensvergleich.  
 
2.2. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze hierzu zutreffend wiedergegeben. Dies gilt namentlich für die Erwägungen zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG in der hier massgebenden und bis zum 31. Dezember 2021 gültigen Fassung; BGE 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) und zur Ermittlung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28a Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 16 ATSG), insbesondere zur Bemessung der hypothetisch erzielbaren Vergleichseinkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen [BGE 144 I 103 E. 5.3 mit Hinweisen]) und mit Invalidität (Invalideneinkommen [vgl. BGE 143 V 295 E. 2.2] inkl. Abzug vom Tabellenlohn [vgl. BGE 146 V 16 E. 4.1]). Darauf wird verwiesen.  
 
2.3. Die Feststellung der beiden hypothetischen Vergleichseinkommen stellt sich als Tatfrage dar, soweit sie auf konkreter Beweiswürdigung beruht, hingegen als Rechtsfrage, soweit sich der Entscheid nach der allgemeinen Lebenserfahrung richtet. Letzteres betrifft etwa die Frage, ob Tabellenlöhne anwendbar sind, welches die massgebliche Tabelle und ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Leidensabzug vorzunehmen ist (BGE 143 V 295 E. 2.4; 132 V 393 E. 3.3).  
 
3.  
 
3.1.  
 
3.1.1. Der Beschwerdeführer beanstandet, dass die Vorinstanz beim Valideneinkommen von den Lohnabgaben der C.________ GmbH bzw. der späteren D.________ AG ausging, habe er diese Stelle doch erst nach dem Unfall vom 23. März 2010 angetreten. Er ist der Auffassung, es sei beim Valideneinkommen der letzte Lohn vor dem Unfall bei der E.________ AG heranzuziehen. Eventualiter macht er mit Blick auf seine Ausbildung als Baufacharbeiter und die absolvierte Meisterprüfung zum geprüften Polier Hochbau sinngemäss geltend, dass auf den Tabellenlohn des Kompetenzniveaus 2 abzustellen sei.  
 
3.1.2. Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer sei seit dem 22. März 2010, mithin dem Vortag des Unfalls, in einem Rahmenarbeitsvertrag mit der E.________ AG gestanden, wobei ab dem genannten Datum ein maximal dreimonatiger Einsatz als Polier bei der Firma F.________ vorgesehen gewesen sei. Angesichts des längstens auf drei Monate befristeten temporären Einsatzes könne das Valideneinkommen nicht anhand des erzielten Stundenlohns ermittelt werden. Diese Erwägung ist bundesrechtskonform, ist doch mit Blick auf den befristeten Einsatz nicht davon auszugehen, dass die vor dem Unfall ausgeübte Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden im Zeitpunkt des Rentenbeginns noch fortgesetzt worden wäre (vgl. BGE 135 V 58 E. 3.1 mit Hinweisen; vgl. Urteil 9C_401/2018 vom 6. November 2018 E. 5.2.2). Aus dem gleichen Grund ist auch der nach dem Unfall erzielte Lohn bei der C.________ GmbH bzw. der späteren D.________ AG für das Valideneinkommen nicht ohne Weiteres aussagekräftig, lässt sich doch aus einer befristeten Anstellung nichts Grundsätzliches für das hypothetische Einkommen ohne Gesundheitsschaden ableiten. Die Vorinstanz hat vorliegend jedoch aufgezeigt, weshalb dieses Einkommen, das geringfügig über dem Tabellenlohn des Kompetenzniveaus 1 für männliche Arbeitskräfte im Baugewerbe liege, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers widerspiegelt. Sie hat nämlich ein höheres Valideneinkommen mit Blick auf die Erwerbsbiografie des Beschwerdeführers verneint. Dies mit der Begründung, diesem sei es während seiner knapp vierjährigen Erwerbstätigkeit in der Schweiz bis zum Unfall nicht gelungen, einen seiner im Ausland erworbenen Ausbildung entsprechenden Lohn zu realisieren. Damit ist nachvollziehbar und bundesrechtskonform dargetan, weshalb hier der Tabellenlohn des Kompetenzniveaus 2 nicht anzuwenden ist. Denn auf Erfahrungs- und Durchschnittswerte ist nur unter Mitberücksichtigung der für die Entlöhnung im Einzelfall relevanten persönlichen und beruflichen Faktoren abzustellen (BGE 144 I 103 E. 5.3), wobei nicht massgebend ist, was die versicherte Person bestenfalls verdienen könnte (BGE 135 V 58 E. 3.1). Die Vorinstanz verletzte somit kein Bundesrecht, indem sie kein Fr. 69'560.40 übersteigendes Valideneinkommen berücksichtigte.  
 
3.2.  
 
3.2.1. In einem nächsten Schritt ist auf das Invalideneinkommen einzugehen. Dabei ist nicht in Frage gestellt, dass dieses anhand des Tabellenlohnes (LSE 2016, Männer, Total, Kompetenzniveau 1) zu bestimmen ist. Strittig ist aber, ob ein Abzug davon vorzunehmen ist. Die Vorinstanz verneinte dies, wohingegen der Beschwerdeführer mit Blick auf das Ausmass der Behinderung, das Zumutbarkeitsprofil, das Alter und den Beschäftigungsgrad sowie die schwer kalkulierbaren Absenzen eine Reduktion des Tabellenlohns von 15 % fordert.  
 
3.2.2. Vorab ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer aus dem statistischen Gutachten "Nutzung Tabellenmedianlöhne LSE zur Bestimmung der Vergleichslöhne bei der IV-Rentenbemessung" des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS AG) vom 8. Januar 2021 nichts zu seinen Gunsten ableiten kann, hat sich doch das Bundesgericht mit diesem Gutachten erst kürzlich auseinandergesetzt (BGE 148 V 174) und die bisherige Rechtsprechung bestätigt. Angesichts der Vorbringen in der Beschwerde besteht kein Anlass, im hier zu beurteilenden Fall anders zu entscheiden. Es ist somit nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz unter Berücksichtigung des Einzelfalls prüfte, inwiefern ein Abzug vom Tabellenlohn gerechtfertigt ist.  
 
3.2.3. Der Beschwerdeführer kann gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen eine angepasste Tätigkeit noch sieben Stunden pro Tag verrichten, wobei zusätzlich noch eine Leistungsminderung von 20 % vorliegt, sodass insgesamt eine Arbeitsfähigkeit von 65 % resultiert. Gemäss dem vom kantonalen Gericht als beweiskräftig eingestuften Gutachten der SMAB vom 18. April 2019 kann der Beschwerdeführer körperlich leichte, überwiegend sitzende Tätigkeiten mit der Möglichkeit von eigengewählten Positionswechseln ausführen. Arbeiten auf unebenem Gelände, Leitern oder Gerüsten, überkopf, in kniender, kauernder oder gebückter Haltung seien zu vermeiden bzw. nicht zumutbar. Von psychiatrischer Seite bestünden leichte Einschränkungen im Bereich der Flexibilität, Umstellung, Entscheidungsfreiheit, selbstständigen Planung und Führung von Mitarbeitern. Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie angesichts dieser qualitativen Einschränkungen implizit von einem genügend breiten Spektrum an zumutbaren Verweistätigkeiten auf dem massgeblichen ausgeglichenen Arbeitsmarkt ausging (vgl. Urteil 8C_270/2021 vom 1. Dezember 2021 E. 3.2 und E. 6.2). Ebenso ist nicht zu beanstanden, dass sie den vom Beschwerdeführer geltend gemachten schwer kalkulierbaren Absenzen wegen der Rückenschmerzen entgegenhielt, den Limitierungen sei bereits mit dem von den Gutachtern erstellten und berücksichtigten Belastbarkeitsprofil Rechnung getragen. Ebenso wirken sich in einer Hilfsarbeitertätigkeit die qualitativen psychischen Beeinträchtigungen, die nur leichtgradig sind, nicht massgeblich lohnmindernd aus (vgl. Urteil 9C_266/2017 vom 29. Mai 2018 E. 3.4.2). Nichts zu seinen Gunsten kann der Beschwerdeführer aus dem ihm noch zumutbaren Beschäftigungsgrad ableiten. Diesbezüglich ist vorab festzuhalten, dass die verminderte Leistungsfähigkeit schon bei der medizinischen Beurteilung der Arbeitsfähigkeit berücksichtigt wurde und in die Bemessung des Abzugs nicht nochmals einfliessen darf (vgl. BGE 146 V 16 E. 4.1). Beim Kriterium "Beschäftigungsgrad" ist daher eine täglich zumutbare Arbeitszeit von sieben Stunden massgeblich (vgl. Urteil 9C_488/2021 vom 10. Januar 2022 E. 3.2.2), was bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41,7 Stunden einem Pensum von etwas mehr als 80 % entspricht und das statistisch betrachtet zu keiner Lohneinbusse führt (vgl. LSE 2016, T18, Männer, ohne Kaderfunktion). Mit dem kantonalen Gericht ist deshalb festzuhalten, dass aufgrund des noch zumutbaren Arbeitspensums keine Reduktion vom Tabellenlohn angezeigt ist. Weiter zeigte die Vorinstanz mit Verweis auf die Statistik zutreffend auf, dass auch das Alter - der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der Anmeldung zum Leistungsbezug noch nicht ganz 55 bzw. im Verfügungszeitpunkt noch nicht ganz 60 Jahre alt - keinen Abzug rechtfertigt. Daran ändert das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die Stellensuche altersbedingt erschwert sei, als invaliditätsfremder Faktor nichts (BGE 146 V 16 E. 7.2.1; Urteil 8C_239/2021 vom 4. November 2021 E. 5.3).  
 
3.3. Nach dem Dargelegten sind die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rügen unbegründet, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.  
 
4.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. August 2022 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Möckli